Reise durch Indien
Dies und Das
Ein paar Tage einfach sein, nichts tun, vor allem nichts müssen. Auch nicht schreiben.
Wobei da setze ich mir eben doch immer wieder Druck auf, denn ich möchte den Anschluss in meinem Blog nicht verpassen, sonst hätte die ganze Sache irgendwie keinen Sinn mehr. Darum hockt eben doch irgendwo ein Druck im Hinterkopf, der immer wieder drängt, endlich die beiden Sightseeintage mit Rajesh aufzuschreiben. Aber es läuft nicht, es wollen sich keine Sätze bilden, wenn ich den Laptop öffne. Ich bleibe irgendwo im Facebook stecken, sehe, was meine Freundinnen so machen, chatte ein wenig da, kommentiere dort etwas und genau das tut mir gut. Ja, es hilft, dass ich in keine Löcher falle, wenn ich manchmal jemanden vermisse zum direkt plaudern.
Und ausserdem verführen mich die Verkaufsstände. Immer mehr lasse ich mich hineinziehen. Plaudern mit Gulam Nabi dem Juvelier ein paar Häuser weiter. Er hat nicht nur Schmuck, seine vielen Schals, bestickten Kleider und Stoffe weisen ihn ganz klar als Kaschmiri aus. Also reden wir über Kaschmir.
Wie die meisten Kaschmiri ist er nur hier, um Geld zu verdienen, sein Herz und seine Familie sind in Kaschmir und alle paar Monate reist er dorthin. Wir trinken Chai und ganz am Schluss kaufe ich ihm doch noch ein Collier ab. Brauche doch unbedingt ein Souvenir von ihm, von Dharamsala. Da werden kurzfristig alle guten Vorsätze über den Haufen geworfen.
Auch bei einem anderen Händler werde ich schwach, als ich glaube, dass er genau den richtigen Schal für mein Kleid aus Amritsar im Schaufenster hat. Es wird dann allerdings eine längere Suche und ein Hin und Her, Diskussionen über die richtige Farbe und ich muss sogar noch einmal darüber schlafen, bevor ich mich entscheide. Aber genau dafür habe ich jetzt Zeit.
Dieses Bild könnte auch gut in den Anden aufgenommen worden sein. Auch in der Höhe von Peru wird mit diesen leuchtenden Farben gearbeitet.
Zum Frühstück gehe ich jetzt manchmal in das nette tibetische Café mit der verführerischen Patisserie. Eine heisse Schokolade mit einem warmen Brownie, genau so fängt der Tag wunderbar an.
Ich beobachte die Frauen, die schon seit Tagen Kies schleppen. Ein Mann schaufelt ihre Plastikbecken voll und sie tragen sie dann den Hang hinauf. Überall fallen mir Frauen auf, die auf dem Bau diese schwere Arbeit erledigen. Den ganzen Tag, bis der Kieshaufen abgetragen ist. Und am nächsten Tag lädt ein Lastwagen Sand ab und die Schlepperei fängt von vorne an.
Auch die Wasserleitungen fallen mir jetzt auf. Direkt über dem schmalen Abwasserkanal, der sich durch das ganze Dorf entlang den steilen Strassen zieht, liegt das Gespinst der Rohre mit all den Anschlüssen für die Häuser.
Mein Papi, der Sanitär-Installateur würde da echt staunen. Er hat mich auf Reisen immer wieder auf ungewöhnliche Wasserleitungen aufmerksam gemacht. Dank ihm hab ich zum Beispiel gesehen, dass in England viele Wasserleitungen an den Aussenmauern zu den einzelnen Wohnungen führen. Aber so exotische Installationen wie hier haben wir noch nie gesehen. Und was ist, wenn es im Winter gefriert?
Beim Hauptplatz gibt es einen 'Brunnen' wo sich die Leute die Hände waschen oder ihre Wasserflaschen auffüllen. Es ist ein grosses Fass mit einem kleinen Hahnen. Auch das wird im Winter wohl gefroren sein, denn ich bin sicher, dass die Jahreszeit hier sehr kalt sein wird, auf 1700 m.
Den kleinen Stand des Fleischverkäufers habe ich nur zweimal offen gesehen. Das Fleisch hängt hier am Haken, drin gibt es eine grosse Waage und bestimmt einen Fleischer mit einem grossen Messer.
Der allerdings mag nicht, dass ich fotografiere und schicke mich weg, als er mich sieht. Darum komme ich später noch einmal vorbei, wenn er nicht da ist.
Dressed Chicken sind ausgenommene, pfannenfertige Poulets. Auch diesen Laden haben ich nur einmal offen gesehen.
Vielleicht sollte ich noch etwas zu den auffallend vielen Hunden sagen, die überall auf den Strassen liegen. Meistens dösen sie in der Sonne, unbehelligt und unbeteiligt. Ob sie jemandem gehören, konnte ich nicht ausmachen. Sie haben jedenfalls keine Halsbänder an, sehen aber auch nicht vernachlässigt aus. Irgendjemand wird sie wohl füttern und vielleicht finden sie am Abend ihr zu Hause wieder.
Ich frage die Angestellte an der Rezeption nach einer Pedicure. Ich hatte mich überall umgesehen, aber keine entdeckt.
