Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Kochi - Mattancherry

Nach dem Frühstück mache ich mich auf zur Schiffsanlegestelle. Das ist da, wo ich gestern schon mit Ahmed spaziert bin. Er hat mich allerdings mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass ich auf eine der Inseln fahren sollte, weil die Sehenswürdigkeiten der Stadt dort draussen sind. Kann das ja verstehen, immerhin sollte er mich ja mit seinem Tucktuck herumfahren. Das hat er zwar nicht getan, er war lieber zu Fuss unterwegs, aber wenn ich auf das Schiff gegangen wäre, hätte er seinen Auftrag, mir die Stadt zu zeigen, verloren. Letzte Nacht habe ich noch kurz mit einer Freundin gechattet. Sie hat mich auf die Insel mit ihrer wechselhaften Geschichte aufmerksam gemacht.

Kamala, die Handleserin

Kamala, die Handleserin

Während ich auf die Abfahrt des Schiffes warte, werde ich von einer Frau angesprochen. Ob ich mir aus der Hand lesen lassen wolle.

Warum nicht, ich halte ihr die rechte Hand hin. Nein, meint sie, bei Frauen ist es die ndere und studiert die Handfläche meiner linken Hand.

Sie analysiert die Lebenslinie, die Glückslinie, die Herzlinie. Sie erklärt aber nicht nur die Linien, sondern auch die Handballen. Und was sie sieht, dürfte mich eigentlich nicht verwundern. "A happy life, you will get old and you have a happy life". Dann erzählt sie noch etwas wo ich hoffe, dass sie damit die Vergangenheit meint, ganz sicher bin ich allerdings nicht. Du hast alles verloren, aber du hast alles wieder bekommen.

Beruhigt gehe ich zur Schiffsstation. Mir kann im Moment nichts passieren, ich werde alt werden und glücklich bleiben.

Es sind vor allem Einheimische auf dem Boot, das kurz darauf ablegt. Ein paar Leute sind allerdings Touristen, aber europäische Gesichter sehe ich keine. Es gibt mindestens zwei Inseln, die nur mit schmalen Wasserwegen getrennt sind. Auf der ersten befindet sich ein kleiner Flughafen. Hier scheint auch der Hafen zu sein. Auf der anderen befindet sich die Altstadt.

Ich verlasse das Schiff und werde vor dem Schiffssteg auch bereits wieder von ein paar Tucktuck-Fahrern angesprochen. Sie alle wollen mir ihre Insel zeigen. Ich entscheide mich für einen der Englisch spricht. Faisa, so heisst er, macht mir einen fairen Preis und dann fährt er mich zu den chinesischen Fischernetzen.

Faisa, mein heutiger Fahrer

Faisa, mein heutiger Fahrer

Das sind grosse dreieckige Netze, die waagrecht hinunter ins Wasser gelassen werden. Sie bleiben am Ort und werden irgendwann wieder aufgezogen. Möglichst dann, wenn sich viele Fische in den Netzen gefangen haben. Im Moment sind die Netze oben. Faisa schlägt vor, am späteren Nachmittag wieder herzukommen, vielleicht sind sie dann im Wasser.

Als nächstes zeigt er mir die erste katholische Kirche der Stadt, erbaut von den Portugieren 1503. Kurz nach der Entdeckung Indiens durch die Seefahrer, die den Weg zu den Gewürzen suchten. Kerala ist daher schon immer ein Umschlagplatz für Gewürze. Ohne dass mir Faisa viel erzählt, spürt man bereits die bewegende Geschichte Indiens wenn man durch die Strassen fährt.

In der nächsten Kirche, der St. Francis-Kirche wurden die Gebeine von Vasco da Gama, dem grossen Seefahrer begraben, ein paar Jahre später wurden sie allerdings nach Portugal gebracht wo sie in Lissabon endgültig ihre Ruhe gefunden haben. Wir passieren noch kurz den hollandischen Friedhof, doch der ist geschlossen. Genauso wie der jüdische. Er wird nur bei Beerdigungen geöffnet. Die Stadt hat verschiedene Epochen durchlebt. Nach den Portugiesen kamen die Briten, die Holländer und alle haben ihre Spuren hinterlassen.


