Reise durch Indien
Panaji Nord
Nach dem Frühstück, das ich im Hotel-Restaurant gegessen habe, holt mich Simon pünktlich ab. Allerdings nicht mit seinem alten Motorrad, wie er versprochen hat, sondern mit einem Taxi. Das Wetter sei zu unsicher für das Motorrad, meint er und ausserdem sei der Taxifahrer sein allerbester Freund. Mir ist das recht, war eh nicht sicher, ob ich mich auf dem Motorrad wohl gefühlt hätte.
Wir verlassen die Stadt, fahren in östlicher Richtung und erreichen bald eine grosse Kirche. Der wichtigste Wallfahrtsort des Landes, versichert mir Simon. Die Kirche Bom Jesus, gebaut 1594 von den Portugiesen, ist wohl die älteste Basilika Indiens. Jeden Tag wird sie von unzähligen Pilgern aus dem ganzen Land besucht. Sehr speziell ist ihre relativ einfache Form mit den unverputzten Backsteinen und den aufwändig dekorierten Verkleidungen der Fenster und des Eingangstores in einem helleren Stein.
Eintritt kostet es keinen, aber die Menschen werden trotzdem nur wie durch ein Museum in das Gebäude geschleust. Man darf nur rechts neben den Bänken vorwärts laufen, wird aufgefordert, weiter zu gehen. Nicht stehen bleiben, schon gar nicht in eine der Kirchenbänke zu sitzen. Und eigentlich sollte man auch nicht fotografieren. Jedenfalls keine Gruppenfotos, keine Selfies, keine Fotos vor dem Altar. So jedenfalls steht es auf einer Info-Tafel vor dem Eingang. Eine Frau sitzt in einer der Kirchenbänke und kontrolliert, dass das alles auch eingehalten wird. Immer wenn jemand auf den Auslöser drückt, zischt sie giftig, verwirft die Hände, doch das scheint die Leute nicht zu beeindrucken.
Bemerkenswert sei der goldene Altar, lese ich später in der Beschreibung. Und auch die aufwändigen Schnitzerein vor allem an der Kanzel sind mir aufgefallen. Simon kann mir leider nichts dazu erzählen, denn Guide ist er nicht, er will mich nur zu den wichtigen Orten seiner Stadt führen.
Später lese ich auch, dass der Heilige Franz Xaver, Schutzpatron Indiens hier begraben ist. Als Ganzkörpermumie liegt er im Sarg in einer Seitenkapelle. Franz Xaver stammte aus Nordspanien, studierte in Paris und Rom und wurde vom portugiesichen König 1541 nach Asien geschickt, um die neuen Länder zu missionieren. Nachdem sich die Inder bereitwillig taufen liessen, fielen sie aber bald wieder zu ihren traditionellen Gottheiten zurück, worauf Franz Xaver die Inquisition nach Indien holte.
MIch schüttelt der Gedanke noch heute, wie arrogant die neuen Herren in den eroberten Ländern mit den Menschen umgingen. 1949 fuhr Franz Xaver nach Japan, wo er ebenfalls missionierte und danach nach China weiterreiste. Hier starb er mit 46 Jahren im Jahr 1552. Seine Gebeine wurden erst nach Portugal gebracht, später aber hier in Goa in dieser Kirche beigesetzt.
Ich sehe mir noch die alte Gemälde- und Kunstsammlung im ersten Stockwerk der Kirche an. Italienische Meister sind hier ausgestellt und Statuen aus ganz Indien aus Stein und Holz. Es soll die grösste Kunstsammlung dieser Art sein.
Ein kurzer Rundgang durch den kleinen Garten mit den Wandelhallen des Klosters, dann verlassen wir diesen historischen Ort. Das Museum in den beiden anderen im Gegensatz zur Kirche weiss gestrichenen Häusern, schenken wir uns. Dazu müsste ich mich vorher näher mit der Kirchengeschichte Indiens befasst haben oder ich müsste mindestens einen Guide anstellen. Doch soviel Geduld habe ich nciht.
Wir fahren zurück in die Stadt, fahren über die lange Brücke, die wie ich jetzt erfahre, erst ein paar Jahre alt ist und die beiden bestehenden Brücken entlastet. Sie ist ausserdem ein Teil der neuen Autobahn, die den Süden und den Norden Goas miteinander verbindet.
