Mekong
Zugfahrt zu den Tempeln
Ein Taxi ohne Buddha ist unmöglich. Hier sitzt und liegt gleich die ganze Auswahl auf dem Taximeter. Und auf dem Display läuft Werbung.
Morgens um halb Acht, ich hole mein Ticket ab. Im Hauptbahnhof von Bangkok, am Schalter zwei. So hat es mir Tom vorgestern aufgetragen. Soweit so gut. Auch was auf dem Ticket steht, ist alles noch verständlich. Wagen Nr. 2, Sitz Nr. 21. Abfahrt 8.19 Uhr.
Aber wo steht der Zug? Der Mann hinter dem Schalter hat nur thailändisch gesprochen und mich in die Abfahrtshalle geschickt. Doch da ist alles nur noch in Thai angeschrieben. Ich frage einen Zugarbeiter. Nach Ayatthaya? Er sieht mich verständnislos an, dann meint er 'eight'. Vielleicht ist das die einzige Zahl, die er englisch kennt, ich entscheide, eine zweite Auskunft einzuholen und entdecke tatsächlich so etwas wie einen Schalter, angeschrieben mit Security und einer jungen Frau dahinter. Ich zeige mein Ticket, frage nach Ayutthaya. Sie meint 'one one' und zeigt mit den beiden Zeigefinger sowas wie zwei Eins. Elf?
Tatsächlich, auf der Tafel beim Gleis elf wird um 8.19 Uhr ein Zug losfahren. Zwar steht er noch nicht da und der Zielbahnhof ist ein anderer, aber ich bin zuversichtlich, dass ich das richtige Gleis gefunden habe und setze mich auf eine Bank. Es ist wenig los. Eine Frau wischt den Perron, ein paar Männer, ein junges Mädchen und zwei Frauen sitzen auf den Bänken, nebenan drei Mönche. Sie rauchen und gucken in ihre Handys. Und dann ertönt plötzlich Musik aus den Lautsprechern und ich nehme erstaunt zur Kenntnis, dass alle stehen. Auch die Frau mit dem Besen ist jetzt regungslos. Blick geradeaus, Arme am Körper. Natürlich stehe auch ich jetzt auf. Es muss die Nationalhymne sein, oder die Hymne des Königs. Mein Fahrer gestern hat mir erklärt, dass jede Veranstaltung, Kino, Theater immer mit der Hymne anfängt. Vielleicht auch der Tag am Bahnhof.
Danach wischt die Frau weiter den Boden, die Mönche setzen sich wieder und auch auf meiner Bank sind wieder alle relaxt. Langsam fährt mein Zug auf Peron elf ein. Er ist leer, es steigt niemand aus. Den Wagen Nr. 2 finde ich sofort und auch den Platz, gleich bei der Türe.
Ein Bahnangestellter kommt herein, unter dem Arm eine Rolle Abfallsäcke. Drei davon bindet er kurzerhand um die Stangen bei den Türen. So kann der Abfall am Schluss der Fahrt sehr einfach entsorgt werden.
Nach und nach kommen noch ein paar Passagiere. Sie haben alle nummerierte Plätze. Es ist also nichts mit zusammen fahren, wenn man sich zufällig auf dem Bahnsteig getroffen hat. Neben mich setzt sich eine junge Frau.
Mit zehn Minuten Verspätung fahren wir los. Der Konduktor kommt und sieht sich mein Ticket an. Alles in Ordnung. Draussen öde Vorstadt. Grau in Grau und ausserdem getrübt durch eine grau getönte schmutzige Scheibe.
Also genau der richtige Moment für meinen Berner Krimi. Den habe ich mir für längere Fahrten aufgehoben. Zwar dauert diese Fahrt nur eine gute Stunde, aber draussen gibt es nicht viel zu sehen.
Als ich das Buch für einen Moment weglege und im Handy nachsehe, ob es vielleicht Internet-Verbindung gibt, spricht mich die junge Frau an. "Kommen sie aus Deutschland"? Ich falle fast vom Bank. Hat die jetzt tatsächlich deutsch gesprochen? Ja, hat sie, sie spricht es sogar sehr gut. Wir kommen ins Gespräch. Warinda hat ein paar Jahre in Deutschland gelebt und arbeitet heute im Tourismus in Bangkok. Sie ist auf dem Weg nach Hause. Sie hat bemerkt, dass ich ein Buch mit einem deutschen Titel lese und mich darum angesprochen.
