Reise durch Indien
Zoo_Safari
Es brauchte etwas Geduld, bis Akrim hier war. Ich hatte ihn gestern schon gefragt, ob er denn lesen könne, weil er mir schon gestern keine Antwort auf eine Mitteilung gegeben hatte. Ja natürlich, hatte er mit dem Kopf wackelnd erklärt, aber sicher bin ich jetzt noch immer nicht. Vielleicht kann er aber auch nicht englisch schreiben. Sein Englisch ist ja auch nicht wirklich gut.
Aber was solls, kurz bevor ich aufgeben und ein anderes Tuktuk anhalten will, von denen genug herumkurven, ist er da, mit einem breiten Grinsen. "Yes mam, here I am." Natürlich schlägt er wieder seine Tour vor. Zuerst den Bullen-Tempel, doch ich habe was anderes tierisches vor. Den Zoo. Wird er mich dahin fahren und was will er dafür. Er wiegt den Kopf, was mich noch immer etwas irritiert. Es schaut aus, als ob er abwägen würde, das zu machen. Aber inzwischen weiss ich, dass das Ja heisst auch wenn es immer so zweifelnd aussieht. Mit dem Preis allerdings will er sich allerdings auch heute nicht festlegen. "Pay as you want." Zahle was du willst...
Wir werden uns schon irgendwie finden, also fahren wir los. Es geht in Richtung Süden, entlang der neuen Metrostrecke, die im Bau ist. Ich bin nicht sicher, ob sie schon 2 Jahre am Bauen sind oder ob sie noch 2 Jahre brauchen werden.
"The new metro, two years", sagt Akrim jedenfalls. Wir kommen überall an Baustellen vorbei, aufgerissene Strassen und hoch über uns das Trassee der neuen Bahn.
Links kann ich einen grossen SPAR erkennen, hab nicht gewusst, dass es die hier auch gibt, rechts eine grosse Moschee und gleich darauf eine christiliche Kirche. Also auch hier ein Nebeneinander der Religionen. Muss ja auch so sein in dieser Stadt mit ihrer hohen Zuwanderung und extremen Bevölkerungsdichte von 4380 Einwohner/km2.
Um die vielbefahrene Hauptstrasse zu umgehen, kommen wir in ein kleines Quartier mit vielen Geschäften mit Granitsteinen. Wunderschöne Granitplatten in verschiedenen Farben sind hier nebeneinander aufgebaut und irgendwo lese ich Export von Granit und Marmor. Ob wohl meine Küchenabdeckung in der Schweiz auch mal hier zwischengelagert war?
Egal, ich sollte mich eh besser auf Akrims Fahrstil konzentrieren und mich festhalten, damit ich auf dem Sitz nicht hin und her geschüttelt werde.
22 km dauert die Fahrt, denn der Zoo ist ziemlich weit ausserhalb der Stadt. Akrim fährt auf den riesigen Parkplatz, wo nur wenige Auto stehen. Er bringt mich noch zum Ticketschalter, um zu sehen, dass es mit dem Eintritt auch wirklich funktioniert, dann geht er zurück zum Parkplatz. "I am waiting." Das kann aber länger dauern, wende ich ein. "No problem, 3 or 4 hours".
Das wäre also geklärt, ich kümmere mich jetzt um mein Ticket und soll mich in einem Warteraum hinsetzen. Draussen steht ein grüner Bus mit Gittern rundum. Ein Safari-Bus. Das war mir gar nicht klar, als ich den Zoo im Internet gesucht hatte. Da stand zwar Safari-Park, aber ich hatte mich mehr mit dem Butterfly-Park befasst, der auch dazu gehören soll.
Während ich warte, finde ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich vorher noch eine Toilette suche, denn ich bin nicht sicher, wie lange die Fahrt dauern wird. Hoffentlich fahren die inzwischen nicht ohne mich los.
