Mekong
Pagoden Bagan
Pünktlich um acht Uhr fährt er vor. Der Taxidriver, der mich heute zu den Pagoden fahren soll. Er heisst Anjel und er sagt, dass er Englisch kann. Das hatte ich schon gestern beim Buchen im Hotel gefragt. Spricht er Englisch?
Selbstverständlich, hat man mir gesagt aber jetzt bin ich mir da nicht so sicher. Vielleicht ist er einfach kein Schwätzer, jedenfalls zeigt er beim ersten Halt nur auf den Eingang.
Es ist ein ganzer Tempelbezirk, nicht nur eine Pagode. Es ist eine riesige goldene Pagode, die aber leider im unteren Teil mit Bastmatten abgedeckt ist. Es scheint, dass dieser Teil neu renoviert ist. Daneben gibt es weitere kleine Stupas und grosse Andachtshallen.
Vor einer Halle kniet eine Frau und liest laut aus einem Gebetsbuch. Als ich näher komme spricht mich eine andere Frau an. Sie ist ärmlich gekleidet und hat einen kleinen Jungen bei sich.
Willst du einen Buddha sehen? fragt sie mich. Ich habe zwar schon einige Buddhas gesehen und werde wohl noch etliche sehen, aber wenn sie mir etwas spezielles zeigen will, bin ich dabei. Sie führt mich zu einem Eingang hinter dem Gebäude, vor dem wir stehen und da drin steht tatsächlich ein spezieller hochaufragender Buddha, der mich in der Figur doch eher an eine Frau erinnert.
Doch meiner Begleiterin ging es offensichtlich gar nicht um den Buddha, sie bettelt mich an. Sie will, dass ich sie fotografiere. Gegen ein Trinkgeld selbstverständlich. Für ihr Kind, bedeutet sie mir und blickt mich mit hilflosen Augen an. Was soll ich da machen, es scheint, dass ich sie nicht mehr los werde.
Nachdem Foto und Geld erledigt sind, verschwindet sie rasch um die Gebetshalle herum und ich sehe grad noch, wie sie das Geld der schwarzgekleideten Frau gibt, die inzwischen ihr Gebetsbuch zur Seite gelegt hat und das Geld in ihre Handtasche stopft.
Warum hast du das Geld gleich weitergegeben, frage ich die Bettlerin, nachdem ich ihr nachgegangen bin. Sie wechselt auf Befehl der schwarzen Frau das Blumenwasser in der Vase aus. Sie schaut mich noch verstörter an, als vorhin und versteht jetzt überhaupt kein Wort mehr.
In einem anderen Gebetsraum werden Esswaren aufgetischt. Es scheint, dass da eine ganze Familie am Werk ist. Drei Frauen arrangieren die Früchte, Reisschüsseln, Wasserflaschen, Süssigkeiten und vorgekochten Speisen, dekorieren sie mit Blumen, während zwei Männer dabei stehen und manchmal eine Bemerkung machen, oder etwas dazu stellen, was von den Frauen sofort umgestellt wird.
Für wen sind diese Gaben? frage ich den jüngeren Mann, der mich beim näher kommen begrüsst hat.
Für den Tempel.
Für die Mönche?
Nein für den Tempel.
Aber wer wird das alles essen? Er kann mir da keine richtige Antwort geben, erst als ich frage, ob denn die Sachen später einfach weggeworfen würden, meint er, nein, vielleicht essen wir das auch selber.
Dann holt er ein dickes Bündel Banknoten, gibt mir eine davon und legt den Rest zu den Esswaren, wo die Frauen das Geld dekorativ verteilen.
Es sind Yen und ich nehme an, dass es lauter kleinwertige Noten sind, denn das Bündel ist sehr dick.
Ich gehe zurück zum Taxi.
Wir fahren zur nächsten Pagode, einem hohen Bau in einem kleinen Hof. Darin sitzt ein ganz normaler Buddha und schaut gnädig auf einen Korb voller Bananen und einer Kokosnuss. Die Mauern zeigen aussen wunderschöne Strukturen, die leider im Laufe der Zeit zerbröckelt sind und nur noch Reste übrig gelassen haben.
