Reise durch Indien
Sundarban
Irgendwo hatte ich gelesen oder gehört, dass man von Kolkata Ausflüge in Nationalparks machen könnte, doch ich hatte keine genauen Vorstellungen. Es brauchte noch den Hinweis von einem der Angestellten im Hotel, dass einer der schönsten Ausflüge in die Sundurban sei. Leider konnte er mir keinen Fahrer vermitteln und meine Versuche, einen Taxifahrer zu finden, der einigermassen Englisch spricht, mit dem man eine private Fahrt organisieren könnte, schlugen weiterhin fehlt.
Also googelte ich Sundurban und stiess direkt auf eine Agentur, die zwei oder dreitägige Ausflüge anbietet. Ich machte eine Anfrage, bekam kurze Zeit später eine WhatsApp-Nachricht und entschied mich für den nächsten Tag, an dem Ausflug teilzunehmen.
Viel wusste ich nicht, ausser, dass ich Morgens um Acht Uhr beim National Museum stehen sollte, dort sollte ich abgeholt werden. Ausserdem sollte ich das Geld und eine Kopie des Passes dabei haben. Meine weiteren Fragen über Anzahl der Teilnehmer und ob es lange Spaziergänge gäbe, gingen ins Leere. Nun, anstrengend konnte es wohl kaum werden, denn Gebirge ist hier eher selten.
Am Morgen, ich stehe vor dem Hotel, warte auf mein Uber, da bekomme ich eine weitere Instruktion, dass ich um 8 Uhr beim Museum stehen solle, ob das möglich sei. OK, ich habe verstanden. Sogar der Fahrer ruft mich kurz darauf an, um sich zu vergewissern, ob ich verstanden habe. Yes sir, I will be there.
Vor dem Museum ist noch alles ruhig, ein paar Verkäufer sind dabei, ihre Verkaufsstände aufzubauen, ein Eisverkäufer liefert mit seinem Fahrrad grosse Eisblöcke aus, ein paar Fahrradkuriere fahren vorbei, sonst ist nichts los. Doch dann wird es kurzfristig ganz unterhaltsam. Da kommt tatsächlich eine ganze Herde Ziegen die Strasse entlang gelaufen. Ich bin hier mitten in der Millionenstadt Kolkata, was machen da Ziegen in den Strassen? Ein paar junge Burschen treiben sie mit Stecken vor und hinter sich her. Allerdings schlagen sie nicht auf sie ein, sie geben nur die Richtung vor, sehen zu, dass sie nicht zu weit über die Fahrbahnmitte gelangen und nicht bei den Gemüseständen anhalten oder zu viel Abfall von der Strasse knabbern. Wohin die wohl unterwegs sind? Und vor allem, wo kommen die Tiere her? Gibt es irgendwo einen Ziegenstall in der Stadt?
Es müssen gegen 50 Tiere sein, ein paar Schafe sind auch noch dabei.
Nachdem ich einen Viertelstunde gewartet habe, schicke ich ein Selfie an die beiden Nummern mit einem Morgengrusse. Er werde in 10 Minuten hier sein, lässt mich der Fahrer wissen, es dauert aber doch noch eine gute halbe Stunde, bis er vorfährt. Inzwischen trudeln aber ein paar Taxis ein. Laden Passagiere aus und ich vermute, das werden die anderen Ausflugsteilnehmer sein. Es sind Inder. Meistens Paare, ein paar haben Kinder dabei. Ich werde wohl die einzige Ausländerin sein, und auch die einzige, die allein unterwegs ist. Als dann der Kleinbus vorfährt, werden kurz die Namen gecheckt, wir können einsteigen. Ich ergattere mir den Platz hinter dem Chauffeur, hier habe ich die beste Übersicht.
Wir fahren in östlicher Richtung, machen noch einen kurzen Halt in Science City. Das ist ein Stadtteil von Kolkata. Der neue Teil mit neuen, zum Teil futuristischen Hochhäusern. Den Teil habe ich verpasst.
Hier stösst noch ein weiterer Bus dazu und ich schätze, dass wir am Schluss gegen 50 Personen sind. Hatte nicht erwartet, dass eine so grosse Gruppe zustande kommt.
Wir verlassen jetzt die Stadt und kommen über Landstrassen und durch kleine Dörfer. Es herrscht ziemlich viel Verkehr und die Aussicht von meinem Platz ist wieder äusserst spannend. Es wird gedrängt, auf Vortritt gepocht. Sicherheitsabstand gegenüber Fahrrädern oder anderen Verkehrsteilnehmern gibt es nicht. Wichtig ist, dass es vorwärts geht. Jeder überholt jeden, und jeder hupt, was das Zeug hält.
Nach knapp zwei Stunden gibt es einen kurzen Halt bei einem Imbissstand mit Toilette. Es gibt da sogar einen kleinen Garten mit ein paar sehr schönen Hibiskus-Pflanzen.