Leider kommen wir jetzt schon bald in Ayutthaya an. Da werde ich aussteigen, "da steigen die meisten Ausländer aus", meint Warinda. Sie wird noch etwas weiter fahren. Also noch rasch Namen austauschen, damit wir uns im Facebook finden und in Kontakt bleiben, dann steht der Zug schon - und der Konduktor kommt, um sich zu vergewissern, dass ich den Ausstieg nicht verpasse. Sehr netter Service.
Ayutthaya. Und jetzt wie weiter. Tom hat gemeint, es werde jemand mit einem Schild da stehen. Doch da ist niemand. Ausser ein paar TucTuc-Fahrern auf der Suche nach Passagieren. Als ich den Namen des Guesthauses sage, meint eine Frau, ich würde erwartet und ruft einen jungen Mann. Es stellt sich heraus, dass er der TucTuc-Fahrer ist, der mich zum 'One Love' bringen soll.
Schon am Bahnhof, während er mein Gepäck einlädt, empfiehlt er sich für eine Tour durch die Stadt. Er hat eine Handvoll Postkarten dabei, von Tempeln, die er mir auf der dreistündigen Tour alle zeigen will. Auch ein Notizbüchlein hat er, in das seine Gäste Referenzen schreiben. 'Look look, from your country' sagt er und zeigt mir einen Eintrag von Erich und Romy aus der Schweiz, die die Tour mit ihm sehr genossen haben. Ob das die sind, die ich kenne? Wohl kaum, das wäre tatsächlich ein Riesenzufall.
"Lass uns zuerst zum Hotel fahren", bitte ich ihn und er steigt in seine kleine Führerkabine, während ich hinten auf der Ladefläche mit den niederen Bänken Platz nehme. Zum Einsteigen muss ich den Kopf einziehen und dann versuche ich, irgendwo meine Beine zu platzieren. Zum Glück bin ich allein und muss den Platz nicht mit sechs anderen Passagieren teilen, so wie das TucTuc, das soeben vor dem Bahnhof einfährt.
So ein eigenartiges TucTuc habe ich überhaupt noch nie gesehen. Ich hatte immer geglaubt, das wären ausgebaute Motorräder, aber dies hier ist ein minimierter Picup.
Gehören hier zum Strassenbild - auf Strassenkreuzungen, in Parks, Vorgärten. Die allgegenwärtigen Tempel und Pagoden.
Die Hotelbesitzerin kann etwas englisch und fragt mich, welches Zimmer ich gern hätte. Dabei zeigt sie auf Bilder an der Wand, die die verschiedenen Zimmer zeigen. Mir eigentlich egal, ich würde gerne duschen und mich umziehen, es ist unglaublich heiss hier.
Ich habe noch nichts gesagt, da meint sie: Ich gebe ihnen die Nummer eins, das Beste". Ok, ich packe meinen Koffer, doch sie winkt ab, Zimmerbezug erst nach dem Mittag. Draussen steht noch immer der TucTuc-Fahrer, ich hatte ihm gesagt, er soll sich eine Stunde gedulden, wollte zuerst duschen, mich umziehen, doch damit wird nichts, wir fahren gleich los. Kamera und Geld eingesteckt, ich bin bereit.
Ayutthaya war die zweite Hauptstadt des Landes, wurde irgendwann von den Burmesen zerstört. In der Stadt gibt es viele Tempelanlagen und Pagoden. Das ist schon von weitem erkennbar, diese hohen glockenähnlichen Gebilde aus rotem Backstein.
Bei einem grossen Komplex hält Aek, so heisst mein Fahrer, und zeigt mir, wo der Eingang ist. Nein, er wird nicht mitkommen. Ach so, das ist gemeint mit dem 'die Stadt zeigen'. Es geht nur um das Hinfahren, keine Erklärungen. Ich bin etwas ernüchtert, so gross wie er seinen Service angekündigt hat, so wenig hat er jetzt zu bieten.
