Mekong
Angkor Wat
KC heisst mein TucTuc-Driver, der mich gestern vom Circus nach Hause gebracht hat. Ich habe ihn für heute gleich noch einmal engagiert, er soll mich nach Angkor Wat fahren.
KC, ich weiss gar nicht, warum die Leute hier immer Namen aus zwei Buchstaben haben. Ähnlich wie HP, Hape. Ich verstehe den Namen dann gar nicht auf Anhieb und wenn er mir aufgeschrieben wird gibt's das grosse Erstaunen. Keyce - KC.
Er steht pünktlich um neun vor dem Hotel, es kann losgehen. Auf der Strasse sehe ich natürlich wieder jede Menge Leute, die mit ihren kleinen Kindern unterwegs sind. Sie lassen sich gern fotografieren, ja freuen sich gar, wenn sie sehen, dass ich aus dem Tuctuc die Kamera zücke und fordern ihre Kids auf, zu winken. Dass ich das Winken dann doch nicht einfangen konnte, liegt daran, dass ich bei der zittrigen Fahrt nicht immer rechtzeitig abdrücke.
Wir fahren hinaus nach Angkor Wat, der grossen Tempelanlage, die hier im Dschungel liegt. Zuerst fahren wir bei der grossen Verwaltung vor. Eine grosse Anlage mit verschiedenen Gebäuden und vielen Schaltern. Gut 50 Kassenschalter werden es sein, wo man sein Ticket kaufen kann.Im Moment sind aber nur zehn geöffnet. Nebensaison. Dazu wird man fotografiert und die Foto wird auf dem Ticket ausgedruckt. So kann nichts gemogelt werden. Ein riesiger Aufwand.
Ausserdem ist die Schalterhalle und die Aussenanlage die grösste Ansammlung von Geldautomaten, die ich je gesehen habe. In jeder Ecke steht einer. Und das, obwohl man den Eintritt auch mit allen Kreditkarten bezahlen kann.
Vom Ticketoffice geht es zurück auf die Strasse. Wir fahren mindestens eine Viertelstunde, bis wir beim ersten Tempel ankommen. Das ganze Gebiet ist über 200 km2 gross und es gibt gut 1000 Gebäude. Also gar keine Chance, auch nur annährend alles sehen zu wollen.
Wir sind bei Angkor Wat.
Bleib so lange du willst, ich werde draussen warten, meint KC und während ich Richtung Brücke laufe, werde ich bereits von einem Tempelguide angesprochen. Einen kurzen Moment zögere ich, aber dann finde ich das doch ganz interessant, wenn er mir etwas von der Anlage erzählt. Eineinhalb Stunden, meint er, daure die Führung. Er heisst Braban und fängt gleich an zu erzählen.
Angkor bedeutet Stadt und Wat ist ein Kloster. Angkor Wat wurde zuerst als Hinduistischer Tempel gebaut, damals war Vishna, der Beschützer-Gott, im höchsten Turm unter gebracht. Später wechselte die Religion zum Buddhismus und in den höchsten Turm kam Buddha. Vishna ist aber noch immer am Eingang und heisst die Besucher willkommen.
Und er wird auch jetzt noch verehrt, denn Kambodschas Buddhismus ist noch heute stark mit dem Hinduismus vermischt.
Wir gehen über die neue schwimmende Brücke, die erst seit einem Jahr hier ist, seit die Japaner angefangen haben, die alte Steinbrücke zu renovieren. Vielleicht wird sie in ein paar Jahren wieder offen sein.
Die einzelnen Komplexe sind von breiten Wassergräben umgeben.
Karte: Wikipedia
Wir reden über Religion. 85 % der Kambodschaner sind Buddhisten. Auch er ist ein überzeugter Buddhist und glaubt an Karma und an die Wiedergeburt. Schau mal, lacht er, wir werden in Kambodscha kremiert, darum habe ich eine so dunkle Haut.
Auch zum Karma hat er eine Erklärung. Man versucht, im Leben Gutes zu tun. Er würde zum Beispiel nie ein Tier töten, unter keinen Umständen. Keine Fliege, die nervig um einen surrt oder eine Spinne, in deren Netz man grad gelaufen ist. Niemals.
Isst du kein Fleisch, will ich erstaunt wissen. Doch natürlich, aber das kaufe ich auf dem Markt.
