Mekong

Reisezeit: Juni - September 2017  |  von Beatrice Feldbauer

Meditation

Pünktlich um zehn Uhr holt mich Steven im Hotel ab.

Was machen wir heute, will er wissen.

Du hast mir versprochen, das Meditations Center zu zeigen.

Ein Taxi bringt uns hin. Es gibt viele Center in Yangoon, aber dieses ist das Grösste. Sie haben hier oft Ausländer aus aller Welt, darum glaube ich, dass es das Beste für dich wäre. Wir können aber auch noch ein anderes ansehen.

Wir gehen kurz in das Büro beim Eingang. Wahrscheinlich holt er sich die Erlaubnis, mir alles zu zeigen.

Es gibt ganz viele prachtvolle Hallen. Überall sind Sitzkissen verteilt, ganz selten stehen ein paar Stühle an der Wand. Will ich das?

Er zeigt mir die Küche, sie sieht sauber aus mit den riesigen Töpfen, den grossen Feuerstellen.

Der Essraum mit den runden niedrigen Tischen an denen man am Boden sitzt. Alles sehr sauber, aber ziemlich unbequem. Will ich das?

Das Gelände ist riesig, es wird auch noch immer gebaut. Irgendwo treffen wir zwei Mönche. Steven spricht sie an, will wissen, woher sie kommen. Einer kommt aus Kambodscha, der andere aus Kanada. Sie sind auf Besuch hier, Mönche auf Zeit. Ja, meint der eine, es hat hier viele Ausländer, Mönche und andere. Im Moment sind viele Koreaner hier, Europäer kaum.

Die Küche

Die Küche

Der Essraum

Der Essraum

Die Asche des Gründers wird in der silbernen Pagode über seiner Statue aufbewahrt.

Die Asche des Gründers wird in der silbernen Pagode über seiner Statue aufbewahrt.

Rundum sind die Wände vollgeschrieben.

Rundum sind die Wände vollgeschrieben.

In einer Halle treffen wir auf einen alten Mann. Kein Mönch, ein einfacher Mann. Ich lebe hier seit meine Frau gestorben ist, erzählt er. Ich bin ganz allein, meine Tochter ist an einem Herzinfarkt gestorben und hier kann ich jetzt bleiben. Ich hüte dieses Haus.

Hier ist die Asche von Mahasi Sayadaw, dem Gründers dieses Zentrums. Ich schaue dass alles in Ordnung ist, putze den Boden, reinige den Teppich und sitze hier beim Eingang. Manchmal kommen Besucher, dann gibt es ein Gespräch, sonst sitze ich hier und lese.

Er hat eine dünne Broschüre vor sich aufgeschlagen. Englisch? Ja ich versuche es. Muss aber noch viel lernen.

Wird es ihm nie langweilig? Nein, ich kann lesen, ausserdem habe ich ein Problem mit der Hüfte, und kann nur noch mit den Stöcken gehen. Ich bin 73 und sehr zufrieden, hier zu sein. Ich habe ein Zimmer im Gebäude gegenüber, manchmal schlafe ich hier. Ja, hier auf dem Boden.

Fotografieren? Nein fotografieren lassen möchte er sich nicht.

Wir verabschieden uns von dem bescheidenen Mann und gehen in eine andere Halle. Hier sitzen Frauen vor einer Abbildung Buddhas.

Das ist ein Meditationsraum für einheimische Frauen. Natürlich darfst du da fotografieren, du darfst alles fotografieren.

Und dann gehen wir zurück in den Raum in dem wir ganz am Anfang waren. Hier war der Lehrer mit zwei Personen im Gespräch und wir waren respektvoll wieder hinaus gegangen.

Der Lehrer ist jetzt frei.

Der alte Mönch sitzt am Boden und bittet mich, vor ihm Platz zu nehmen. Steven erklärt ihm, nachdem er sich respektvoll verneigt hat, dass ich nicht auf dem Boden sitzen kann.

Der Mönch weist auf einen den Plastikstühle. Steven stellt ihn vor den Mönch und ich kann mich setzen. Auch der Mönch hat sich jetzt in den Fauteuil gesetzt. Augenhöhe.

Er spricht ein wenig Englisch und begrüsst mich hier im Meditationszentrum. Möchte wissen, warum ich hier bin. Ich überlege mir, mich mit Meditation zu befassen, ich versuche zu erklären, was ich denn eigentlich hier möchte, weiss es aber noch immer nicht.

