Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Happy Day

Der Tag beginnt mit einer eher unangenehmen Überraschung, auf die ich mich erst einmal einstellen musste.

Ich soll um 8.30 Uhr in der Lobby sein, eine der Angestellten wird dann mit mir zur Busstation gehen. Das heisst, relativ früh aufstehen, Frühstück, fertig packen und um 8.00 Uhr auschecken.

Das mit dem Ausschecken hat geklappt, das andere war um zwölf Stunden verschoben. Ich hatte ein ganz kleines Detail überhört. 8.30 pm, das heisst Nachmittag, resp. Abend.

Da sitze ich jetzt also. Koffer ist gepackt, Zimmer aufgegeben und vor mir liegt ein ganzer Tag. Was mache ich damit.

Ich entschliesse mich, noch einmal zur grossen Pagode zu fahren, vielleicht treffe ich Steven.

Zur Pagode, sage ich zum Taxifahrer und der fährt los. Nach einer Weile frage ich nach.

Fahren wir tatsächlich zur Pagode?
Ja, zur Sule-Pagode, stimmts?
Hm, ja zur Sule-Pagode

Kann ja nicht schaden, noch eine zweite Pagode anzusehen. Immerhin ist sie das Zentrum, von dieser Pagode aus haben die Engländer seinerzeit das Strassennetz Yangoons angelegt. Die Pagode steht mitten in einer Strassenkreuzung neben einem Park mit einem Oblisken.

vor dem Obelisken...

vor dem Obelisken...

... einfach ein wenig knipsen

... einfach ein wenig knipsen

Weil gerade die Sonne scheint, steuere ich den Park an, auf der Suche nach einer Bank, um zuerst ein wenig im Reiseführer zu lesen. Bänke gibt es keine, die Leute sitzen wohl direkt auf den Rasen. Oder auf die Stufen vor dem Obelisken. Dahin zieht es auch mich. Ein guter Beobachtungsposten. Ich könnte mit dem grossen Objektiv versuchen, Menschen zu fotografieren. Verschiedene Menschen, denn die Gesichter hier sind immer wieder anders. Myanmar ist ein Gemisch der Ethnien.

Ausserdem lese ich, dass sich in den vielen kleinen Boxen um die Moschee Wahrsager und Handleser eingemietet hätten. Vielleicht finde ich einen der Englisch spricht.

Where do you come from?

Der junge Mann, der sich vor einer Viertelstunde in meiner Nähe auf die Treppenstufen gesetzt hat, hat mich angesprochen.
Switzerland.

Oh, Hockey, Top of Champions League!

Das stimmt nicht, das weiss sogar ich, ist aber ein interessanter Einstieg. Auf die Frage nach meinem Alter, meint er, du könntest meine Grossmutter sein.

Schock – und Erkenntnis. Ja, das stimmt tatsächlich. Er ist 25.

Obwohl ich mich am Anfang gegen ein Gespräch sträube und behaupte, alles von Yangon zu kennen, kommen wir trotzdem stockend ins Reden. Und als er mir vorschlägt, mit der Fähre auf die andere Seite, nach Dala zu fahren, hat er mein Interesse endgültig geweckt.

"Wenn Sie der Hektik Yangons entfliehen möchten, nehmen sie die Fähre nach Dala und erkunden per Fahrradrikscha diesen lebendigen noch recht länglich geprägten Ort."

Das war der einzige Satz in meinem Reiseführer, der einen Hinweis auf Dala gibt und den ich grad vorhin gelesen habe.

Natürlich habe ich längst nicht alles von Yangon gesehen, aber ich habe von der Grossstadt bald genug und die Aussicht, mit Begleitung nach Dala zu gehen, reizt mich.

Was wird mich das kosten?

Oh, ich denke nicht an Geld, ich möchte dir gern den Ort zeigen, denn ich lebe dort. Ich studiere Englisch und freue mich, mit Ausländern zu sprechen.

Das ist diese schwammig freundliche Anmache, die ich überhaupt nicht mag, und die meinem Zahlendenken komplett widerspricht. Sie ist aber hier, wo alles irgendwie auf freiwilligem Geben und Nehmen basiert, gross verbreitet, wahrscheinlich sogar Teil der Kultur. Auch der Mönch wollte mir keinen Preis angeben. Gib das, was es dir wert ist.