Auf dem Weg vom Eingangstor zum eigentlichen Tempel kommen wir an einer Verkäuferin vorbei, die Saft aus der Zuckerpalme verkauft. Das muss ich probieren, der Tempel kann warten.
Die weiblichen Zuckerpalmfrüchte habe ich in Vietnam schon probiert, aber für den Saft werden die männlichen Blüten angeritzt und der Saft in Bambusgefässen direkt im Baum gesammelt.
Er schmeckt sehr fein, der Saft, ähnlich süss wie Zuckerrohr.
Der Saft wird auch eingedickt und zu Süssigkeiten verarbeitet.
Wir gehen weiter und Braban zeigt mir, wo ich die Foto machen kann, auf der man alle fünf Türme sieht. Denn von der Vorderfront sieht man nur drei. Wenn am 23. März und am 23. September die Sonne direkt hinter dem mittleren Turm aufgeht, stehen hier bei Sonnenaufgang über 10'000 Leute. Jetzt sind es gegen 1'000 die die Foto mit der Silhuette vor dem hellen Hintergrund sehen wollen. Kann mir das Geklicke grad vorstellen.
Eigentlich unsinnig, da will jeder die schönste einmaligste Foto machen und dabei sind die schönsten von den besten Fotografen längst gemacht. Aber ich gehöre ja auch zu denen, die mit gezückter Kamera unterwegs sind und glauben, gleich die Foto des Lebens zu schiessen.
Es sind viele Chinesen hier, meistens mit eigenem Guide, denn Chinesen verstehen kaum Englisch. Sie sind auch gar nicht an der Geschichte interessiert, meint Braban. Sie wollen nur Fotos machen. Europäer erkennt man daran, dass sie mit Büchern unterwegs sind und wissen wollen, was die Sachen bedeuten, Chinesen wollen davon gar nichts wissen.
im Inneren gibt es vier riesige Pools in denen sich der König zuerst reinigte, wenn er ankam - bestimmt war er auch um die Abkühlung froh...
Braban erzählt mir von der Geschichte, von den vielen Königen, die Angkor Wat gebaut und weiter entwickelt haben. Von den Geschichten, die in die Steine gezeichnet sind. Geschichten von unendlichen Kämpfen des Königs gegen den Dämon. Immer wieder. Ganze Wände sind voll von kämpfenden Königen und Dämonen. Manchmal kämpft der Gott-König mit Hilfe einer Armee von Affen. Diese feiern am Schluss mit dem König der Affen ein grosses Fest.
Und dort Zeichnungen vom Mond mit vier Pferden und von der Sonne, die sich mit zwei Pferden begnügen muss. Den Zusammenhang verstehe ich nicht richtig und vielleicht ist das auch nur zufällig auf dieser Zeichnung so. Und vielleicht finde ich sogar noch etwas heraus, wenn ich später meinen eigenen Reiseführer noch ein wenig studiere.
Und dann Singha, das Fabelwesen aus Löwe und Drachen. In Thailand habe ich jeweils das Bier getrunken, das so hiess. Das sind Zusammenhänge, die sich mir langsam erschliessen.
Ich bin eh mehr am hier und jetzt interessiert und will eine Pause von den alten Geschichten. Vielleicht bin ich ganz innen auch ein wenig eine Chinesin.
Was tut der junge Mönch dort drüben? Er segnet die Menschen, die sich zu ihm setzen. Er ist auch ein Voraussager, kann die Zukunft lesen, wenn man das will. Als wir näher kommen, hat sich eine Familie zu ihm gesetzt, lässt sich segnen und farbige Bändelchen ums Handgelenk binden. Sie sollen Glück bringen.
Und dort macht ein junger Musiker mit einem Freund ein Fotoshooting und weiter weg bei den Arkaden ein junges Paar mit einem professionellen Fotografen. Vorbereitungen für die Hochzeit. Die Hochzeit ist eine aufwändige Angelegenheit. Braban weiss wovon er spricht. Er hat vor zwei Wochen geheiratet. Die Heirat hat ihn über 3000 Dollar gekostet. Mehr als 300 Gäste wurden eingeladen. Jetzt weiss er wieder, wofür er arbeitet.