Und weiter geht die Fahrt. Manchmal kommen wir durch kleine Dörfer, an einem Ort wird die Strasse neu gemacht. Sogar eine richtige breite Planiermaschine ist im Einsatz. Und weil die Strasse breiter gemacht wird, mussten ein paar Häuser weichen. Jedenfalls Teile der Häuser. Sie wurden einfach eingerissen, soweit der Platz benötigt wurde. Den Rest wird man wohl irgendwann noch entfernen, oder lassen. Solche Häuser hatte ich an anderen Orten auch schon gesehen. Eine ziemlich brutale Art, wie mit Gebäuden umgegangen wird. Ich hoffe nur, dass die Besitzer entschädigt wurden.
Nebst den Dörfern fahren wir durch weite Reisfelder. Überall wurde der Reis abgeernet, es sind Stoppelfelder stehen geblieben. Die Reisigbündel liegen an den Strassenrändern oder werden mit Tuctucs transportiert. Zum Teil werden sie für Dächer verwendet.
Es ist bereits Mittag, als der Bus wieder hält. Wir sind im Ganges-Delta angekommen, jetzt geht es nur noch mit dem Boot weiter. Ich muss ein wenig schmunzeln, als ich sehe, wieviel Gepäck meine Mitreisenden mitschleppen. Ich habe selbstverständlich meinen Koffer im Hotel gelassen, bin nur mit dem Rucksack unterwegs und habe damit keine Probleme, ihn über die kurze ungeteerte Strasse zum Bootssteg zu tragen.
Tatsächlich bin ich die einzige Ausländerin. Der Rest sind Inder aus dem ganzen Land. Einzelne haben mich schon beiläufig gefragt, woher ich sei, andere beobachten erst einmal.
Es ist ein Holzboot mit Steuerhaus, Oberdeck mit Tischen und Stühlen und einem breiten Bett zum Relaxen. Unten gibt es ebenfalls Betten, doch die werden nur für die Lagerung des Gepäcks benutzt. Am Ende des Schiffes gibt es eine einfache Toilette, die ich lieber nicht benutzen möchte, denn es ist nur eine Bodenschüssel, wie man sie bei öffentlichen Toiletten manchmal noch sieht. Auch eine Küche gibt es im Unterdeck.
Wir legen los, fahren auf der breiten Wasserstrasse gen Süden. Jetzt begrüsst uns ein offizieller Guide. Er erzählt, wo wir uns befinden, erzählt über das Ganges-Delta. Es ist das grösste Flussdelta der Welt. Hier fliessen der Ganges, der Brahmaputra und der Meghna ins Meer. Die Flüsse kommen aus den Einzugsgebieten von Indien, Bangladesch, China, Butan, Nepal und Myanmar.
Das Delta ist nicht nur das grösste der Welt, es weist auch die dichteste Besiedelung auf. Die Menschen leben in meist kleinen Dörfern an den Ufern hinter Schutzwällen aus Lehm. Diese schützen gegen die Hochwasser, wenn der Wasserstand in der Monsunzeit steigt, werden aber von den alljährichen Zyklonen, zerstört, so dass es jedes Jahr viele Opfer in den Därfern gibt.
Man lebt hier vom Fisch- und Garnelenfang und kleinen Reisfeldern.
Kurz nachdem wir losgefahren sind, legen wir noch einmal an. Der Wassertank muss gefüllt werden. Bis hierher scheint die offizielle Wasserversorgung zu funktionieren, in den Dörfern wird das Regenwasser der Regen- und Monsunzeit in grossen Wasserbecken gesammelt und während des Restes des Jahres zum Kochen und Waschen gebraucht. Alle Dörfer haben solche Wasserspeicher, auch einige Häuser und Hotels haben sie. Das Wasser im Fluss ist salzhaltig, da hier die Gezeiten des Meeres Salzwasser bringen.
Nachdem wir wieder abgelegt haben, gibt es Mittagessen. Aus grossen Schüsseln wird geschöpft. Reis mit Dal, was nie fehlen darf. Dazu Gemüsecurry und Chicken. Es schmeckt richtig gut. Dass ich die einzige bin, die zum Essen einen Löffel verlangt, stört niemanden. Ich wundere mich nur immer wieder, wie manierlich man mit nur einer Hand essen kann. Dass bei der Essensausgabe ein Wasserhahn ist, an dem sich alle vor dem Essen die Hände mit Seife waschen, ist selbstverständlich.
Wir fahren dem Ufer entlang. Die Bäume, die hier mit langen Wurzeln im Wasser stehen sind Mangroven. Mangroven, gehören zu den Pflanzen, die in Salzwasser gedeien und die ständigen Wechsel von Salz- und Süsswasser überleben, genauso wie die wechselnden Wasserstände im Laufe des Tages von Ebbe und Flut.