Beim Ausgang entdecke ich eine Frau, die Batterien und Speicherkarten verkauft. Genau die, die ich in Yangoon in allen Läden gesucht und nirgens gefunden hatte. Hier liegen sie vor mir und mein Speicherproblem hat sich erledigt.
Weiter geht es durch die Ebene, wo überall Pagoden aus der Erde zu wachsen scheinen. Grosse und kleine, die meisten ohne Eingang, gebaut aus roten Ziegelsteinen.
Bei der nächsten Pagode soll ich hinauf steigen. Zuvor werde ich aber von einem jungen Mädchen abgefangen.
Die übliche Anmache: woher kommst du?
Switzerland
Ah, guten Tag!
Ich stutze, das war tatsächlich deutsch.
Sie lacht, willst du Bücher kaufen – das ist jetzt wieder in Englisch.
Nein, ich will auf die Pagode steigen und keine Bücher kaufen.
Doch da legt sie schon zwei vor mich hin. Es sind tatsächlich deutsche Bücher und was noch viel überraschender ist, sind die Titel. Ich hatte vor ein paar Tagen irgendwo gelesen, dass George Orwell hier ein paar Jahre gelebt und über seine Erlebnisse ein Buch geschrieben hat. Ich hatte mir vorgenommen, zurück in der Schweiz dieses Buch zu besorgen.
Und auch von der Österreicherin, deren Freund sich nach der Hochzeit als burmesischer Prinz herausstellte hatte ich irgendwo bei einer Führung ganz nebenbei etwas gehört. Dass die Frau später ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben hat, wusste ich nicht.
Aber genau diese beiden Bücher liegen jetzt vor mir. Dass ich da nicht widerstehen kann, versteht sich von selbst. Sie hätte die Bücher auch noch in anderen Sprachen gehabt, die Verkäuferin war bestens vorbereitet und "Guten Tag" hätte sie in mindestens fünf Sprachen akzentfrei sagen können.
Ich steige hinauf auf die Pagode. Die Treppe ist extrem steil und die Stufen sind hoch. Aber es lohnt sich, hier oben hat man eine wunderbare Aussicht über die weite Ebene in der überall weitere Pagoden verstreut sind.
Beim Blick um die eingerüstete Pagode stosse ich auf einen Verkaufsstand, der gerade aufgebaut wird.
Montag: Tiger
Dienstag: Löwe
Mittwoch Vormittag: Elefant mit Stosszähnen
Samstag: Schlange
Donnerstag: Ratte
Mittwoch Nachmittag: Elefant ohne Stosszähne
Freitag: Meerschweinchen
Sonntag: Galon-Vogel
Nein, ich will nichts kaufen, ich will jetzt nur ein paar Fotos machen. Nein, auch wen diese Sandbilder wunderschön sind, ich brauche die nicht.
Er will es mir ja nur erklären. Das Bild mit den Tagessymbolen. Weil es doch so wichtig ist, dass man weiss, wann man geboren ist und was es bedeutet, denn jeder Tag hat ein eigenes Symbol. Schau mal, hier der Montag mit dem Tiger, da der Dienstag mit dem Löwen. Wann bist du geboren? Ah, der Sonntag mit dem Golan-Vogel, einem Fabelwesen. Schau mal.
Er erklärt, er erzählt, meint, dass ich doch unbedingt eines dieser Sandbilder kaufen sollte, damit ich mich immer an das wunderschöne Bagan mit seinen Pagoden erinnere. Ich werde Bagan eh nie vergessen.
Ja, er hat mich erwischt, seine Erklärungen waren es wert und sein Bild ist auch tatsächlich etwas Spezielles. Auch wenn natürlich ähnliche Motive überall immer wieder autauchen. Aber ich werde jetzt bestimmt immer an den Verkäufer denken, der am Morgen unterwartet hinter der Pagodenkuppel hervorkam, als ich gerade erst schwer atmend oben angekommen bin.
