Mekong
Yangoon
Sehr nettes Personal empfängt mich am Morgen beim Frühstück. Ob ich gut geschlafen hätte, ob alles in Ordnung, was ich zum Frühstück möchte.
Fried Egg please.
Die Sicht hinaus auf die Stadt ist weniger freundlich. Ziemlich düster, ziemlich verlottert, diese Umgebung. Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück, die Berichte von Kambodscha sind noch nicht abgeschlossen und die Stadt läuft mir nicht davon.
Der Zimmerboy kommt, um mein Bett neu zu beziehen und die Frotteetücher auszuwechseln. Währenddessen ist die Türe offen und ein Mann klopft an, fragt ob alles in Ordnung sei. Er sei der Manager und er möchte, dass ich mich hier wohl fühle.
Alles perfekt, danke.
Ob ich dann vielleicht eine positive Beurteilung abgeben würde, sie wären darauf angewiesen. Mach ich.
Schon interessant, wie wichtig diese Beurteilungen im Internet geworden sind.
Irgendwann habe ich alle Berichte abgeschlossen, die Kambodscha-Karte bearbeitet und online gestellt, ich bin bereit für Yangoon.
Die wichtigste Sehenswürdigkeit hier ist ohne Zweifel die Shwedabon-Pagode. Also werde ich meine Entdeckungsreise durch Myanmar hier beginnen. Das Taxi bringt mich zum Hügel auf dem die Pagode gebaut ist.
Eine lange Treppe führt hinauf, aber der Taxifahrer meint, ich solle dort rechts durch den Durchgang gehen. Ich weiss zwar nicht, warum ich nicht die Treppe hinauf steigen soll, sie sieht nicht abgesperrt aus, auch wenn ein paar Männer schwere Sandsäcke hinauf tragen. Immer ein paar Stufen hoch, dann wird die Last an den nächsten übergeben und weiter getragen, dorthin wo der nächste Posten übernimmt.
Ich gehe also rechts durch den Duchgang und stehe in einer riesigen Halle mit Rolltreppen, die hinauf führen. Darum also sollte ich nicht die lange Treppe nehmen.
Auf halber Höhe gibt es eine Sicherheitskontrolle mit Scanner und eine uniformierte Frau weist mich an, die Schuhe auszuziehen. Ich habe schon gesehen, dass hier niemand mehr Schuhe trägt, aber ich hatte nirgendwo gesehen, wo man sie hinstellen könnte, oder wo andere sie zurückgelassen hätten.
No Shoes. Das ist alles, was die Frau mir ziemlich unfreundlich sagen kann, hierlassen darf ich sie jedenfalls nicht. Also nehme ich sie in die Hand. Etwas umständlich mit der Handtasche und der Kamera in der anderen Hand. Und im Koffer sammeln sich inzwischen die Plastiksäcke. Hätte ich doch wenigstens einen in die Handtasche gesteckt.
Und dann bin ich oben, trete aus der Halle - und stehe mitten im Gold. Ich hatte sie bereits auf Bildern gesehen, diese riesige Pagode, der wichtigste Ort im ganzen Land.
Von einer breiten Basis schwingt sie sich hinauf in den leider heute sehr grauen verhangenen Himmel bis in die Höhe von 98 Metern. Und rundum ist sie gesäumt von weiteren Pagoden. Und Andachtshallen. Und kleinen Altären.
Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll mir schauen. Dort drüben steht ein weissgekleideter Mann mit einem Turban. Es scheint, dass zwei Frauen ihn voller Ehrfucht berühren. Was ist das für eine Szene?
Das ist ein Gelehrter, ein Lehrer.
Hab ich meine Frage soeben laut ausgesprochen, oder kann der junge Mann Gedanken lesen?
Ich kann dir ein paar Dinge zu der Pagode erzählen, wenn du willst, meint er und stellt sich vor. Steven. Ich arbeite hier als Guide. Bin nicht angestellt, spreche einfach gern mit Fremden, um mein Englisch anzuwenden und zu verbessern.
Einverstanden Steven, zeig mir die Pagode.
Was bedeuten diese kleinen Altäre mit den Wochentagen. Da hinten steht die mit dem Namen Friday-Corner.
Wir glauben an die Macht des Gebutstages. Des Wochentages, an dem du geboren bist.
Ich bin an einem Sonntag geboren. Wo ist mein Corner? Da drüben. ich zeig es dir. Es bringt Glück, wenn man dem Buddha Wasser opfert. Fünf Schalen Wasser über seinen Kopf giessen. Das ist einfach, das kann ich gern machen, wenn das Glück bringt.
Sonntag ist ein starker Tag, er bedeutet Kraft und Energie. Er gehört der Sonne.
