Mekong
Projekte
Gestern sind in der Sun Boutique Steffi und Emanuel angekommen. Steffi hat vor einiger Zeit eine Patenschaft in der Schule übernommen und heute möchte sie ihr Patenkind besuchen.
Auch ich möchte jetzt endlich die Schule etwas besser kennenlernen. Heute ist auch Roger wieder einmal da. Er war gestern beim Arzt, der sein Bein untersucht hat, das er bei einem Sturz zusätzlich zum Schwächeanfall vom Montag, verletzt hatte.
Die Kinder haben gerade Pause und natürlich umringen sie ihn sofort mit besorgten Gesichtern. Er war eine ganze Woche nicht in der Schule und kommt heute humpelnd und an Stöcken. So haben sie ihn noch nie gesehen.
Der kleine Junge, für den Steffi bezahlt, ist sehr schüchtern und nimmt das mitgebrachte Geschenk nur zögernd in Empfang.
Überhaupt sind die Kinder sehr schüchtern und trauen sich nicht, richtig Kontakt aufzunehmen. Das liegt natürlich auch daran, dass ihre Englischkenntnisse noch sehr klein ist und sie sich nicht gewohnt sind, mit Fremden zu reden.
Leider ist auch der Lehrer sehr scheu und ich bezweilfe, ob er wirklich richtig Englisch kann.
Dann ist die Pause zu Ende und die Kinder gehen zurück in die Klasse. Ich folge ihnen. Artig stellen sie sich auf und sprechen im Chor: How are you? Bis ich merke, dass ich damit gemeint bin, haben sie die Antwort auch bereits gegeben: Fein.
Vereint klappt das schon ganz gut.
Ich frage den Lehrer, ob ich mich in eine Bank setzen dürfe und bin gespannt, wie der Unterricht weiter geht. An der Wandtafel steht eine englische Konversation, die die Kinder wohl vor der Pause geübt hatten.
Jetzt schreibt der Lehrer zwei Worte an die Tafel.
Draw (zeichnen)
Rabbit (Kaninchen)
Die Kinder suchen in ihrem Arbeitsbuch nach einen Kaninchen und versuchen es in ihr Heft abzuzeichnen. Das Mädchen neben mir schreibt allerdings erst einmal schön säuberlich ab, was an der Tafel steht und dann beginnt es zu zeichnen.
Und dann guckt Roger durch die offene Türe und scheint etwas zu entdecken, was ihm nicht gefällt. Humpelnd kommt er herein und schickt ein paar der kleineren Kinder hinaus, sie gehören in die andere Klasse. Ich bin ehrlich etwas verblüfft und weiss nicht, was die Aktion sollte. Vor allem weil jetzt eh gleich Schulschluss ist.
Schade.
Schulschluss, es scheint, dass auch der Lehrer ganz froh ist, dass diese Stunde vorbei ist. Er holt die Sicherheitswesten und die farbigen Signale vom Pult und verteilt sie an vier Buben und Mädchen. Diese sollen nun für einen geordneten Abgang aus der Schule sorgen, damit nicht alle zusammen hinaus auf die Strasse rennen.
Ich bin am Nachmittag noch einmal alleine zur Schule gegangen und beim gleichen Lehrer mit anderen Schülern in der Klasse gesessen. Diesmal wurde richtig gelernt. Die Kinder machten Fragespiele die sie mit ja und nein und ganzen Sätzen beantworten mussten. Und es gab keine Unterbrechungen.
Der Lehrer scheint tatsächlich nicht sehr viel Erfahrung in der direkten Anwendung seines Englisch zu haben, denn ein richtiges Gespräch war auch in dieser Pause nicht möglich. Er kann den Kindern aber mithilfe der Beispiele in ihrem Englischbuch erste Schritte beibringen. Und Wörter und etwas Grammatik Und ihm scheint die Arbeit zu gefallen. Englisch zu lernen, bedeutet übrigens nicht nur die Sprache, es ist auch ein ganz anderes Alphabet, das die Kinder lernen müssen. Und Englisch ist für ein Weiterkommen in diesem Land enorm wichtig.
Nach der Schule laufe ich auf der staubigen roten Strasse zu Fuss zurück zum Resort. Dabei komme ich an einer Bauselle vorbei, auf der ein Mann und zwei Frauen arbeiten. Wie die in dieser Bruthitze so dicke Kopfbedeckungen ertragen, ist mir ein Rätsel. Sehr viele Menschen tragen auch lange Ärmel und dicke Stoffe. Nur die Touristen laufen in Elefantenhosen und ärmellosen Tops herum.
Weiter führt mich mein Weg an Reisfeldern und Lotusfeldern entlang. Der Reis wird bald reif sein, hat mir KC gestern erzählt, als wir daran vorbei fuhren. In ungefähr zwei Wochen kann der Reis geerntet werden. Viele machen das hier noch von Hand, es gibt aber immer mehr Farmer, vor allem die grösseren, die Maschinen einsetzen.
Die beiden Wasserbüffel, die in einem abgeernteten Lotusfeld stehen, werden wohl wieder in den Einsatz kommen, wenn das Reisfeld neu bestellt wird.
Am Nachmittag, nachdem ich der Schule noch einmal einen Busuch abgestattet habe, fährt mich KC zum Eingang des grossen Kinderkrankenhauses von Beat Richner. Kantha Botha. Gross sind die Plakate, die verkünden, dass jeden Dienstag-Abend ein Film über sein Schaffen gezeigt wird. Auch sollte das Informationscenter jeden Tag geöffnet sein.
Leider, sagt mir einer der Männer, die am Eingangsschalter sitzen, leider können wir derzeit keine Besucher empfangen. Wir haben niemanden, der genügend Englisch spricht und abkömmlich ist. Aber er drückt mir eine dünne Sonderausgabe der Schweizer Illustrierten in die Hände, in der eine Reportage vom Doktor aus der Schweiz gedruckt ist.
Wir hoffen alle, dass er bald zurück kommt, sagt der Mann noch. In der Schweiz kennen ihn alle Leute, erzähle ich ihm. Hier in Kambodscha kennt ihn auch jeder der 16 Millionen Einwohner, meint er darauf. Und genau das sagt auch KC, als ich zum TucTuc zurück komme. Jeder kennt ihn. Auch meine kleine Schwester musste einmal für eine Kontrolle hierher kommen. Er hat ihr geholfen. Nein, es hat nichts gekostet, die Behandlung ist hier für alle frei.
Ich kann tatsächlich reden mit wem ich will, jedem ist der Doktor ein Begriff und jeder spricht mit grosser Hochachtung von ihm und hofft, dass er bald zurück kommt.
Seine Spitäler nehmen inzwischen einen ganzen Komplex ein. Wir fahren mit dem TucTuc einmal rund herum. Überall bei den Eingängen warten Frauen, zum Teil mit Kindern in den Armen. Und bei einem Seiteneingang hat sich ein kleiner Markt entwickelt, an dem die Familien sich mit dem Nötigsten eindecken können. Essen und Kleider und was eben sonst noch benötigt wird. Grosse Transparente sind über die Strasse gespannt: Kantha Bopha Kinderspital.
Irgendwo steht eine grosse Tafel die auf das sonntägliche Cellokonzert hinweist. Woher hat dieser Mann nur die Kraft genommen, die ganze Woche im Spital zu arbeiten und am Sonntag ein Konzert zu geben.
Es ist eindrücklich, zu sehen, was für ein grosses Werk hier ein Mann hier geleistet hat und wie er von allen Menschen tief verehrt wird.
Schade, dass ich den Film am Dienstag-Abend verpasst habe. Wenigstens den hätte ich gern gesehen.
Ich möchte den Tempel ansehen, der ganz in der Nähe meines Hotels ist, und an dem ich schon öfters vorbei gefahren bin. Das ist kein Tempel, das ist eine Pagode, belehrt mich KC. Und tatsächlich, da Gebäude ist nicht offen, man kann nicht hinein gehen. Aber es ist rundum mit riesigen Bildern und Mustern bemalt und im Garten stehen nebst vielen anderen Figuren die 12 Tiere des chinesischen Horoskopes.
Dass ich Pferd bin, weiss ich erst seit ich es hinterher gegoogelt habe, sonst hätte ich das Pferd natürlich auch aufgenommen.
Falls das sonst noch jemanden interessiert, hier sind die verschiedenen Zeichen.
Ratte - 1912, 1924, 1936, 1948, 1960, 1972, 1984, 1996, 2008
Büffel - 1913, 1925, 1937, 1949, 1961, 1973, 1985, 1997, 2009
Tiger - 1914, 1926, 1938, 1950, 1962, 1974, 1986, 1998, 2010
Hase - 1915, 1927, 1939, 1951, 1963, 1975, 1987, 1999, 2011
Drachen - 1916, 1928, 1940, 1952, 1964, 1976, 1988, 2000, 2012
Schlange - 1917, 1929, 1941, 1953, 1965, 1977, 1989, 2001, 2013
Pferd - 1918, 1930, 1942, 1954, 1966, 1978, 1990, 2002, 2014
Schaf - 1919, 1931, 1943, 1955, 1967, 1979, 1991, 2003, 2015
Affe - 1920, 1932, 1944, 1956, 1968, 1980, 1992, 2004, 2016
Hahn - 1921, 1933, 1945, 1957, 1969, 1981, 1993, 2005, 2017
Hund - 1922, 1934, 1946, 1958, 1970, 1982, 1994, 2006, 2018
Schwein - 1923, 1935, 1947, 1959, 1971, 1983, 1995, 2007, 2019
Das ganze Gebäude ist in einem komplett anderen Stil, als die Tempel und Pagoden, die ich bisher besucht habe.
Wir machen Stadtbesichtigung. KC fährt mich zum Kriegerdenkmal, zum grossen Tempel und zeigt mir seine Schule, wo er jeden Abend Englischunterricht nimmt. Die Türe ist offen und der Lehrer lädt mich ein, hereinzukommen.
So sitze ich also heute schon zum dritten Mal in einer Schulstunde. Dieser Lehrer kann jetzt definitiv Englisch, sein Schulmaterial ist aber sehr einfach. Als er einen Dialog vom Computer abspielt, geht es mir wie den Schülern. Ich kann ihn nicht auf Anhieb verstehen. Der Ton und die Aussprache sind so schlecht, dass ich mich nicht mehr wundere, dass die Leute hier so schlecht sprechen.
Es sind wenig Studenten in der Klasse. Am Abend kommen mehr, meint der Lehrer, die meisten haben tagsüber einen Job und können nur Abends hierherkommen. Die Schule wird nach Anzahl der Stunden, die man hier ist, bezahlt.
Irgendwann reicht es mir mit der Stadtrundfahrt, zum Shoppen habe ich keine Lust, Essen mag ich auch noch nicht, aber es sieht nach einem schönen Sonnenuntergang aus. Lass uns hinaus aufs Land fahren, vielleicht gibt es einen schönen Ort wo man den Sonnenuntergang sehen könnte.
Wir fahren zu einer Lotusfarm. Und hier, in einem der kleinen Häuschen gibt es tatsächlich einen Platz, wo ich meine Kamera aufstellen kann, damit sie mir den Sonnenaufgang aufnimmt, während wir gemütlich eine Cola trinken und ein wenig reden können. Dass es hier zwei Hängematten macht mir den Platz zusätzlich sehr sympathisch.
KC kommt aus einer grossen Familie. Er hat sieben Geschwister. Bis auf den jüngsten Bruder sind alle verheiratet und haben Kinder. Nein, er möchte im Moment noch nicht heiraten, obwohl er schon 27 ist und die meisten Freunde schon Kinder haben. Aber heiraten kostet Geld. Man muss der Familie der Braut viel Geld bezahlen. Und auch die Hochzeit kostet Geld. Dort gibt es allerdings auch viel zurück, weil die eingeladenen Gäste ja alle Geschenke bringen.
Er hatte eine Freundin, aber sie hat ihn verlassen, weil er noch nicht heiraten wollte. Sie hat einen anderen genommen. Ich habe viele Nächte nicht geschlafen und eine Woche lang getrunken. Ich denke auch jetzt noch oft an sie, aber ich weiss, dass es richtig war.
Ich arbeite viel und bezahle für meinen Englischunterricht und ausserdem unterstütze ich meine Eltern. Meine Mutter ist alt, sie ist schon 60.
Hmmmm....
Ausserdem hat er einen Traum seit er ein kleiner Junge war: Ich möchte Anwalt werden. Ja ich weiss, das ist nicht mehr möglich, aber das wäre immer mein Wunsch gewesen.
Jetzt aber möchte er wenigstens genug Englisch lernen und die Prüfung schaffen um dann den Ausweis zu bekommen als offizieller Guide in Angkor Watt. Denn dort gibt es mehr zu verdienen, als mit TucTuc fahren.
Er hat aber schon einiges erreicht. Mit 14 kam er nach Siem Read und hat als Arbeiter auf dem Bau angefangen. Für 2 Dollar im Tag. Dann kam ein Job als Küchenjunge bei seinem Onkel, der in einem Restaurant Koch ist. Und dann konnte er mit Hilfe eines Mikrokredites ein TucTuc erwerben und seither fährt er tagsüber und nachts TucTuc. Und geht so oft als möglich in die Englischschule
Inzwischen ist die Sonne hinter den Wolken verschwunden, mit dem schönen Sonnenuntergang wird auch heute nichts. Ausserdem ist der Aku der Kamera am Ende und in einer Viertelstunde fängt die Englischstunde an.
Also zurück in die Stadt, wo ich in einem der Restaurants etwas esse. Chicken mit Inger. Sehr fein, sehr würzig und ausserdem gesund.
Danach holt mich KC ab und bringt mich zurück ins Hotel. Er freut sich sehr, dass er auch heute wieder eine Kundin für den ganzen Tag hatte und ich geniesse es, mit jemandem unterwegs zu sein, der mir etwas vom Leben hier erzählen kann.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
Laos
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Kambodscha
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