Auf der anderen Seite, ganz am Meer und dem Einfluss des Mandovi-Flusses, liegt die grösste Festung der Portugiesen in ganz Asien. Gebaut vor allem als Schutz vor den Holländern die ebenfalls immer wieder Anspruch auf Goa stellten. Es sind dicke Mauern und ein riesiger Innenplatz. Bestimmt gibt es unten Lagerräume und Truppenunterkünfte, sie sind aber nicht zugänglich. In dem Fort gab es eine Süsswasserquelle und ein riesiges Wasserreservoir aus dem die ankommenden Schiffe mit Wasser versorgt werden konnten. Daher kommt der Name Fort Aguada.
Heute ist das Fort ein beliebter Ausflugsort der Inder. Überall wird gepost, fotografiert, gelächelt, allein oder in Gruppen abgelichtet. Simon hat sich übrigens schon vor dem Eingang verabschiedet. Er hätte vergessen, dem Fahrer Geld zu geben, damit er parkieren könne, ich solle mir das Fort allein ansehen. Da er mir offensichtlich nichts spannendes dazu erklären kann, ist mir das auch recht.
Ich schlendere über das grosse Gelände, klettere auf die dicken Mauern und sehe den Menschen zu, die sich möglichst positiv ablichten. Manchmal stelle ich mich dazu, versuche auch ein Bild zu machen und werde dafür auch oft gleich mitgenommen auf ihre Selfies oder Gruppenbilder. Inder mögen Ausländer. Sie sind auch nicht scheu, sie fragen woher, frangen mit wem man unterwegs sei, was man schon gesehen hat und wollen ungeniert wissen, wie alt ich sei. Sie sind äusserst fröhlich und freundlich. Irgendjemand aus einer Gruppe kann immer ein paar Worte Englisch, so dass auch die Verständigung ganz gut klappt.
Nach einer knappen Stunde kehre ich zurück zu Simon, der mir jetzt den Strand im Norden von Panaji zeigen will. Ob da wohl mehr los ist, als im Süden.
Wir fahren eine völlig überfüllte Hauptstrasse entlang. Heute scheint tatsächlich ganz Panaji hier zu sein, es geht nur im Schrittempo vorwärts. Auf beiden Seiten der Strasse liegen Restaurants. Doch wir fahren daran vorbei, kommen bald zu einem Zugang zum Strand. Noch immer ist der Himmel stark bewölkt. es ist nicht sicher, ob es gleich zu regnen beginnt.
An einem der Verkaufsstände lädt mich Simon zu einem Maiskolben vom Grill ein. Der schmeckt tatsächlich sehr gut.
Und was ist jetzt mit dem Strand? Ja am Strand hat es tatsächlich sehr viele Menschen. Sie stehen da, sehen hinaus aufs Meer. Es muss eine ungeheure Anziehungskraft haben, wenn diese ganzen Volksmassen hierher kommen, um am Strand den Wellen zuzusehen. NIemand hat Sitzgelegenheiten dabei, man steht da in Gruppen, isst etwas, plaudert und schaut hinaus aufs Meer. Und es kommen immer mehr Leute.
Bevor wir den Strand wieder verlassen, kaufen wir noch eine Kokosnuss, dann fahren wir zurück.
Eigentlich möchte mich Simon in eines der vielen Restaurants einladen, aber vor den meisten, jedenfalls vor dem besten wie Simon betont, steht schon eine ganze Schlange an. Und ich mag jetzt auch gar nichts essen nach dem Maiskolben.
Simon will derweil wissen, wann ich morgen losfahre. Ob ich das Ticket schon habe. Leider muss ich gestehen, dass meine Buchung, von der ich gestern noch gesprochen habe, nicht geklappt hat. Der Concierge hat mir am Morgen erklärt, dass der Zug abends um sieben bereits ausgebucht sei. Es gäbe noch einen Zug nach Mitternacht, der nach Mombai fahren werde, aber es gäbe keine Klimaanlage, also keine 1. Klasse.
