Mekong
Leben Bagan
Was möchtest du denn sehen? Fragt mich mein Taxifahrer am Morgen.
Alles was du mir zeigen kannst. Ich habe ein paar Pagoden bereits besucht, aber ich kann keine Namen sagen. Und wenn es noch etwas anderes als Pagoden zu sehen gibt, bin ich auch interessiert.
Wir starten. Mit einer der grossen Pagoden. Jede hat eine andere Prägung, auch wenn alle auf den ersten Blick ähnlich scheinen.
Die erste, die wir besuchen gefällt mir schon mal, weil da keine Verkaufsstände davor stehen, da werde ich wenigstens nicht dauernd angesprochen. Die ganze Pagode scheint ziemlich mitgenommen zu sein. Erdbeben, hat mir der Taxifahrer gesagt. Beim letzten Beben vor ein paar Jahren wurden viele Pagoden und Tempel beschädigt. Einige wurden restauriert, andere wenigstens soweit abgestützt, dass der Rest stehen bleibt.
Auch diese Pagode wird von Bambusgerüsten gehalten.
Hast du die schönen Wandmalereien beachtet?
Ein junger Mann steht da, ich weiche aus, aber er bleibt hartnäckig. Schau hier, die ganze Wand ist voller Bilder aus dem Leben von Buddha. Man kann hier auch noch gut die Originalfarben erkennen.
Nein, keine Angst, ich bin kein Guia, ich will kein Geld, ich bin immer hier und habe gern Kontakt mit Fremden. Mein Onkel arbeitet hier als Archäologe.
Er macht mich auf viele Details aufmerksam. Auch die Fassade weist sehr feine Stuckaturen auf und eine der Statuen beim Eingang ist bereits neu aufgebaut.
Nachdem wir die Pagode innen und aussen bestaunt haben, meint er, ich solle mir auch noch das Kloster nebenan ansehen. Da sitzt wieder einmal ein Mönch in lebensechter Ausführung, so dass ich auf den ersten Moment zurückschrecke.
Ist der echt?
Warum ist der hier? Betet ihr ihn an?
Nein, wir verehren ihn.
Ist Buddha Gott?
Nein, Buddha ist der Lehrer, er ist nicht Gott. Aber er hat den Weg ins Nirvana geschafft, er ist da wo wir alle hinwollen. Darum verehren wir ihn. Ja, wir beten zu ihm, wir bitten, wir erweisen ihm unsere Ehre. Aber wir beten ihn nicht an. Auch verstorbene Mönche, werden verehrt, wenn sie weise Gelehrte waren.
Ganz klar ist mir das mit dem Anbeten nicht. Soviel Ehrerbietung einem Lehrer gegenüber. Überall knien die Menschen nieder vor Buddha, verneigen sich mit gefalteten Händen. Bringen Gaben, Geld, kleben Goldplättchen an die Statuen.
Wir sind bereits eine Viertelstunde im Gespräch, als die Frage kommt, die eigentlich schon lange in der Luft lag.
Möchtest du ein paar meiner Bilder sehen?
Ich kenne die Sandbilder, ich möchte keines mehr kaufen.
Es sind keine Sandbilder, ich habe eine spezielle Technik entwickelt, arbeite mit Naturfarben.
Er führt mich in den Schatten hinter das Kloster. Hier breitet er seine Werke aus.
Ich sammle Farben aus der Natur. Von Pflanzen und Früchten. Das Blau ist Indigo, das ist schwierig aufzutreiben. Er erklärt mir, wie er die Farben findet, wie er sie trocknet und herstellt.
Sie sind darum nicht so grell, wie die Acrylfarben, von denen er auch ein paar Bilder hat. Es ist auch nicht Aquarell, was hier auch oft angewendet wird. Ausserdem ist sein Untergrund kein Sand, sondern Leim. Ein spezieller Leim von den Bäumen, den er auf den textilen Untergrund gibt, und darauf malt er.
Ohne Leim würden diese Farbpigmente gar nicht haften. Mit dem Leim als Hintergrund bleiben die Farben aber sehr stabil und das Bild kann gut gerollt, ja sogar darüber gerubbelt werden.