Also los geht’s. Die Fähre ist ganz in der Nähe. Sie wurde erst kürzlich von Japanern neu eingerichtet mit zwei Schiffen. Darum dürfen Japaner sie gratis benutzen. Und die Einheimischen zahlen einen kleinen Betrag. Ausländer zahlen 3000 Kyat für hin und zurück und bekommen dafür eine Flasche Wasser dazu. Und ausserdem dürfen sie auf der Fähre auf einen der Plastikstühle sitzen, während die Einheimischen dafür 50 extra bezahlen müssen. (1000 Kyat = 70 Rappen)

Auf dem Anleger haben ein paar Händler ihre Stände aufgebaut und bieten burmesisches Fastfood und frische Früchte an.
Die Fähre legt an und entlädt eine grosse Schar Leute. Auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule.

Wir steigen ein und sind augenblicklich in einer völlig anderen Welt. Myolwin, so heisst mein heutiger Begleiter, organisiert zwei Plastikstühle und will mich im Oberdeck zu einer ruhigen Ecke manövrieren, doch ich mag keine schützende Hand, ich will mitten hinein ins Gewimmel. Will die Ananasverkäuferinnen, die ihre geschälten Früchte in einem flachen Korb auf dem Kopf tragen, von nahe fotografieren, will den kleinen Jungen sehen, der zwei Plastiksäcke mit Limetten verkaufen möchte, den Losverkäufern, der das Glück verspricht, den Zeitungsverkäufer, der die News des Tages loswerden will und die Eierhändler mit ihren hartgekochten Vogeleiern.

Ich will das alles von nahem sehen, oder mit dem grossen Objektiv, das noch immer auf der Kamera steckt, näher heranzoomen. Ich bin fasziniert von all dem Gewusel und kämpfe mich durch die Leute, bevor ich endlich auch auf dem Oberdeck ankomme.

Hier hast du den besten Blick auf den Hafen und dort draussen ist das Meer.
Ja hier verbreitert sich der Yangon River und wird übergangslos zur breiten Meeresbucht. Und hier liegen auch die grossen Containerschiffe vor Anker, die mit den Hafenkranen entladen werden, die ich von meinem Hotel aus sehe.

Der kleine Mönch hat mir  später fröhlich zugewunken, als er eingeklemmt auf dem Fahrrad zwischen Vater und Mutter weggefahren ist.

Der kleine Mönch hat mir später fröhlich zugewunken, als er eingeklemmt auf dem Fahrrad zwischen Vater und Mutter weggefahren ist.

Myolwin zeigt mir die Autofähre, etwas weiter entfernt. In einem Jahr soll hier eine Brücke für die Autos gebaut werden. Auch das eine Investition aus dem Ausland. Die Passagierfähre wird dadurch kaum beeinträchtigt, aber die Autos werden dann keine Fähre mehr brauchen um nach Dala zu kommen.

Auf der anderen Seite der empfangen uns unzählige Taxifahrer, die alle einen Passagier suchen. Myolwin hat bald zwei junge Ritschkafahrer gefunden und ich soll aufsteigen.

Nein, ich weil keine zwei Polster, mir reicht eines.

Das ist aber besser so, bequemer, und ausserdem sind die Sitze sehr eng, das könnte unangenehm sein.

Recht hat er, ich muss innerlich schmunzeln. Sehr diplomatische Art, mir zu sagen, dass mein Hinterteil etwas breiter geraten ist, als der allgemeine Durchschnitt hier. Und es wäre tatsächlich eine Tortur geworden, mich in diesen engen Sitz zu quetschen ohne die beiden Polster, die meine Position erhöhen.

Ich bin also wieder einmal mit einem neuen Gefährt unterwegs. Zuerst habe ich etwas ein schlechtes Gewissen, als ich merke, wie er sich manchmal anstrengen muss, doch dann entdecke ich, dass die Gefährte mit zwei Sitzen ausgestattet sind. Ich bin immerhin allein. Und Myolwin sitzt auf einem anderen, die Jackenrückseite seines Fahrers ist mit einem leuchtend grünen Hanfblatt bedruckt. Sehr einfach, diesen nicht zu verlieren.

