Mekong
Mekong
Es gilt Abschied zu nehmen. Abschied vom Hotel, in dem ich mich ein paar Tage sehr wohl gefühlt habe, von der Besitzer-Familie, die mich zuvorkommend umsorgt hat und von Thailand, das sich von der besten Seite gezeigt hat.
Ein ShuttleBus holt mich um neun Uhr ab. Zuerst werden alle Teilnehmer eingesammelt. Der Bus wird voll. Ganze zwölf Touristen sammelt der Fahrer nach und nach ein. Alle Plätze sind besetzt. Es wird eng. Den engsten Platz hat der Deutsche, der in der hintersten Reihe gleich neben das hoch aufgeschichtete Gepäck zu sitzen kommt. Es ist sehr heiss da hinten und einmal versucht er nach einem Halt einen zaghaften Versuch: „Möchte vielleicht jemand… „ Niemand will, er wird den Platz bis zum Abend behalten dürfen.
Schwierigkeiten hat auch der grosse Schwede in der ersten Reihe. Da wo für die Beine gar kein Platz ist, wo man die Füsse nicht einmal unter den Vordersitz stellen kann. Doch er meint, das sei eben das Handicap als grosser Mensch in Thailand. Er könne sich nicht einmal richtig im Spiegel betrachten, er würde meistens nur seinen Bauch sehen. Wobei er natürlich schamlos übertreibt.
Ein Holländer glaubt, die beste Lösung gefunden zu haben. Noch bevor der Bus ganz voll ist, setzt er sich auf den Beifahrersitz und schiebt den Sitz ganz nach hinten. Da wird er aber vom Driver sofort belehrt, dass der Sitz vorne bleiben muss. Damit ist es mit dessen Beinfreiheit auch vorbei und der junge Mann zeigt für den Rest des Tages ein mürrisches Gesicht. Ich habe schon auf anderen Fahrten entdeckt, dass der beste Platz in der zweiten Reihe ist. Der einzelne Sitz ganz links, gleich bei der Seitentüre. Hier gibt es keinen Vordersitz und ich kann meine Beine frei bewegen.
Obwohl die Klimaanlage voll aufgedreht ist, wird es warm im Bus. Schnell haben wir die Stadt verlassen und fahren auf einer gut ausgebauten Strasse nordwärts. Die Strasse ist breit und meistens dreispurig. Unser Fahrer fährt locker und gut. Überholt wird rechts und links. Wobei man beim links überholen vor allem in den Dörfern darauf achten muss, dass kein parkiertes Auto am Strassenrand steht. Wir fahren durch Wälder, es geht stetig aufwärts. Berge, resp. Hügel, überwachsen mit Dschungel. Eine wilde verlassene Gegend.
Später erstrecken sich Reisfelder an der Strasse. Braune, noch unbewässerte abgesenkte Felder, Wasserflächen mit schmalen Erdwällen an den Seiten. Wie Spiegel liegen sie in der Landschaft. Manchmal schon bepflanzt, manchmal noch ganz leer. Oder die bereits angepflanzten mit den grünen Schösslingen. Schön sehen sie aus, wie satte Weiden mit schimmerndem Wasser. Manchmal arbeiten auf den Feldern Menschen. Gebückt mit tief ins Gesicht gezogenen spitzigen Strohhüten. Sie pflanzen oder graben mit ihren Spitzhacken. Dort stösst einer einen vorsintflutlichen Holz-Pflug durch die braune Erde.
Wir fahren weiter. Es gibt viele Bananenbäume, kleine Plantagen. An sattgrünen Bäumen hängen grüne Mangos. Man kann sie erst auf den zweiten Blick erkennen. Und an den Strassen werden Ananas verkauft. Bei einem Haus entdecke ich eine Pitaya, am Baum, resp. an einem Kaktus hängen. Ich habe mir noch gar nie überlegt wie diese Früchte wachsen, die ich in den letzten Tagen immer zum Frühstück gegessen habe. Jetzt erst erkenne ich, dass es eine Kaktusfrucht ist. Ich werde versuchen, irgendwo eine aus der Nähe zu sehen, denn wir fahren weiter.
