Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Saigon River

Heute ist Schreiben angesagt. Bin zwei Tage im Rückstand und will nichts neues erleben, solange das alte nicht registriert ist. Und ausserdem habe ich ja nicht umsonst dieses Hotel gebucht. Ich werde den Tag auf der Dachterrasse verbringen, schliesslich hat man nicht jeden Tag einen Pool im zehnten Stock.

Also esse ich mich erst einmal durch mein spätes Frühstück. Von Cornflakes über Joghurt mit Früchten zu Spiegeleier und Confibrot wird nichts ausgelassen. Sogar einen Löffel gebratenen Reis probiere ich. Es gibt übrigens hier bei jedem Frühstück eine ganze Auswahl von warmen Speisen. Fleisch, Reis, Nudelsuppe mit allem Zubehör.

Danach klemme ich meinen Laptop und das Badetuch unter den Arm, marschiere ab aufs Sonnendeck.

Unter den Palmen lässt sich gut arbeiten. Bis die Sonne höher steigt, die Schatten sich in die Winkel verziehen und mir langsam der Schweiss über die Tastatur rinnt. Nicht weil ich so schnell schreibe, sondern weil es einfach zu heiss wird. Also rein ins Zimmer, unter der Klimaanlage geht es besser.
Irgendwann fängt es an zu regnen. Egal, ich bleibe heute eh zu Hause.

Ausserdem habe ich mir eine kleine Erkältung eingefangen. Diese ständige Wechsel zwischen Kühlhaus und Backofen ist nicht ohne Spuren geblieben. Schlimm ist es nicht, aber grad genug, um mir heute einen Erholungstag zu gönnen.

Es wird Nachmittag. Jetzt wäre Teatime. Nein, ich habe heute keine Lust, auf Pattisserie. Wenn ich mir das so genau überlege, hätte ich aber Lust auf was Währschaftes. ja sogar richtig Lust, aber ich will heute nicht raus. Kann am Abend beim Pool was kleines bestellen. Geht aber noch ziemlich lang bis dahin. Mein Magen fängt jetzt auch schon an, zu rebellieren. Ich will aber nicht raus. ich will den zweiten Tag noch zu Ende schreiben.

Natürlich siegt am Schluss der Magen. Der Kopf zwar auch, denn der zweite Bericht ist online.

Um die Ecke gibt es diesen Streetfood-Markt, da will ich mich rasch verpflegen und dann gleich wieder in die angenehme Kühle des Zimmers zurück.

Da ist wieder diese Qual der Wahl. Jeder Imbissstand wirbt mit vielen bunten Fotos um Kunden. Es ist alles da, von Pizza über Japanische Sushi, Nudelsuppe in allen Varianten, vegetarisch, Grill und natürlich jede Menge vietnamesische Anbieter. Ich bleibe wieder einmal beim Inder hängen.

Chicken Curry mit Reis. Die Portion ist gross, doch mein Hunger auch.

Und nachdem der gesättigt ist, finde ich dass ich ja wenigestens nachsehen könnte, ob es beim Wasserpuppentheater, das auch in der Nähe liegt, noch Tickets gibt. Gibt es nicht, erst wieder für Morgen, alles ausgebucht.

Auch recht, habs wenigstens versucht. Also zurück ins Zimmer.

Ein Mann schlägt mir eine Tour mit dem Motorrad vor. Keine schlechte Idee. Er will wissen, wo mein Hotel ist, weil ich grad auf der Karte nachgesehen habe. Ich sage ihm den Namen und er nickt. Ich will jetzt aber eine Stunde rumfahren. Zeige auf den Stadtplan. Ungefähr in diesem Umkreis. Ok, verstanden. Preis abgemacht.

Er fährt los. Landet vor meinem Hotel. Falsch verstanden, kann ja passieren. Er sieht mich fragend an, als ich ihm erkläre, dass ich zum Hafen will. Port, Puerto, Boats, Ships, Cruisers... er verseht kein Wort. Ich zeige ihm den Stadtplan. Altes Thema, er kennt sich damit nicht aus.

Ich will zum Saigon-River, hier. Ich zeige noch einmal auf die Karte. Das steht es in grossen Buchstaben: Saigon-River.

Oh, River. Jetzt hat er verstanden. Wir starten noch einmal. Und landen vor dem Riverside-Hotel. Nein, kein Hotel, ich möchte da weiter unten zu den Schiffen. Er ist grad mit seinem Latein soweit am Ende wie ich. Immer diese Touristen, die nicht wissen was sie wollen.