Ich steige hinauf in die grosse Pagode. Sechzig Stufen sind es, bis ganz oben. respektive hinein. Da oben wird gearbeitet. Eine laute Maschine rattert, wird das ausgebaut, erneuert, renoviert?
Ich wandere um den ganzen Komplex. Jede Menge Strukturen, zerfallene Buddha Statuen. Eigentlich vermisse ich die Erklärungen sehr. Natürlich kann ich das alles im Internet nachlesen, aber so ein richtig guter Guide, der einen auf Details aufmerksam macht, der einzelne Episoden erzählen kann und das ganze in einen zeitlichen Kontext stellt, wäre halt schon besser. Dafür kann ich mich frei bewegen, kann mich auch mal in den Schatten setzen, den Vögeln zuhören, die in den alten Bäumen um die Wette zwischern.
Überhaupt die Bäume. Fantastische uralte Bäume sind das, die ihre weit ausladenden Äste harmonisch ausbreiten. Oder von einer Killerfeige fest umschlossen zu eigenständigen Monumenten erstarrt sind.
Der nächste Komplex ist noch in Betrieb. Das heisst wieder einmal Schuhe deponieren. Ein riesiger Buddha sitzt ruhig da. Ihn lässt der Rummel kalt. Auch die Kisten mit Geld, die im Tempel aufgestellt sind und wo Gläubige ihre Geldscheine einwerfen, interessiert ihn nicht. Und die Goldplättchen, die die Leute an eine Statue kleben. Buddha nimmt all die Huldigungen, alle Geschenke wie Blumen und Geld mit stoischer Ruhe entgegen.
Und jetzt? frage ich Aek nach der Pagode. - Elefanten.
Nein, Elefanten reiten will ich nicht mehr. Also noch einmal eine Tempelanlage. Da soll ich ganz hinauf steigen, meint er, er warte hier unter den Bäumen.
Folgsam gehe ich auf den Turm zu. Da schleicht mir etwas über den Rücken, fühlt sich an, als ob da eine Ameise, nein, eine ganze Armee Ameisen über den Rücken spazieren würden. Ich merke, dass das tatsächlich Schweisstropfen sind und entscheide, dass ich jetzt genug Tempel gesehen habe, setze mich im Schatten auf eine Mauer und betrachte die wenigen Besucher, die sich die Stufen hinauf quälen, durch den Park schlendern. Es ist angenehm ruhig.
Da schwirrt etwas durch die Luft. Jemand hat seine Drohne losgeschickt. Diese umkreist den Turm einmal und wendet sich dann dem nächsten Gebäude zu. Später finde ich den Besitzer der Drohne. Entspannt hockt er im Gras, dirigiert sein Instrument und relaxt im angenehmen Schatten. Auch eine Art, die heisse Besichtigungstour zu absolvieren.
Natürlich sehe ich mir noch den von einer riesigen Ficus umklammerten Buddhakopf an und dann kehre ich zurück zum Tor und verkünde: no more Tempels please.
No more? Aek ist enttäuscht, ja entsetzt. Er hat noch eine Menge Postkarten mit den Bildern der Sehenswürdigkeiten und legt sie mir einzeln vor. No, entscheide ich bei jedem Vorschlag. Einen Moment ist er ratlos. Ich hätte nichts dagegen, zurück zum Hotel zu fahren, aber die abgemachten drei Stunden sind noch nicht abgelaufen und er möchte nicht auf die letzte Stunde verzichten.
Ich sehe, wie es in seinem Kopf rattert, rechnet, abwägt - und dann kommt ihm die rettende Idee: Swimming Market.
Das ist gut, da bin ich dabei. Wasser verspricht immerhin etwas Kühlung.
Das hier ist eine richtige Touristenattraktion, nur gemacht für Touristen, natürlich wird er auch von Einheimischen benutzt, aber traditionelles kann ich hier nichts erkennen. Auch recht.
