Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Silvester - Rückblick

Heute Morgen sehe ich zum allerersten Mal Leute im Hotelpool auf dem Dach. Frauen und Männer mit Kindern. Sie sind angezogen. Die Frauen tragen ihre farbigen Kleider, die Männer T-Shirt und Shorts.

Es scheint also so zu sein, dass Inder keine Badekleider haben und sehr oft auch gar nicht schwimmen können, so wie mir das eine Freundin gestern als Kommentar zu meinen Strandbildern ins Facebook geschrieben hat. In diesem Fall widersteht es mir, mein Badekleid anzuziehen, ich bleibe eine Weile da stehen, sehe zu, wie die Menschen die Abkühlung geniessen und in den grossen Schwimmgurten liegen. Selber mag ich so nicht ins Wasser gehen.

Es ist Silvester. Letzter Tag des Jahres, Zeit zurück zu blicken. Zurück auf eine verrückte Reise. Eine Reise, die mich durch so viele Orte in Indien geführt hat. Wenn man bedenkt, dass ich ausser dem Taj Mahal und der ersten 3-wöchigen Ayurveda-Kur keine Vorstelleungen und Pläne von Indien hatte, habe ich ganz schön viel gesehen.

Am ersten Juni bin ich abgeflogen. Zuerst für ein paar Tage nach Dubai, dann die drei Wochen in Kerala in dem Ayurveda-Resort. Diese Zeit war sehr schön und hat mir genau das gebracht, was ich mir vorgestellt hatte. Ein sanfter Einstieg in das mir völlig unbekannte Land. Ich habe die Küche kennengelernt, ein wenig von der Philosopie des Landes, erste Kontakte zu den freundlichen Menschen geknüpft, ein wenig Kultur mit den musikalischen Vorführungen genossen, Ausflüge in die Backwaters und den Zoo gemacht.

Und dann ging es los, die Reise durch dieses riesige Land, das eher ein Kontinent, als ein Land ist. Meine Galerie der Schirme erzählt unzählige Geschichten. Geschichten von Menschen, denen ich ihren Schirm kurz für ein Selfie auslehnte, Geschichten von Orten, vom Suchen nach einem passenden Schirm, vom Finden vom Staunen. Viele Gespräche verstecken sich dahinter. Menschen, denen ich die Geschichte von Mary Poppins kurz erklärte und die meist noch nie davon gehört haben. Nicht nur, weil sie zu jung dafür sind, sondern vor allem, weil das was wir glauben, dass es Allgemeingut sei, eben doch vor allem in unserer Kultur bekannt ist. Das geht mir umgekehrt genauso. In Indien gibt es so viele Geschichten von Göttern, die jeder kennt, Figuren, die man auf den ersten Blick erkennt, die für uns nur exotische Dekorationen sind.

Gerade Indien hat mir die Augen geöffnet für das Verständnis der Welt. Für das Nebeneinander verschiedenster Kulturen, für das Tolerieren von allen möglichen Kleiderstilen - solange sie sittlich sind. Da laufen Frauen in den schillerndsten Saris mit Pailletten und Goldfäden durchwirkt durch die Strassen, sitzen auf dem Rücksitz von Motorrädern und daneben gehen tief verschleierte Gestalten im schwarzen Nihab, der nur die Augenschlitze offen lässt. Daneben gibt es auch westliche Kleidung mit Jeans, jedoch die vielfältigen traditionellen Kleider sind in der Überzahl.

Männer laufen in Jeans, aber ebensooft in ihren Lungis durch die Strassen. Diese um die Hüften geschlungenen langen Tücher erlauben es ihnen sogar, Fahrrad zu fahren. Es gibt Turbane, Tücher, Rastas, Kopfbedeckungen ohne Ende für Männer und Frauen. Elegante Schals, die über dem Haar getragen werden oder lässig über die Schulter gehängt. Jeder ist nach seiner Facon, nach seiner Religionszugehörigkeit unterwegs. Diese Toleranz beeindruckt mich sehr. Ich glaube nämlich nicht, dass ich mich getrauen werde, in meinen neuen indischen Kleidern in der Schweiz unterwegs zu sein. Wir sind da wohl viel weniger offen, viel weniger tolerant.

Da ich nächstens am Schluss meiner Reise angelangt bin, habe ich eine Karte und ein paar Statistiken dazu zusammen getragen.

Es waren insgesamt
7 Inlandflüge mit total 7400 km
9 Busfahrten mit 2700 km
4 Zugfahrten mit 1450 km
4 längere PW-Fahrten mit 2000 km. Wobei die Rajhastan-Tour 4 Tage dauerte.

