Reise durch Indien
Vogelinseln
Nach dem Frühstück erkunde ich das Dach des Restaurants. Da oben gibt es noch ein kleines Restaurant, oder eine Bar. An den Wochenenden sei sie am Abend offen, erklärt mir die junge Frau, die für den Spa zuständig ist. Auch der ist da oben im 6. Stockwerk untergebracht. Genauso wie der Pool, bei dem ich aber noch nie jemanden gesehen habe. Es ist ja auch nicht wirklich Pool-Wetter. Zwar steigt das Thermometer täglich bis 27 Grad, aber der Himmel ist oft etwas verhangen. Jedenfalls zieht es niemanden zum Baden. Leider finde ich in dem Roof-Top-Restaurant nirgends Steckdosen, so bleibe ich am Vormittag eben doch im Zimmer zum Schreiben .
Am Mittag aber kommt Shariff, er will mir den alten Markt zeigen. Eigentlich war das schon bei unserer ersten Tour ein Ziel, aber damals sind wir bei den Handwerkern hängen geblieben, was ja auch äusserst spannend war.
Der alte Markt ist ein kleiner Bereich mit Toren und einer umlaufenden Mauer. Darinnen bieten die Gemüsehändler und andere Kleinhändler ihre Waren an.
Vieles, was angeboten wird, kenne ich. Es sind viele verschiedene Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch. Auch Gurken gibt es viele, Zucchetti, Auberginen in verschiedenen Grössen und verschiedene Bohnen.
Daneben fallen mir aber die verschiedenen gurkenähnlichen Gemüse auf. Einiges habe ich bestimmt schon in einem der vielen Gemüsemasalas gegessen, die im Hotel immer auf dem Buffet stehen.
Da ich die meisten dieser Gemüse auch nicht gekannt habe, habe ich sie gegoogelt. Die hellgrünen Chayota, ein Kürbisgewächs, sind auch in Südamerika bekannt. Meine Freundin Stella nennt sie da Luftkartoffeln. Die langen Drumsticks finde ich im Internet tatsächlich mit diesem Namen, offiziell aber heissen sie Moringa. Sie sind vor allem in der asiatischen Küche bekannt.
Auch spannend sind die Bittergurken oder Bittermelonen. Ihre gekräuselte Haut sieht sehr exotisch aus. Genauso wie die Watakolu, die langen Gemüsestängel, die wie Gurken aussehen aber lange Rillen haben. Es sind Kürbisgewächse und natürlich gibt es auch jede Menge verschiedener Kürbisse.
Ganz wichtig in der indischen Küche sind Linsen und Hülsenfrüchte. Auch Sprossen und junge Erbsen gehören immer dazu. Alles kann man hier kaufen. Und selbstverständlich Gewürzmischungen. Masalas, die wunderbar riechen.
Die gelben und roten Pulver hingegen sind keine Gewürze, sondern bloss Lebensmittelfarbe.
Dafür gibt es viele Salate und Kräuter, allen voran der Koriander.
Es gibt verschiedene Kohlarten und Blumenkohl, der im Ayurveda-Resort fast jeden Tag auf dem Speiseplan stand. Immer wieder anders zubereitet mit verschiedenen Sossen und Gewürzen. Karotten, Kohlrabi,
Einmal gibt mir ein Händler irgendwelche nicht definierbaren getrockneten Früchte zu versuchen. Ich kann sie nicht zuordnen aber sie schmecken sehr exotisch und bereichern ein Masala mit ihrem eigenartigen Geschmack. Werden wohl nur sehr minim angewendet als spezielle Zungenkitzler, so wie viele Gewürze, die als ganzes zu den Gerichten gegeben werden. Wie Sternanis oder Kreuzkümmel, Pfeffer und Senfsamen.
Ganz wichtig sind auch die Ingwerknollen, sie werden Bergeweise angeboten.
Ich nehme mir Zeit, schwatze mit den Händlern, soweit das möglich ist, lasse mir Sachen erklären und darf ungeniert fotografieren. Das sind alles meine Freunde, meint Shariff und pickt sich irgendwo eine Karotte aus dem Korb.