Sonntagskinder sind auch bei uns Glückskinder. Daran habe ich schon als Kind geglaubt. Ich giesse die fünf Becher Wasser über den Buddha. Wenn er das mag. Ich bin nicht die einzige, es sind noch mehr Sonntagkinder hier.
Wir gehen langsam rund um die Pagode. Steven kann zu allen Gebäuden etwas sagen, weiss welche Bedeutung welcher Buddha hat. Zum Beispiel hier, bei diesen drei Buddhas mit den offenen Händen werden Wünsche erfüllt.
A Husband.
Ich weiss nicht, warum ich das jetzt so spontan gesagt habe, auch Steven scheint etwas überrascht zu sein. Ja, auch einen Ehemann kannst du dir wünschen, gehen wir hinein.
Ich wünsch mir aber trotzdem etwas anderes, denn so schnell sollte dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen. Die offenen Hände zeigen, dass Buddha gibt, die gedeckten Hände sind neutral.
Schau da drüben, da bringen die Leute Goldplättchen. Sie kleben sie auf die Statue. Hinter uns, dort draussen im Pavillon kann man sie kaufen. Ganz dünne Plättchen, die auf der Statue kleben. Du kannst das Gold auch essen, es ist so dünn, oder auf deine Haut auftragen.
Er schnappt sich eines der Papierchen, die jemand gerade achtlos mitnimmt. Da klebt noch etwas Gold daran. Das kannst du auf die Haut geben, das geht hinein und macht sie schön. Eigentlich vertraue ich da lieber meiner Nivea, aber etwas Goldstaub kann vielleicht nicht schaden. Jedenfalls ist ganz schnell nichts mehr davon auf meinem Handrücken zu sehen.
3 Buddhas mit offenen Händen - einer hält sie geschlossen. Hier werden Wünsche am schnellsten erfüllt
Und was ist mir den kleinen Kindern?
Es sind Kindermönche. Eltern geben ihre Kinder manchmal ins Kloster. Vielleicht weil sie wollen, das sie zu Gott beten, manchmal aber auch, weil sie sie nicht mehr zu Hause haben wollen, oder kein Geld haben. Es gibt viele Gründe, warum kleine Kinder im Kloster sind und nicht alle sind so gut.
Seit kurzem gibt es auch Frauenmönche. Sie kümmern sich um die kleinen Mädchen.
Aber die sind ja noch so klein, das sind Kindergartenkinder.
Ja manche kommen ganz früh ins Kloster.
Ich bin etwas verwirrt, aber das passiert mir auf dieser Reise öfters.
Vor kurzem hat es geregnet und der Boden ist noch nass. Überall gibt es Wasserlachen und ich muss aufpassen, dass ich nicht ausrutsche.
Der Boden ist neu, wurde erst vor kurzem ausgewechselt. Ich weiss nicht, warum die so einen glitschigen Boden gemacht haben. Ich habe schon öfters Leute gesehen, die umgefallen sind.
Ja das kann ich mir gut vorstellen, auch ich bin soeben wieder fast ausgeschlipft.
Aber trotzdem sitzen die Menschen hier auf dem Boden. Manche haben vielleicht ein Kissen mitgenommen, andere knien auf den nassen Platten. Sie haben Blumen mitgebracht. Kunstvolle Gebinde mit Rosen und Lotusblüten. Und überall sind die Geldboxen aufgestellt. Und überall werden Scheine hineingelegt.
Doch es werden nicht nur Geldscheine geopfert. Steven zeigt mir die Fotos mit den Opfergaben die im Inneren der Pagoda aufbewahrt werden. Leute haben ihren Goldschmuck gebracht. Da hängen jede Menge Ringe, Ohrringe, Diademe, Halsketten. Aus Gold und mit Diamanten und Edelsteinen bestückt.
Und in der Spitze, ganz oben in der Pagode, sitzt ein 76-karätiger Diamant auf einer Goldkugel von 25 cm Durchmesser mit 4000 Diamanten. Jeden Tag laufen Diener um die Pagode und sammeln das Gold und die Edelsteine auf, die in der Nacht von oben herunter gefallen sind, bringen es zurück in die Pagode..
Das Ganze nimmt langsam Ausmasse an, die ich nicht mehr fassen kann.
Wir haben den Rundgang beendet. Ich bin erschüttert, erschlagen von dem Reichtum und dem Glanz.
Wir verlassen die Pagode, steigen hinunter vom Hügel. Vorbei an Souvenirständen, die die Pagode mit ihren vielfältigen Buddhas in unzähligen Minitarausgaben anbieten. In allen Materialien. Kitsch und Kommerz. Steven scheint das nicht richtig zu gefallen, aber ich erkläre ihm, dass das bei unseren grossen Kirchen nicht anders ist. Auch da werden Christus- und Marienstatuen in allen Grössen verkauft.
