Mekong
Bolevan Plateau
Ich bin zurück im Palast-Hotel, beziehe ein neues Zimmer und stelle mich erst einmal unter die Dusche. Und dann ab ins Internet, ich will wissen, was während meiner Abwesenheit eingegangen ist. Doch dann der Hammer: das Wi-Fi funktioniert nicht. ‚Reduziert‘ gibt mir die Verbindungseinstellung an. Ja, genauso fühle ich mich, reduziert.
Also zurück zur Rezeption. Da hört man sich mein Problem an. Ich soll den Laptop neu starten, den Browser schliessen. Alles bereits gemacht, mehrmals. Wenn die wüssten, was ich im Alltag mache.
Sie geben mir einen jungen Pagen in roter Uniform mit, er soll mir bei dem Problem helfen. „Do you speak Englisch?“ Er schaut mich fragend an, also nein. Möchte wissen, wie er mir helfen kann. Das einzige was er kennt, ist sich unter den Router im Gang stellen und mit seinem Handy feststellen, dass er Verbindung hat. Ich auch, aber nicht im Zimmer. Es hilft nichts, ich gehe zurück in den Speisesaal, öffne meinen Facebook-Account. Und bin erschlagen. So viele Glückwünsche, so viele persönliche Mitteilungen. Auch Mails und Whatsapps sind eingegangen und sogar im Gästebuch gibt es Geburtstagswünsche.
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die an mich gedacht haben. Es ist ein ganz besonderes Geschenk, ja eigentlich das wichtigste und schönste: die Freundschaft. Da soll noch jemand glauben, ich sei allein unterwegs. Im Gegenteil, ich fühle mich getragen und begleitet von ganz vielen Freunden.
Ja und genau darum will ich meinen Bericht von der Mekong-Fahrt auch sofort aufschreiben. Mein Wi-Fi im Zimmer bleibt reduziert, das heisst, die Verbindung reicht nur zum Router, aber nicht darüber hinaus. Also schreibe ich den Bericht offline im Zimmer, im Bett, wie meistens. Irgendwann in der Nacht.
Am Morgen beim Frühstück stelle ich ihn online, wenigstens den ersten Teil. Mehr Zeit habe ich nicht, denn natürlich habe ich bereits wieder etwas geplant. Meine Reisebegleiter auf dem Schiff haben viel vom Bolevan-Plateau gesprochen und Khan hat offeriert, mir diese Gegend heute an seinem freien Tag zu zeigen.
Auf der Rückfahrt im Longtailboat hat er mich gefragt, ob er seine Frau und seinen Sohn mitbringen dürfe. Ja gern, das ist noch viel besser, als allein unterwegs zu sein.
Pünktlich um neun Uhr steht er da. Er hat auch gleich den Chauffeur der Company mitgebracht und so sind wir mit dem eleganten Minivan mit den Ledersitzen und der starken Klimaanlage unterwegs. Tham war auf dem Schiff die Köchin. Leider spricht sie kein Wort Englisch und ist auch sonst nicht gewohnt, mit Fremden Kontakt aufzunehmen. Auch mit dem elfjährigen Nick kann ich mich nicht verständigen. Er lernt zwar zwei Stunden in der Woche Englisch in der Schule, aber das reicht nicht, wenn man so schüchtern ist, wie er. Leider hat er auch noch nicht verstanden, wie wichtig Sprachen sind.
Khan hat sein Englisch übrigens während den zwei Jahren gelernt, als er als Junge Mönch war. „Meine Eltern konnten mir nach der Primarschule keine weitere Ausbildung bieten, sie sind Bauern, leben in der Nähe von Pakse. Aber bei den Mönchen konnte ich eine bessere Ausbildung erhalten.“ Er hat als Junge auch ein Jahr im Palast-Hotel gearbeitet. „Immer nach der Schule bin ich hergekommen und habe über Nacht die Rezeption gehütet“.
Kinder müssen sich hier selber um ihre Ausbildung kümmern, das habe ich schon bei anderen Gesprächen erfahren.
Das Bolevan-Plateau liegt auf gut 1000 Metern in der Nähe von Pakse. Bevor wir aber hinauf fahren, steuern wir den Tad Pha Wasserfall an. Ein wunderbarer Wasserfall, dessen Wasser gerade jetzt in der Regenzeit donnernd über die Felsen fällt. Über eine schwankende Hängebrücke, gebaut aus Bambusstangen gelangen wir hinüber auf die andere Seite. Es ist tatsächlich ein eindrücklicher Wasserfall.
