Reise durch Indien
City-Spaziergang
Nachdem ich gestern den Ausflug in die koloniale Vergangenheit gemacht habe, will ich heute ins Zentrum. Zum Blumenmarkt unter der Howrah-Brücke. Es soll der grösste Blumenmarkt Indiens sein.
Ich frage die beiden Tuctuc-Fahrer, die vor dem Hotel stehen, doch sie scheinen kein Interesse zu haben, oder sie verstehen weder Flower-Market, noch Howrah-Bridge. Also halte ich ein gelbes Taxi an. Auch da Fehlanzeige. Ja noch schlimmer, ich finde nicht einmal einen Fahrer, der mich überhaupt irgendwohin fahren will. Wenn ich frage: are you free? bekomme ich die Antwort No.
Ich glaube, ich bin da auf einem fremden Planeten gelandet. Bisher konnte ich, egal in welcher Stadt ich war, kaum ein paar Schritte zu Fuss machen, ohne von Tuctucfahrern angefragt zu werden, wohin ich wolle, hier will man mich nicht einmal irgendwohin fahren.
Ich mache noch einmal einen Versuch, gehe zum Stand mit den Tuctuc-Fahrern und finde endlich einen, bei dem ich einsteigen darf. Doch er weigert sich, zum Blumenmarkt zu fahren. Vielleicht ist das für ein Tuctuc auch einfach zu weit und er hat dann keine bezahlte Rückfahrt mehr, ich weiss es nicht. Jedenfalls verstehe ich aus seinen wenigen englischen Worten, dass ich mit dem Bus oder der Metro fahren soll. Und er bringt mich tatsächlich für billige 50 Rupies zur nächsten U-Bahnstation.
Nun denn, manchmal muss man mich zu solchen Entscheidungen wohl zwingen. Ich kaufe ein Ticket und steige hinunter in die Katakomben. Die Orientierung ist einfach, es gibt hier nur eine Linie und sie fährt gen Norden, das ist meine Richtung.
Nachdem ich jetzt also in der U-bahn stehe - Sitzplätze sind alle besetzt - sehe ich ein, dass die Entscheidung eigentlich ganz gut war. Ich muss nicht einmal die Stationen an einer schwierig zu lesenden Anzeigentafel, die irgendwo im Wagen angebracht ist, nachzählen, ich kann die Fahrt bequem auf dem Handy mitverfolgen und steige denn auch an der richtigen Station aus.
Bis zum Blumenmarkt ist es allerdings doch noch ein Stück, also frage ich auch hier ein Tuctuc und es braucht etwas Zeit, bis der Fahrer versteht, wohin ich will. Kaum bin ich drin, entscheide ich um und frage ob er zum Indian Coffee House fahren könnte. Das ist nun definitiv zu viel für den Fahrer. Ich merke, dass er mich nicht verstanden hat, er fährt weiter. Also lasse ich ihn anhalten, zahle einen kleinen Betrag und beschliesse, zu Fuss weiter zu gehen. Ist ja sowieso interessanter und das berühmte Kaffeehaus müsste eigentlich hier in der Nähe sein.
Die Frau, die am nächsten Imbissstand Gemüse frittiert bestärkt mich bei meinem Entschluss und ich fühle mich gleich wieder gut. Sie lächelt mich nämlich an. Ganz ohne Grund lächelt sie freundlich, grüsst und ich merke, sie möchte tatsächlich fotografiert werden. Reden können wir nicht, Worte fehlen, aber sie hat meine Verärgerung mit ihrer Freundlichkeit weggewischt.
Jetzt bin ich bereit, mich auf die Stadt einzulassen, komme was wolle. Die Menschen sind die Essenz. Der nächste Verkäufer hockt am Boden, umgeben von farbigen Gewürzen und Getreiden. Sein Geschäft läuft ganz gut, ich bleibe nur ein paar Minuten stehen, in denen er mindestens drei Kunden bedient.
Es ist eine belebte Strasse mit den verschiedensten Geschäften. Dem Goldhändler zum Beispiel, bei dem ich einen Blick hinein werfe. Was kostet denn so ein aufwändiges Collier? Gold ist es natürlich nicht, aber es glänzt so schön und für Hochzeiten sind diese Schmuckstücke unverzichtbar. 1500 Rupies braucht es, damit man sich damit schmücken könnte. Darum sind diese Goldläden auch alle komplett offen und ungeschützt.
