Mekong
Slowboat
Es wurde eine unruhige Nacht und ich bin echt froh, dass ich ein eigenes Zimmer mit Toilette hatte. Auch wenn das Bad eine Kombination von WC und Dusche ist und der Boden die ganze Nacht von der nachtropfenden Dusche nass blieb.
Am Morgen glaube ich, dass es besser geht. Mein Magen scheint sich beruhigt zu haben. Das ist auch gut so, denn heute sind wir sieben Stunden im Schiff. Auf dem Slowboat.
Hundert Passagiere haben darauf Platz, erzählt uns der Guia, der uns zum Frühstück die Grenzformalitäten erklärt. Fürs Visa braucht es eine Passfoto, wer noch keine hat, kann das gleich nachholen, er hat Kamera und Fotodrucker dabei. Das Visa muss in Dollar bezahlt werden, er erkundigt sich, ob jeder genug Dollar dabei hat, sonst kann er diese wechseln. Je nach Land sind die Preise verschieden.
Er erkundigt sich nach unseren Nationalitäten und kann bei jedem gleich den Preis sagen. Es sind um die 30 Dollar. Er fragt nach, woher wir kommen: England, Irland, Schweden, USA, Canada, Holland, Switzerland. Oh, Switzerland, das ist gratis, du brauchst keine Foto und kein Visa und du darfst auch nichts bezahlen. Alle Augen auf mich, was bin ich doch für eine exotische Person.
Mir fällt auf, wie er darauf besteht, dass die Preise eingehalten werden, dass keiner mehr bezahlt, als vorgesehen ist. Irgendwie drückt da die Angst nach Korruption durch. Ihr wisst jetzt, was ihr bezahlen müsst, gebt auf keinen Fall mehr. Und dann eröffnet er Fotostudio und Wechselstube. Er hat Laotische Kip dabei und wechselt dir restlichen Bath um. Ihr braucht nur noch 25 Bath für den Bustransfer, dann braucht ihr keine Bath mehr.
Er hat ein paar Bündel Banknoten dabei und rechnet zum offiziellen Betrag um, wie ich bei einem Check auf dem Handy knapp überschlage. Für meine 1500 Bath, was etwas über Fr. 42 ist, bekomme ich 330'000 Kip. Das kann ja spannend werden mit den Preisen bei so hohen Zahlen. Ich überschlage grob: 10000 = Fr. 1.10.
Unsere Truppe ist wieder angewachsen, gestern Abend sind noch drei Engländerinnen und eine Kanadierin dazu gekommen. Unser Buschauffeur, der sich im Hotel auch als Kellner betätigt hat, bringt uns zum nächsten Bankomaten, damit man sich mit Kip richtig eindecken kann und dann zur thailändischen Zollposten. Hier zeigen wir Pass und Einreisepapier, das bei der Einreise abgestempelt wurde und unbedingt aufbewahrt werden muss, dann müssen wir neue Formulare ausfüllen, die anderen brauchen zusätzlich noch ein Visaformular und weiter geht es zur laotischen Passkontrolle.
Und dann warten wir auf den Shuttlebus, der uns zur Anlegestelle der Slowboote bringen wird.
Mir wird wieder einmal bewusst, woraus Reisen eigenlich besteht: langes Warten an nichtssagenden Ort, Ausfüllen von Formularen, von denen niemand weiss, wozu die bei all der Digitalisierung noch nötig sind, unbequemes Sitzen in engen Bussen, schlafen in schmudeligen Spelunken, kalte Duschen, schlechtes Essen, Strapazen. Demgegenüber stehen aber unbezahlbare Begegnungen, Erlebnisse für Augen, Ohren und Gaumen, wie man sie beim Betrachten von Fotos nie haben könnte. Erst die Kombination macht Reisen so spannend. Und falls das jemand als Jammern empfindet, hat er es komplett falsch verstanden - oder ich habe es falsch beschrieben.
Wir fahren über die Thailändisch-Laotische Freundschaftsbrücke und sind jetzt in Laos. Eine junge Frau holt uns ab und begleitet uns zur Ablegestelle. Sie organisiert unsere Schiffsticket und gibt letzte Tipps. Im Boot gibt es einen kleinen Shop, wo man Snacks und Getränke kaufen kann. Ausserdem gibt es eine Toilette. Das ist doch schon mal eine gute Information. Ich decke mich im Restaurant noch mit Mineralwasser und einer Flasche Coca Cola ein und , benutze noch einmal die Toilette dann geht es an Bord.
