Reise durch Indien
Kolkata - Kalkutta
Heute mache ich mich auf, die Stadt zu erkunden. Kolkata, das früher Kalkutta geheissen hat. Warum hat man den Namen geändert? Eigentlich hat man ihn nur in eine andere Sprache übersetzt. Ins Bengalische, um zu zeigen, dass die Stadt die Haupstadt des Bundesstaates Westbengalen ist. 2001 wurde der Name offiziell eingeführt, aber noch immer werden wohl beide Namen benutzt.
Mein Hotel befindet sich ein paar Kilometer ausshalb der City, was zwar nicht heisst, dass ich nicht mehr in der Stadt bin, aber die Stadt hat eben riesige Ausmasse und bei der Auswahl des Hotels war mir diesmal der Konfort wichtiger als die Lage.
Im 6. Stockwerk gibt es eine Dachterrasse mit einem Restaurant und einer Bar, die allerdings zur Zeit noch nicht in Betrieb sind. Das Wetter ist auch zur Zeit wenig einladend da oben. Auch wenn es immer angenehm warm ist, so fehlt eben doch die Sonne, der Himmel ist ständig mt einer Dunstglocke bedeckt. Die Luftqualität in Kolkata ist extrem schlecht. Aber wenigstens gibt es da oben eine Übersicht über einen Teil der Stadt. Auf Wohnblöcke und viel Bäume und auf eine belebte Strasse, die nur ab Mitternacht ganz ruhig ist.
Morgends um fünf fängt irgendwo ein Muezzin an zu rufen und in einem kleinen Tempel, der sich ganz in der Nähe befindet, wird getrommelt. Jeden Morgen. Und jeden Abend um sieben Uhr. Mindestens eine Viertelstunde lang. Vielleicht werde ich irgendwann nachsehen, woher diese Trommelklänge kommen. Ich muss dann immer an ein Hotel in der Schweiz denken, in dem sich die Gäste öfters beschwerten, weil im nahen Kirchturm jeden Morgen um sechs Uhr die Glocken läuteten. Hier sind solche Ruhestörungen an der Tagesordnung. Eigentlich in fast allen Hotels gab es sowas. Muezzins oder Tempelrituale, die einfach hingenommen werden. Abgesehen vom Hupkonzert, sobald der Verkehr einsetzt. Ich nehme es inzwischen kaum mehr zur Kenntnis.
Als ich beim Schreiben am Nachmittag in einem der nahen Wohnblocks das Licht in den Fenstern spiegeln sah, fuhr ich mit dem Licht hinauf zur Dachterrasse, hoffte auf einen schönen Sonnenuntergang. Doch auch der blieb im Dunst stecken. Diffus grüsste die Sonne, schickte ihr letztes Licht über die Stadt, bald darauf wurde es dunkel, denn auch hier im Norden von Indien ist jetzt Herbst. Und da im ganzen Land die gleiche Zeitzone gilt, auch wenn es gemäss der geografischen Lage hier im Osten des Landes eine Stunde früher sein müsste, wird es eben auch viel früher Nacht.
Sonnenuntergang ist dadurch bereits kurz vor 17.00 Uhr, eine halbe Stunde später ist es dunkel.
Heute aber will ich hinaus, will einen ersten Eindruck von der alten indischen Hauptstadt bekommen. Unter den Briten war sie die Hauptstadt und sie trägt den Zusatznamen City of Joy. Stadt der Freude. Mein heutiges Ziel ist einerseits das Victoria Memorial, das sich in knapp 5 km Entfernung befindet und andererseits hoffe ich, einen Tuctucdriver zu finden, der einigermassen Englisch spricht und mit dem ich an einem der nächsten Tage eine Stadttour machen könnte.
Die paar Tuctuc-Fahrer, die vor meinem Hotel herumstehen verstehen allerdings gar kein Wort und scheinen auch sonst nicht interessiert, mich irgendwohin zu fahren. Während ich auf ein zufällig vorbei fahrendes gelbes Taxi warte, sehe ich den Arbeitern auf der Baustelle neben dem Hotel ein wenig zu. Ich kann sie auch von meinem Zimmer her sehen Sie arbeiten vorwiegend von Hand, eine Maschine kann ich zur Zeit nicht auf der Baustelle sehen. Auf der anderen Seite der Baugrube werden Erde und Steine in einen Kübel geschaufelt, ein Arbeiter trägt ihn auf dem Kopf bis zur Seite der Baugrube, wo er sie einem anderen übergibt. Der trägt sie dann auf die andere Seite und schüttet sie auf einen Haufen. Läuft zurück, wartet einen Moment, bis der erste mit dem nächsten Kübel kommt. Hand- und Beinarbeit. Wenigstens sind es hier keine Frauen, die die schweren Arbeiten ausführen.