Daneben ist ein Holzhändler, der lange Holz-Stangen verkauft. Im nächsten Laden gibt es Eisenstangen und Profile zu kaufen. Dann kommt ein kleiner Händler, der seine gebauchten Roll-Räder auf einem Tisch ausgestellt hat. Es sind alles kleine Händler in winzigen Läden, manchmal nur gerade einen Meter breit. Aber hinten geht es manchmal ganz weit hinein ins Gebäude.
Auch einer Kuh begegne ich. Ich hatte schon geglaubt, die würden hier in Kolkata fehlen. Auf den Hauptstrassen, auf denen ich gestern gelaufen bin, war alles so gesittet, hier sieht das schon ganz anders aus. Ich verlasse die Hauptstrasse mit den Lichtsignalen und den Fussgängerstreifen die sogar teilweise richtig benutzt werden.
Es gibt Schienen in den Strassen, ob da gelegentlich eine Strassenbahn fährt? Busse jedenfalls sind meist bis auf den letzten Sitzplatz alle besetzt. Das war ja die Alternative, die mir mein Tuctuc-Fahrer empfohlen hatte: Metro oder Bus.
Ich lasse mich treiben. Fotografiere, was mir auffällt, bewundere die Gemüseauslagen, die zum Teil ganz einfach auf dem Boden liegen, beim Früchtestand bewundere ich die grosse Auswahl und fotografiere sie mitsamt dem jungen Verkäufer dahinter. Selfie, Selfie, meint er daraufhin. Ja gern, wenn ich ihm damit eine Freude machen kann, soll mir das Recht sein. So entsteht also wieder eines meiner vielen Bilder. Ihm scheint es Freude zu machen, dass er jetzt in meiner Kamera mit der fremden Frau weiterreisen kann.
Ich sehe auf meinem Gang so vieles, dass es tatsächlich einfach nur schwierig ist, das alles aufzuzeichnen, ich beschränke mich daher auf ein paar Kommentare unter den Fotos.
Typische kurze - und enge - Sari-Blusen. Ich habe mir eine nach Mass machen lassen, werde sie aber zu Hause ändern müssen, denn so enge Kleidungsstücke bin ich mir nicht gewohnt.
Ich komme zu einem Bücherladen. Der Stand quillt über von Büchern, doch als ich mich umsehe, merke ich, dass ich mitten in einem riesigen Bücherquartier bin. Jeder Laden verkauft Bücher. Neue, alte. In Englisch und Hindi und bestimmt noch in ein paar anderen einheimischen Sprachen. Es hört gar nicht mehr auf. Auf der anderen Strassenseilte das gleiche Bild, die nächste Strasse ebenfalls.
Ich bin in der College Street, hier müsste das ICH, das Indian Coffee House sein. Doch ich kann es nicht finden. Gehe um ein paar Ecken. So ein Restaurant müsste man doch sehen, aber ich kann überhaupt nur Bücher sehen. Bücher und Bücher. Wie soll ich mir das Coffee House in all diesen Bücherläden vorstellen? Ist es nur ein Kaffeestand? Kann man sich vielleicht gar nicht setzen? Ich würde mich jetzt gern irgendwo hinsetzen, ein wenig umsehen, einen Kaffee trinken.
Es vergeht eine ganze Weile, bis ich das Schild über dem dunklen Eingang endlich sehe: Indian Coffee House. Es sind sogar zwei Schilder, wohl aus verschiedenen Zeitepochen. Nie hätte ich das gesehen, wenn ich es nicht explizit gesucht hätte. Aber wo ist jetzt dieses gemütliche Cafe, das ich mir vorgestellt hatte. Einmal mehr erweist es sich, dass man sich einfach keine Vorstellungen machen sollte, denn die werden innert Kürze in hohem Bogen verworfen.
Beim Eintreten fällt mir erst einmal dieser riesige Elektroverteiler auf. Solange alles funktioniert ist das ja in Ordnung. Ich hoffe nur, der Elektriker versteht bei einer Panne diese uralte Installation. Ich steige die Treppe hinauf ins Obergeschoss und jetzt stehe ich im berühmten Indian Coffee House in dem sich früher und vielleicht noch heute Studenten, Intellektuelle, Dichter und Denker und sogar Nobelpreisträger getroffen haben. Wahrscheinlich braucht man für intensive Gespräche keine Aussicht, keine Ablenkung durch einen Blick auf die Strasse So wie ich mir das vorgestellt hatte.
Bedient wird man von weiss gekleideten Kellnern, die sich ihrer Rolle in dem traditionellen Haus sehr bewusst sind. Kein Lächeln kommt über seine Lippen, als der Kellner mir die Karte bringt. Aber der Service ist schnell und effizient. Meine Tomatensuppe und der kalte Kaffee (hab ihn so bestellt) sind fein und auch die Rechnung kommt prompt sobald ich den letzten Schluck getrunken habe.