Ich werde wohl im Hotel in der Lobby warten, bis ich zum Bahnhof fahren kann, meine ich etwas irritiert, worauf Simon erklärt, dass er mir ein Hotelzimmer anbieten könne, in dem ich den Abend verbringen könnte. Für wenig Geld. Und er fängt gleich an zu telefonieren. Sein Gratis-Zimmer von dem er ganz am Anfang gesprochen hat, wird dann allerdings doch etwas teurer, aber wenn ich irgendwo für einen kleinen Betrag am Computer arbeiten kann, ist mir das auch recht. Also zahle ich ihm die 2500 Rupies und er verspricht mir, mich morgen Vormittag abzuholen um mit mir zum anderen Hotel zu fahren. Bin ja gespannt, was daraus wird.
Jetzt jedenfalls möchte ich zurück in mein Zimmer, ich habe viel gesehen, es war ein vergnüglicher Nachmittag. Simon konnte mir auch viel über Goa erzählen..
Beim Hotel bezahle ich das Taxi für den Tag, da ich merke, dass das trotz anfänglicher Einladung angebracht ist. Mir ist das lieber, das macht mich unabhängig.
Später erkundigt sich Simon per WhatsApp wie es mir gehe, ob alles in Ordnung sei und schwärmt dann, dass er heute Abebd sein lang bestelltes neues Motorrad abholen könne. Er mache sich jetzt auf den Weg. Congrats, schreibe ich zurück und mache mich auf, noch einen kurzen Abendspaziergang zu machen.
Komme wieder bei der weissen Kirche vorbei, von der ich jetzt weiss, dass es die Kirche unserer lieben Frau der unbefleckten Empfängnis, Immaculate Conception Church, ist. 1541 von den Portugiesen als Kapelle erbaut mit Sicht auf die Stadt Panaji. Noch heute wird täglich eine Messe in englisch, portugiesisch und konkani durchgeführt. Ansonsten ist sie allerdings immer geschlossen. Nur bis zur untersten Treppe kann man steigen.
Ich schlendere weiter, komme zum Fluss, zu den Casinos und sehe das Schiff, das vor dem Ufer liegt. Ob das ein Restaurant ist, oder doch auch ein Casino? Es ist ein Restaurant, ich gehe über den Steg. Das Innere ist völlig in violette Farbe getaucht. Später wird hier ein DJ Musik auflegen, versichert mit einer der Kellern, doch jetzt ist noch überhaupt niemand hier.
Zurück auf dem Quai begegne ich der netten Verkäuferin wieder, die billige Silberketten verkauft. Leider will ich auch jetzt keine kaufen, auch wenn die Frau sich an mich erinnert und erklärt, dass ich doch gestern vor der Kirche schon nichts kaufen wollte. Ja und das bleibt auch jetzt so. Sorry.
Vor dem Museum werden Baldachine aufgebaut und viele Stühle aneinander gereiht. Ob hier wohl morgen eine Parade stattfinden wird? Ich frage einen der Polizisten, der mich soeben zurück auf die Strasse gewiesen hat, als ich versehentlich unter das noch nicht fertig aufgebaute Dach geraten bin. Ja morgen um halb neun Uhr, meint er kurz angebunden. Am Abend? Nein am Morgen. Ich werde also morgen mal etwas früher als sonst unterwegs sein. Morgen ist der Tag der indischen Unabhängigkeit.
Später kehre ich in einem kleinen hübschen Restaurant ein. Zwar bin ich der erste Gast, aber das Lokal füllt sich sehr bald mit einheimischen Gästen. Ich bestelle ein Fischcurry mit Reis und es schmeckt tatsächlich sehr fein. Armomatisch und stark gewürzt. Doch der Yoghurt, der dazu serviert wird, mindert die Schärfe und die Minzsosse gibt noch einmal eine andere Nuance. Die scharfe rote Sosse lasse ich stehen.
Es ist schon bald MItternacht, als ich zum Hotel laufe. Von Simon habe ich nichts mehr gehört.
Eigentlich wundere ich mich, dass ich überhaupt keine Angst habe, nachts allein durch die Strassen zu laufen. Manchmal hat es Menschen auf den Strassen, an anderen Orten bin ich allein unterwegs. Indien scheint mir ein sehr sicherer Ort zu sein. Das bestätigen mir auch alle, mit denen ich rede. Noch nie hat mir ein Taxifahrer oder sonst jemand gesagt, ich müsse da oder dort vorsichtig sein, wie das in Südamerika an verschiedenen Orten passiert. Im Gegenteil, wenn ich nachfrage, versichert man mir überall, die Kriminalitätsrate hier sei sehr niedrig.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
Indien
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