Und ich bin verärgert. Gebe ihm eine Note und merke gleich, dass das zu viel war, denn er schaut mich erfreut an. Egal, der Typ soll jetzt verschwinden, ich mag mich nicht mehr mit ihm auseinandersetzten, werde jetzt zu Fuss zur Bonsai gehen, schliesslich ist es jetzt nicht mehr so weit. Und verirren kann ich mich am Flussufer auch nicht.

Weit komme ich nicht, da spricht mich wieder jemand an. Bootsfahrt gefällig? Nein, meine Antwort ist klar und deutlich. Und dann drehe ich mich doch noch einmal um. How much? 20 Franken für eine Stunde. Etwas hoch, aber irgendwie verlockend. Wir handeln noch ein wenig hin und her und werden uns einig.

Er pfeifft einmal kurz, auf einem Schiff am Ufer hebt einer den Kopf. Mir nach, sagt mein Vermittler und wir gehen dem Schiff entgegen, das etwas weiter vorne an einer Treppe anlegt. Ich bezahle den Betrag und steige ein. Eine Stunde.

Er fährt flussabwärts. Wir kommen zu den Dinnerschiffen. Überall wird bereits gearbeitet, denn in einer guten Stunde werden die Gäste eintreffen. Zuerst die Eliza. Riesig liegt sich da am Quai. Ob die je auf dem Wasser gefahren ist? Mir kommt sie vor, als ob sie gleich kippen würde, wenn sie richtig aufs Wasser gelassen würde. Zu hoch und zu schmal. Dann das etwas kitschige Haifischmaul. Mit den Augen, wie sie die Schiffe auf dem Mekong scheinbar haben. Die Bonsai liegt ganz am Schluss.

Ich würde winken, aber ich kann niemanden erkennen draussen auf Deck. Drinnnen wird aufgedeckt.

Dann kommen die Frachter, die Hafenkräne.

Die Eliza

Die Eliza

Die Bonsai

Die Bonsai

Ich werfe einen Blick zurück und traue meinen Augen nicht. Da hinten geht die Sonne unter und es sieht ganz danach aus, dass es einen farbigen Sonnenuntergang gibt.

Sieht mein Bootsführer das nicht? Gleich wird er wenden. Wir tuckern gemütlich weiter, flussabwärts. Keine Anstalten von Wenden. Aber der muss doch das wissen. Es ist sechs Uhr, in einer Viertelstunde ist die Sonne verschwunden.

Hey du! Ich muss auf den Bootsrand klopfen, bis er wirklich auf mich aufmerksam wird. Er hat die Stöpsel in den Ohren. Wenden, wenden, versuche ich ihm mit den Armen zu sagen.

Der River geht hier noch weiter, sagt er mit ebenfalls ausholenden Armen.

Ich weiss, aber da hinten geht die Sonne unter.

Jetzt hat er verstanden. Wir wenden, wir fahren zurück.

Zurück in den grandiosesten Sonnenuntergang, den ich mir überhaupt nur erträumen konnte. Rot glühend geht die riesige Sonnenscheibe hinter den Wolkenkratzern unter, setzt den ganzen Himmel in Flammen und das ganze Szenario wird vom Wasser aufgefangen und zurückgegeben.

Das Boot und der Bootsführer machen nicht den Eindruck, als ob sie öfters mit Touristen unterwegs wären.

Das Boot und der Bootsführer machen nicht den Eindruck, als ob sie öfters mit Touristen unterwegs wären.

Wir fahren mitten in diesen Farbenrausch hinein. Wir sind ein Teil davon. Ich sehe mich um, kein anderes Boot ist zur Zeit auf einem Ausflugstripp. In einem Restaurant direkt am Fluss auf der rechten Seite sitzen ganz viele Leute, beobachten den Sonnenuntergang. Und denken sich vielleicht: auf diesem Boot draussen, möchte ich jetzt auch sein.

Ich bin da. Genau da, in der Mitte des Flusses, in dem rotgoldenen Wasser. Ein Traum. Ich könnte grad die ganze Welt umarmen.

Die Sonne ist jetzt verschwunden, der Himmel verfärbt sich, wird rosarot. Das Wasser schimmert, wird zu flüssigem Gold.