Seine Führung ist hier zu Ende, wir sind beim Aufgang zum höchsten Turm angekommen. Braban zeigt mir wo ich mich anstellen muss um hinauf zu kommen, bedankt sich und wünscht eine gute Weiterreise.
Ich stelle mich in die Schlange und warte. Warte zehn Minuten und bin dann doch nicht viel weiter gekommen, als bis zum Schild das verkündet, dass es ab hier noch einmal dreissig Minuten dauert, bis ich zum Eingang komme. Die Sonne brennt heiss vom Himmel. Will ich das? Ich habe letzthin diese Frage in drei Betonungen gelesen.
WILL ich das?
Will ICH das?
Will ich DAS?
Nein, ich will das nicht. Kann darauf verzichten, mich in der Hitze die 65 Meter hinauf auf den Turm zu quälen und dort den Buddha zu besichtigen, der Vishnu abgelöst hat. Es gibt einfacher zu besichtigende Buddhas. Ich kehre um, gehe zurück zum Eingang, wo KC mit dem TucTuc auf mich wartet.
Bitte Klimaanlage einschalten, sage ich zu ihm, bevor wir starten. Er sieht mich etwas irritiert an, merkt dann aber bald, dass sich diese beim Losfahren automatisch eingeschaltet hat. Der kühle Fahrtwind tut jetzt gut.
Den nächsten Tempel nehme ich allein in Angriff. Hier stehen auch keine Guides mehr herum und das ist mir grad recht. Ich würde den Ort Tempel der Gesichter nennen, denn fast jeder Stein ist Teil eines Gesichtes. Von allen Seiten schauen sie auf mich herab. Auf allen vier Seiten sehen die Gebäude hinaus auf die Landschaft. Offizieller Name des Ortes ist Angko Thom
Ob die vielen Gesichter der Grund sind, das hier soviel fotografiert wird? Ich setze mich in eine Fensternische und sehe dem Treiben zu. Dort macht ein junges Paar Selfies und jetzt kommt ein Fotograf, checkt den Ort und bis die ganze Gruppe nachkommt, hat er den idealen Standort für eine Foto gefunden. Jetzt wird paarweise fotografiert. Jedes Paar stellt sich vor das lächelnde Gesicht, muss sich an den Händen halten und one - two - tree -smile, das Souvenir ist im Kasten, das nächste Paar darf sich anstellen. So geht das durch die ganze Gruppe. Scheint, dass kein einziger Single dabei ist.
Eine junge Chinesin entdeckt mich. Gerade hat sie sich in einer anderen Fensternische fotografieren lassen, jetzt möchte sie eine Foto von mir. one - two - tree schon passiert. Ich reiche ihr meine Kamera. Macht sie auch eine für mich? Gern, one - two - tree - schon passiert.
Leichten Fusses geht sie weiter, ihren Stick vor sich, immer bereit, sich und andere abzulichten.
Als ich weitergehe, entdecke ich eine andere Gruppe. Dieser Fotograf ist gerade dabei, alle Frauen seiner Gruppe in der gleichen Pose abzulichten. Dazu zeigt er ihnen vorher genau, wie sie die Hände in die Lotusposition bringen.
Ich bin auf den Geschmack gekommen und als ich zurück beim Eingang bin, mache ich mit KC mein eigenes Fotoshooting. Er scheint daran auch Spass zu haben, jedenfalls werden die Fotos ganz gut.
Den nächsten Komplex soll ich komplett durchwandern. KC wird mich auf der anderen Seite erwarten. Es ist der Komplex mit dem Baum, der den Tempel überwuchert, ein Bild das man schon tausendmal gesehen hat. Ta Phrom.
Ein langer Weg führt von Osten nach Westen durch einen schattigen Wald. Von weitem schon höre ich wehmütige Klänge und als ich näher komme, entdecke ich eine Musikband, die auf traditionellen Instrumenten typische Weisen spielt. Eine Zither und Stachelfiedeln (musste den Namen googeln) sowie eine Trommel und ein Bambus-Xylophon. Ich bleibe eine Weile stehen, weil ich Musik auf Strassen und öffentlichen Plätzen einfach immer faszinierend finde und weil diese leisen Töne so gut zwischen die hohen Bäume mit den breiten Brettwurzeln passen.