Wir fahren vorbei an einfachen Hütten, Verkaufsständen, Handwerksbuden und sind bald ausserhalb des Dorfes. Und dann fängt es plötzlich an zu regnen. Erst nur ein paar Tropen, aber weil ich weiss, wie schnell es gehen kann, packe ich meine Kamera rasch in die Handtasche und als die ersten grossen Tropfen fallen, stehen wir unter dem schützenden Dach einer Pagode.

Diese wartet mit einem aufgebahrten heiligen Mönch und dessen Geschichte auf, die darin gipfelt, dass bei seinem Tod viele Menschen träumten, dass er ein Heiliger sei. Worauf das auch eintraf.

Zu seinem Schein pilgern nicht nur Menschen, sondern auch Kühe, Hunde und Katzen, steht auf der Informations-Tafel und tatsächlich, da macht es sich gerade eine Katze mit ihren beiden Jungen gemütlich.
Der Regen hat etwas nachgelassen und wir kehren zu unseren Fahrzeugen zurück. Einer der beiden Fahrer hat irgendwo einen Schirm hergezaubert, aber ich weigere mich, mit Schirm zu fahren. Wegen den paar Regentropfen.

Wir fahren vorbei an Reisfeldern - die gehören dem Goverment – und kommen zu einer kleinen Siedlung von Bambushütten. Das ist das Dorf von Tsunamiüberlebenden, die vor 13 Jahren alles verloren haben. Es sind die ärmsten hier. Die meisten haben keine Arbeit, leben von Spenden, die eine Organisation entgegennimmt und verteilt, einige haben in der Stadt eine Gelegenheitsarbeit oder verkaufen irgendwelche Waren. Land haben sie keines mehr. Es sind Menschen ohne Perspektive.

Hier, weit weg von der Westküste haben die Menschen trotzdem die Auswirkungen der Katastrophe miterlebt und fast alle Häuser wurden mitgerissen. (Von den Auswirkungen hier in Birma wurde in der Welt nichts bekannt, die Militärjunta hielt eine eiserne Hand über alle Informationen, erfahre ich später dank Google). Vor den Häusern sind ein paar Kinder, die sich scheu verstecken und dann doch wieder neugierig hervorgucken. Ich frage ihre Mütter, ob ich fotografieren darf und bekomme durchwegs freundliche Gesichter.

Du darfst hier alles fotografieren.

Ich möchte aber trotzdem zuvor fragen und ihnen die Bilder zeigen, die ich mitnehme.

Ich spüre, wo hinaus die Informationen gehen. Auf dem Markt gibt es einen bestimmten Reishändler, bei dem man einen Sack Reis kaufen und beschriften kann, der dann im Dorf verteilt wird. Hilfe vor Ort, wo es am nötigsten ist.

Auf dem Weg bei der Siedlung kommt uns ein Mönch entgegen. Fest hält er die Schüssel mit den Essensgaben an sich gedrückt.

Was macht dieser Mönch hier? Hier bei den Ärmsten, da wo niemand etwas hat.
Die Mönche sammeln das Essen von allen Menschen. Manchmal bekommen sie nur einen Löffel Reis, jeder gibt das, was er kann.

In meinem Kopf vermischen sich die Gedanken. Wahrscheinlich genauso wie all die Essensgaben, die der Mönch zusammengebettelt in seinem Topf mit sich trägt. Ich kann sie nicht auseinanderhalten und möchte sie auf keinen Fall essen. Nehmen und Geben. Alles ist freiwillig.

Vor den Hütten entdecke ich wunderschöne Wasserkrüge. Ähnliche, wie ich sie im Mekongdelta gesehen habe. Hier wird das Regenwasser gesammelt, denn in der Siedlung gibt es weder Strom noch fliessend Wasser.

Wir fahren zum Haus von Myolwin, er möchte mir zeigen, wo er zu Hause ist.
Lass uns zuerst auf den Markt gehen, ich möchte deiner Mutter ein Geschenk mitbringen.

Das ist nicht nötig, der Markt ist in der anderen Richtung, lerne meine Familie kennen.