Ich möchte die ganze Zeit nur Super, Super und Ohhh und Ahhh ausrufen. Und schau dort, schau da, aber das interessiert niemanden, mein Typ am Steuer ist wieder in sein Handy vertieft. Und ich weiss nicht, wohin ich meine Kamera zuerst wenden soll. Wir fahren bis zur Brücke und wenden da. Jetzt geht es wieder flussabwärts. Inzwischen haben die Beleuchtungen eingesetzt, es wird schnell dunkel.

Als wir am Ufer ankommen, ist es richtig dunkel geworden. Ich bin komplett erfüllt, meine Augen, mein Kopf und meine Kamera sind überfüllt mit goldenen Schätzen.

Ich könnte vor Glück grad die ganze Welt erobern. Oder wenigstens die Hauptstrasse hier überqueren. Wie ein Fluss fahren sie vor mir vorbei. Die Motorräder, die Autos, die Taxis, die Busse. Neben mir ein jungen Mann, auch er will auf die andere Seite. Auch er etwas unschlüssig.

Let's go. Mutig setze ich den ersten Fuss auf die Fahrbahn. Weiter, immer weiter gehen. Er streckt den Fahrzeugen sein beleuchtetes Handy entgegen. Wie einen Schild. Die Idee ist gar nicht schlecht. Ich gehe in seinem Windschatten. Wir erreichen die Mitte. Jetzt kommen die Fahrzeuge von rechts. Soll ich jetzt auch mein Handy in die Höhe strecken? Bin ich für uns beide verantwortlich. Nochmals durchatmen. Los gehen.

Sie weichen aus. ein kleiner Schlenker, sie fahren an uns vorbei. Vorne und hinten. Und wieder einfach weiter gehen, mein Handy bleibt in der Tasche.

Geschafft, wir sind auf der anderen Seite. Der Verkehrsstrom hinter uns reisst nicht ab. Wenn ich zurück sehe kann ich gar nicht verstehen, wie wir eben noch hier lebend die Strasse überquert haben. Have a good evening.

Vor mir steht der Bitexco-Tower. Man kann hinauf zur Plattform im 49. Stockwerk für 200'000 Don. Oder man kann in der Bar zwei Etagen weiter oben einkehren. Dann kann man noch etwas trinken. Im Lift treffe ich eine belgische Familie. Auch sie auf dem Weg zur 51. Etage.

Der Lift fährt extrem schnell und völlig geräuschlos. Ich bemerke kaum, dass es aufwärts geht. Vom 6. zum 50. Stockwerk. Dazwischen gibt es nichts. Auf dem 50. ist das Restaurant, wir fahren noch ein paar Meter weiter.

Bis wir oben sind, sind wir im Gespräch. Xan und Kurt und ihr Sohn Xavi sprechen perfekt deutsch. Belgier sprechen viele Sprachen, erklären sie es und ich bin sehr beeindruckt. Die Schweiz kennen sie vom Skifahren im Wallis. Sie laden mich an ihren Tisch ein. Und so komme ich zu einem spannenden Abend. Wir reden übers Reisen, was wir hier in Vietnam schon alles erlebt haben und darüber, Wünsche nicht immer aufzusparen und wie wichtig es ist, die Gegenwart zu leben.

Meine heutige Pinacolada trinke ich tatsächlich auf sehr hohem Niveau. Leider kann man nicht hinaus, die Bar und das Restaurant haben keinen Aussenbereich. Das schränkt die Qualität der Fotos ein. Aber wichtig ist ja, dass wir hier oben sind.

Blick auf den nächtlichen Fluss

Blick auf den nächtlichen Fluss

die Bar auf hohem Niveau

die Bar auf hohem Niveau

Zurück im Hotel reicht es noch für eine kurze Abkühlung im Pool, bevor dieser um 22.00 Uhr schliesst. Es ist mein letzter Abend. Saigon hat mir tatsächlich einen fantastischen Abschied geboten.

Morgen früh werde ich um halb acht Uhr abgeholt. Die Reise geht weiter.

'Meine' Bar im 10. Stockwerk

'Meine' Bar im 10. Stockwerk

dass gibt wohl nicht so schnell wieder. Abkühlung im Pool im 10. Stock

dass gibt wohl nicht so schnell wieder. Abkühlung im Pool im 10. Stock

Vollmondnacht

Vollmondnacht

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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