Nachdem ich tatsächlich weder einen Taxidriver noch einen Tuctucdriver gefunden habe, der englisch spricht, gebe ich es auf. Schadet ja nicht, zu Fuss zu gehen, da bekommt man eh am meisten mit.
Ich folge der Hauptstrasse und schon da gibt es einen frappanten Unterschied zu allen anderen Städten. Es gibt auf beiden Seiten der Strasse richtige Fussgängerwege, Trottoirs, abgeschirmt zur Strasse mit einem Eisenzaun. An den Strassenrändern hat es manchmal kleine Läden, Imbissstände, doch zum grössten Teil laufe ich entlang von Gärten, komme an grossen Toren vorbei. Hinter einem Tor müsste zum Beispiel die Nationalbibliothek liegen. Mein Maps.me zeigt ein grosses Gebäude an, das allerdings von der Strasse her nicht eingesehen werden kann.
Später komme ich am Zoo vorbei. Hier gibt es viele Verpflegungsmöglichkeiten, doch ich gehe weiter. Einerseits macht die Strasse einen guten Einruck, sie ist breit und der Verkehr läuft geordnet, wird allerdings auch hier von einem Hupkonzert begleitet, andererseits muss ich auf dem Trottoir immer aufpassen, wo ich hintrete. Die Wege sind zum Teil aufgerissen, andererseits sind hier auch viele Hunde unterwegs. Grad ist mir ein Goldie begegnet. An der Leine mit seinem Begleiter verbunden. Der hat ihm in aller Seelenruhe zugesehen, wie er sein grosses Geschäft mitten auf dem Weg gemacht hat. Dann sind die beiden weitergelaufen. Also ist es besser, wenn man aufpasst, wo man hintritt.
Auf meinem Handy schaut es nach nicht viel aus, aber es sind doch fast 5 Kilometern und nach einer guten Stunde bin ich da. Vorher bin ich noch an der grossen Pferderennbahn vorbei gekommen. Die war allerdings von einem Wellblechzaun verdeckt und ich musste zuerst eine Lücke finden, wo ich auf die andere Seite gucken konnte. Eine riesige Anlage. Very british.
Genauso wie das Victoria Memorial, das zu Ehren des Todes von Königin Victoria erbaut. 1921 wurde es eingeweiht. Damals war Indien noch Britisches Territorium. Das Gebäude ist ganz in Marmor gebaut und soll wohl irgendwie ein Gegenstück zum Taj Mahal darstellen. Riesig, elegant, weiss, pompös. Eigentlich ist es ein Museum, aber weil heute Montag ist, ist es geschlossen. Vielleicht komme ich an einem anderen Tag wieder hierher. Ich schlendere ein wenig entlang dem grossen Wasserspeicher, setze mich auf eine Bank und sehe den vielen Besuchern zu. Indische Familien sitzen im Rasen, picknicken, spielen mit den Kindern. Ein gemütlicher Nachmittag.
Als ich sehe, dass sich die Sonne als rotgoldener Ball am Himmel zeigt und bald hinter den Bäumen verschwinden will, suche ich mir eine gute Position, um wenigstens noch ein stimmungsvolles Bild zu kreieren. Hinter dem Springbrunnen werde ich fündig. Das ist das schöne, wenn man allein unterwegs ist. Man kann so lange verweilen wie man will, kann dreimal hin und her laufen, bis die Aufnahme stimmt. Andererseits, zu zweit würde man sich vielleicht inspirieren. Ich schlendere noch ein wenig durch den Garten, wo die letzten Blumen des Herbstes versuchen, etwas Farbe in den Tag zu bringen. Es sind Chrisanthemen und Malven.
Auf dem Weg zur St. Pauls Kathedrale komme ich am Planetarium vorbei und sehe, dass in einer Stunde eine Vorstellung in Englisch stattfinden wird. Die Vorstellungen sind in Hindi, Bengali und Englisch. Also habe ich eine Stunde Zeit für die Kathedrale.
Es sei das Mutterhaus der Diäzöse von Kalkutta steht auf der grossen Tafel beim Eingangstor. Alle Menschen seien eingeladen, hier zu beten. Ich merke, dass ich schon lange keine Kirche mehr gesehen habe. Bestimmt hätte es sie gegeben, aber sie waren eben nicht so dominant wie all die Tempel und die Moscheen, die ich in den letzten Wochen besucht habe. Indien ist ein Vielvölkerstaat. Mit vielen verschiedenen Sprachen, von denen ich wenig mitbekomme. Nur manchmal frage ich nach, was man hier für eine Sprache spricht und erfahre, dass fast jedes Bundesland zusätzlich zu Hindi noch eine andere Sprache spricht.