Von unbeteiligten Bootsführern fahren kleine Boote durch eine Anlage, entlang von vielen Geschäften und Restaurants. unbeteiligt meine ich, weil unser Bootsführer keine Mine verzieht, kein Lächeln, keine Regung. Er lässt Passagiere einsteigen, aussteigen, fährt los, hält an. Wir sind sozusagen Luft für ihn. Die Bootsfahrt gibt einen groben Überblick über die Anlage, danach bummle ich im Schatten der Dächer durch die Stände und betrachte die Auslagen.
In einer riesigen Halle wird ein Theater aufgeführt. In alten Gewändern wird von wenigen Kämpfern eine Schlacht vorgetragen, deren heroische Siegerin am Schluss selber stirbt, nachdem sie den letzten Gegner erschlagen und erstochen hat. Tapfer hält sie am Schluss ihr Banner vor. Sie hat die Freiheit errungen. Für die Stadt, das Land. Was zählt da schon das eigene Leben.
Wie die Schauspieler in dieser Hitze mit Panzern und unter dicker Schminke ihre tollkühnen Kämpfe austragen können, ist mir ein Rätsel.
Ich merke, dass ich Hunger habe und gehe zurück zum TucTuc um zu sagen, dass wir die Tour hier beenden und ich den Rückweg selber organisieren werde.
Doch da habe ich wieder einmal falsch gedacht. Aek meint, wir müssten zurück zum Hotel, mit meinen Papieren sei etwas nicht in Ordnung, man habe ihn angerufen.
Also zurück zum Hotel, wo sich das Missverständnis rasch aufklärt. Dafür ist jetzt mein Zimmer bezugsbereit. Ich entlasse Aek und steige hinauf in den dritten Stock. Als ich mein Bett sehe, ist es um mich passiert.
Zehn Minuten später bin ich eingeschlafen. Siesta ist überfällig.
Als ich wieder erwache, ist es draussen dunkel. In der Lobby ist nur noch ein junger Mann, der mit zwei Mädchen schäkert. Ob er mir ein Tuctuc rufen kann? Er sieht mich verstört an. Die schlafen jetzt. Nun ist es an mir, verstört zu schauen. - Um diese Zeit? Es ist halb Acht. - Ja.
Ich möchte irgendwo essen. Er fängt an zu erklären, wohin ich gehen könnte. Zuerst rechts, dann zweimal links und dann... ich frage nach einer Karte. Darauf zeichnet er mir etwas auf, zeigt nach links und meine Zuversicht, dass er mich tatsächlich auf den richtigen Weg bringen wird, schwindet.
Also ziehe ich los, irgend etwas wird sich bestimmt finden. Die Strassen sind tatsächlich leer, den Strassenhunden überlassen. Den Nachtmarkt, den mir der Junge empfohlen hat, finde ich nicht, traue mich aber auch nicht, zu viel abzuzweigen. Aber ich finde ein kleines Lokal, das zwar leer ist, aber der Besitzer versichert mir, dass er offen habe.
Ich bestelle Frühlingsrollen und Chicken Curry, das er mir empfohlen hat. Dazu ein grosses Bier. Kleine hat er nicht. Es schmeckt fein, nur als ich für die Frühlingsrollen ein zweites Schälchen möchte, in das ich die Soyasosse giessen könnte, die auf dem Tisch steht, schaltet er auf stur. Dazu gehöre die süss-saure Sosse, die er dazu serviert hat, erklärt er mir. Und davon lässt er sich nicht abbringen, versteht auch nicht, dass ich eben gern Soyasosse dazu hätte.
Während ich esse, sieht er sich auf seinem Notebook ein Video an und scheint mich völlig vergessen zu haben. Ich glaube er macht Yogaübungen. Sitzt im Lotussitz, streckt seine Arme, verschränkt sie hinter dem Kopf, neigt diesen von rechts nach links und von links nach rechts. Dann wieder die Arme verschränken.
Er ist so konzentriert, dass er erst wieder zu sich kommt, als ich mit dem Schirm, den mir der Junge im Hotel mitgegeben hat, auf den Stuhl klopfe. Dann bringt er mir die Rechnung. 190 Bath - 7 Franken.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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