Der Kellner posiert sogar bereitwillig und jetzt kommt doch noch so etwas wie ein freundliches Gesicht zum Vorschein. Geht doch.
Ich gehe noch ein Stockwerk höher. Es wird auch auf den Balustraden bedient, das Haus ist voll, fast alle Tische besetzt. Ich bin zwar nicht die einzige, die fotografiert, aber vielleicht falle ich trotzdem auf. Jedenfalls fragt mich einer der Kellner, den ich vorher schon angesehen habe, ob ich ihn fotografieren will, als er an mir vorbei die Treppe hinunter steigt. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Er weigert sich alledings konsequent, in meine Kamera zu sehen. Jeder Schauspieler kennt seine Schokoladenseite. Er wohl auch. Und vor allem weiss er, wie sein speziell gefalteter Turban am besten zur Geltung kommt.
Ich schlendere weiter, diesmal in westlicher Richtung, Ziel Blumenmarkt. Dabei versuche ich, möglichst viele Eindrücke aufzunehmen. Kolkata sei bekannt für seine koloniale Vergangenheit und seine wunderschönen Fassaden aus dieser Zeit. Darum lasse ich meinen Blick auch öfters in die Höhe schweifen. Tatsächlich da gibt es verschiedene Gebäude, die bestimmt bessere Zeiten gekannt haben. Wer da wohl dahinter wohnt? Und ob das innen anders aussieht? Gepflegter? Bei einigen Gebäuden kann ich es mir vorstellen, bei anderen, wo schon die Balkonfenster eingeschlgen sind, eher weniger.
Auffällig sind die vielen Handwagen, die Fahrrad-Rischkas für Lastentransport. Einmal sehe ich einen hoch beladenen Wagen, der von zwei Männern gezogen und geschoben wird Die Säcke, die darauf gestapelt sind, hätten auf einem kleinen Lastwagen Platz. Vieles wird hier von Hand transportiert.
Einer dieser Fahrer hat gesehen, wie ich abgedrückt habe. Darauf macht er mir ein Zeichen, dass ich die Gruppe bitte aus besserem Winkel fotografieren soll.
Worauf dieses Bild entsteht, das ich denn auch von den Männern kontrollieren lasse. Wurde bewilligt - ohne Wort aber mit Lächeln und Kopf wackeln.
Immer öfters sehe ich jetzt auch die Rischka-Fahrer, die statt eines Fahrrades sich selber vor den Karren gespannt haben. Sie ziehen damit Lasten durch die Strassen, oder Passagiere. Von ihnen hat mir bereits Rajeev in Varanasi erzählt. Er, der selber vorher Fahrradrischka gefahren ist, meinte, diese Menschen wären die ärmsten.
Nutze unbedingt ihre Dienste, lass dich von ihnen fahren, sie brauchen alle Unterstützung, riet er mir. Doch ich bringe es nicht über mich, den alten Männern in ihre Karren zu steigen und mich durch die Strasse ziehen zu lassen. Jedenfalls noch nicht. Noch laufe ich lieber, sehe mir all das bunte Treiben an.
Und dabei kommt es wieder einmal zu einer wirklich lustigen Begegnung. Wahrscheinlich bin ich mit meinem Verhalten einfach etwas auffällig, jedenfalls überholt mich plötzlich ein Mann, setzt sich vor mir zu einem anderen Mann auf den Boden und will offensichtlich, dass ich die beiden fotografiere. Sind die beiden Bettler? Oder nur der eine, der der schon da sass? Ich weiss es nicht, aber ich drücke ab und zeige dem Mann das Bild. Der nickt zufrieden und ich setze meinen Weg fort. Hab nicht so lange gewartet, dass er mir die Hand entgegen strecken konnte.
Hätte im Moment eh kein Kleingeld bei mir, denn das ist überall immer wieder ein Problem. Auf die grösste Note, die ich je hier gesehen habe, und die der ATM mir jeweils ausspuckt, nämlich 500 Rupies, kann man oft kein Rückgeld geben. Egal ob am Früchtestand, beim Tuctuc-Fahrer oder am Kiosk beim Wasser kaufen, Rückgeld ist ein Problem. Dabei geht es nicht darum, dass jemand spekulieren würde, dass er das Rückgeld behalten könnte, nein, es ist schlichtweg nicht vorhanden. Auch auf Trinkgeld ist man überhaupt nicht vorbereitet. So können es die Kellner oft gar nicht fassen, dass ich die Rechnung aufrunde und meine Tuctuc-Fahrer wollten schon öfters mein Extrageld verweigern. Vielleicht weil sie wussten, dass sie von mir eh schon etwas mehr verlangt hatten, als von Einheimischen. Trotzdem überrascht mich dieses Verhalten schon seit dem ersten Tag.
Möglich, dass ich auffalle, weil ich nicht um ein paar Rupies kämpfe, dass ich meistens bezahle, was man von mir verlangt. Doch ich mag meine Energien tatsächlich nicht auf ein paar Rappen - und um das geht es letztlich - verpuffen. Meine Energien bleiben bei den Begegnungen, bei den Menschen, nicht bei den Preisen. Dafür gebe ich eher selten Almosen, verteile nicht willkürlich Geld.
Was meinem Karma gut tut, weiss ich nicht, was meinem momentanen Gefühl gut tut weiss ich, denn es kommt alles unmittelbar mit Erstaunen und einem Lächeln zurück.
Als mein Blick wieder einmal nach oben schweift, sehe ich diese beiden Männer, die auf die Leiter steigen. Ob es Elektriker sind? Ob sie sich mit der Installation der vielen Drähte befassen wollen? Ich bleibe stehen. Nein, es sind Maler, sie bestreichen das Kandelaber mit silberner Farbe. Dazu benutzen sie keinen Pinsel sondern einen in Farbe getauchten Lappen. Damit schmieren sie über und unter den Kabeln durch. Kontrolliert werden sie unten von einem dritten Mann, der Anweisungen gibt, wenn sie einen Flecken auf der hinteren Seite der Stange ausgelassen haben.
Ihre Hände sind bis fast zu den Ellenbogen in silberne Farbe getaucht, sie werden ja wohl Handschuhe tragen. Ganz sicher bin ich mir nicht, darum bleibe ich stehen, bis sie herunter kommen. Und dann traue ich meinen Augen nicht. Mit blossen Händen arbeiten sie. Die Hände sind voll von dieser Farbe und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie diese je wieder loswerden können.
Sie merken meine Verwunderung und der eine streckt mir mit einem breiten Grinsen seine Hand hin. Nein, da ist auch kein Plastikhandschuh, das ist Haut.
Ich glaube, das ist die verrückteste Sache, die ich je gesehen habe und es beschäftigt mich noch eine Weile.
Ich scheine jetzt im Zentrum der Stadt zu sein. Es gibt nur noch Fussgänger, keine Autos und keine Taxis mehr. Auch keine Tuctucs, nur noch manuelle Lastenträger. Und was für Lasten die hier schleppen!
Hochzeitskleider steht über dem Schild bei diesem Laden. Drinnen stapeln sich die Kleider. Zwei Männer säubern die letzten Fäden von den farbigen Röcken. Es sind hier keine Saris, die verkauft werden, sondern Kleider. Mit vielen Pailletten und bunten Steinen, die aufgenäht wurden. Maschinenarbeit verbunden mit Handarbeit, erklärt mir einer der Männer, die ziemlich beschäftigt sind.
Was denn so ein Kleid kostet, will ich wissen. Das gelbe, das er grad in der Hand hält, wird um die 6'500 kosten, das rote Hochzeitskleid kommt schon auf stolze 25'000. Nur der Rock? oder mit Oberteil? Immer Rock mit Bluse und langem Schal. Dafür finde ich die Preise eigentlich sehr moderat. Hab allerdings nicht weiter gefragt, ob der 50 % Rabatt, der im Schaufenster ausgeschrieben ist, schon berücksichtigt sei. Will ja nicht heiraten und auch eine Party steht im Moment nicht auf dem Programm.
Vorübergehend geschlossen, steht auf dem Schild am Tor und eigentlich hätte ich nicht einmal durch die Gitterstäbe fotografieren dürfen.
Dainy singt mitten in der Stadt. Ohne Mikrofon und ohne Sammelbüchse. Einfach so zur eigenen Freude.