Ein schlammiger Weg, der mit Sandsäcken irgendwie begehbar gemacht wurde, führt zu dem Haus. Der Vater ist da, verzieht sich aber rasch. Mutter, eine Schwester mit ihrem kleinen Kind und der Schwiegervater der Schwester bleiben.

Setz dich.

Freundlich zeigt man auf den freien Platz auf dem Boden. Umständlich setze ich mich hin. Da muss ich jetzt durch.

Auch ein jüngerer Bruder von Myolwin ist hier. Er und ich, wir helfen, die Familie durchzubringen.

Was arbeitest du denn?

Ich bin Übersetzer, so wie mein Bruder.

Myolwin? Übersetzer? Das wusste ich gar nicht.

Ich habe irgendwie die falschen Fragen gestellt, die falschen Informationen bekommen. Es wird ganz ruhig, es wird peinlich. Niemand ist hier Übersetzer. Oder doch? Ist das, was Myolwin hier macht nicht auch die Arbeit eines Übersetzers. Der Versuch, einem Gast aus einer anderen Welt, die Kultur und das Leben hier in Myanmar, in Dala zu erklären, zu übersetzen. Es ist ihre Art, mit der Familie zu überleben. Der jüngere Bruder benutzt ein Handy, er hat verschiedene Kontakte abgespeichert. – Es ist immer interessant, rasch einen Blick auf fremde Handys zu werden – Er kann schreiben und lesen, weil er ein paar Jahre in die Schule gegangen ist.

Myolwin kann weder schreiben noch lesen. Er kann gerade Mal seinen Namen auf Papier bringen. Er ist einer der älteren Geschwister und hat von Anfang an mitgeholfen, die Familie zu unterstützen. Englisch lernt er erst seit ein paar Jahren. Vor allem mit Ausländern. Unglaublich, da sitzt ein junger Mann, gutaussehend, sympathisch, sehr offen und freundlich und er kann weder schreiben noch lesen. Ich bin fassungslos, bleibe aber auf dem Boden – buchstäblich.

Wenn man so arm ist, kann man die Kinder nicht in die Schule schicken, sie müssen von klein auf mithelfen, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern.

Da gehen sie also hin, all meine Theorien von wegen, nichts von Kindern abkaufen, denn die sollen in die Schule gehen. Wenn man ihnen etwas gibt oder abkauft, dann haben sie keinen Grund, in die Schule zu gehen. Hier werden gerade alle meine festen Regeln auf den Kopf gestellt.

Auch wenn sie trotzdem stimmen. Ausbildung ist der einzige Weg aus der Armut.

Wir haben den Bogen wieder gefunden, dem jüngeren Bruder ist sein Ausrutscher noch etwas peinlich, aber die Mutter will mir etwas zu trinken anbieten. Kaffee oder Tee?

Tee, Grüntee. Kurz darauf kommt die Tochter zurück und drückt ihrer Mutter etwas Kleines in die Hand. Es ist ein Päcklein Instant-Kaffee. Der mit Zucker und Milch, der süsse. Und genau der wird mir kurz darauf serviert.

Und eine Tasse Tee dazu. Der Mann steckt sich eine Zigarre an, bietet mir auch eine an. Ja auch die hat die Tochter vorhin in einem Laden in der Nähe geholt.

Danke, ich rauche nicht. Auch er steckt die Zigarre wieder weg. Es war nur eine Anstandsfrage.

Ich lade die Mutter ein, mit mir auf den Markt zu kommen. Ich möchte der Familie etwas geben.

Schon wieder ins Fettnäpfchen getrappt.

Meine Mutter fühlt sich sehr beschämt. Weil sie so arm ist. Mylowin weiss nicht so richtig, wie er das erklären soll.

Wie komme ich da jetzt wieder raus, ohne mein Ziel aus den Augen zu verlieren?

Ich schäme mich auch. Sag mir, was wir jetzt machen. Sie schämt sich, ich schäme mich. Wir gehen nicht auf den Markt. Oder wir vergessen das mit den Unterschieden, gehen zusammen auf den Markt und wir sind alle happy, weil ich das einfach gern mache.