Der Abstieg ist übrigens ziemlich happig. Ich hatte es zwar schon beim Aufstieg gewusst, aber jetzt, wo ich so die steile Treppe hinunter sehe, wird mir doch etwas schwach in den Knien.
Slowly, slowly, ruft mir die Buchverkäuferin von unten zu und so steige ich mehr sitzend denn gehend langsam wieder von der luftigen Höhe hinunter.
Wir besuchen noch weitere Pagoden und ich verliere mit der Zeit die Übersicht. Überall stehen Verkaufsstände oder Verkäufer bauen sich mit ihrem Angebot vor mir auf. Ich will aber gar nichts kaufen, mein Koffer ist bereits voll.
Der Maler, mit seinen Aquarellbildern auf Sand versteht, dass ich nicht so viel kaufen kann, verwickelt mich aber dann doch in ein Gespräch. Er erzählt, dass er das Malen von Grund auf gelernt hat und dass es als Künstler nicht immer einfach ist, zu überleben.
Er hat vier halberwachsene Töchter. Die dritte studiert in Mandalay und es ist für ihn jeden Monat eine Herausforderung, die Kosten für Studium und Unterkunft zu bezahlen. Aber es ist ihm wichtig, dass seine Mädchen eine gute Ausbildung bekommen. Wir plaudern noch ein wenig über die Bedeutung von Schule und Sprachen und dann bitte ich ihn, mir seine Bilder jetzt doch noch zu zeigen.
Vor vielen Pagoden gibt es Marionetten zu kaufen. Sie hängen von Bäumen, tanzen im Wind oder dekorieren Verkaufsstände. Mir gefallen sie sehr, und ich muss mich beherrschen, sie nicht zu eingehend zu studieren.
Wohin soll ich sie packen? Platz wäre im Koffer zwar schon noch, aber das Gewicht für die Inlandflüge ist erreicht, mein Rucksack, in den ich die schwereren Dinge packe, wird immer schwerer. Nur bei Büchern werde ich schwach. Diese kann ich aber wenn sie gelesen sind auch irgendwo liegenlassen und hoffen, dass sie jemand findet und genau so erfreut ist darüber wie ich.
Und wieder komme ich mit einem Maler ins Gespräch. Er hockt auf einer Mauer vor seinem Stand und zeichnet ganz nebenbei ein wenig auf ein kleines Stück Stoff.
Siehst du, für die Sandbilder wird der Sand zuerst auf diese Stoffe geklebt. Eine ganz feine Schicht. Dann wird darauf gemalt. Ja, im Moment ist es schwierig, es sind fast keine Käufer da. Ich habe heute noch nichts verkauft, aber wenn dann wieder Saison ist, dann kann man sich kaum mehr erwehren. Dann sind auch die Preise viel höher. Für meine Bilder, fürs Essen und für die Hotels.
Englisch hat er in speziellen Kursen gelernt aber malen kann er von Hause aus. Wir sind alle Künstler in der Familie, erzählt er, das ist eine Tradition.
Und dann schenkt er mir den Mittwochs-Elefanten, den er während unseres Gesprächs mit schwarzer Tinte gezeichnet hat. Und als ich ihm dafür ein kleines Trinkgeld gebe, macht er gleich noch eines mit meinem Sonntags-Vogel. Einfach so.
Ich habe inzwischen genug Pagoden und Tempel gesehen, der Schweiss ist mir schon öfters den Nacken hinunter gelaufen und im gekühlten Taxi wieder getrocknet, aber mein Fahrer besteht darauf, noch einen Tempel zu sehen.
Ich habe keine Ahnung, wie er heisst, aber er ist tatsächlich etwas sehr Spezielles. Ein grosser Bau mit vier Erkern in der Mitte in denen vier hoch aufragende schlanke Buddhas stehen. Ich erhasche eine Erklärung eines Guias, der einem Ehepaar den Tempel erklärt.
Hier in der Mitte durften sich nur der König und seine Familie aufhalten, der mittlere Raum war für die Mönche und der dritte, äusserste für das Volk. Die verschiedenen Kammern sind durch dicke Mauern getrennt in denen offene Portale und Bogenfenster Einblicke in die nächsten Kammern gewähren.