Es ist ein langes gedecktes Boot mit nummerierten Sitzen. Das heisst, die Nummern liegen in Form von kleinen Papieren auf den Polstern und es ist offensichtlich, dass sich niemand an die Sitznummern hält. Ich finde eine freie Sitzbank mit zwei Plätzen im vorderen Teil und richte mich ein. Das Gepäck wird unter den Bodenbrettern verstaut.
Vorne am grossen Steuerrad steht der Steuermann, in den Boden eingelassen hat er Gangschaltung und Rückwärtsgang. Ganz hinten im Boot ist der Laden und da muss auch die Toilette sein. Ausserdem ist dort der Motor und es ist da ziemlich laut. Wir sind noch nicht lange unterwegs, als ich höre wie ein Mitreisender zum anderen sagt, nachdem er von der Toilette zurückkommt: If you can hold it, hold it!
Das ist für mich das Stichwort, mein Immodium zu nehmen. Es ist das einzige Medikament, das ich dabei habe, denn es kann auf so einer Reise jederzeit vorkommen, dass mein Magen verrückt spielt. Und bei dieser langen Fahrt von sieben Stunden möchte ich sicher gehen. Leider schränkt das auch mein Trinken ziemlich ein. Ich werde es am Abend nachholen. Auf Essen kann ich in dieser Situation gut verzichten.
Das Schiff ist nicht ganz voll, es gibt vor allem vorne ein paar Sitze, die gern aufgesucht werden, um einmal die Position zu wechseln, Fotos zu machen. Hier treffe ich eine Frau aus Barcelona. Ihr Mann hat mir vorhin mit meinem Koffer geholfen, als ich Mühe hatte, diesen die lange Treppe zum Boot herunterzutragen.
Ich muss mein Hirn erst etwas trimmen, doch dann läuft das Spanisch wieder fliessend.
Ich kann es noch fast nicht fassen: Ich fahre auf dem Mekong. Der Fluss war das Ziel. Ich wollte unbedingt nach Asien, wusste aber nicht wohin und dachte mir, dass ich nach all meinen Erfahrungen auf dem Amazonas eigentlich einen anderen Fluss bereisen könnte. So kam es zum Mekong. Und ich muss zugeben, die beiden Flüsse haben viel gemeinsam.
Das fängt schon bei der Farbe des Wassers an. Und auf beiden Seiten Dschungel. Allerdings ist es am Amazonas viel flacher. Hier gibt es bewaltete Hügel, mit Bergen dahinter. Die Schiffe sind anders, obwohl man auf dem Amazonas Schiffe aller Bauarten findet. Hier sind es viel weniger verschiedene Schiffstypen. Es gibt die grossen Slowboats, die winzigen sehr wendigen langen Boote, mit denen die Einheimischen unterwegs sind. Viele davon wurden aus einem langen Baum gebaut. Ich vermisse die Schwingbesenmotoren, die PequePeque.
Wenn ich das richtig erkenne, haben die kleinen Boote einen kleinen Motor auf der Seite, jedenfalls kann ich hinten nie einen Motor erkennen. Es gibt Speedboats, die rasend schnell vorbei fahren. Sie verkehren auf der gleichen Linie wie die Slowboats und machen die Strecke bestimmt in einem Tag. Meistens trägt die Schiffsbesatzung, das heisst zwei Personen einen Helm wie er zum Motorrradfahren benutzt wird, die Passagiere sitzen ungeschützt.
Während der Amazonas durch komplett flaches Land fährt, gibt es hier Felsen an den Ufern. Manchmal liegen sie auch mitten im Fluss und der Bootsführer muss die Strecke genau kennen, um nicht an einem unterirdischen Felsen hängen zu bleiben. Bei den Felsen fliesst das Wasser viel schneller, es bilden sich Wirbel und zusätzliche Wellen.