Ich bin nicht ganz überzeugt, dass er jetzt da eine ganz eigene Technik entwickelt hat, aber sein Eifer ist ansteckend. Seine Sujets sind Buddha und Inspirationen der Wandmalereien in den Tempeln. Es gibt aber auch ein paar eigene Fantasien und Interpretationen.
Du hast so viele Männer, Buddhas. Ich werde bestimmt keinen Buddha an meine Wand hängen.
Ich habe auch andere, schau hier die Friedensstifterin, sie schafft es, dass Löwe und Elefant friedlich zusammenleben. Oder die zehn Frauen, die einen Elefanten bilden. Oder hier die Tänzerin.
Wir einigen uns auf den Preis und Coco, so heisst der Maler, rollt meine Tänzerin in eine Zeitung ein. Inzwischen ist mein Taxifahrer eingetroffen. Er scheint mich wohl vermisst zu haben und hat mich hinter der Pagode gefunden.
Bei der Verabschiedung sehe ich zufällig, dass er eine Note einsteckt.
Hast du jetzt gerade eine Provision bekommen?
Es ist ihm unangenehm, er würde gern verneinen, die Szene war aber zu eindeutig. Ja, es ist üblich, dass der Taxifahrer eine Provision erhält, von Käufen seiner Passagiere.
Jetzt ist mir auch klar, warum wir hinter die Pagode gegangen sind, um die Bilder anzusehen. Es ging nicht nur um den Schatten.
Wir fahren zur nächsten Pagode.
Woher kommst du?
Schon wieder steht einer hinter mir. Es hat einfach viel zu wenige Touristen. Da wird jeder entdeckt und angesprochen.
Ich versuche ihn zu ignorieren, aber er bleibt hartnäckig.
Irgendwann komme ich doch ins Gespräch, erkläre ihm, dass ich definitiv nichts kaufen werde, dass ich die Pagode auch gern allein ansehen kann. Er bleibt trotzdem dabei, mich zu begleiten. Es ist eine grosse, er sagt die grösste, Pagode. Durch die Gänge mit den grossen Fensterdurchlässen weht manchmal ein angenehm kühler Wind.
Siehst du, da gab es früher vier Buddha-Statuen, aber drei davon wurden eingemauert. Der damalige König, der die Pagode errichtete, hat die Buddhas einmauern lassen. Die Pagode wurde innert weniger Jahre gebaut. Die Arbeiter mussten gehorchen, wenn sie sich etwas zuschulden kommen liessen, wurde ihnen die Hand abgehackt. Ich schaue ihn ungläubig an. Doch schau hier, das ist der Stein, auf den man den Arm legen musste.
Ob‘s stimmt? Sicher ist, dass so ein privater Führer eben doch das eine oder andere spannende Detail erzählen kann. Doch die alles entscheidende Frage steht noch aus.
Willst du meine Bilder sehen?
Nein danke, tut mir leid. Ich will keine Bilder sehen und ich will auch nichts kaufen. Das war die Abmachung. Auch wenn ich jetzt sehr unhöflich bin. Ich kaufe nichts.
Er zieht sich zurück, hat aber zum Glück schon den nächsten potentiellen Kunden im Visier.
Fahren wir ins Dorf, das liegt gleich in der Nähe. Zuerst sehe ich nur den Verkaufsladen. Ein Webstuhl steht da, auf dem eine wunderschöne Decke entsteht. Und eine junge Frau erklärt mir, dass die Textilien hier aus eigener Baumwolle hergestellt sind. Manchmal gemischt mit Seide. Alles schön und gut, aber was ist mit dem Dorf? Du möchtest mein Dorf sehen? Sie gibt mir einen Hut, denn die Sonne brennt wieder heiss vom Himmel, und wir gehen los.
Es wohnen ungefähr einhundert Familien hier. Die Bevölkerung sind etwas über 600 Personen. Ja du darfst alles fotografieren. Auch die Frau, die Holz hackt für die Küche. Das Badezimmer, wo grosse Kübel mit Wasser stehen.
Jedes Haus hat seit ein paar Jahren einen Wasseranschluss. Der besteht in der Regel aus einem einzigen Wasserhahn. Auch Strom gibt es in jedem Haus, auch Fernsehen. Internet gibt es keines, kein Signal. Die Häuser stehen einzeln, sind meist aus Bambusmatten gemacht. Ganz wenige sind gemauert.