Total bin ich ca 13'550 km durch das Land gereist.

Dazu kommen unzählilge Stadtfahrten und Ausflüge mit Tuctucs und Taxis
Mit vielen dieser Driver bin ich noch jetzt in Kontakt, bekomme gelegentlich ein 'good Morning' oder ein 'how are you'.

Überhaupt die Menschen. Sie waren die grösste Überraschung und mir hat diese Reise wieder einmal gezeigt, dass Menschen auf der ganzen Welt grundsätzlich gut sind. Dass man überall ums Überleben kämpft, dass man versucht, seine Kinder aufzuziehen, ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen, ihnen eine gute Schulbildung zu gewähren. Die Leute nehmen dazu sehr viele Entbehrungen auf sich, denn in Indien ist nichts selbstverstänlich. Abgesehen von den beiden Taxifahrern in Delhi, die tatsächlich glaubten, dass ich ihnen auch noch die Rückfahrt vom Hotel zum Busbahnhof finanzieren würde, wurde ich nirgends übers Ohr gehauen. Es gab etliche Driver, die sich gar weigerten, Trinkgeld anzunehmen. Vielleicht hatten sie mir schon von Anfang einen guten Preis verlangt, wer weiss. Auch Kellner waren sehr oft erstaunt, ein Trinkgeld zu erhalten. All das deckt sich nicht mit den Schauermärchen, die man mir vor der Reise erzählt hatte, von wegen immer auf die Preise aufzupassen, nie zuviel zu bezahlen, immer das Rückgeld zu kontrollieren weil man sonst geprellt wird. Ich persönlich habe tatsächlich keine schlechten Erfahrungen gemacht, in keiner Weise.

Allerdings sind Inder in der Regel keine Gentleman, Sie bieten nicht immer automatisch Hand, liessen mich auch mal mein Gepäck allein schleppen, sahen zu und griffen erst ein, wenn ich es offensichtlich nicht schaffte, den Koffer über die Stufen hinauf zu hieven. Mit einem hilflosen Blick oder gar der konkreten Bitte nach Hilfe, wurden aber auch diese Hürden gemeistert.

Dass man Männer nicht anlachen darf, gehört auch in das Reich der Märchen. Ich würde von mir behaupten, dass ich mit einem Lachen durch das Land gereist bin und sehr oft mit einem offenen Lachen belohnt wurde. Es mag mit meinem Alter zusammenhängen, dass ich keine Anzüglichkeiten oder Probleme mit Männern hatte, dafür jede Menge wirklich tolle junge Männer kennen lernen durfte, mit denen ich tolle Begegnungen hatte. Auch mit ein paar Frauen gab es solche Begegnungen, aber es ist eine Tatsäche, dass Frauen in dieser Gesellschaft oft im Hintergrund bleiben, beim Einkaufen gesehen werden, aber eher selten beim Arbeiten oder am Steuer eines Autos. Obwohl, in den grossen Städten habe ich auch Frauen gesehen, die Motorräder fuhren, oder in Frauengruppen auf Reisen unterwegs waren. Es ist nicht meine Aufgabe, Gesellschaftsformen zu kritisieren. Die junge Generation wird sich auch hier irgendwann ändern.

Interessante Zahlen habe ich zur Bevölkerungszahl gefunden. Indien steht an der Schwelle, China in der Anzahl der Einwohner zu überholen. Es fehlen noch ein paar wenige Millionen. Die beiden Länder haben mit Abstand die höchsten Einwohnerzahlen aller Länder der Erde.

Dabei ist Indien nur ein Drittel so gross wie China und beide gehören zwar zu den grössten Ländern der Welt, werden aber von weniger bevölkerungsreichen Ländern weit überflügelt.

In der Lobby verkaufen sie Gutscheine für unbeschränkten Alkoholkonsum heute Abend. Es scheint eine Silvesterparty zu geben, doch ich merke, dass ich das heute gar nicht brauche. Ich bleibe im Zimmer, bleibe beim Schreiben und habe ausserdem ein neues Buch angefangen.

Am Abend blättere ich ein wenig zurück in meinen vielen Fotos. So viele wunderbare Orte habe ich besucht, Orte, von denen ich noch nie gehört habe oder die mir längst verschüttete Bilder, die ich irgendwann einmal gesehn habe, wieder aufgefrischt haben.

der fantastische Tempel von Madurai, in dem leider die Kamera abgegeben werden musste.

der fantastische Tempel von Madurai, in dem leider die Kamera abgegeben werden musste.

Im Tempel von Rameshwara, der im Inneren demjenigen von Madurai ähnelt.