Lege deine Hände in den Schoss
Schliesse deine Augen
Höre auf deinen Atem
Einatmen
Ausatmen

Nur das, konzentriere dich auf einen Atem.
Bleib ganz ruhig, ganz bei dir.
Und wenn ich etwas juckt, bleib ruhig
Wenn es nicht weggeht, bewege deine Hand ganz ruhig dorthin, lege sie hin, kratze, wenn es sein muss und lege sie ganz ruhig zurück.
Und bleib bei deinem Atem.
Einatmen
Ausatmen
Wenn Gedanken kommen, lass sie los.
Bleib bei deinem Atem.
Einatmen
Ausatmen
Dörti minuts

Er spricht etwas undeutlich, ich muss genau hinhören, um ihn zu verstehen. und was war das jetzt ganz am Schluss? Ich öffne die Augen, sehe ihn verständnislos an?
Half en hour.

Eine halbe Stunde? Ich hab das also mit den dreissig Minuten schon richtig verstanden. Eine halbe Stunde hier sitzen, bewegungslos, nichts denken, nur atmen.

Ich schliesse die Augen wieder.
Einatmen, ausatmen. Und was wenn...
Die Gedanken kommen, ich lass sie los

Irgendwann blinzle ich auf mein Gegenüber, ist die halbe Stunde schon um? Der Stuhl vor mir ist leer.

Ich schliesse die Augen wieder.
Einatmen
Ausatmen

Ein Räuspern. Half en hour.

Ich öffne die Augen. Er sitzt wieder vor mir, die halbe Stunde ist um.
Irgendwie fühlt sich das gut an.

Steh auf und stell dich neben mich.
Wir gehen ganz langsam Schritt für Schritt
Dreimal durchatmen
Rechter Fuss
Linker Fuss

Rechter Fuss
Linker Fuss

Immer den ganzen Fuss abheben und den ganzen Fuss wieder aufsetzen. Kein Abrollen, keine Zehen die nachfassen. Und immer atmen.

Es fällt mir schwer, aber er ist ein strenger Lehrer, sieht mir genau auf die Füsse, macht es noch einmal vor.

Ich laufe über den Teppich. Hin und her. Watschelnd, steiff mit kleinen Schritten.

Irgendwann kommt die zweite Übung: 2 Stufen
Aufheben - absetzen. Jetzt darf ich die Ferse zuerst anheben und den ganzen Fuss absetzen.

Hin und her. Endlos. Den Blick nicht schweifen lassen. Die Augen bleiben ungefähr zwei Meter vor mir. Nicht gebückt und nicht durchgestreckt. Und immer ganz langsam.

Jemand kommt in den Raum, kniet sich vor den Mönch.

Ich gehe weiter durch den Raum. Am Ende dreimal durchatmen, in zwei Schritten wenden, dreimal durchatmen und rechter Fuss abheben, aufsetzen.

Die zwei Frauen sind wieder gegangen, Steven ist ganz hinten in eine eigene Meditation versunken. Der Mönch ist zurück.

Jetzt in drei Stufen

Anheben, vorwärts, aufsetzen. langsam und immer gleichmässig ganz bewusst atmen.

Die Übung ist einfacher, der Rhythmus ist anders, aber noch immer ist das Problem beim Absetzen des Fusses. Keine Fussballe zuerst, der ganze Fuss gleichzeitig.

Meine ganze Konzentration ist bei den Füssen. Zeit? ich habe keine Ahnung, wie lange ich jetzt schon hier bin.

Setzen wir uns. Ich wiederhole mich jetzt, damit du das ganz richtig verstehst. Ich nicke.

Schliesse deine Augen.
Einatmen
Ausatmen
Kein Ärger, keine Ablenkung, ganz bei dir sein
Wenn du etwas hörst, lass es zu
Wenn du etwas spürst, lass es zu
Einatmen
Ausatmen
Halbe Stunde

Sie kommt mir viel kürzer vor, diese halbe Stunde. Zwar fängt es irgenwann draussen an zu regnen, ja gar zu schütten, aber es hat mit mir nichts zu tun.

Ein sehr spezielles Erlebnis. Ich möchte das noch einmal, aber ich weiss jetzt, dass ich dafür nicht im Convent einziehen muss.

Kann ich noch einmal kommen?

Morgen um elf Uhr.

Damit sind wir entlassen.

Ich bin froh, dass mir die Entscheidung mit dieser privaten Lektion abgenommen wurde. Steven hat sich zwar bemüht, mir das Leben im Kloster irgendwie angenehm zu erklären, aber als ich später die Regeln in der Broschüre lese, bin ich sehr froh, dass ich morgen nicht hier einziehen muss.

Der ganze Tag ist eingeteilt:

Ab vier Uhr Meditation in der Gruppe, dann Frühstück und wieder Meditation.
Abwechselnd Sitting Meditation und Walking Meditation. Mittagesssen um elf, danach gibt es kein Essen mehr. Nachmittag gefüllt mir Meditation bis nachts um neun. Danach Meditation im Zimmer und um elf ist Nachtruhe.

Für nur zwei Tage wäre das eine Tortur. Kann sein, dass man sich bei einem längeren Aufenthalt darauf einstellt und nach den ersten Tagen den Rhythmus findet.

Was machen wir jetzt?

Ich möchte dir noch einen Buddha zeigen. Ich bin einverstanden, mein Buddha-Soll für heute ist noch nicht ganz erfüllt. Das Taxi bleibt vor einer langen Halle stehen.

Und da guckt er tatsächlich schon aus dem Eingangstor heraus. Was für ein Buddha! Ein riesiger liegender Buddha. Er kann gar nicht auf den ganzen Blick erfasst werden. Und immer sind da Menschen, die davor knien, Blumen bringen und Früchteschalen. Geldscheine in die aufgestellten Behälter stopfen.

Schau da hinten, da gibt es eine kleine Plattform, von da kannst du den Buddha fotografieren.

Chauk Htat Gyi, 70 m lang, 1966 gebaut

Chauk Htat Gyi, 70 m lang, 1966 gebaut

Auf den Füssen sind alle Kennzeichen eines Buddhas aufgeschrieben.

Auf den Füssen sind alle Kennzeichen eines Buddhas aufgeschrieben.

Hinter der Halle geht es hinunter ins alte Kloster. Möchtest du es sehen?

Selbstverständlich.

Wir steigen eine kleine Rampe hinab. Hier unter den Dächern ist ein kleines Dorf. Gehört alles zum Kloster. Grosse Räume in die wir hinein gehen können. Ist das tatsächlich einfach so offen? Ja, das ist ganz natürlich, da darf man überall hinein gehen. So wohnt man hier und so hat man hier schon immer gewohnt. Früher, als es noch keine Hotels gab, waren das die Gasthäuser.

Hier konnten die wenigen Fremden, die ins Land kamen, absteigen. In den Klöstern. Alles aus schwerem Teakholz gebaut. Alles ganz stabil.

Es gibt Kochstellen. Zwar gehen die Mönche noch heute jeden Morgen auf Betteltour und bringen das Essen, das sie geschenkt bekommen haben zurück ins Kloster, wo es untereinander geteilt wird. Aber es gibt auch alte Mönche, die nicht mehr hinaus können. Oder wenn es zuwenig Essen hat. Dann wird hier gekocht. Auch für Gäste. Der Koch, der uns beobachtet hat, lässt uns in seinen Topf schauen. Sticky Reis, eingepackt in Bananenblättern gart er über dem heissen Wasser.

Der Raum, wo Mönche und Besucher leben. Bevor es Hotels gab in Yangoon waren das die Unterkünfte für auswärtige Gäste.

Der Raum, wo Mönche und Besucher leben. Bevor es Hotels gab in Yangoon waren das die Unterkünfte für auswärtige Gäste.

Die Kochstelle

Die Kochstelle

Der Gong mit dem zum Essen gerufen wird, sieht ziemlich mitgenommen aus.

Der Gong mit dem zum Essen gerufen wird, sieht ziemlich mitgenommen aus.

Am Ufer des Sees entdeckt. Ein spezieller Baum dessen Stamm und Äste mit Früchten bedeckt ist.

Am Ufer des Sees entdeckt. Ein spezieller Baum dessen Stamm und Äste mit Früchten bedeckt ist.

Man kann sie zwar essen, aber sie sind nicht süss...

Man kann sie zwar essen, aber sie sind nicht süss...

Schöne Anlagen am See zum Spazieren, wenn es nicht gerade regnet.

Schöne Anlagen am See zum Spazieren, wenn es nicht gerade regnet.

Steven

Steven

Essen, ein gutes Stichwort.

Wir fahren mit dem Taxi an den See, diesmal an die Ostseite. Hier entstehen zwei hohe Häuser. Wie hoch die wohl sind, will ich wissen.

Nicht höher als die Pagode. Kein Gebäude in der Stadt darf höher sein, als die Pagode.

Die Häuser sehen sehr hoch aus, die Pagode kam mir nicht so riesig vor, denn sie wirkt mehr in die Breite. Einzig beim Fotografieren habe ich gemerkt, wie schwierig es ist, die Spitze mit aufs Bild zu bringen.

Hier an der Ostseite gibt es viele kleine Restaurants. Die meisten sind ganz neu, erst in den letzten Monaten entstanden. Seit der neuen Regierung. Wir spazieren am Ufer und als es wieder anfängt zu regnen, flüchten wir so schnell als möglich unter das nächste Dach. Da bleibt keine Zeit mehr, auszusuchen, wo man einkehren möchte, der Regen kommt überfallartig.

Wir haben Glück, es scheint ein gutes Restaurant zu sein. Wir sind beide hungrig und bestellen ein spätes Mittagessen, oder ist das jetzt ein frühes Nachtessen?

Über dem See und in den Bäume kreischen Vögel. Brandschwarze Krähen. Sie hören überhaupt nicht auf zu krächzen. Sie hören nie auf, weiss Steven. Ich weiss gar nicht, wann die schlafen. Auch bei mir wo ich wohne gibt es ein paar Bäume wo es diese Vögel hat. Ich glaube sie lärmen die ganze Nacht.

Nach dem Essen zeigt er mir den Karawelk Palace. Ein Restaurant, das wie ein grosses Schiff aussieht. Da machen sie am Abend eine Bühnenshow mit typischen Kostümen, das könntest du dir mal ansehen. Ich nehme einen Prospekt mit.

Es dämmert langsam, die Sonne steht zwar noch hoch, aber die Dämmerung kommt schnell. Der Regen hat wieder nachgelassen. Wir setzten uns in ein kleines Restaurant am See mit Blick auf die Pagode hinter der die Sonne bald untergehen wird.

Blöd nur, dass dahinter auch noch eine grosse dicke Wolke steht.

Unsere Themen sind gegeben. Steven träumt von einer besseren Zukunft für sein Land. Mehr Ausbildung für die Kinder, weniger Geld für die die Tempel. Sie horten alles in den Banken. Kein Mensch weiss, wieviel Geld die Klöster besitzen. Auch das Militär hat noch immer viel Geld, das es in eigenen Banken verwaltet.

Er hofft auf die neue Regierung, ist aber enttäuscht, das alles so langsam vor sich geht, dass die Veränderungen nicht schneller sichtbar sind. Ich möchte wirklich eine eigene Schule öffnen und den Kindern Englisch beibringen. Denn das ist es, was unser Land braucht. Mehr Ausbildung.

Inzwischen ist die Sonne hinter den Wolken verschwunden. Pagode und Palace Restaurant haben ihre Beleuchtungen eingeschalten.

Eine Stunde später, als wir uns verabschieden und ich mich von Steven verabschiede, strahlen sie im goldenen Glanz und spiegeln sich im nachtschwarzen Wasser des Sees.

irgendwie mystisch

irgendwie mystisch

Die Vögel des Tages:
Krähen oder Raben? Ist wahrscheinlich schwierig zu beurteilen mit dieser Foto in der Dämmerung kurz nach dem Regen.

Sie sind ziemlich gross, treten in Scharen auf und kreischen ohne Unterlass.

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Antwort vom Ornithologen Peter:

Es sind wahrscheinlich Glanzkrähen. Sie kommen in verschiedenen südasiatischen Ländern vor, und zwar in verschiedenen Rassen.

höchstwahrscheinlich: Corvus splendens insolens

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es ist Zeit für etwas Neues. Für eine neue, mir völlig unbekannte Weltgegend. Spontan, ohne Planung, nur mit einer Idee: den Mekong sehen. Abflug am 16. Juni nach Bangkok. Ab dann wird es spannend. Freue mich, wenn auch diesmal wieder Freunde, Kunden und Bekannte virtuell mitreisen. Man kann den Reisebericht übrigens auch abonnieren, dann erhält man immer ein Mail, wenn ich etwas neues geschrieben habe.
Details:
Aufbruch: 16.06.2017
Dauer: 3 Monate
Heimkehr: 21.09.2017
Reiseziele: Thailand
Laos
Vietnam
Kambodscha
Myanmar
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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