Es ist Nachmittag, viel ist nicht mehr los bei den Händlern. Viele haben ihre Stände bereits abgebaut, werden am Morgen wieder hier sein, oder vielleicht noch heute am späteren Nachmittag.
Die schwarzen Knollen, die mir zwischen Räucherstäbchen und Lebensmittelfarbe auffallen sind Schnupftabak. Ja, meint der Händler, ihr kennt das in kleinen Döschen als Pulver, bei uns wird es als Knollen angeboten. Die kann man sich dann selber mahlen.
In einem kleinen Stand hockt ein Mann ab Boden und hämmert mit einem Nagel Löcher in rechteckige Blechstücke. Er stellt Raffeln her. Dazu zerschneidet er alte grosse 10-Liter-Oeldösen, die er rund um sich stapelt. Die Einteilung der Löcher hat er vorher markiert, jetzt schlägt er sie mit dem Nagel in das Blech. "Pass auf, das ist sehr scharf", warnt mich Shariff, als ich eine der fertigen Raffeln in die Hand nehme.
Die Raffeln werden für Kokosnüsse verwendet. An den Raffeln werden die weissen harten Nussfleisch klein geraffelt. Die Kokosraffeln werden daraufhin gepresst und man bekommt die Kokosmilch, die oft anstelle von Kuhmilch auf dem Buffet in meinem Hotel steht und natürlich auch sonst in der asiatischen Küche viel verwendet wird.
Verkauft werden die Raffeln von einem kleinen Händler mit Haushaltgeräten ausserhalb des alten Marktes.
Fleisch gibt es hier wohl gar nicht? will ich wissen. Natürlich gibt es Fleisch, meint Shariff. Ja auch Kuhfleisch. Die Hälfte der Menschen hier essen Rinder, die anderen essen die Kühe gar nicht. Viel verwendet wird Schaffleisch. Als wir in den kleinen Fleischbereich kommen, wo die Tiere auch geschlachtet werden, können wir nur gerade noch ein Schaf sehen, das noch an einem Haken hängt. Der Metzger zerteilt es nach und nach in kleinen Stücke.
Die schwarzen Dinge, die da noch herumliegen sind Kuhfüsse. Abgebrannt, damit sie besser haltbar sind, was sie aber nicht attraktiver macht.
Für den Fleischmarkt hätten wir definitiv früher am Morgen kommen müssen, doch mir reicht das was ich gesehen habe. Draussen auf der Strasse kommen wir noch an ein paar Hühnerständen vorbei. Da hängen die Hühner an den Haken.
Wir sind wieder im Handwerkergeviert. Rasch ein kurzer Halt beim Bäcker, dem ich vor ein paar Tagen schon zugesehen habe. Heute hat er einen Kollegen dabei. Dieser mahlt mit einem Walholz Mandeln, will nachher einen Teig daraus machen. Im Backofen sind viele Bleche mit kleinen Küchlein und vor dem Ofen warten noch ganz viele gefüllte Bleche.
Weil wir schon hier sind, sehen wir auch noch rasch bei den Holzarbeitern vorbei. Heute sind mehr Leute am Arbeiten. Es werden die Muster nach alten Vorlagen zusammengestellt. Mit verschieden farbigen Hölzern, rotem Rosenholz oder gelbem Sandelholz und ganz vielen Farbtönen dazwischen.
Wenn die Vorlagen gemacht sind, werden sie auf das Holz aufgelegt, mit kleinen Nägeln fixiert und mit dem Bleistift nachgezeichnet. Dann wird mit einer Aahle das Holz herausgekratzt, so dass die Vertiefungen für die Bilder bleiben. Diese werden hinein gepasst, das ganze wird geschliffen und lackiert und am Schluss erstrahlen die schweren Möbel in herrschaftlichem Glanz.
Ich möchte wissen, was so ein Tisch kostet, wie ich ihn beim letzten Mal gesehen habe. Ein grosser Esstisch, mit vielen Zeichnungen auf dem Tischblatt und rund um den Rand kommt auf gut 2000 Franken, gearbeitet wird daran ein paar Wochen. Eigentlich sehr wenig für all diese viele Handarbeit.. Es sind alles Einzelanfertigungen, manchmal mit den ganzen Stühlen mit Schnitzereien und geflochtenen Sitzflächen.