Da wohnt der Radmacher. Er zimmert aus schwerem Teakholz die Radspeichen und Naben. Die Beschläge schmiedet er in seiner einfachen Schmitte mit dem grossen Blasbalg.
Dort drüben wäscht eine junge Frau am Boden ihre Wäsche mit Seife und einer Bürste, dort läuft eine Mühle, es werden Erdnüsse zu Oel gepresst.
Und hier stellt eine Frau Bilderrahmen her. Sie klebt kleine Bambusstreifen zusammen und das Ergebnis ist ein sehr dekorativer Rahmen für eine Foto. Daneben liegt ihr 4-monatiger Sohn in einer Wiege, die an der Decke hängt. Der Grossvater zieht manchmal an der Schnur, so dass der Kleine sanft schlafen kann.
Die Leute bauen Baumwolle und Erdnüsse an. Die Felder liegen etwas entfernt. Die Baumwolle wird in die Fabrik in der Stadt zum Reinigen gebracht, versponnen und verwoben wird sie aber im Dorf. Die Erdnüsse sind im Moment geerntet, darum werde ich kein Erdnussfeld entdecken können.
Gewohnt wird fast ohne Möbel. Geschlafen wird auf dem Boden auf Bambusmatten, alle im gleichen Raum. Da schlafen die Eltern, dort die Buben, hier der alte Grossvater.
Wir schlendern durchs Dorf, es ist heiss. Ganz in der Nähe liegt ein altes Wasserreservoir. Jetzt ist es leer, weil es nicht mehr gebraucht wird, aber früher hat man hier aus dem grossen Weiher das Wasser geholt.
Gibst du mir etwas für meine Führung?
Wir sind jetzt weit weg vom Taxifahrer, ich verstehe.
und noch ein Baby.
Die Creme ist zum Schutz gegen die Sonne. Und weil es schön aussieht und schön macht.
Zurück beim Eingang gibt sie mir für meine Einkäufe keine Plastiktasche, sondern eine Tragtasche aus einer Zeitung gebastelt. Ja, meint sie, es gibt immer mehr Touristen, die keine Plastiksäcke mögen.
die farbigen Plastikbahnen schützen vor dem heissen Sand und den Steinplatten, denn die Schuhe sind vor dem Tor geblieben. Immer.
Wir besuchen noch ein paar Pagoden und ich versuche das Leben daneben ein wenig einzufangen. Zum Beispiel die Verkäuferinnen, die sich zum Mittagessen unter dem Baum setzen und zusammen essen und plaudern. Sie freuen, dass ich sie fotografiere.
Es sind überhaupt alle Menschen sehr freundlich, darum fällt mir mein unhöfliches Ignorieren auch so schwer. Oftmals zeige ich den Leuten die Foto, wenn ich sie fotografiert habe, meistens frage ich auch vorher. Und immer freuen sie sich, zeigen mit dem Daumen nach oben, dass die Foto akzeptiert wird.
Jetzt ist es auch für mich Zeit fürs Mittagessen. Die Sonne drückt, es wird wieder richtig heiss.
Magst du burmesisches Essen?
Ja, das ist eine gute Idee, lass uns gehen.
Die Bedienung erklärt, es gäbe burmesisches Buffet für 5000 Kyat, ob das in Ordnung sei.
Buffet, wunderbar, ich bejahe und suche das Buffet. Denn da kann man sich das aussuchen, worauf man Lust hat.
Doch ein burmesisches Buffet ist anders. Ich habe kaum zugesagt, da kommt schon eine Frau mit einer Schüssel Reis. Und die nächste bringt eine riesige Auswahl an Speisen. Hier geht man nicht zum Buffet, das Buffet kommt zu einem.
Viel zu viel ist es, ich bin völlig überfordert. Und beim Anblick schwindet auch mein Hunger. Zwar versuche ich aus den meisten Schälchen einen Löffel voll, aber die Bohnen und die Tomatensosse schmecken mir am besten. Der Reis ist leider nicht heiss, höchstens warm, was meinem Appetit auch nicht wirklich hilft.