Nach zwei Stunden erreichen wir das Dorf, wo wir übernachten werden. Es ist ein kleines Dörfchen mit verschiedenen kleinen Hotels in die die Gäste verteilt werden. Ich hatte mich schon die ganze Zeit gewundert, wo es wohl so ein grosses Haus geben könnte für all die Gäste die heute eintrudeln, denn wir waren nicht nur mit zwei Bussen unterwegs, wir kamen auch mit zwei Booten. Wobei nur auf dem einen gekocht wurde. Um die Töpfe ins andere Boot zu bringen, trafen sich die beiden Boote irgendwann auf dem Wasser und die Angestellten reichten das Essen und die Teller auf das andere Boot.
Der Bungalow, in dem ich untergebracht bin, schaut ganz modern aus, passt aber irgendwie nicht in das Dorf. Doch auch die anderen Hotels sind in ähnlich futuristischem Stil gebaut.
Über die Grösse des Zimmers kann ich mich nicht beklagen, es gibt zwei Doppelbetten, die Bettwäsche besteht aus Leintüchern und einer warmen flauschigen Wolldecke. Dass die Matratzen wohl etwas hart sind, haben meine FB-Leser sofort festgestellt. Ich nehme das inzwischen kaum mehr zur Kenntnis. Die Matratzen sind auch hier wieder nicht einmal weiche dünne Schaumstoffschichten, sondern überhaupt nur Hartschaumstoff, überzogen mit Stoff. Ich könnte also genausogut auf einem Brett schlafen. Doch tatsächlich sind Matratzen an vielen Orten so. Nachdem ich in den letzten Tagen in Kolkata wieder ein richtig kuscheliges Bett hatte, kann mich so eine Tatsäche überhaupt nicht mehr beunruhigen. Wichtiger sind Strom, Wifi und Heisswasser. Alles ist vorhanden, also Zimmer ok.
Nach dem Zimmerbezug geht es noch einmal hinaus aufs Wasser. Bald soll die Sonne untergehen und wir hoffen auf einen schönen Sonnenuntergang.
Weit brauchen wir nicht zu fahren, einfach so, dass wir die Sonne mit einer goldenen Wasserstrasse über dem Fluss beobachten können.
Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird es ziemlich schnell dunkel. Noch einen kurzen Moment verwandetl sich der Himmel zusammen mit dem Wasser in eine magische Farbkomposition aus Schwarz und Violettönen, dann geht es zürck in den Hafen.
Ein kleiner Fischmarkt im Hafen des Dorfes. Er bietet grosse Fische und vor allem riesige Tigergarnelen. Wie fein wären die jetzt vom Grill.... Doch grillieren scheint in Indien nicht üblich zu sein. Auch Krabben liegen in einem Korb und unser Guide erklärt uns, wie schwierig es ist, diese zu fangen. Von Hand muss man sie sofort fixieren, bevor man ihnen die Klammern schliessen und sie aus dem Wasser holen kann. Fischfang ist einer der wichtigen Einnahmequellen im Delta.
Ich bummle noch ein wenig über den kleinen Markt, den es nur in den Wintermonaten gibt, wie mir der Guide erklärt. Im Sommer während des Monsuns würde der Markt gar nicht abgehalten, dann kämen auch keine Touristen, weil das Delta dann zu stark überflutet sei. Ich habe also Glück, dass ich zur richtigen Zeit in Kolkata angekommen bin.
Spontane Selfies gibt es immer wieder. Manchmal packen mich Menschen, stellen sich neben mich, einzeln oder in Gruppen, wollen ein Selfie, wollen mit mir oder von mir fotografiert werden, fragen nebenbei which country, oder where do you come from? Man ist ziemlich ungeniert und vor allem neugierig. Manchmal strecke ich dann dem Fotografen auch mein Handy entgegen, damit ich von dem Ergebnis auch etwas bekomme. Mir kommt diese Unbekümmertiheit sehr entgegen, denn auch ich bin neugierig und brauche daher keine Hemmungen zu haben, wenn ich meinerseits Menschen fotografiere.
Auf dem Markt gibt es nicht nur Fische und etwas Gemüse, sondern auch lebende Hühner. Es wrid Fleisch gegessen in der Gegend, das ist auffällig. Ich nehme an, das kommt daher, dass es zwischen den breiten Wasserstrassen für keine grossen Pfanzungen Platz hat. Nur Reisfelder gibt es überall. Das ist Grundnahrungsmittel.
Später gibt es im Garten des Hotels noch eine kleine Vorführung von traditionellen Tänzen. Begleitet von einer Harmonika, und einer Trommel wiegen sich die jungen Frauen im Takt.
Danach gibt es im offenen Speisesaal noch ein kleines Nachtessen, aber dann bin ich so müde, dass ich gleich einschlafe und nur noch kurz ein Fotos poste. Ein paar Grüsse aus dem Delta absetze.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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