Im Tempel von Rameshwara, der im Inneren demjenigen von Madurai ähnelt.

Im Palast von Mysore

Im Palast von Mysore

Am Marina Drive in Mumbai

Am Marina Drive in Mumbai

Menschenpyramiden von Mumbai

Menschenpyramiden von Mumbai

Gate of India Delhi

Gate of India Delhi

Die alte Wasserstation von Delhi

Die alte Wasserstation von Delhi

Der Palast der Winde in Jaipur, da hätte ich gern mehr Zeit verbracht

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Rajasthan-Queen, eines der überraschendsten Selfies der Reise

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Ein 60-jähriger Wunschtraum wurde wahr... Taj Mahal

Ein 60-jähriger Wunschtraum wurde wahr... Taj Mahal

Mogul-Garten Shalimar in Kashmir

Mogul-Garten Shalimar in Kashmir

Diwali Festival vor dem goldenen Tempel in Amritsar

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Tibet in Indien - Daramshala

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die offene Hand, Symbol von Chandigarh, der Corbusier-Stadt

die offene Hand, Symbol von Chandigarh, der Corbusier-Stadt

heilige Kuh

heilige Kuh

Der Ganges in Rishikesch

Der Ganges in Rishikesch

Allabendliche Zeremonie in Varanasi

Allabendliche Zeremonie in Varanasi

Burning Ghat am Ganges

Burning Ghat am Ganges

Varanasi: Zentrum der Seidenproduktion

Varanasi: Zentrum der Seidenproduktion

Blumenmarkt in Kolkata

Blumenmarkt in Kolkata

Teegärten in Assam

Teegärten in Assam

Blumenarrangement in Chennai

Blumenarrangement in Chennai

Es sind nur ein paar wenige Fotos, die ich hier ausgewählt habe. Sie bringen Erinnerungen zurück, lassen mich noch einmal durch die Gassen von Agra oder Varanasi bummeln, lassen wunderbare Bauwerke vor meinem inneren Auge erstehen, bringen Menschen und Gespräche zurück.

Ich bin jetzt dabei, den Schluss meiner Reise zu organisieren. Ich gehe zurück zum Anfang, werde in den nächsten Tagen nach Kerala zurück fliegen. Dort wo ich vor 7 Monaten angefangen habe, werde ich die Reise aufhören. Noch einmal ein paar Tage am Strand von Kovalam und zwei letzte Wochen zurück ins Ayurveda-Resort. Bin selber gespannt, wie ich diese Orte jetzt nach all den Abenteuern erleben werde.

Im Moment brauche ich keine neuen Gebäude, keine neuen Wunderwerke. Nur noch ein wenig reflektieren, ausruhen, geniessen.

Draussen sehe ich weit weg am Strand ein paar farbige Raketen in den Himmel aufsteigen. Es ist kein koordiniertes Feuerwerk, nur ein paar Böller, die vielleicht von Privatpersonen abgeschossen wurden. Irgendwo im Inneren des Hotels findet jetzt die Silvesterparty statt und man stösst auf das neue Jahr an.

Ich wünsche all meinen Lesern einen guten Start in dieses 2023 und bedanke mich fürs Mitreisen, fürs Interesse. Niemand kann nachvrllziehen, wie wichtig dieses Mitlesen und Mitreisen für mich war. Zu meiner eigenen Überraschung ging es mir tatsächlich während der ganzen Reise sehr gut. Abgesehen von zwei Tagen Problemen mit dem Essen, als mir alles widerstand, was ich sah und keine für mich möglichen Restaurants mehr fand, ging es mir moralisch immer sehr gut. Später hatte ich mir von den vielen Fahrten in den offenen Tuctucs und von den Klimaanlagen eine kleine Erkältung zugezogen und meine Nase blieb anwechselnd verstopft oder floss über. Abgesehen davon ging es mir gesundheitlich sehr gut. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, ist mir jeden Tag bewusst. Auch dass mein Sturz in Chanidarh, als ich mich plötzlich auf dem Boden wiederfand, keine Folgen hatte, ist keine Selbstverständlichkeit, denn ein paar Tage war ich nicht sicher, ob ein paar Rippen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Jedenfalls spürte ich sie noch ein paar Wochen lang. Irgendwann war es dann vorbei und wie immer, wenn es einem wieder gut geht, nimmt man es kaum zur Kenntnis.

Heute buche ich mit Hilfe des Hotelpersonals meinen nächsten Flug zurück nach Kerala. Es geht noch einmal weiter. MIt Schwung ins neue Jahr.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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