Es braucht jetzt ziemlich viel Diplomatie, und zwischendurch eine Einladung zum Essen, bis es dann doch klappt.

Ich esse nie Lunch, versuche ich mich beim Essen herauszureden doch ich sehe ein, dass ich wenigstens ein paar Gabeln Reis essen muss. Fleisch lasse ich weg, denn ich esse kein Fleisch – Notlügen sind erlaubt – dafür versuche ich von der Kräutermischung mit Nüssen, die es zum Reis gibt und schlucke mit (innerer) Todesverachtung eine der getrockneten winzigen Crevetten.

Die Kräutermischung schmeckt tatsächlich sehr fein und ich rühme sie auch entsprechend. Obwohl ich dummerweise erst grad Frühstück gegessen und mein Magen noch voll ist.

Jetzt ist die Balance wieder hergestellt, wir gehen auf den Markt. Die Schwester kommt mit, Myolwin ist Übersetzer. Zuerst einen Sack Reis. Gegen 100 kg.

Davon werden wir 2-3 Monate essen, meint die Mutter schüchtern. Dann gehen wir nicht etwa zum Frischgemüse, sondern zum Detailhändler, wo wir Oel, Gewürze, getrockneten Chilli, Salz kleine Zwiebeln und Knoblauch kaufen. Und eine grosse Packung Instantkaffee. Also alles Sachen, die eine Zeitlang halten werden.

Mit dem Taxi bringen wir die Sachen zum Haus. Bestimmt freut sich die Mutter, aber wir wissen im Moment alle nicht so richtig, wie wir mit der Situation richtig umgehen, darum fahren wir mit dem Taxi weiter. Myolwin will mir noch ein paar Sachen zeigen, die etwas weiter entfernt sind.

Auch wenn mein Emotionskonto inzwischen wieder einmal auf 100 ist und ich keine weiteren Höhepunkte brauchen würde.

Warum begleiten uns die beiden Fahrradfahrer eigentlich noch immer?
Weil wir sie noch nicht bezahlt haben und weil es ihnen grad so gefällt. Sie haben Freude, mit uns mitzukommen. Mir soll es recht sein. Mit drei jungen Männern, das heisst, mit dem Taxifahrer sind es inzwischen vier, unterwegs zu sein. Sie sind alle äusserst zuvorkommend, öffnen mir die Türe, achten auf Tasche und Kamera und gehen sonst anständig ein paar Schritte hinter Myolwin und mir.

meine beiden Bodygards - Ritschkafahrer

meine beiden Bodygards - Ritschkafahrer

Der kleine Schlangentempel

Der kleine Schlangentempel

Ein kleiner Tempel in einem kleinen See. Der Schlangentempel. Ich habe nicht gefragt, warum der Tempel so heisst, der von zwei jungen Nonnen gehütet wird, doch plötzlich entdecke ich sie. Grosse Würgeschlangen hängen überall. Über den Fenstern, hinter den Buddhas, in den Ästen des künstlichen Baumes und bei der Tipbox. Da wo man Spenden einwerfen kann. Gegen 50 Schlangen sollen im und um den kleinen Tempel wohnen.

Die Nonne ist übrigens viel älter, als ich auf den ersten Blick angenommen hatte. 47 ist sie und sie klettert aus ihrem Liegestuhl, wo sie es sich bequem gemacht hatte und setzt sich ordentlich vor die Buddhas als ich sie um ein Foto bitte.

Myolwin legt eine kleine Note hin und beim Weggehen frage ich ihn, warum er das mache. Die müssen doch auch leben, die Schlangen brauchen gelegentlich Futter.

Dem ist nicht viel entgegen zu setzen, aber ich bitte ihn trotzdem, dem Buddha weniger zu geben, und sein Geld besser in seine eigene Ausbildung zu stecken. Mindestens lesen und schreiben muss man einfach können. Wenn du das nicht lernst, wirst du in zehn Jahren noch in der gleichen Situation sein, wie heute.

Ausserdem ist Myolwin nicht einmal Buddhist, sondern wahrscheinlich Moslem.