Unser nächster Halt ist allerdings ganz im hier und jetzt angesiedelt. Es ist die Wäscherei der Stadt. Hierher kann man seine Wäsche bringen. Sie wird von Hand gewaschen, getrocknet und sorgfältig gebügelt. Unglaublich was für eine harte Arbeit das Waschen ist. Es gibt nur kaltes Wasser aber die Wäsche wird eingeweicht, gewalkt, geschlagen, ausgewrungen und noch einmal mit Seife und Bürste gewaschen. Bis sie sauber an den Schnüren im Garten aufgehängt werden kann. Zum Aufhängen braucht es keine Klammern, die Wäschestücke werden zwischen den gezwirbelten Schnüren geklemmt. In der Wöscherei arbeiten Frauen und Männer. Ich darf ohne weiteres fotografieren, auch Portraits, die ich den Leuten dann zeige, damit sie allenfalls eingreifen können, falls ein Bild nicht gefällt. Doch sie nicken und lächeln. Es ist in Ordnung so. Faisa übersetzt, wenn ich etwas genauer wissen will.

Im langen Gebäude ist die Glätterei untergebracht. Hier werden Tücher geglättet, Blusen und Hemden sorgfältig gebügelt und in gleichmässigen Stapeln zum Abholen bereitgestellt. Faisa nennt mir den Preis für ein Hemd: 40 Rupien, umgerechnet wären das 5 Franken für 10 Hemden. Gewaschen, gestärkt und gebügelt.

Vor der Pandemie wären hier immer viele Besucher gewesen, erzählt mir Faisa, heute bin ich die einzige. Es gibt noch nicht viele Touristen hier.

Er ist für die Hemden zuständig

Er ist für die Hemden zuständig

Als nächstes will mir Faisa das Geschäft eines Freundes zeigen. Hier würde sehr viel schöne Handarbeit aus Indien angeboten. Mir ist schnell klar, worum es hier geht und es tut mir leid, dass ich gleich von Beginn eine Absage machen muss. Ich werde eh kaum etwas kaufen auf meiner Reise, da mein Reisegepäck beschränkt und ich zu Hause noch immer ohne eigenen Haushalt bin.
Natürlich möchte Faisa hier eine kleine Provision einstreichen oder seinem Freund wenigstens zeigen, dass er sich bemüht, Touristen herzubringen. Das ist völlig legitim und unter den momentanen Verhältnissen auch nötig. Ich sehe mich ein wenig im Laden um. Da ich der einzige Besucher bin, möchte mir der Besitzer die verschiedenen Sachen gern zeigen, doch ich winke ab, mir ist es eher unangenehm. Ausserdem werde ich wohl noch oft in solchen Läden sein.


Ich möchte jetzt eine Pause und lade Faisa zu einem Kaffee oder Tee ein. Er schlägt ein kleines niedliches Lokal in einer der schmalen Strassen vor. Teapot heisst es und es sind drinnen auch ganz viele Teekrüge ausgestellt. Wir trinken einen Chai. Mit Milch und Zucker.

Faisa ist sehr zurückhaltend, ich musste ihn überreden, damit er mit mir in das Lokal kommt. Vielleicht ist das nicht üblich. Vielleicht ist das ein Touristenlokal, auch wenn ich die anderen Gäste nicht als solches erkennen kann. Lokaler Tourismus wahrscheinlich.

Teapot, ein kleines Restaurant in der Innenstadt

Teapot, ein kleines Restaurant in der Innenstadt

Unser nächster Besuch gilt dem Museum. Einst der Sitz der Könige. Das Haus selber ist eher einfach getaltet, drinnen aber entfaltet es seine Pracht mit geschnitzten dunklen Holzdecken und fantastischen Wandmalereien, die leider nicht fotografiert werden dürfen. Ausserdem werden Sänften aus verschiedenen Epochen gezeigt. Könige liessen sich wohl sitzend oder liegend durch die Strassen tragen.

Zur Synagoge führt eine schmale Gasse, die Fussgängern vorbehalten ist. Faisa wartet am Anfang der Strasse, während ich durch die vielen Geschäfte zur Synagoge gelange. Stolz ist man hier auf den Boden aus handbemalte chinesischem Porzellan. Es ist eine Mischung aus verschiedensten Kulturen und Einflüssen. Die Kronleuchter kommen aus Belgien,

Auf dem Rückweg durch die Gasse werde ich aus allen Läden angesprochen. Ich bin auch hier die einzige Touristin. Ein älterer Mann lockt mich in seinen Laden, weil er mir unbedingt etwas zeigen will. Weiss-Stickerei. Einst kamen Europäer hierher und haben in den Missionen den einheimischen Frauen diese Kunst beigebracht. Jetzt wird es wohl nur noch an wenigen Orten in Europa gemacht, aber hier hat sich die Tradition erhalten, erzählt er stolz und zeigt mir alte Stickvorlagen.