Unwillkürlich bin ich in Gassen gekommen, die immer dichter werden. Immer mehr Menschen drängen sich hier. Es sind Arme und Reiche, es ist eine völlige Durchmischung. Die teuren Geschäfte mischen sich mit den kleinen Imbissständen. Seidensaris neben jungen Mädchen in Jeans. Traditionelle Männer in Röcken oder Kurtas, in farbigen Poloshirts oder in schicken Hemden. Alles ist hier. Es werden Geschäfte gemacht, geplaudert, gelacht. Junge Paare, ganze Familien, alles ist unterwegs, alles in Bewegung. Dazwischen immer wieder die Lastenträger, deren Pakete immer höher werden. Was da wohl drin ist? Zum Teil scheinen sie sehr schwer zu sein. Wenn der Fahrer sein Fahrrad stösst und zusätzlich mit einem Riemen auch noch zieht. Manchmal stossen drei Männer einen Wagen, während vorne einer die Richtung angibt. Manchmal gibt es ganz kleine Steigungen. Mit dem vollen Wagen spürt man diese sofort.
Der Mann oben auf dem Hundefutter hat sich gefreut, dass ich ihn fotografierte. Ja, es war tatsächlich Dog-food.
Plötzlich habe ich den Fussgängerbereich verlassen. Vor mir stehen grosse Lastwagen mit den vollen Ladebrücken. Von hier holen die Lastenträger ihre Waren. Ab hier werden sie in die kleinen Läden in der Fussgängerzone verteilt. Stückgut nennen wir das in der Schweiz. Die Feinverteilung ab den Grosszentren. Paket für Paket werden die Waren hier auf Handwagen, Rischkas oder auf Köpfe verteilt. Hier stehen sie, die Träger und Schlepper, die auf Transporte warten. Hier werden möglicherweise auch die ersten Geschäfte gemacht, die Händler, die direkt ab Lastwagen kaufen und dann zurück zu ihrem Geschäft gehen, mit dem Träger, der hinter ihnen her läuft.
Auch hier sehe ich eine Weile zu. Bis ich die Brücke entdecke. Ziel erreicht, hier muss irgendwo der berühmte Blumenmarkt sein. Nur noch über die Strasse, sehen, wo ich die Eisenzäune überwinden kann, wo die Übergänge sind, wo ich die Strasse überqueren kann, wann der Verkehrsfluss kurz stoppt.
Als ich die Brücke erreiche, senkt sich die Sonne eben dem Horizont entgegen. Schickt ein paar rotgoldene Strahlen auf den Fluss, der nicht der Ganges, sondern einer der vielen Nebenarme des Ganges ist. Hugli heisst der Fluss, oder Hoogly in Englisch. Der Ganges selber ist 300 m weiter westlich.
Ich sehe grosse Ausflugsboote auf dem Wasser. Müsste abklären, wo die ablegen. Könnte ich mir auf meine eigene To-Do-Liste setzen.
Ich bin nur kurz auf die Brücke gegangen, um den Sonnenuntergang zu sehen, jetzt komme ich zurück und sehe unter mir den berühmten Blumenmarkt. Gelb und orange leuchtet es mir entgegen. Ganze Säcke voller Blüten. Abgeschnitten, auf Schnüre aufgefädelt, viele Händler, viele Käufer, viel Bewegung.
Ich gehe die Treppe hinunter, stehe mitten in all den Blüten. Sehe mich um, fotografiere, staune, weiss nicht, wohin mit meinen Blicken, wohin gehen, überall das gleiche. Blumengirlanden, Blumen, nichts als Blumen. Tagetes, Studentenblumen, die typischen Opferblumen. Alles für die Götter. Sie werden irgendwo an Stutuen gehängt, auf öffentlichen und privaten Altären und in Opferschalen, die auf dem Wasser treiben.
Als der Mann mit dem Korb auf dem Kopf sieht, dass ich fotografieren will, stellt er sich in Position. Wenn schon fotografiert werden, dann wenigstens richtig. Mit dem Resultat ist er zufrieden.
Auch ich bin mit meinem Resultat zufrieden. Mein Kopf und meine Kamera sind voll. Übervoll von neuen Eindrücken, von farbigen Bildern, freundlichen Menschen, hupenden Autos. Seit Stunden bin ich unterwegs. Jetzt muss ich nur noch sehen, wie ich zurück zum Hotel komme. Es sind fast 10 Kilometer und inzwischen ist es dunkel geworden.
Ich suche mir einen Platz, von dem ich gut abgeholt werden kann und rufe meine Uber-App auf. Die müsste in Indien eigentlich funktionieren. In der Hauptverkehrszeit, hab ich mir das natürlich wieder bestens organisiert.
Tatsächlich, es klappt, eine Viertelstunde später sitze ich in einem Uber-Taxi. Der Fahrer spricht zwar kein Wort Englisch, er schaut mich nicht einmal an, wenn ich versuche, ihn etwas zu fragen, aber er fährt in die richtige Richtung und hält eine gute halbe Stunde später exakt vor meinem Hotel an. Klappt doch.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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