Durch Dörfer. Am Strassenrand kleine Geschäfte. Ein Schreiner, der seine Möbel auf die Strasse stellt, damit man sieht, was er fabriziert, Mechaniker – ich habe einen Blick dafür – mit Autos oder Motorrädern davor, kleine Supermärkte, Essensstände, Guesthäuser, Imbissstuben – wir fahren weiter.
Immer nach neunzig Minuten gibt es einen Halt. Wir fahren vor einem einsamen Restaurant vor. Gegenüber gibt es einen grossen Parkplatz.
Kaum stehen die Räder still, öffnet eine junge Frau die Seitentüre: Dreissig Minuten Pause, sie können sich verpflegen, es gibt Wi-Fi und Toiletten. Vor dem Eingang verteilt eine andere die Menukarten und der Typ hinter der Kasse nimmt die Bestellungen auf, meldet sie per Funk in die Küche und kassiert. Und tatsächlich, keine zehn Minuten später werden die Bestellungen ausgeliefert.
Während ich auf das Essen warte, mache ich mich auf Foto-Motiv suche und entdecke neben dem Restaurant, gegen die Strasse mit Sträuchern geschützt, einen Pool. Schön in sandfarben bemalt, eine moderne Anlage. Nur schade, dass die Farbe des Wassers so sehr Ton in Ton mit den bemalten Wänden ist. Hinter dem Restaurant gibt es ein paar Bungalows. Der Ort nennt sich ja nicht ohne Grund „Full House Resort“.
Im 10 Minuten-Abstand treffen neue Busse ein. Es ist alles bestens durchorganisiert. Die Fahrer melden sich telefonisch an, die Bedienung steht auf dem Parkplatz, öffnet die Türe und sagt: 30 Minuten Pause.
Wir fahren weiter.
Der nächste Halt ist in Chiang Rai. Direkt vor dem weissen Tempel halten wir an. Ich habe ihn auf Fotos gesehen, doch was wir hier sehen, übertrifft alles. Gleissend strahlt das Gebäude in der Sonne. Der weisse Marmor, oder ist es Gips - ist mit unzähligen Spiegeln bestückt, in denen sich die Sonne silbern verdoppelt. Leider ist die Zeit zu kurz, um hinein zu gehen. So begnüge ich mich, ein paar Fotos über den Zaun zu machen. Eintreten würde heissen, sich an der Kasse anzustellen.
Ich muss ja dringend eine Toilette aufsuchen, mein Magen ist seit heute Morgen etwas nervös.
In Chang Rai verlassen uns sechs Leute. Sie werden hier übernachten und erst morgen weiter fahren. Bestimmt werden sie noch einmal zum Tempel zurückkehren. Ich frage den Fahrer nach dem nächsten Toiletten-Halt. "Wait," meint er und hält eine Viertelstunde später an einer öffentlichen WC-Anlage. Höchste Zeit. Danach geht es mir etwas besser. Wahrscheinlich hat sich mein Magen verschlossen, als er die Toilette gesehen hat. So nicht. Jedenfalls halte ich die restlichen zwei Stunden problemlos durch.
Ankunft in Chiangkhong. Wir halten vor einer einfachen Unterkunft. Man hatte mir gesagt, dass wir eventuell in einem Gemeinschaftsraum schlafen würden. Bereits am Morgen habe ich dem Chauffeur mitgeteilt, dass ich gern etwas aufzahle, wenn ich ein eigenes Zimmer haben könnte. „Wait,“ hat er gesagt und jetzt zeigt er mir mein Zimmer. Es ist ein einfacher Raum mit einem Doppelbett. Nur für mich. Und eine einfache Dusche/WC. Eigentlich ein Loch mit einem kleinen Fenster und ausserdem riecht es eigenartig.
Aber es wird gehen, ich werde das überleben. Über dem Bett hängt ein Ventilator. Den schaltet er ein und der wirbelt jetzt die warme Luft durch den kleinen Raum.