Unten schliesst sich ein kleiner Markt an. Hier kann man die Blumengebinde kaufen, die oben geopfert werden.
Es gibt aber auch Essensstände. Die chinesischen zum Beispiel. Da wird Schweinefleisch auf Spiesschen angeboten. In der Mitte des kleinen Imbisstandes kocht eine dampfende Brühe.
Aha, eine neue Erkenntnis, das ist Fondue chinoise in der Originalausführung.
Ganz in der Nähe liegt ein kleiner See.
Das war hier früher alles abgesperrt, da war das Militär und man hatte keinen Zugang zum See. Auch das Restaurant, in dem wir einkehren, gehörte dazu. Hier hatten die Offiziere verkehrt.
Es hat sich einiges verändert, seit der neuen Regierung. Das Militär hat sich in Aussenbezirke der Stadt zurück gezogen, da wurden neue Kasernen gebaut.
Ich habe sehr gekämpft für die neue Regierung. Ich habe auf die neue Ministerpräsidentin gebaut. Aber die Veränderungen kommen nicht zum Tragen. Mein Land braucht mehr Ausbildung. Die Menschen müssen mehr wissen, die Kinder brauche mehr Lehrer. Steven studiert Englisch. Er möchte Übersetzer oder Lehrer werden. Es wird immer mehr Ausländer geben, die in dem Land investieren wollen, die werden Übersetzer brauchen, weil es zu lange braucht, um den Menschen, die kein Englisch verstehen, etwas zu erklären.
Die Menschen müssen auch lernen, dass es wichtig ist, in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren. Sie bringen hier alles was sie haben zu Buddha. Die armen Menschen, die nichts haben, kaufen Goldplättchen für die Statuen
Doch Buddha braucht das gar nicht. Buddha hat keine menschlichen Bedürfnisse. Er war selber reich und hat alles was er hatte, verschenkt. Die Menschen müssen besser verstehen, worum es wirklich geht.
Wir sind plötzlich in einer politischen Diskussion. Und da sind ganz andere Aussagen. Es ist ihm ernst. Und für mich bekommt der Titel einer alten Globetrotter-Ausgabe, die mir eine Freundin vor meiner Reise mitgegeben hat, eine ganz neue Bedeutung: Burma, Buddhas Lieblingsland.
Es wird ein intensiver Abend. Wir reden über Politik und über Religion, über Geld und über Zusammenhänge. Draussen ist es inzwischen dunkel geworden, die Sonne ist längst untergegangen.
Plötzlich steht sie da, die Frage: Warum gehst du nicht für zwei Tage in ein Meditationszentrum? Du hast Zeit, du bist frei.
Wer? Ich?
Ich bin völlig perplex. Noch nie hatte ich mir diese Möglichkeit vorgestellt. Meditieren. Stundenlang. Tagelang. Das halte ich gar nie aus.
Warum sollte ich das tun? Wie kommst du darauf, dass es mir gut tun könnte?
Es tut jedem Menschen gut, sich mit sich und seinem Bewusstsein zu befassen. Was hält dich ab? Du brauchst nicht an Buddha zu glauben, befasse dich nur mit der Philosophie, lass dich darauf ein.
Ich kenne Freundinnen, die das schon einmal gemacht haben. Fasziniert habe ich zugehört, aber mit mir hatte das nichts zu tun. Ich könnte jetzt eine fragen, was sie meint. Aber wozu? Sie würde es eh empfehlen. Oder sie würde dies und jenes fragen. Diese Einladung hier geht an mich. Das muss ich jetzt ganz allein entscheiden.
Ich kann nicht auf dem Boden hocken. Stundenlang, ich halte das nicht aus.
Du bekommst einen Stuhl, mach dir dazu keine Gedanken. Es wird bequem sein. Du wirst dich wohl fühlen.
Da wohnen? Schlafen? Gibt es Duschen?
Er lacht. Natürlich gibt es Duschen. Du kannst auch am Abend ins Hotel zurückkehren, wenn du willst.
Wenn ich es mache, will ich auch da wohnen. Hab ich das jetzt grad gesagt?
Der Gedanke bekommt mehr Gewicht.
Gibt es eine Klimaanlage.
Er überlegt einen Moment. Ich weiss es nicht.
Wo ist das Zentrum?
Hier in Yangoon. Ich kann es dir zeigen, du kannst es dir ansehen. Es gibt mehr als eines, ich kann dir morgen zwei zeigen.
Ich will darüber schlafen.
Er versteht.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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