Am weitesten verbreitet sind Hindi, Bengalisch und Urdu, aber es gibt noch unzählige weitere Sprachen, die sehr unterschiedlich sind. Und viele Menschen sprechen mindestens zwei davon. Dazu kommen die verschiedenen Religionen. Am weitesten verbreitet ist der Hinduismus. Es gibt aber vor allem im Norden, sehr viele Moslems, im Südwesten waren es die Christen, die weit verbreitet sind. Manchmal trifft man auch auf Buddhastatuen.
Inder feiern gern, hat Bose gemeint, als ihn nach den Festen gefragt hatte. Sie feiern auch die Feste der anderen Religionen mit. Es gibt immer einen Grund, ein Festival zu veranstalten.
Die Kirche ist älter als das Victoria-Memorial, sie wurde 1847, also 100 vor der Unabhängigkeit Indiens eingeweiht und wies zu ihrer Zeit das längste Eisenträgerdach der Welt auf. Berühmt ist sie für ein riesiges Buntglasfenster auf der Frontseite. Doch leider darf in der Kirche nicht fotografieren, denn als ich eintrete, sitzt da einer auf einem Stuhl und weist jeden Besucher an, das Handy auszuschalten.
Zum Glück überprüft er es nicht, er bleibt einfach auf seinem Stuhl sitzen, so dass ich dann trotzdem eine gestohlene Aufnahme mache. Was soll schon passieren, wenn man ein Bild macht, während nur ganz wenige Besucher in der Kirche sind. Ein scheuer Blick zur Seite zeigt mir, dass ich nicht die einzige bin, die versteckt die eine oder andere Aufnahme stibitzt. Doch für das Fenster funktioniert das nicht, denn da wäre man direkt vor der Nase des Aufsehers.
Auf dem Rasen neben der Kirche lagern ein paar grosse künstliche Kamele und eine kleine Hütte wird gebaut. Könnte es sein, dass da eine Krippe am Entstehen ist. Ich werde in ein paar Tagen wieder kommen um nachzusehen, was daraus wird.
Inzwischen wird es schnell dunkel. Ich setze mich unter einen Baum beim Früchtestand, bestelle einen Ananas-Orangensaft und warte, bis das Planetarium seine Tore öffnet.
Es ist eine tolle Präsentation der Planeten und wie sie am nächtlichen Himmel über Kolkata stehen. Wenn der Himmel offen wäre, wenn die Sterne zu sehen wären.
Dann folgt noch ein Film über die Entstehung des Lebens. Der Entstehung des Alls aus dem grossen Bang, dem Urknall. Das Formieren der Planeten, dem Leben das sich aus den winzigen Einzellern aus dem Meer entwickelt hat. Ein riesiger Wal schwimmt durch den Saal, Unterwasserhöhlen, ein Durchbruch an die Wasseroberfläche, die Öffnung eines Felsens mit freiem Blick in den Himmel, Milliarden von Sternen und ein Astronaut, der durch das All schwebt. Wie lange ist das jetzt schon her?
Es ist ein wunderbarer Film. Motivierend, die Schönheiten des Planeten Erde zu erkennen und sorgfältig damit umzugehen.
Nach der Vorstellung steht der Vollmond am Himmel. Noch nicht ganz rund, aber strahlend. Der Dunst hat sich etwas verzogen. Ich suche mir ein Taxi, das mich zurück ins Hotel bringt. Allerdings habe ich wieder das gleiche Problem wie immer. Der Taxifahrer versteht kein Englisch, kann meine Karte auf dem Handy nicht lesen, er schaut sie sich nicht einmal an und ich muss das Hotel anrufen, damit die ihm den Weg erklären können.
Später frage ich im Hotel, ob sie einen Fahrer kennen würden, der Englisch spricht, ich würde ihn gern für einen Tag engagieren. Nein, leider kennt man sich noch nicht aus, das Hotel ist erst seit einem Monat offen, die Angestellten sind ebenfalls erst seither hier. Und ausserdem sei die Ausbildung der Leute eben doch sehr schlecht.
Na ja, immerhin Auto fahren können sie.
Mein Nachtessen aus frittierten mit Teig ummantelten Crevetten schmeckt wunderbar. Das Glas Weisswein muss warten bis ich wieder zu Hause bin.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
Indien
Indonesien