In der Nähe des Wasserfalls gibt es ein Resort mit Hotel und Bungalow. Zur Unterhaltung der Touristen wurde hier ein kleines Dorf angelegt. Hier leben verschiedene Familien von Etnien aus den weiter entlegenen Berggegenden. Die Menschen bekommen ein kleines Grundeinkommen und versuchen mit dem Verkauf von Handarbeiten etwas dazu zu verdienen.
Gehen die Kinder in die Schule?
Ja, ich glaube, dass es hier eine lokale kleine Schule gibt...
Können die Menschen untereinander kommunizieren, sie kommen von verschiedenen Orten mit verschiedenen Sprachen und Gebräuchen.
Ja, sie sprechen verschiedene Sprachen, aber durch die gemeinsame laotische Sprache kommen sie miteinander zurecht.
Fragen über Fragen. Ist das ein Zoo? Wie fühlen sich die Menschen? Ich gehe davon aus, dass sie freiwillig hierher gezogen sind und ihre eigene Welt verlassen haben.
Wir fahren weiter. Die Vegetation wechselt. Es gibt keine Reisfelder mehr, dafür gibt es jetzt Gummibaum-Plantagen. Rubber-Trees. Ein Projekt von Vietnam, der Kautschuk, der hier geerntet wird, wird nach Vietnam exportiert.
Am Strassenrand werden Ananas verkauft. Und Durian, die Stinkfrucht. Es ist jetzt Saison für diese Früchte.
Khan macht mich auf viele verschieden Pflanzen aufmerksam: Bäume voller Rambutan, Mangos, Avocados, dort ein Maisfeld, hier eine Kaffeeplantage. Ja hier auf dem Hochplateau ist der ideale Ort für Kaffee. Arabica, die niedrigen Pflanzen, die im Schutz von hohen Bäumen reifen und Robusta, die höher wachsenden Kaffeesträucher, die gern an der Sonne stehen. In wenigen Monaten werden die grünen Bohnen an den Sträuchern leuchtend rot sein und bereit zur Ernte. Wir fahren an einer grossen Kaffeefabrik vorbei. Viele Farmer besitzen ihre eigenen Kaffeefelder und verkaufen ihre Ernte an die Fabrik.
An den improvisierten Ständen am Strassenrand werden verschiedenste Produkte angeboten. Khan erklärt mir, dass viele Leute aus der Stadt gern hier auf das Plateau fahren, um frische Früchte und Gemüse zu günstigen Preisen hier einzukaufen. Die Farmer brauchen dadurch nicht in die Stadt zu fahren um ihre Produkte auf dem Markt anzubieten.
Auch Tham ist an günstigen Einkäufen interessiert. Für einen Franken kauft sie einen ganzen Sack Maiskolben. Und zusammen wählen sie zwei grosse Kürbisse aus. Später halten wir an einem kleinen gedeckten Markt an.
Die Frauen sitzen vor ihrem kleinen Angebot. Es gibt alles mögliche: frische Pilze, Kräuter, Zwiebeln, lange Bohnen, Kürbisblüten und Bananenblüten. Ja, die kann man essen, erklärt Khan. Bananen, Bambusspitzen, Ingwerknollen und Erdnüsse. Erdnüsse frisch geröstet habe ich schon beim Wasserfall gesehen. Schmeckt wunderbar. Erdnüsse und manchmal auch Süsskartoffeln werden in der trockenen Jahreszeit angebaut, erzählt Khan. Eine junge Frau raucht Wasserpfeife, ein Mädchen drückt ein kleines Kind an sich. Ist sie die Mutter?
Und dann entdecke ich etwas, das mich nachdenklich macht. In einem kleinen Nest sitzen drei junge schwarze Vögelchen. Die Verkäuferin hat mich stolz darauf aufmerksam gemacht aber mir vergeht das Lachen. Landen hier die verschwundenen Vögel?
Unser nächstes Ziel ist die Kaffeeplantage. Es gibt hier ein kleines Resort mit Bungalows mitten in den Kaffeepflanzen und ein schönes Restaurant.
Hier kannst du zum Mittagessen einkehren, sagt Khan und will sich mit der Familie diskret zurückziehen. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich werde nicht allein essen, wenn ich Gesellschaft haben kann.