Jetzt hat Shariff Hunger. Willst du im Tuktuk warten, oder magst du mitkommen? fragt er. Natürlich will ich mitkommen. Er bestellt Naan mit verschiedenem Dahl. Dahl sind Linsengerichte, die verschieden flüssig bis zu einem Mus sein können. Dazu bestellt er eine Portion Rindfleisch und überredet mich, zuzugreifen. Nur ein wenig, ich muss auf meinen Magen aufpassen, erkläre ich ihm, versuche aber dann ein paar der stark gewürzten Rindfleischstücke. Selbstverständlich wird von Hand gegessen. Auch ich kann das, jedenfalls solange es darum geht, Teile des Naan in die Dahl-Sosse zu tunken. Als sich Shariff dann auch noch eine Portion Reis bestellt und die Sosse darüber leert um sie dann mit der rechten Hand in den Mund zu stossen, habe ich schon etwas Mühe beim Zusehen.
Übrigens würde sich niemand einfach so an den Tisch setzen. Zuerst werden die Hände gründich mit Seite gewaschen. Und zum Essen benutzt man grundsätzlich nur die rechte Hand, die linke ist tabu, wird für anderes verwendet.
Nach dem Essen zeigt mir Shariff einen kleinen Stand gleich neben dem Restaurant. "Kennst du das?" Ich muss es mir erst genauer ansehen, es sind tatsächlich Betelnüsse, die der Verkäufer hier präpariert.
In einer Dose hat er zerschnittene Betelnüsse, vor sich die typischen runden Blätter, die mit einer Sosse bestrichen sind. Darauf gibt er die Nüsse, legt noch eine Gewürzmischung darauf und faltet das Blatt zu einer Türe. Diese steckt sich Shariff in den Mund und kaut darauf. Es ist mir noch gar nicht so aufgefallen, aber jetzt wo ich weiss, dass es sie hier gibt, schaue ich den Männern besser auf den Mund. Sehe die roten Mundhöhlen, die schwarzen Zähne. Betelnuss ist in Indien und Südostasien sehr verbreitet. Es ist eine Droge, die den Hunger dämpft und einen kleinen Rausch macht. Nein, winkt Shariff ab, ich nehme das ganz selten, aber ich wollte dir die Möglichkeit geben, bei der Präparation einer Portion Betelnuss zuzusehen.
Das habe ich dan auch getan, meinen Video findet man auf meiner eigenen Homepage. So wie auch andere kleine Einblicke vom heutigen Tag.
www.bison.ch indien-viedeos
Es ist noch früher Nachmittag, Shariff will mir noch etwas zeigen. Etwas sehr Spezielles, meint er, du wirst es lieben
Allerdings müssen wir dafür hinaus aufs Land fahren, ob ich das mag? Und ob ich das mag. Lass uns starten.
Es wird tatsächlich eine lange Fahrt in Richtung Norden Lange weiss ich nicht, wohin er mich fahren will, was er mir zeigen will. Er erzählt von einem Vogelparadies und von der Möglichkeit mit den Booten auf dem Fluss zu fahren. Ich glaube, er wollte erst ein wenig Vertrauen schaffen, sehen, was mich so interessiert, aber jetzt sind wir unterwegs.
Wir fahren vorbei an Reisfeldern, die noch im Wasser stehen. Bei einigen sind bereits kleine grüne Halme sichtbar, andere sind erst frisch beackert. Manchmal können wir Leute sehen, die im Wasser stehen, manchmal begegnet uns eine Kuh.Wir fahren durch Dörfer und immer wenn ich etwas Spannendes sehe, hält Shariff an.
Und endlich, nach fast 20 km kommen wir an.
Wir fahren durch ein grosses Tor in ein Vogelschutzgebiet. Leider werden wir an dern Kasse aber grad entäuscht. "No boating" steht da, kein Bootsverkehr. "Die Boote können heute nicht fahren, weil das Wasser zu hoch ist", erklärt die junge Frau an der Kasse. Da hilft auch kein Jammern und erklären, dass ich extra von so weit hergekommen sei, um hier auf dem Fluss um die Vogelinseln zu fahren, das Wasser ist hoch, man kann nicht mit den Booten fahren.