In der Synagoge

In der Synagoge

Die völlig leere Einkaufsstrasse ist zu anderen Zeiten bestimmt von Besuchern und Touristen überfüllt. Im Moment bin ich die einzige Besucherin.

Die völlig leere Einkaufsstrasse ist zu anderen Zeiten bestimmt von Besuchern und Touristen überfüllt. Im Moment bin ich die einzige Besucherin.

Weissstickerei

Weissstickerei

unwiderstehliche Düfte

unwiderstehliche Düfte

hier werden Räucherstäbchen von Hand gedreht

hier werden Räucherstäbchen von Hand gedreht

ich konnt nicht widerstehen...

ich konnt nicht widerstehen...

Vor dem nächsten Laden riecht es verführerisch. In grossen Schalen liegen duftende Gewürze, Grundlagen für Räucherstäbchen, die drinnen verkauft werden.

Zusammen mit einer riesigen Auswahl an Parfüms. Hier kann ich nicht widerstehen. Ein Fläschchen Sandelholz und eines mit Kerola-Blume, dem Grundstoff von Chanel No 5, wie mir der Verkäufer erklärt, wandert in meine Tasche, bevor ich mir überhaupt Rechenschaft über meinen gebrochenen „Nichts-Kaufen-Vorsatz“ geben kann. Es wird schwierig werden, allem zu widerstehen.

Beim Vorüberfahren kauft Faisa ein Lotterielos

Beim Vorüberfahren kauft Faisa ein Lotterielos

Die Losverkäuferin

Die Losverkäuferin

Wir fahren am Früchtemarkt vorbei. Hier möchte ich fotografieren und komme schnell mit ein paar Jungs von einem Verkaufsstand ins Gespräch. Der Verkäufer lässt mich eine Rambutan versuchen und ich kaufe ein paar davon, zusammen mit einigen Mangostasen und kleinen süssen Bananen. Jetzt noch ein gemeinsames Selfie, und schon hab ich einen neuen FB-Freund und eine Alternative, falls ich auch heute kein richtiges Restaurant fürs Nachtessen finde.

Ich merke immer mehr, dass ich mich hier in Indien wohl fühle. Ich glaube, wenn man sich den Menschen in Augenhöhe nähert, kommt man zu guten Begegnungen. Das soll natürlich noch kein Urteil über ganz Indien sein, aber meine Befürchtungen verfliegen im Moment jedenfalls. So anders als in Südamerika sind die Menschen auch hier nicht. Jeder will etwas verdienen, versucht für sich und seine Familie den Lebensunterhalt zu sichern. Solange ich mich mit den Menschen in etwas holperigem Englisch verständigen kann, fühle ich mich wohl.

Mangostasen

Mangostasen

Rambutn

Rambutn

Ahmed und seine Kollegen

Ahmed und seine Kollegen

Inzwischen ist es später Nachmittag geworden, wir fahren noch einmal zu den chinesischen Fischernetzen, doch diese hängen noch immer in der Luft. Faisa bringt mich zurück zur Anlegestelle und bevor wir uns verabschieden, wechseln wir WhatsApp-Nummern aus. Er möchte mich morgen zu den Backwaters bringen.

Ich fahre zurück mit dem Boot, komme am Quai bei dem Paar vorbei, das mir am Morgen gezeigt hat, wo das Schiff für die Insel ablegt. Sie waren dabei ihren Stand mit Fruchtsalaten aufzustellen, jetzt möchten sie mir eine Portion verkaufen. Ich habe doch selber schon Früchte dabei, erkläre ich ihnen und schenke ihnen etwas von meinen frisch gekauften Früchten. Völlig überrascht bin ich, als mir die Frau mit strahlenden Augen erklärt, dass sie diese noch nie gegessen hätte.

Dann schlendere ich zum Hotel und trinke unterwegs noch einen Kaffee. Am Abend gehe ich in ein einheimisches Restaurant wo ich einen Teller Reis mit Gemüse bekomme.

Ich bin tatsächlich angekommen in Indien.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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