Natürlich weiss ich, dass das ungewöhnlich ist und dass die Familie nie damit gerechnet hat. Entsprechend unbeholfen verhalten sie sich beim Bestellen. Bitte bestellt, Euch, was ihr Lust habt, ihr seid selbstverständlich meine Gäste. Der Driver und Khan bestellen Nudelsuppe und bekommen eine grosse Schüssel Suppe. Dazu das Grünzeug, das ich beim letzten Mal auch erhalten hatte und nicht wusste, was anfangen damit. Es wird nach und nach in die heisse Suppe gegeben und so gegessen. Die Chilis essen sie gleich roh und mir wird schon heiss beim Zusehen. Nick will Spaghetti und als er genug hat, macht sich Khan über den Teller her. Meine ersten Spaghetti, meint er und es scheint ihm zu schmecken. Tham hat sich gebratenen Reis bestellt und ich wieder einmal ein Curry mit Kokosmilch.
Nach dem Essen schlendere ich noch etwas durch den Garten, denn ich habe schon beim Essen durch das Fenster gesehen, dass sich da draussen wieder neue Schmetterlinge tummeln. Bevor wir weiter fahren gibt es für mich noch einen Espresso, die anderen sind sich nicht gewohnt Kaffee zu trinken, oder sie trauen sich nicht, noch etwas zu bestellen.
Wir fahren weiter und noch einmal besuchen wir einen Wasserfall. Es ist der gleiche Fluss, aber weiter oben. Wir stehen diesmal über dem Wasserfall, da wo das Wasser in die Tiefe fällt. Wir gehen über die kleine Brücke und müssen uns natürlich wieder von allen Seiten fotografieren. Das gehört sich einfach so.
Ein paar Stufen weiter gelangen wir zu einer anderen Sicht. Auch von der Seite ist das Wasser eindrücklich. Es fällt hier viele Meter tief. Der Pfad, der ganz hinunter führt, wagen wir aber nicht. Zu glitschig sind die nassen Stufen, die durch den Wald hinunter führen. Das überlassen wir lieber den paar jungen Leuten, die in ihren guten Sportschuhen auch etwas Mühe bekunden, aber schon bald von weiter unten zu hören sind.
Wir fahren weiter und kommen zu einem kleinen Teeshop. Hier wird Tee angepflanzt und hinten im offenen Gebäude getrocknet und geröstet. Der Teemeister scheint im Moment mit Trocknen beschäftigt zu sein, jedenfalls sitzt er entspannt auf einem Sessel und lässt sich gern fotografieren.
Ich bestelle einen grünen Tee und das Mädchen holt die Blätter frisch vom Strauch. Leider merke ich das erst, als das grüne milchige Getränk vor mir steht. Ich weiss nicht wie sie es gemacht hat, aber sie sagt, sie hätte nur die frischen Blätter und etwas Honig verwendet. Es ist ein interessanter Versuch, aber richtig fein schmeckt anders. Im Shop wird Kaffee und Tee aus eigener Produktion verkauft.
Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Eigentlich meinte Khan, dass wir um vier Uhr zurück seien, aber es scheint auch ihm und seiner Familie so gut zu gefallen, dass wir jetzt auch noch zum letzten Wasserfall fahren.
Inzwischen hat es angefangen zu regnen und wir sind froh, dass unser Fahrer daran gedacht hat, Regenschirme einzupacken. Leider ist die Luft beim letzten Wasserfall aber so nass, dass wir das Wasser nur hören können, zu sehen sind nur mit viel Fantasie zwei sehr hohe Wasserfälle. Dichter Nebel steigt auf und verdeckt die ganze Sicht. Dann machen wir eben noch ein paar Regenschirmfotos und fahren dann zurück in die Stadt.
Es war trotz des eher schlechten Wetters ein fantastischer abwechslungsreicher Tag und ich weiss, er hat allen gut gefallen. Auch für Khan muss es etwas sehr Spezielles gewesen sein, jedenfalls verabschiedet er sich mit zwei Küsschen. Soviel ich weiss, entspricht das nicht seiner Kultur und es berührt mich sehr.
Er und Tham werden morgen zurück auf die Vat Phou gehen und die Fahrt mit neuen Passagieren in der umgekehrten Richtung wieder machen. Nick wohnt bei den Eltern von Khan. Die bekommen auch die ganzen Früchte und Gemüse, die die beiden während des ganzen Tages irgendwo eingekauft haben.
Ja, manchmal ist Nick schon traurig, dass er seine Eltern so wenig sieht. Und manchmal würde er sie mehr brauchen. Darum war dieser gemeinsame Tag für alle so wichtig.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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