Als ich zurück komme, steht der Chauffeur vor dem Bus und heisst mich einsteigen, die anderen sind noch im Warteraum. Ja, da vorne, ja, genau da, neben dem Driver. Ich bekomme also den besten Platz, während sich die anderen hinten in die Bänke zwängen.
Es herrscht noch ziemlich viel Stimmengewirr, ein kleines Mädchen plärrt auf dem Arm ihres Vaters, als wir losfahren.
"Ruhe jetzt, die Safari beginnt!" ruft der Fahrer, als er durch das grosse Tor fährt, das hinter uns gleich wieder geschlossen wird. Und was für eine Überraschung, es wird ganz ruhig im Bus, sogar das kleine Mädchen hat sich beruhigt.
Wir fahren an einer grossen Gruppe dieser getupften Rehe vorbei. Axishirsche heissen sie. Ich versuche, ein Bild von ihnen zu erhaschen, doch das stellt sich als ziemlich schwierig heraus. Erstens sind sie auf der anderen Seite des Busses, andererseits gibt es diese Gitter an allen Fenstern. Etwas frustrierend.
Doch es gibt Hilfe, der Chauffeur hält mir die Hand hin, will mein Handy und macht ein paar Bilder von seinem privilegierten Platz aus. Und dann behält er mein Handy gleich bei sich, legt es auf das Armaturenbrett und fährt weiter. Durch eine doppelte Schleuse gelangen wir in den Bereich der Elefanten.
Und tatsächlich, da kommt auch schon ein grossr Bulle rechts aus den Büschen. Ganz ohne Beeinträchtigung von Gittern drückt der Driver mit meiner Kamera ab. Auch die nächste Elefantengruppe, die sich am Eisenzaun aufhält wird mehrfach festgehalten. Bis die junge Inderin neben mir findet, dass sie auch gern solche Bildr hätte und nicht durch die Gitter zirkeln möchte. Sie hält ihm ihr Handy hin, worauf der Driver auch damit ein paar Fotos macht, ihr die Kamera aber gleich wieder zurück gibt. Meine behält er, denn wir fahren jetzt in den Bärenpark.
Kaum sind wir durch die Schleuse gefahren, sehen wir sie. Dort geht einer, da drüben liegt einer auf einem Stein, links streift einer durch das Gebusch. Sie sind überall. diese schwarzen zotteligen Gesellen. Nicht ganz einfach zu fotografieren, denn irgendwie wirken sie immer wie ein schwarzer Fleck in der Landschaft, doch im Moment ist das gar nicht mein Problem. Ich habe heute einen Privatfotograf, der den besten Überblick hat.
"82 Bären gibt es hier im Park, 3 Familien", erklärt der Driver auf meine Frage und macht gleich noch ein paar Detailaufnahmen.
Wir verlassen die Baren, kommen in den Bereich der Löwen. Davon gibt es 13 hier, doch auf den ersten Blick ist keiner zu sehen. Wir spähen alle zwischen die hohen Bäume, da sieht der Fahrer eine Löwin, die gemächlich daher schlendert. Er fährt ihr auf den Waldweg entgegen, nicht ohne laufend zu fotografieren. Von hinten streckt ihm jemand ein Handy entgegen. Er nimmt es, drückt kurz ein paar Aufnahmen und kümmert sich dann wieder um mein Handy. Scheint, dass er sich nur von mir ein Trinkgeld erhofft.
Jedenfalls legt sich die Löwin direkt neben dem Bus auf den Boden und natürlich hält der Chauffeur den Bus genau daneben, so dass er von seinem Sitz den allerbesten Blick auf das Tier hat. Was die hinteren Passagiere davon halten, kümmert ihn nicht. Dafür zeigt er allen ganz am Schluss stolz das Video, das er von dem Tier mit meiner Kamera gemacht hat, bevor er rückwärts zurück zur asphaltierten Strasse fährt. Wir sind in einem Bambuswald. Hohe Bambusstängel wachsen überall, gemischt mit noch höheren Bäumen und einem lichten Unterholz.
Wir verlassen den Bereich der Löwen und kommen zu den Tigern. Doch die sind leider im Moment nicht in der Freiheit, sondern in ziemlicher Entfernung hinter Gittern. Das Gelände und die Mauern müssten neu gesichert werden, erklärt der Chauffeur. Kurz darauf verlassen wir den Safari-Bereich, "Die Safari ist damit beendet", verkündet der Chauffeur und fährt durch das grosse Tor, zurück zum Ausgangspunkt der Tour.
"Kannst du mir die Fotos schicken?", fragt mich die junge Inderin neben mir, die mit ihren Eltern aus Delhi kommt. Und auch die islamische Frau, die die Mutter des schreienden Mädchens ist, das während der Tour erstaunlich ruhig geworden war, möchte meine Bilder. Sonja heisst sie und selbstverständlich verspreche ich, die Bilder später, wenn ich besseres Wifi habe, zu übermitteln.
Ich folge den Schildern und komme zum Schmetterlingshaus das mit einem grossen Schmetterlingstor auf mich wartet.
Drinnen werde ich von einem der beiden Wärter gleich in Beschlag genommen. Er zeigt mir die winzigen Eier, die an der Unterseite vieler Blätter liegen. Einige werden eingesammelt und in die Brutanlage gebracht, andere lässt man hier im grossen Bereich zu Raupen werden. Auch eine Raupe bringt er mir, legt sie in meine Hand. Dazu kommt kurz darauf eine Puppe und gleich noch eine golden schimmernde weitere Puppe.
"Was wird daraus werden?" will ich wissen. "Ein Common Crow". Das sind die, die hier überall herumschwirren, schwarz mit weissen Tupfen an den Flügelrändern.
Auch die gestreifte Raupe, die jetzt in meiner Hand liegt, ist ein zukünftiger Common Crow. Es ist die im Moment häufigste Art in Schmetterlingshaus. Als Zweitnamen habe ich dazu Oleander-Schmetterling gefunden. Der zweite Schmetterling der herumflattert ist der Common Mormon, er hat ausser schwarz-weiss auch ein paar rote Markierungen.
Auch der Wärter hat jetzt einen gefunden, er pflückt ihn mit der Hand von einem Blatt. "Er ist noch ganz jung, hat grad erst seine Flügel getrocknet, darum lässt er sich so leicht fangen". Er hält ihn an meine Wange und übernimmt dann unmissverständlich mein Handy. Was ist heute nur los mit den Männern?
Er drückt ein paarmal ab und besteht dann darauf, von mir ein paar Aufnahmen zu machen. Und erst auf dieser Aufnahme erkenne ich, die Schönheit der ganzen Halle.
Die hohe runde Stahlkonstruktion hat einen ganz eigenen Zauber und ich merke, dass ich mich vom Wärter und seinen Informationen völlig vom ganzen ablenken liess. Also gehe ich jetzt nicht in das Informationsgebäude, an dessen Ende der Ausgang steht, sondern spaziere noch einmal zurück durch die Schmetterlingshalle. Allein und ungestört und versuche ein paar Schmetterlinge einzufangen. Das ist gar nicht so einfach, sie sind heute trotz fehlendem Sonnenschein ziemlich nervös, bleiben kaum je irgendwo stehen.
Ganz am Schluss gelange ich trotzdem noch in die Ausstellung, wo viele sehr gute Bilder und Informationen über das vierfache Leben des Schmetterlings Auskunft geben. Ich glaube nebst seiner Schönheit ist es das, was so fasziniert. Wie aus einem Ei eine Raupe, eine Puppe und ganz am Schluss ein so filigranes Insekt entstehen kann. Evolution auf ein paar Monate reduziert. Ein echtes Wunder.
Ich bin kaum in der Halle, da hat mich der Wärter schon wieder entdeckt. "Hast du den Tausendfüssler gesehen?" will er wissen, was ich verneinen muss. In die Terrarien habe ich nicht geschaut. Dem hilft er gleich nach und legt mir einen riesigen Tausendfüssler auf die Hand. Wie das kribbelt und krabbelt! Er nimmt ihn mir wieder ab, legt ihn zurück zu den anderen, die da übereinander liegen. "Viele Babys", lacht er und öffnet das Terrarium daneben.
Please, lass den Skorpion in seinem Haus, hole ihn nicht raus, bitte ich ihn, worauf er lächelnd meint, er hätte mir nur das kleine Baby zeigen wollen, das unter einem Stück Holz liegt.
Ich verabschiede mich vom äusserst freundlichen Wärter. Tatsächlich ist die Fotoausbeute nicht wirklich gut geworden, aber die Informationen in diesem Schmetteringshaus waren sehr umfassend und ausführlich.
Ich schlendere durch den feuchten Wald zurück zum Zooeingang, denn mein Ticket beinhaltet auch noch einen Eintritt zum ganz gewöhnlichen Zoo.
Ich finde die Giraffe, die in der weitest entfernten Ecke ihres Geländes steht, komme bei den Zebras und beim Emu vorbei. Beim Tiger, der vor seinem Haus unruhig herumschleicht merke ich, dass ich für heute genug tierisches hatte. Nur noch ein Schwenker in die Urzeit mit den riesigen Dinosaurer, dann schreibe ich Akrim eine Mitteilung, dass ich komme, denn ich nehme nicht an, dass er die ganze Zeit im Tuktuk gewartet hat.
Beim Parkplatz treffe ich noch einmal auf Sonja, die sich vergewissert, dass ich ihr auch bestimmt die Fotos schicken werde, dann kommt Akrim und wir fahren zurück, während Sonja ins Auto ihrers Mannes einsteigt und auch losfährt.
Meine Müdligkeit ist schlagartig fort, als wir kurz darauf bei einem kleinen Vergnügungspark vorbeikommen. "Anhalten bitte!"
Kommst du mit? frage ich Akrim, aber der winkt entschieden ab. Auf gar keinen Fall. Erst als kurz darauf Sonja mit ihrer kleinen Familie ausgerechnet auch hier anhält und in eine Gondel einsteigt, überlegt es sich Akrim noch einmal und steigt ebenfalls ein.
Der junge Mann an der Steuerung lässt den Diesel-Motor an und aus dem Ausupff entweicht eine schwarze Rauchwolke, während der Treibriemen das Riesenrad in Gang bringt.
Ganz langsam dreht es sich und die Mine meines Begleiters entspannt sich langsam. Er beginnt die Fahrt zu geniessen, während ich je länger je mehr Bedenken bekomme. Hält diese Konstruktion das überhaupt aus? Muss das so schnell fahren und überhaupt, hält das Ding überhaupt wieder einmal an?
Es dreht ziemlich schnell und ziemlich lange, jedenfalls bin ich am Schluss froh, dass ich aussteigen kann, während sich Akrim über seine erste Riesenradfahrt freut.
Auf dem langen Rückweg zum Hotel entdecke ich mitten in der Stadt ein Fuder Gras, das von einer Kuh gezogen wird. Ob die in einem nahen Park gegrast haben?
Den Abend lasse ich später im Tom's ausklingen, einem eleganten Restaurant auf der anderen Strassenseite, das ich erst heute entdeckt habe. Es ist zwar fast leer, aber das Essen ist fein und die Bedienung freundlich.
Es war wieder ein intensiver Tag in Bangalore.
Bevor ich einschlafe übermittle ich Sonja und Sweetja ein paar Fotos von der Safari. Tatsächlich hat der Fahrer fast 100 Bilder geknipst. Meist natürlich die gleichen, aber einige sind richtig gut geworden. Und die Videos werde ich auch noch auf meine Bison-Seite posten.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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