Noch weiter geht die Fahrt. Zum Tempel der 1000 Buddhas. Ist das ein Friedhof, will ich wissen, als ich die vielen einheitlichen Buddhas auf ihren Podesten sehe. Eine skurrile Ansammlung von völlig gleichen Figuren aufgereiht in regelmässigen Abständen. Ein ganzes Feld davon. Dazwischen eine Reihe stehender Buddhas.

Die sind neu.

Die machen wohl Walking Meditation, bemerke ich.

Was steht auf den Schildern? Sind das die Namen von verstorbene Mönche?

Nein es sind die Namen der Menschen, die den Buddha gestiftet haben. Vor einigen gibt es ein kleines Podest mit Platten belegt. Da kann man hin kommen zum meditieren. Man setzt sich vor seinen Buddha zur ganz privaten Meditation und Ehrerbietung.

Die Pagode ist weiter nicht interessant, höchstens noch, dass auf die Stufen nur Männer hinauf steigen und den Ausblick über Land geniessen dürfen. Also fotografiere ich sie nicht.

Ich hab sie schon auf der Hinfahrt gesehen, auf der Rückfahrt will ich hier anhhalten. Bei der Müllhalde.

Wer deponiert seinen Schutt hier? Das ist die Gemeinde, sie bringt den Abfall mit Lastwagen hierher. Gleich neben die Häuser der Armen. Ich bin fassungslos.

Und was machen die Kühe da, die fressen Plastik. Man sieht mich ungläubig an. Plastik. Ja was denn sonst, seht ihr hier sonst etwas, was der Kuh gut tun könnte.

Und die Frau sucht irgend etwas,

Es stinkt und es ist offensichtlich, dass dieser Halt nicht eingeplant war. Selbstverständlich haben die jungen Männer nicht direkt etwas mit der Müllhalde zu tun. Ich will meinen Protest trotzdem hier deponieren. Doch was wäre die Lösung?

Verbrennungsanlage, ganz einfach!

Wir fahren zurück ins Dorf. Ich will noch zwei Hühner kaufen, die ich der Mutter am Morgen versprochen hatte.

Unsere beiden Rischkafahrer klären die Preise ab und als ich dann zum Zahlen komme, ist der Händler offensichtlich nicht sehr erfreut. Wenn er von Anfang an gewusst hätte, dass ich die Käuferin bin, hätte er bestimmt mehr verlangt.

Ich werde noch einmal zu Kaffee und Tee eingeladen. Diesmal ist auch der Vater dabei.

Und ich bekomme eine Kostprobe der weissen Pflanzencreme, die viele Mädchen und Frauen hier tragen. Sie soll die Haut schön machen und ausserdem gegen die Sonne schützen,

Und bei der letzten Foto scheint das Eis dann endgültig gebrochen. Die Mutter legt mir den Arm auf die Schulter und auch die Schwester berührt mich.

Mylowin bringt mich noch zur Fähre, wo ich den beiden Rischkafahrern einen fürstlichen Preis zahle. Das sind dann die Momente, die für mich eher schwierig sind. Was ist der richtige Preis?

Ich habe später im Internet recherchiert und verschiedene Berichte gelesen. Wo einer von Abzocke schreibt und vom um Spenden betteln erzählt, hat eine andere die uneigennützige Gastfreundschaft gelobt, das grosszügige Mittagessen genossen und die Ausflüge mit dem freundlichen jungen Mann (es war ein anderer) gelobt. Wahrscheinlich hat sie dann auch keinen Obolus beigetragen, weil ja alles unter Freundschaft lief.

Schwierig, eine so komplett andere Kultur zu verstehen. Dass die Jungen in der Stadt Touristen ansprechen und nach Hause bringen, ist bestimmt auch ganz ehrliches Interesse an Fremden, aber in erster Linie ein Job. Ihre nicht ganz offene Art wenn es um die Bezahlung geht, bringt ihnen halt manchmal schlechte Tage und bestimmt ganz selten einen vollen Erfolg.

Ich bin lieber die, die für den erfolgreichen Happy Day zuständig ist und ich habe auf jeden Fall einen Einblick in das Leben auf der anderen Seite unseres Luxuslebens erfahren dürfen.

Ein paar Eindrücke um und auf der Fähre

Du bist hier : Startseite Asien Myanmar Happy Day
Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors