Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

City-Tour Rameswaram

Da hinten verschwindet grad der Vollmond

Da hinten verschwindet grad der Vollmond

Die Tour beginne am frühen Morgen, wir würden um halb sechs zum Sonnenaufgang starten, hat mir der Mann an der Rezeption gesagt.

Nun habe ich bekanntlich ziemlich Mühe, morgens so früh aufzustehen. Und erst noch bevor es draussen hell wird. Aber den Sonnenaufgang am letzten Punkt von Indien zu erleben, hat schon etwas für sich.

Also stehe ich pünktlich am Morgen in der dunklen Rezeption. Niemand da, dabei haben sie doch einen 24-Stunden-Service. Draussen steht ein Auto. Ob wir damit fahren. Am Steuer schläft jemand, soll ich den wecken? Ich brauche ziemlich viel Überwindung, bis ich ihn anspreche. Hallo, Mister, Hello!!

Ich könnte nicht behaupten, dass er mich angelächelt hat, als er endlich die Augen aufschlägt. Doch das hätte ich auch nicht getan. Immerhin schafft er es, mich an die Rezeption zurück zu verweisen und so stehe ich also wieder vor der Theke. Ich schalte das Licht ein und kann nun im Halbdunkeln hinter der Wand jemanden auf der Couch schlafen sehen. Also noch einmal von vorn: Good Morning, Hello.

Doch auch dieser Mann ist noch nicht zuständig, aber er schafft es wenigstens den Chauffeur, der noch etwas weiter hinten auf dem Plattenboden schläft, aufzuwecken.

Sonnenaufgang? Ja, nicht nur Sonnenaufgang, ich habe die City-Tour gebucht

Wait a minute! Er muss sich erst den Schlaf aus den Augen reiben, steht einen Moment in der Ecke - sein intimer Moment, sein Morgengebet? - ich gehe hinaus, warte bis er mit dem Auto vorfährt.

Er murmelt etwas von sunrise 6 Uhr 30, als er mich einsteigen lässt, doch da muss ich widersprechen, die Sonne geht exakt um sechs Uhr auf. Nicht anzunehmen, dass sie heute eine Ausnahme macht, weil wir spät starten,

Wir fahren los, aus meiner Sicht in die falsche Richtung, aber er wird ja wissen, was er tut. Tatsächlich weiss er das ganz genau. Ob ich 500 Rupies hätte, er müsse erst tanken, erklärt er mir, als wir in die Tankstelle einbiegen. Ich habe zum Glück etwas Geld eingesteckt, bin ja meist mit möglichst wenig unterwegs.

Nachdem das also erledigt ist, fahren wir zurück und sind schon bald auf der Strasse die zum äussersten Punkt der Insel führt. Jetzt wird gehupt was das Zeug hält. Jedes der wenigen Motorräder oder Tucktucks bekommt einen Ton, nur die Kühe, die auch schon auf den Beinen sind, werden verschont. Ich glaube, dass das Hupen vor allem dazu dient, meinen Chauffeur aufzuwecken.

Eine schmale Landzunge führt hinaus aufs Meer, wir sind allein unterwegs, fahren mit 100 Sachen. Links wird der Himmel hinter den niedrigen Büschen langsam rot, die Sonne geht auf, doch das kann ich nur erahnen. Als wir am äussersten Punkt ankommen, steht sie schon eine Handbreit über dem Horizont. Natürlich ist es noch immer imposant, wie die Sonne jeden Morgen kommt, Pünktlich und mit aller Kraft bringt sie das Licht.

Ich versuche, noch ein paar schöne Aufnahmen zu machen, habe sogar extra meine Glaskugel aus dem Rucksack geholt, aber ich muss schon bald einsehen, dass ich den besten Moment verpasst habe. Um 10 Minuten.

Beim Zurückfahren zeigt mir mein Chauffeur die Mauern einer alten Kirche Sie wurde 1964 durch einen Tsunami zerstört. Ich muss noch einmal nachfragen. 1964?

Ich habs später gegoogelt. Am 22. Dezember 1964 traf ein gewaltiger Zyklon die Gegend und hinterliess eine riesige Verwüstung. Es scheint, dass das Symbol von damals diese Ruine geblieben ist.

Als nächstes fahren wir zu einem kleinen Tempel, der ebenfalls sehr exponiert allein auf einer der schmalen Sandzungen steht. Hier schaue ich drei jungen Männern zu, die hinaus ins Meer waten Sie bieten ein schönes Fotosujet, doch was machen sie da draussen? Einer der uniformierten Polizisten, die mit dem Auto hier sind, klärt mich auf. Bei diesem Wasserstand gehen die Fischer zu Fuss hinaus und sammeln die Krabben von Hand, Weit draussen kann ich sie später sehen, es scheint, dass das Meer jetzt sehr niedrig ist. So niedrig, dass man sogar bis Sri Lanka laufen könnte. Natürlich muss man dabei durch Wasser waten, aber die lange Landzunge setzt sich unter Wasser fort.

Ich besuche noch kurz den Tempel, der aber nichts hergibt. Ausser vielleicht dem Baum um den viele Tücher und Kleider geschlungen sind.. Danksagungen für Wunder?

Wir fahren zurück in den Ort, die Tour wird später fortgeführt, jetzt gibt es erst einmal eine kurze Pause.

Ich steige bei der Bakery aus, trinke einen Chay zu einem süssen Kokosnussbrötchen. Der Chauffeur kann mich im Hotel erwarten. Wirst du zurücklaufen, fragt er mich ungläubig. Aber klar, was denkt er wohl, was ich in den letzten Tagen gemacht habe

Es lohnt sich , denn plötzlich höre ich Musik. Markdurchdringend, erschütternd. Es sind ein paar junge Männer, die bei einer kleinen Gebetsstätte ein Morgenständchen geben. Ich mache ein paar Aufnahmen, worauf sie noch intensiver in ihre Instrumente blasen oder auf ihre Trommeln hauen, dann kehre ich zum Hotel zurück.

Jetzt noch rasch unter die Dusche, dann lässt mir der Chauffeur bereits ausrichten, dass er startklar sei.

Wir fahren in die andere Richtung der Insel, dorthin, von wo ich gekommen bin. Bald stehen wir vor dem Memorial von Dr. A.P.G. Abdul Kalam, dem 11. Minsisterpräsidenten Indiens, von dem ich in Kochi die coolen Sprüche gelesen hatte. In 5 Minuten öffnet das Museum, erklärt mir mein Chauffeur, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Ich steige aus, er will mich weiter vorne wieder erwarten.

Von wegen 5 Minuten, offiziell öffnet es erst in 20 Minuten und ich mag nicht hier in der brütenden Sonne davor stehen. Also gehe ich den Chauffeur suchen.

Natürlich ist der ziemlich überrascht, als ich schon wieder auftauche, er hat es sich nämlich grad mit einem Omlett und einer Flasche Wasser gemütlich gemacht. In einem der Imbissstände. Ich bestelle einen Chai für mich und sehe dem Koch zu, wie der das Gebäck herstellt, das ich schon in Madurai gesehen hatte.

Es sind kleine runde Fladenbrote, was soweit gut nachvollziehbar ist. Wenn sie fertig gebraten sind, nimmt er sie von der heissen Platte, schichtet vier Stück aufeinander und schlägt mit den Händen darauf ein. Eine barbarische Art, die mir schon in Madurai sehr krass vorkam. Dann hackt er Zwiebeln, gibt ein Ei und ein paar Gewürze dazu. Dieses Omlett brät er dann auf der Platte und serviert es mit den Broten in einem Zeitungspapier. Ich habs nicht versucht, es sah aber gar nicht schlecht aus. Vielleicht später einmal, ich brauche für solche Experimente immer etwas mehr Zeit.

Unser nächster Halt ist ein geheimnisvoller Ort. Ein kleiner Tempel am Meer. Ich soll eintreten, drinnnen sind ein paar Frauen, ein Mann segnet sie. Auch ich werde gesegnet, indem ich meine Hände über eine Oellampe halten und dann an die Stirn greifen soll. Dann streicht mir der Mann etwas weisse Asche auf die Stirn. Weisse Asche bedeutet Shiva. Allerdings werde ich von den Frauen jetzt zum fotografieren gedrängt. Sie wollen unbedingt Selfies machen, doch der Priester erlaubt das nicht im Tempel. Also sind wir ganz schnell draussen. Zum Abschied drücken mir alle die Hand, sie scheinen es zu lieben, eine Ausländerin zu treffen.

der kleine Tempel am Meer

der kleine Tempel am Meer

Er wollte zwar nicht, dass drinnen fotografiert wird, hat sich dann aber trotzdem ganz hinten aufs Selfie geschlichen. Der Prister vom kleinen Tempel.

Er wollte zwar nicht, dass drinnen fotografiert wird, hat sich dann aber trotzdem ganz hinten aufs Selfie geschlichen. Der Prister vom kleinen Tempel.

Dann holt mich der bärtige Mann mit dem orangen Kopftuch und dem gelben Longhi ab, bittet mich, ihm zu folgen. Wir gehen hinaus auf den Steg, der ins Meer führt. Hier ganz draussen ist ein Brunnen. 8 Meter tief sei er und darin befindet sich Süsswasser. Er lässt seinen Kessel hinunter und holt Wasser heraus. Ich soll es kosten, er schüttet es mir in die Hände. Trink. Dreimal füllt er mir die Hand, dreimal muss ich trinken, damit es mir gut tut. Auf dem Rückweg bittet er mich um ein paar Rupien.

Hier an dem Ort soll nach der Legende Lord Rama (ein Gott?) seinen Pfeil und Bogen vergraben haben und als er ihn wieder holte, hat man die Quelle entdeckt. Speziell ist der Ort auf jeden Fall, denn der Brunnen befindet sich ziemlich weit draussen im Meer.

8 Meter tief ist der Brunnenschacht

8 Meter tief ist der Brunnenschacht

Unser nächstes Ziel ist die 2 km lange Panbam-Brücke, über die ich vorgstern hergekommen bin. Es gibt eine Strassenbrücke und eine Eisenbahnbrücke. Umdrehen darf man auf der Strasse nicht, darum fahren wir nicht auf die Brücke, halten vorher an, damit ich sie fotografieren kann. Neben der bestehenden Zugsbrücke wird eine neue Brücke gebaut. Sie ist bereits seit gute 4 Jahren im Bau und sollte in einem Jahr fertig sein. Auch diese Brücken wurden 1964 von Zyklon und Tsunami zerstört und es gab viele Tote. Die Brücken können sogar geöffnet werden, so dass grosse Schiffe passieren können Im Moment ist keines in Sicht, nur die kleinen Fischerboote liegen vor der Küste oder am Strand.

Wir fahren zurück, kommen wieder zum Memorial von Abdul Kalam, das jetzt geöffnet ist. Doch ich darf mein Handy nicht mitnehmen. Abgeben kann ich es auch nicht, soll es im Taxi lassen. Doch der ist bereits weitergefahren, wird wohl irgendwo im Schatten auf mich warten. Also suche ich schon wieder meinen Taxifahrer Er ist jetzt auf der anderen Strssenseite bei einem Getränkestand. Er hat sich eine frische Zitronenlimonade bestllt und ich lasse mir einen frischen Zuckerrohsaft zubereiten. Nebst einer Limone und einer Scheibe Ingwer gibt er noch ein paar intensiv duftende Pfefferminzblätter dazu. Einfach himmlisch - und sündhaft süss.

Auf das Memorial habe ich jetzt keine Lust mehr, wir fahren zurück in den Ort.

Der nächste Halt ist bei einem kleinen Tempel mit einem grossen Wasserspeicher, einem Pot. Davor sitzten ein paar Frauen, möchten etwas Geld, doch ich habe zu wenig Kleingeld dabei. Nur der Frau, die mir unter den Säulen entgegentritt, gebe ich die paar Münzen, die noch in meinem Portemonnaie sind. Dabei gerät ein kleiner Anhänger dazu, den mir eine Freundin im Frühling in Marseille geschenkt hat. Maria mit dem Kind. Natürlich hat ihn die Frau sofort gesehen und gleich an ihr Herz gedrückt. Dann soll sie ihn eben behalten. Vielleicht bringt er ihr Glück. Jedenfalls freut sie sich darüber.

Wir fahren noch etwas weiter, und jetzt kommt ein etwas skurriler Tempel. Der Tempel mit dem schwimmenden Stein. Zwei Steine sind es gar, die da auf dem Wasser schwimmen, und auf den die Gläubigen durch ein grobmaschige Gitternetz Münzen fallen lassen. Es muss ein leichter Lavastein sein, auch wenn er schwer aussieht. Oben ist er porös, Aber es ist eben ein Wunder, dass er auf dem Wasser schwimmt und der Priester, der ihn bewacht schupst ihn immer wieder an so dass man sich überzeugen kann, dass er wirklich schwimmt.

Der bärtige Mann, der beim Tempel sitzt, schenkt mir daraufhin ein oranges Bändelchen, das er mir satt ums Handgelenk bindet. Das soll ich wohl tragen, bis es zerfällt. Ich schenke ihm einen 10-Rupien-Schein - ich glaube, er hat mehr erwartet - und dann darf ich ihn fotografieren.

Wir fahren weiter, doch es bleibt nur noch der grosse Tempel. Ich versichere meinem Chauffeur, dass ich dort schon zweimal war und daher kehren wir ins Hotel zurück. Es ist schon wieder ziemlich warm geworden und ich möchte die neuen Eindrücke erst festhalten.

Festhalten und aufschreiben. Ich verbringe den Nachmittag im Zimmer, mache ein Nickerchen, schreibe und chatte.

Und am späteren Nachmittag gehe ich noch einmal zum Tempel. Laufe durch die langen Gänge, Versuche noch einmal ein paar Eindrücke einzufangen. Diesmal habe ich meine Glaskugel mitgenommen, doch es zeigt sich, dass es ziemlich schwierig ist. Eigentlich müsste ich sie in der Mitte positionieren, irgendwo drauf stellen. Ausserdem irritieren die Scheinwerfer, sie bringen ungewünstre Lichtreflexe.

Gar nicht so einfach. Ich halte die Kugel mit einer Hand, versuche mit der anderen die Kamera zu halten und auch noch den Fokus in der Mitte der Kugel zu richten. Und wie drücke ich jetzt ab? Zum Glück habe ich die Kopfhörer dabei. Wenn ich den Lautsprecher-Regler in den Mund nehme, kann ich mti den Zähnen abdrücken. Hab ich noch nie so gemacht, ist mir grad zufällig wieder in den Sinn gekommen, aber es klappt..

Doch ich falle auf, einer der Uniformierten pfeifft mich zurück: No fotos.

Ein paar habe ich trotzdem, das muss genügen.

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Ich setze mich in den Schatten beim Seerosenteich auf einen Absatz, schaue den Menschen zu, die ebenfalls hierher kommen und sehe zum ersten Mal, dass jemand Wasser aus dem Wasserspeicher schöpft. Mit einem kleinen Kessel holt er das Wasser herauf und übergiesst die Gläubigen, die anstehen. Für jeden gibt es drei Güsse. Bei dieser Hitze ist das eine angenehme Abkühlung und die Kleider sind schnell wieder trocken.

Dann gehe ich noch einmal zum Meer, schaue unterwegs einem Mann zu, der frisch gewaschene Hemden bügelt, das Stück für 15 Rupien und einem Schneider, der ein Paar Hosen in Arbeit hat.

Ich gehe zur Anlegestelle des Bootes doch die haben den Betrieb soeben eingestellt, es ist knapp nach halb sechs. Ich setze mich noch eine Weile auf die Bank, sehe wie die Schiffe von den letzten Sonnenstrahlen beleuchtet werden und schaue den Leuten zu. Später lasse ich mich von einem Tucktuck ins Hotel fahren. Auf der Fahrt sehe ich knapp noch die Sonne die sich auf der anderen Seite der Insel verabschiedet und den Himmel glühend rot färbt.

Im Zimmer bestelle ich beim Zimmerservice gebratenen Reis und bin ziemlch überrascht über das Paket, das ich eingewickelt in Zeitungspapier erhalte. Ob ich das wirklich will?

Alles nicht halb so schlimm, Der Reis wurde sorgfältig in ein Bananenblatt eingepackt und schmeckt hervorragend.

Danach verziehe ich mich ins Bett, suche noch einen Krimi in der Mediathek und bin rundum zufrieden. Es war wieder ein ausgefüllter Tag an dem ich neues gesehen, aber auch genügend Zeit für mich gefunden habe.

Mein Nachtessen

Mein Nachtessen

Die Videos aus Rameswaram findet man auf meiner eigenen Homepage:
www.bison.ch
Indien-Videos
Kapitel: Rameswaram

Auch sonst gibt es dort zu meinem Reisebericht immer ein paar ergänzende Videos, weil diese auf der umdiewelt-Seite nicht gepostet werden können.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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