Dafür entdecke ich an einem Tisch eine Coiffeuse, die offensichtlich eine junge Frau stylt. Nachdem ich ihr eine Zeitlang von hinten zugesehen habe, nähere ich mich der Gruppe und frage, ob es zu einer Hochzeit ginge. Die junge Frau ist sehr festlich angezogen mit viel aufgestickten Glasperlen.
Nicht zur Hochzeit, zur Pre-Wedding, erklärt die Freundin der Braut. Pre-Wedding scheint die Vorbereitung zur Hochzeit zu sein. Man macht die Hochzeitsfotos vorher, damit man diese den geladenen Gästen an der Hochzeit bereits zeigen oder verschenken kann. Es ist heute also der Tag des Stylings.
Die junge Braut wird sorgfältig geschminkt und auch der Bräutigam bekommt eine neue Kleidung. Hinter einem Busch, gleich neben dem Restaurant schlüpft er in einen rosa Longys und wird dabei von seinen Freunden unterstützt. Es sind zwei Stylisten, die sich um das Paar kümmern. Wobei der Mann eher wie eine Frau wirkt und die Frau burschikos wie ein Mann. Dieses androgyne beobachte ich öfters und zwar schon auf der ganzen Reise. Hier kommt es besonders zur Geltung, weil sie so eng zusammenarbeiten und ich sie auf Anhieb anders gesehen habe.
Jedenfalls machen sie ihre Sache perfekt. Als klar wird, dass die rosarote Jacke für den Bräutigam zu eng ist, wird zuerst versucht, die Knöpfe offen zu lassen. Das gefällt dem Stylisten nicht, also holt er eine weisse Jacke, die passt.
Mich wundert, dass weder die Braut noch der Bräutigam dazu irgendetwas sagen. Sie verlassen sich komplett auf ihre Ausstatter. Diese haben alles dabei, inklusive dem billigen Schmuck, der dann so vornehm aussieht und den rosa Slippern mit den fellbezogenen Riemchen.
Am Schluss stellen sie sich stolz für mich in Position. Jetzt gehen sie zum Fotografen und ich zurück zum Taxi, das mich ins Hotel bringt. Und da kommt mir tatsächlich ein anderes Paar entgegen. Ebenfalls frisch gestylt mit ein paar Freunden im Schlepptau.
Wedding?
Nein Pre-Wedding.
Also auch hier, bereit für das Fotoshooting, das sie für mich gern erweitern. Die beiden haben schon ein wenig geübt, jedenfalls posieren sie schon ganz anders als das erste Paar.
Nachdem ich mich im Zimmer unter der Klimaanlage wieder etwas erholt habe und das Buch von der österreichischen Shan-Prinzessin angefangen habe, holt mich mein Taxifahrer wieder ab. Der obligate Sonnenuntergang steht noch einmal auf dem Programm. Diesmal nicht von der Pagode aus, sondern vom Wasser.
Ich habe eine Sunset-Fahrt auf dem Fluss gebucht. Beim Aussichtspunkt werde ich erwartet und gespannt laufe ich hinter dem Schiffsführer her. Wie viele Touristen wohl kommen werden? Am Ufer sind unzählige lange Boote versammelt und warten auf Gäste.
Es kommt wie es kommen muss. Nebst mir ist noch ein Inder auf dem Boot und dann fahren wir los. Auch heute lässt sich der Sonnenuntergang nicht erzwingen.
Ein kurzes mystisches Aufblinken, dann lässt sich die Sonne wieder von den Wolken hinter den Horizont begleiten. Die Fahrt ist trotzdem schön. Irgendwie.
Der Inder ist übrigens Arzt und wie er sagt, meistens allein unterwegs. Weil es so schwierig sei, die richtige Reisebegleitung zu finden. Schöner wäre es zu zweit aber mit der falschen Person kann es schwierig werden. Und vorher weiss man das nie so genau. Dann doch lieber allein. – Könnte von mir sein.
Beim Nachtessen am Pool blinzelt der Mond zwischen den Wolken hervor. Wenigstens er hat ein Einsehen mit mir, wenn mich die Sonne schon die ganze Zeit im Stich lässt.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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