Ein Schild nebenan klärt mich auf, dass es sich um Minenopfer handelt. Natürlich, hätte ich merken müssen, einer hat seine Beinprothese neben sich positiniert, um bequemer sitzen zu können.
Ich kaufe eine CD, denn ich finde, das ist die sympathischste Art, Geld da zu lassen. Und vielleicht kann ich die Musik irgendwo als Hintergrund bei einem Video oder Vortrag brauchen.
Der Tempel wirkt wie ein längst verwunschenes Märchenschloss. Wie Dornröschen, das nie gefunden wurde. Die Dschungelriesen haben die Mauern komplett überwuchert. Riesige Wurzelwerke haben die Mauern zum Einsturz gebracht oder in einer ewigen Umarmung umschlungen.
Diese Urkraft der Natur, die sich gegen harte Steine durchkämpft und immer einen Weg für das Leben findet. Ganz langsam ist er gewachsen, der Dschungel, aber er hat fast alle Mauern und Gebäude hier in Beschlag genommen.
Die meisten Urwaldriesen wurden inzwischen gekappt, so dass die Zerstörung nicht weiter gehen kann. Es wird restauriert. Überall gibt es Baugerüste, abgeschlossene Bereiche.
Hinter den Mauern entdecke ich zwei Frauen, die am Boden hauern und mit Macheten das Unkraut entfernen. Es ist eine mühsame Arbeit und es ist auch hier unter den hohen Bäumen drückend heiss.
Darf ich eine Foto machen? frage ich und deute auf meine Kamera. Scheu sehen sie auf, schenken mir ein kleines Lächeln. Und als ich ihnen die Fotos auf der Kamera zeigen, freuen sie sich.
Ein kleines Lächeln gegenseitig. Ein Geschenk.
Ich gehe weiter, verlasse den Komplex und auch auf der andern Seite gibt es am Weg eine Musikgruppe. Auch hier höre ich einen Moment zu, lasse die gesehenen Wunder noch einmal durch meine Gedanken gehen.
Angkor Wat, Ziel und Traum der meisten Südostasienreisenden. Ein Traum in Stein gehauen, erstellt über mehrere Jahrhunderte, vergessen und wieder entdeckt, und heute langsam wieder am Auferstehen. Vielleicht verliert es seinen Zauber, wenn es komplett restauriert ist. Doch das wird noch viele Jahr dauern.
Es ist früher Nachmittag, die Sonne hat ihren Zenit längst erreicht und ich habe genug Steine gesehen. Fahren wir zurück in die Stadt.
Wir verlassen den Komplex durch das Südtor, fahren zwischen den Königen und den Dämonen, die beide stur in eine Richtung sehen, den Gegner ignorieren, der doch so nahe, eine Strassenbreite entfernt steht. Was braucht es wohl, um die eine oder andere Seite gegen sich aufzubringen. Im Moment ist Frieden zwischen den Gegenpolen.
KC fährt mich zurück in die Stadt und wartet geduldig, bis ich vom italienischen Restaurant zurück komme. Einladen kann ich ihn übrigens nicht, auch wenn ich ganz gern in Gesellschaft essen würde. Aber es gehört sich nicht und er kann auch sein TucTuc nicht allein lassen. Er hat auch das Wasser und die Früchte abgelehnt, das ich irgendwo gekauft und mit ihm teilen wollte.
Die Canneloni sind zwar etwas ungewohnt, aber ganz gut. Allerdings liegen sie mir später etwas auf, denn so schweres Essen mit Rahmsosse bin ich nicht mehr gewohnt.
Bevor ich mich beim Hotel von ihm verabschiede, will ich von KC noch wissen, was es mit der Knoblauchknolle auf sich hat, die da unter dem Dach baumelt.
Der Knoblauch soll die bösen Geister abhalten, ihn vor Bösem schützen, Glück bringen.
Heute habe ich wieder einmal einen speziellen Vogel gesehen. Vögel scheinen Tempel zu mögen.
In letzter Zeit sah ich sonst sehr viele Spatzen und manchmal ein paar Tauben.
Nachtrag
Ich wusste, dass mich unser Ornithologe nicht im Stich lässt. Er hat prompt ins Gästebuch geschrieben.
Peter meint, das sei ein Hirtenmaina, ein Verwandter unseres Stars.
Hab ihn gegoogelt, das ist er bestimmt. Danke Peter.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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