In der Dusche ein Schild: „Bitte aufpassen, das heisse Wasser ist sehr heiss.“
Ich drehe den Wasserhahn auf. Wie heiss kann heisses Wasser sein, dass man extra davor warnen muss? Es kommt kalt. Der andere Hahn dreht leer. Ich warte ein paar Minuten und muss loslachen. Es gibt nur kaltes Wasser. Hätte ich eigentlich sehen müssen. Bisher gab es in jeder Dusche einen Durchlauferhitzer, hier fehlt er.
Wie war das noch mit dem Wi-Fi-Code und dem heissen Wasser. Ich hasse kalt duschen, aber es nutzt nichts. Nach den vielen Stunden im Bus nimmt man auch das in Kauf.
Zurück auf der Terrasse, die gleich an den Empfangstresen anstösst, sehe ich ihn. Den Mekong. Ich bin da, am Ziel. Der Mekong war der Grund, dass ich mich für diese Länder entschieden habe. Nachdem ich so lange immer wieder an den Amazonas gereist war, fand ich, dass ich mir auch einen anderen Fluss ansehen könnte. Er ist viel schmaler, als ich mir das vorgestellt hatte. Aber er hat auch noch viel Zeit und Raum, um breiter zu werden, um sich zu dem grossen Strom zu entwickeln.
Um 18.00 Uhr gibt es Nachtessen. Gemeinsam, im Paket inbegriffen. Ich setze mich zu dem Holländer, der allein reist und anscheinend keinen Anschluss gefunden hat. Ganz im Gegensatz zu den anderen Reisenden, die sich bereits zu zwei Pärchen zusammen gefunden haben. Der Schwede mit der Amerikanerin und Rosi die Engländerin mit Collin, dem Irländer. Es scheint mir etwas abgehoben, wenn ich mich jetzt an einen eigenen Tisch setzen würde.
Wahrscheinlich haben sich die beiden Paare nicht erst heute kennen gelernt. Das mit dem Holländer hätte ich besser sein lassen. Seine Mine verheisst nichts gutes und fast wäre ich mit meinem Teller an einen anderen Tisch umgezogen, finde das aber doch etwas zu krass. Was er denn noch so vorhabe, eröffne ich mit dem stereotypen Fragespiel. Die Frage, die direkt nach der „Wo warst du denn schon?“ kommt. Er weiss es nicht genau, wird wohl in die Hauptstadt weiterfahren. Wenn es nicht zu umständlich ist, fügt er an. Am besten würde ich mir wohl einen Scooter mieten und damit weiter reisen.
Es scheint, dass er tatsächlich Mühe hat mit seiner Grösse. Alles ist zu kurz für ihn. Ich erzähle, dass ich mit dem Nachtzug gefahren bin, und dass es bis auf das störende Licht recht bequem war. Irgendwie entlocke ich ihm, dass er in Vietnam mit dem Zug gereist sei. Auch da alles zu kurz und unbequem für seine langen Beine. Ich frage nicht, wo er schläft, aber ich vermute, dass man ihn in einem Drei-Bett-Zimmer eingeteilt hat. Auch nicht wirklich ein Grund, freundlicher in die Welt zu sehen. Jedenfalls verziehe ich mich so bald als möglich von seinem Tisch und setze mich mit meinem Laptop separat hin. Dann doch lieber Facebook.
Leider ist das Netz sehr instabil. Nicht das richtige für meinen Blogg. Ich lade die wenigen Bilder auf, resp. versuche es, schreibe den Text und mache mich daran, ihn in die Seite zu kopieren. Bald wird es dunkel. Auf der anderen Flussseite gehen die Lichter an. Dort ist Laos. Morgen werden wir die Grenze passieren.
Die anderen gehen ins Dorf, suchen noch etwas zu Essen. Denn was man uns hier aufgestellt hat, gehörte nicht zu den kulinarischen Aufstellern. Mir ist das gerade Recht. Mag heute nicht so viel essen. Als es auf der Terrasse dunkel wird, die Besitzerin hat kurzerhand das Licht ausgedreht, verziehe ich mich in mein Zimmer, versuche zu schlafen, trotz der Coca Cola, die ich für meinen Magen getrunken habe. Und trotz der brettharten Matratze
Vielleicht klappt es am Morgen besser mit dem Internet.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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