Die Erklärung mit dem Hochwasser scheint mir zwar nicht einleuchtend, vielleicht geht es um den Wellenschlag, der die Pflanzen am Ufer beeinträchtigt, vielelicht ist im Moment einfach keine Saison.
Also mache ich einen Spaziergang entlang dem Ufer, steige auf einen den Vogelbeobachtungstürme und schaue hinaus auf eine der Inseln. Sie ist voller Vögel. weisse Reiher, Ibisse, Möven. Das hätte mir definitiv sehr gut gefallen.
Der Spaziergang durch den Park ist dann eher eine Entäuschung, einzig ein paar Streifenhörnchen kann ich entdecken und eine schöne gelbe Heliconia-Blüte.. Ansonsten werden die Wege ausgebessert, die Grünflächen gereinigt. Trotzdem nehme ich mir Zeit und laufe den ganzen Weg ab, immer in der Hoffnung, doch noch einen Vogel zu erspähen. Doch die hocken alle draussen auf den Inseln. Die Boote liegen am Ufer und an der Anzahl her kann ich erkennen, dass zu anderen Zeiten hier wohl ziemlich viel Betrieb herrscht.
Ein Tip für Langlebigkeit
Die Leute sagen, dass man von der Vogelbeobachtung nicht leben kann. Das stimmt vielleicht, aber es stimmt auch, dass der Mensch nicht nur vom Brot lebt. Schauen Sie sich nur die Menschen an, die keine solchen Hobbies haben und ihre ganze Zeit nur damit verbringen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nach 60, wenn sie sich vom Amtssitz zurückziehen, wissen sie nicht, was sie mit der ganzen Zeit anfangen sollen, und verbringen sie nur damit, auf die Uhr zu schauen. Wenn sie ein Hobby wie die Vogelbeobachtung gepflegt hätten, hätten sie vielleicht länger gelebt, um ihre Rente zu genießen.
Die Skulptur des grossen Vögels, der seine Jungtiere füttert, muss als Ersatz herhalten für die verpasste Chance mit dem Boot.
Wir fahren zurück, Shariff ist etwas entäuscht, dass er mir diese Attraktion nicht zeigen konnte, doch ich finde auch die Fahrt hin und zurück hat sich gelohnt. Bei einem Kokosnusshändler halten wir an, erfrischen uns mit einer grossen Kokosnuss und kommen kurz vor Sonnenuntergang wieder in Mysore an.
Bei der Einfahrt in die Stadt kommen wir an der grossen Moschee vorbei Alles von Hand bemalt, betont Shariff und die Moschee mit ihren grünen Verzierungen ist tatsächlich eine Augenweide. Hinein darf man als Nicht-Muslim nicht.
Dafür kehren wir noch bei einem Händler ein, der mir wunderschöne Bettüberwürfe zeigt. Mir ist es nicht wohl, als ich schon wieder erklären muss, dass ich nichts kaufen werde und mir der Verkäufer - wieder ein Kaschmiri - trotzdem einen süssen Chai offeriert.
Zum Glück kommen dann zwei junge Frauen und lassen sich Teppiche und Stoffe zeigen. So kann ich ganz nebenbei die wunderschönen Stücke ebenfalls ansehen, ohne schlechtes Gewissen zu haben.
Eine der beiden Frauen erweist sich dann als Deutsche, die in den Emiraten in einer deutschen Schule arbeitet. Hier in Indien ist sie für einen Monat in einem Yoga Retreat. Ihre Begleiterin kommt aus Chile, auch sie ist wegen Yoga hier.
So komme ich also zu einer unverhofften Begegnung und es ergibt sich ein kurzes deutsch-spanisches Gespräch.
Beim Nachtessen erwartet mich eine weitere Überraschung Als speziellere Effekt steht beim Ausgang des Restaurants ein Fakir und bietet allen Gästen eine Betelnuss an. Natürlich ist es keine echte Betelnuss, aber die Präsentation ist schon sehr raffieniert. Jedenfalls ziehe ich mir in dieser Form auch noch eine Betelnuss rein, als spezielles Bettmümpfeli.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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