Doch, doch, meint sie, die gibt es. An der Hauptstrasse, ganz oben, hundert Meter vor dem Hauptplatz. Sie ruft an, um abzuklären, ob offen sei und schreibt mir den Namen auf: Parveen.
Ich mache mich also noch einmal auf den Weg. Und tatsächlich, zwischen all den Läden, den Schildern und Werbung, entdecke ich das Schild und auch den schmalen Gang, der zwischen den Häusern entlang führt. Das hätte ich tatsächlich nie im Leben gesehen. Und wenn da nicht der grosse Hinweis und der etwas kleinere Pfiel am Ende des langen Ganges gewesen wäre, wäre ich wohl auch nie darauf gekommen, hier ein Nagelstudio zu suchen.
Auch der Abstellraum, durch den ich dann noch komme, erscheint nicht sehr vertrauenswürdig. Erst die halb verwitterte Anschrift ONLY FOR LADIES zeigt mir endgültig den Weg. Und dann stehe ich tatsächlich in einem kleinen Coiffeursalon mit Nagelstudio. Die beiden Angestellten machen einen professionellen Service mit intensiver Fuss- und Handmassage und ich verlasse den Salon höchst befriedigt. Endlich sind meine Nägel wieder in Ordnung. Einen Nagellackentferner habe ich nämlich in verschiedenen Läden vergeblich gesucht. Dieser Service war allerdings viel entspannter, als selber machen.
Ich gehe noch einmal in den Tempel des Dalai-Lama. Vielleicht ist er heute da und ich treffe ihn. Einfach so.
Ziemlich exotische Vorstellung, die sich natürlich nicht erfüllt. Aber die Mönche haben heute Unterricht. Unter dem grossen Dach üben sie in Zweiergruppen. Was sie genau machen, erschliesst sich mir nicht. Ich versuche, den Lehrer anzusprechen, er bewegt sich zwar zwischen den verschiedenen Mönchsgruppen, hat aber für Besucher keine Augen. Er spricht mit einzelnen Schülern, macht sich Notizen in sein Heft und geht weiter.
Dann muss ich mir eben selber eine Variante vorstellen. Einer der Schüler sitzt am Boden, während der andere kleine Scheinangriffe ausfühlrt. Mit scharfen Worten und einer Attacke mit der Hand, die allerdings kurz vor dem Kopf des anderen abschweift, könnte es sein, dass Gelassenheit geübt wird. Sich nicht einschüchtern, nicht provozieren lassen. Gelassen da sitzen, lächeln. Meist lächeln sich die beiden Schüler dann auch gegenseitig an. Es gibt ganz junge, Kindermönche, Jugendliche, erwachsene Männer.
Ich gehe in den Tempel, setze mich auf den niedrigen Fenstersims und lasse die ruhige Atmosphäre auf mich wirken. Nichts tun, einfach sein und beobachten.
Noch einmal die grosse Gebetstrommel drehen, hoffen, dass sich der Friede verbreitet, die guten Gedanken und Wünsche die darin stecken, ihren Weg in die Welt finden.
So wird es Freitag und eigentlich hatte ich geplant, am Samstag weiter zu reisen. Aber ich bin noch nicht bereit. Ich weiss, dass es eine lange Busfahrt wird bis zu meinem nächsten Ziel und dafür kann ich mich im Moment nicht motivieren. Also verlängere ich um einen Tag und packe am Samstagmorgen meinen Laptop. Steige hinauf zum Hotel Gandhis Paradise, wo ich schon am ersten Tag war und wo mich eine nette Angestellte bedient hatte.
Diesmal bleibe ich nicht auf der Terrasse, die ist am Vormittag noch zu kühl, sondern setze mich ins Restaurant zwei Etagen höher. Hier hat man eine tolle Aussicht auf den Dorfteil mit dem 'Wasserfall'. Ich bestelle ein Frühstück.
Nachher schreibe ich, lade Bilder hoch und bin ganz zufrieden, bis ich die ganze Sache speichern will. Naja, und da passiert es eben. Das Wlan ist weg. und mit ihm mein ganzer Text und die Bilder.
Jetzt nutzt auch die schöne Aussicht nichts mehr. Ich fange noch einmal an.
Beim zweiten Mal fällt das Schreiben leichter, ein paar Sätze sind im Kopf hängen gebliegen, ein paar müssen neu defniert werden, anderes fällt wohl weg.
Ich bin jetzt vorsichtiger, speichere öfters, aber es passiert trotzdem noch einmal, dass ein Teil der Arbeit verloren geht. Frust auf der ganzen Linie.
Auf dem Rückweg, den ich eigentlich zu Fuss machen will, kommt mir ein Tuctuc entgegen. Ausgerechnet Rajesh, der mich am ersten Tage genau hier aufgelesen hat. Was für ein Zufall. Und was für eine Aufsteller. Er bringt mich hinunter ins Dorf wo ich zu einem späten Lunch einkehre.
Rajesh weiss auch, wann mein Bus morgen fahren wird und er wird mich am Vormittag zur Busstation fahren.
Hab ich schon einmal erwähnt, dass alles zur richtigen Zeit kommt? und dass ich mir genau darum nur sehr selten Sorgen und keine genauen Pläne mache.
Später im Hotel schreibe ich den Blog fertig und stelle ihn online. Geht doch
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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