Die Zeit zieht sich dahin, ich betrachte das Ufer, manchmal erkennt man Bauern, die den Boden bearbeiten. Bananenplantagen, Gärten. Kleine Siedlungen, die aus ein paar Hütten bestehen. Oft stehen sie auf Pfählen, obwohl der Mekong wohl kaum so stark über die Ufer tritt und die Häuser eh meistens auf den Anhöhen stehen. Es gibt kleine Sandbänke, Strände und Buchten im Fluss, wo das Wasser ruhiger steht.
Dort steht eine Herde Büffel am Wasser. Sie sind grau und zuerst habe ich an wilde Elefanten gedacht. Es soll sie geben, in der Gegend. Doch das wäre wohl ein grosser Glücksfall, einem von ihnen zu begegnen. Ich suche das Ufer nach Vögeln ab. Nach weissen Fischreihern. Doch leider sind die weissen Flecken im Ufergebüsch immer nur weisse Plastiksäcke, die sich im Gestrüpp verfangen haben. Zu meinem grössten Erstaunen kann ich keinen einzigen Vogel entdecken
Ich werde schläfrig, die Stunden ziehen sich dahin. Auf dem Schiff ist es angenehm, ein kühler Fahrtwind streicht durch das offene Schiff.
Plötzlich merke ich, dass wir langsamer werden. Wir fahren gegen das Ufer. Natürlich will ich sehen, wie wir anlegen, hier im völligen Nichts. Nicht einmal ein Haus gibt es hier und doch scheint jemand aussteigen zu wollen. Das mit dem Anlegen ist ganz einfach, das Schiff rammt mit der Front das Ufer und schon ist der Weg frei für den jungen Mann, der hier irgendwo zu Hause ist.
Ich bin wieder wach, widme mich der Zürcher Hausfrau und ihren Affären (Buch, das ich vor ein paar Tagen gekauft habe), mein Blick schweift aber immer wieder hinaus. Ich hole meinen Proviant aus dem Rucksack, esse ein paar Ananasstücke, trinke ein paar Schluck Wasser. Nicht zu viel, denn jetzt nach der langen Fahrt, möchte ich die Toilette schon gar nicht mehr aufsuchen.
Es klappt alles, pünktlich um fünf Uhr legen wir an. In Pakbang. Ein winziger Ort auf halber Strecke. Am Ufer stehen bereits die Agenten der verschiedenen Hotels. Ich habe noch vor dem Einsteigen bei der jungen Frau ein Hotel reserviert und auch gleich bezahlt. 100 000 Kip.
Jetzt bin ich froh, denn ich werde gleich zu einem Pickup gewiesen. Auch die meisten unserer Gruppe sind hier untergekommen.
Das Hotel scheint neu, ist auch noch nicht ganz fertig und nebenan wird gleich ein zweites gebaut. Das Zimmer ist einfach und sauber. Leider ist es in den Hang gebaut und es gibt nur ein Fenster hinaus auf den Gang. Und das Warmwasser funktioniert trotz Durchlauferhitzer nicht. Also greife ich zu meinem Trick. Ich seife mich erst komplett ein, dann muss ich mich richtig abduschen. Kalt. Ich hasse das, auch wenn es die Hitze erlaubt und ich schon bald wieder durchgeschwitzt bin.
Immerhin bin ich jetzt wieder wach genug, mir ein Lokal für das Nachtessen zu suchen. Ich werde beim Inder fündig. Hier sitzt auch der Holländer, der mit seiner thailändischen Frau reist und den ich im Schiff kennen gelernt hatte. Beim Aussteigen hat er mir erklärt, dass er das beste Hotel des Ortes gebucht habe. Für 250'000 Kit. Werde ihn morgen fragen, was er für dieses Geld bekommen habe, heute mag ich nicht mehr Konversation machen.
Ich bezahle meine Rechnung von 41'000 und merke, dass mein Vermögen schwindet. Morgen werde ich mich um meine Finanzen kümmern müssen. Und um ein Hotelzimmer. Das erledige ich gleich noch per Handy vom indischen Restaurant aus. Ein einfaches Hotel in Luang Prabang.
Im Hotel muss ich sofort eingeschlafen sein. Hab knapp noch die beiden neuen Gästebucheinträge gelesen, schon war ich weg.
Gästebucheinträge sind übrigens immer ein ganz besonderer Aufsteller am Ende des Tages, wenn ich wieder richtigen Internetzugang habe.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
Laos
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Myanmar