Am Himmel ziehen dicke Wolken auf und ich schlage vor, dass wir irgendwo einkehren. Anjel weiss schon wo und als wir vor dem Restaurant vorfahren, fängt es grad an zu regnen.
Die Serviertöchter springen mir mit Regenschirmen entgegen und schon bald geniesse ich eine kühle frische Lemonade mit Eis und lasse mir ein Chicken Curry servieren. Aniel ist im Auto geblieben, es ist nicht üblich, den Chauffeur mit einzuladen. Und reden könnten wir auch nicht, denn sein Englisch ist tatsächlich kaum vorhanden.
Der Regen ist nur von kurzer Dauer und hat es kaum geschafft, die Hitze abzukühlen. Im Gegenteil, nach dem Regen dampft die Erde noch mehr, die Schwüle drückt und alles was ich berühre scheint klebrig zu sein. Wir fahren zurück zum Hotel. Mittagspause.
Um fünf Uhr holt mich Aniel zum Sonnenuntergang ab. Ich bin inzwischen wieder auf Betriebs-Temperatur heruntergekühlt und aufnahmefähig. Schau mal, Aniel zeigt zu einer hohen Pagode, wo ganz viele Menschen auf der oberen Plattform stehen und auf den Sonnenuntergang warten. Es scheint, dass alle Touristen, die zurzeit in Bagan sind, sich dort versammeln, es ist ganz schön was los da.
Doch Aniel steuert ein anderes Ziel an.
Es ist ein flacher Bau vor dem er anhält. Dort erwartet mich eine Frau und führt mich hinauf auf die Plattform. Eine schmale Treppe mit hohen steilen Stufen führt im Inneren des Gebäudes hinauf. Dieses ist nicht ganz so hoch, wie die Pagode, an der wir gerade vorbei gefahren sind, aber es ist offen auf alle Seiten und ich bin im Moment ganz allein da. Etwas später kommt noch ein spanisches Paar das mit einer sehr netten Tour-Guide-Frau unterwegs sind.
Leider, aber anderes habe ich eigentlich gar nicht mehr erwartet, verdrückt sich die Sonne vorzeitig hinter einer dicken Wolkenschicht. Der Ausblick über die vielen Pagoden und die Stimmung über der Ebene ist trotzdem ganz fantastisch. Auch wenn es weit hinten im Osten bereits regnet und auch über uns jetzt dicke schwarze Wolken aufziehen.
Ich will von der Frau wissen, wo sie herkommt, was sie hier macht. Sie spricht sehr gut englisch, von den Touristen gelernt.
Ich bin für diese Pagode zuständig, schaue, dass immer alles sauber ist, wechsle die Blumen im Tempel und zeige den Touristen die Treppe für den Aufstieg. Ob sie denn angestellt sei, woher sie ihr Einkommen beziehe, will ich wissen und merke schon an ihrer Mine, dass die Frage völlig falsch war.
Natürlich macht sie das ganz aus eigenem Antrieb. Vielleicht bekommt sie manchmal ein Trinkgeld, ausserdem verkauft sie noch ein paar Longies unten vor der Pagode, das sind die langen Röcke, die die Menschen hier tragen.
Bevor es ganz dunkel wird, bittet sie uns, hinunter zu steigen. In der Dunkelheit sollte man sich nicht mehr auf den Pagoden aufhalten. Mir ist nicht ganz klar, ob das wegen der dunklen steilen Treppe ist, oder ob es um Geister geht.
Wir fahren zurück zum Hotel. Es war ein eindrücklicher Tag in den Pagoden von Bagan. Ich habe nur ein paar gesehen, es gäbe noch Tausende mehr. Aber ich werde diese eigenartige Gegend nie vergessen.
eine enge dunkle Treppe mit steilen Stufen und niedriger Decke führt hinauf auf die Terrasse diese Pagode.
Ich habe heute einen Vogel entdeckt, bin aber nicht sicher ob es vielleicht doch einfach ein ganz gewöhnlicher Spatz ist...
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar