Reise durch Indien
Sightseeing Delhi
Ein tolles Buch, das mich komplett gefesselt hat.
Ich bin also gestern in der Hauptstadt angekommen. New Delhi, oder einfach Delhi. Als Agglomeration gehört sie zu den allergrössten Städten der Welt und schlägt noch Mumbai, von dem ich gelesen hatte, dass es die grösste Stadt Indiens sei. Aber wahrscheinlich kommt es dabei immer darauf an, wieviel vom Umland dazu gezählt wird. Jedenfalls soll die Metropolregion Delhi knapp 32 Millionen Einwohner haben. Ein Moloch.
Gestern hatte ich davon allerdings noch gar nichts bemerkt. Ich hatte schon im Flugzeug ein neues Buch angefangen und hätte fast die Landung verpasst, so spannend war es.
Als ich mich im Hotel kurz hinlegen und noch ein paar Seiten weiter lesen wollte, bin ich so tief eingetaucht, dass ich alles rundum vergessen habe. Irgendwann war das Buch aus und es war zu spät, noch ein Restaurant zu suchen. Das Restaurant im Hotel ist leider im Moment geschlossen. Wegen Umbau.
Heute aber mache ich mich auf, die Stadt zu erkunden. Das Frühstück wurde mangels Restaurant ins Zimmer geliefert, was ich nicht wirklich mag. Aber auch daran gewöhnt man sich.
Mein Hotel ist in der Nähe der Altstadt und ich mache mich erst einmal zu Fuss auf. Bummle durch schmale Gassen, staune wieder einmal über den ganzen Kabelsalat, der sich von Haus zu Haus spannt, über die Strassen, vor Fenstern. Es ist einfach immer wieder erstaunlich, wie das alles klappt. Dass die vielen Klimageräte funktionieren, die Lampen in den Geschäften, die Leuchtreklamen nachts. Und immer wieder stellt sich mir die Frage, ob da überhaupt noch jemand den Überblick hat oder ob bei Bedarf oder wenn etwas nicht mehr funktioniert, einfach ein neues Kabel aufgehängt wird.
Nach den kleinen Gassen schwenke ich zurück zu einer der Hauptstrassen. Hier ist der Verkehr erstaunlich. Was sich da alles mit den Autos die Strasse teilt. Es gibt wieder jede Menge Tuktuks, in Mumbai hatte ich keine mehr gesehen, jedenfalls nicht da, wo mein Hotel lag. Und es gibt Fahrräder und Rikscha-Fahrer, Räder mit riesigen Lasten direkt auf dem Fahrrad oder einem Aufbau, der je nachdem vor dem Fahrer montiert oder hinter ihm hergezogen wird. Handwagen, werden über die Kreuzung manövriert, der Eisverkäufer stösst seinen Verkaufsstand vor sich her, zwischen allen anderen zwängen sich die unzähligen Motorräder und alles bleibt immer im Fluss. Kaum je bleibt jemand stehen, es wird ausgewichen, es wird gehupt, aber es ist nie ein agressives Hupen, es heisst eher: Ich bin da, ich will da vorbei, mach Platz. Platz wird zwar kaum gemacht, und auch wenn manchmal nur Zentimeter fehlen, es fährt, es läuft, es geht immer weiter. Auch Fussgänger müssen sich dem System anpassen, laufen über die Strasse, laufen weiter, wenn ein Auto kommt, weichen kurz aus, gehen weiter. Der Vortritt gehört dem, der ihn sich nimmt.
Irgendwann halte ich ein Tuktuk an, habe gemerkt, dass der Weg zum Gate of India zu Fuss doch zu weit ist. Und bestimmt gibt es auf dem Weg dahin noch das ein oder andere zu sehen. Tuktuk-Fahrer sind immer gute Fremdenführer zu den Sehenswürdigkeiten einer Stadt. Vor allem wenn ich mich vorgängig nicht damit befasst habe.
Tatsächlich bleibt er kurz bei einer schönen roten Kirche stehen. Es ist die Heilig-Herz-Kirche und es werde hier täglich eine Messe gelesen, erzählt mir mein Fahrer. Hinein gehen mag ich nicht, so fahren wir weiter.
Ob ich die grosse Sikh-Moschee sehen wolle, fragt er mich kurz darauf, als wir bei dem grossen weissen Gebäude vorbei fahren. Ja selbstverständlich. Der Eingang ist an der Seite und nachdem er mir versichert hat, dass ich hier auch wieder heraus kommen werde, wartet er, damit ich die Moschee besichtigen kann.
Schuhe ausziehen ist eine Selbstverständlichkeit, aber eine junge Frau macht mich darauf aufmerksam, dass ich eine Kopfbedeckung überziehen müsse. Hab ich aber nicht dabei, wie komme ich zu einem Kopftuch?
Das ist überhaupt kein Problem, in Behältern liegen ganz viele kleine Stoff-Fetzen, gerade gross genug, dass ich mir ein Kopftuch binden kann. Jetzt noch die Hände an einem der Wasserhahnen waschen, mit den blossen Füssen durch das Wasserbad am Ende der Treppe laufen und schon bin ich bereit für die grosse Moschee.
Schneeweiss erhebt sie sich und wird von vielen goldenen Kuppeln geschmückt. Ein sehr eindrücklicher Bau. Ich meine gelesen zu haben, dass es das grösste Heiligtum der Sikh ist. Sein Ursprung geht ins 17. Jahrhundert zurück.
Ich darf sogar hinein, was ja nicht in jeder Moschee selbstverständlich ist. Drinnen ertönen eigenartige Klänge. Zwei Musikanten sitzen auf einem Podest und entlocken ihren Saiteninstrumenten eigenartige Töne, der dritte schlägt dazu die Trommel. Und alle drei singen. Menschen kommen, verneigen sich vor dem goldenen Heiligtum, bringen Blumen oder Geld und setzen sich irgendwo in der Nàhe hin, verharren in Meditation oder Gebet.
Es ist eine mystische Stimmung, der ganze Raum ist erfüllt von den Klängen der Musiker, den stillen Gebeten. Nachdem ich ein paar Fotos gemacht habe, macht mich ein alter Mann darauf aufmerksam, dass ich nicht fotografieren sollte, worauf ich die Kamera einstecke. Mache mir aber keine grossen Gedanken, schliesslich ist gegenüber den Musikern ein Stativ mit einer Kamera aufgebaut, es wird also auch fotografiert. Auch ein paar Gläubige machen Bilder.
Hinter der Moschee komme ich in einen grossen Hof. Ein paar Stufen führen hinunter ans Wasser. Ein riesiges Wasserbecken liegt da, in dem sich die Moschee spiegelt. Am Ufer reinigen sich ein paar Gläubige die Füsse, auf der anderen Seite des Wassers nehmen alte Männer ein rituelles Bad. Ich laufe einmal um das ganze Becken, lasse die ganz eigenartige ruhige Stimmung auf mich einwirken. Würde ,mich gern irgendwo hinsetzen, doch leider gibt es keine Sitzgelegenheiten. Oder vielleicht auch ganz viele, denn man könnte sich in den Säulengalerien auf den Boden setzen, oder gar legen, so wie es viele Besucher machen. Sie scheinen zu schlafen oder vielleicht meditieren sie. Vielleicht sind sie von weit her gekommen, um in diesem grössten Sikh-Tempel Delhis zu beten.
Bevor ich das Gelände wieder verlasse, besuche ich noch das angrenzende Museum. Mit vielen Bildern und indischen Texten wird die Geschichte der Sikhs und dieser Moschee erzählt. Ich habe allerdings nicht die Musse, mir alles genau anzusehen, lasse mich von ein paar Bildern in eine mystische, mir völlig unbekannte Welt hineinziehen und gehe dann zurück zu meinem Tucktuckfahrer.
Er fährt mich zum Gate of India, dem grossen Tor, dem Triumphbogen, der dem von Paris nachempfunden ist. Hier möchte ich ein wenig durch den Park spazieren und entlasse meinen Fahrer. Muss allerdings bald feststellen, dass der grosse Park geschlossen ist. Überall steht Polizei oder Militär, es gibt keinen offenen Eingang, auch wenn ich glaube, drinnen ein paar Leute zu erkennen. Wahrscheinlich sind es die Unterhaltsarbeiter oder deren Aufpasser. Jedenfalls nutzt es auch nichts, wenn ich dem langen Zaun entlang laufe, es gibt kein Durchkommen. Auch die lange Grünzone, die zum Parlaentsgebäude führen würde, ist geschlossen.
Das erklärt mir denn auch ein Tuktukfarher, der mich über die Strasse begleitet - ich hätte es auch selber geschafft, aber er will sich mein Vertrauen gewinnen. All die Parks seien nach der Pandemie nicht mehr geöffnet worden, meint er. Aber er könnte mir sonst noch ein paar Sehenswürdigkeiten zeigen. Da das mit dem Parkspaziergang nichts geworden ist, willige ich ein und bin gespannt, was er in seinem Programm hat.
Ganz in der Nähe ist das Mahatma Gandhi Memorial. Hier wurde er 1948 ermordet. Es gibt eine lange Galerie mit vielen Fotos und Episoden aus seinem Leben. Viele Bilder mit Begegnungen mit wichtigen Menschen seiner Zeit. Er war ein Feiheitskämpfer, ein Pazifist, der wohl als einer der ersten für die Durchsetzung seiner Ziele in den Hungerstreit trat.
Seine letzten Schritte, bevor er 78-jährig von einem Attentäter erschossen wurde, tat er in diesem kleinen Park. Seine letzten Schritte werden hier symbolisch nachgestellt mit Spuren auf dem schmalen Pfad bis zum Ort seines Todes, der mit einem Gedenkstein gekennzeichnet ist.
Ein würdiges Memorial. ein stiller Ort für einen grossen Mann mit grossen Ideen. Der grösste Held Indiens.
I know the path. It was straight and narrow.
It is like the edge of a sword. I rogoice to walk on it.
Ich kenne den Weg. Er war gerade und schmal.
Er ist wie die Schneide eines Schwertes. Ich traue mich darauf zu gehen
Auch der nächste Ort ist einer grossen Person gewidmet. Indira Gandhi. Sie war nicht verwandt mit dem grossen Freiheitskämpfer, aber auch sie war eine grosse Persönlichkeit in der indischen Geschichte. Auch ihr Museum liegt ganz in der Nähe,
Indira war die Tochter des ersten Premierministers des unabhängigen Indiens, Jawaharlal Nehru. Zum Namen Gandhi kam sie durch Heirat mit ihrem Mann Feroze Gandhi. Sie war schon als junge Frau für ihren Vater bei vielen Staatsbesuchen als Gastgeberin dabei und kannte die grossen der Welt, bevor sie selber auf die Bühne trat. Sie war zweimal Ministerpräsidentin Indiens.
Das heutige Museum war ihr Wohnhaus. Man kann hier ihr Büro sehen, ,wo sie arbeitete, ihr einfaches Wohnzimmer in dem sie manchmal wichtige Staatsgäste privat empfing und ihr Schlafzimmer. Im Garten wurde sie auf dem Weg zu einem Interview mit Peter Ustinov von ihren eigenen Leibwächtern erschossen. Zu ihrer Beerdigung am 3. November 1984 kamen mehr als eine halbe Million Inder.
Aus den handgeschriebenen Notizen Indiras und vom Gedenkstein abgelesen:
If I die a violent death, as some fear and a few are plotting, I know that the violence will be in the thought and the action of the assassins, not in my dying.
Wenn ich eines gewaltsamen Todes sterbe, wie einige befürchten und einige planen, weiß ich, dass die Gewalt im Denken und Handeln der Attentäter liegen wird, nicht in meinem Sterben.
Auf der Weiterfahrt kommen wir beim Parlamentsgebäude vorbei. Eigentlich dürfte man hier nicht anhalten, aber mein Driver macht trotzdem einen kurzen Stop und erweist sich dann sogar noch als Fotograf. NIcht nur für mich, auch eine andere Frau, die soeben mit ihrem Fahrer hergekommen ist, darf von dem Service profitieren. Schau hierhin, nein dorthin, stehe gerade, Kopf hoch. - Er hat es im Griff.
Ob ich fahren wolle? Nein, auf gar keinen Fall würde ich mich hier in den Verkehr wagen, egal mit welchem Fahrzeug.
Etwas vom Überraschendsten hat sich mein Fahrer für den Schluss aufgehoben. Er hat mir erklärt, dass es sich um ein altes Wasserreservoir handle mit einer langen Treppe, aber als ich dann durch die unscheinbarer Türe eintrete, bin ich völlig überwältigt von dieser gewaltigen Anlage.
Ugrasen Ki Baoli heisst der Ort und ich habe das noch nie gesehen. Sieht aus wie eine römische Ausgrabung, ist aber ein Stufenbrunnen aus dem 14. Jahrhundert. Es soll hier spuken und manchmal könne man unheimliche Geräusche hören, lese ich später im Google, aber vieleicht kommt das nur von den Tauben und Fledermäusen. Jedenfalls ist der Ort inzwischen ein beliebter Drehort für Bollywood-Filme und einer der wichtigsten Touristenorte.
Ganz zum Schluss erklärt mir mein Fahrer, dass ich unbedingt noch einen der grössten Basare besuchen müsse. Hier könne man all die wunderschönen Handarbeiten Indiens sehen und kaufen.
Ich gehe zwar hinein, bin aber schnell wieder draussen. Nicht, dass ich die schönen Sachen nicht sehen möchte, aber allein den vielen Verkäufern ausgeliefert zu sein, die jeder all ihre Kostbarkeiten vorstellen und alle Vorzüge zeigen, halte ich nicht aus. Da wäre nun eine Gruppe einacher, da wird man nicht gleich einzeln behandelt. Aber da ich keine anderen Käufer gesehen habe und mich bereits der Teppichhändler ins separate Teppichvorführ-Zimmer brachte und nachdem ich freundlich abgewunken hatte, mich gleich der Schmuckhändler übernahm, musste ich zum Erstaunen des Tuktukfahrers fliehen. Nichts für mich. Definitiv.
Ausserdem durfte ich nicht einmal fotografieren.
Also lasse ich mich zum Hotel zurückfahren wo ich mich erst einmal einen Moment hinlege.
Die Sonne ist grad am untergehen, als mich der Hunger wieder auf die Strasse treibt. Noch ist es hell genug, dass ich mich noch einmal Richtung Altstadt aufmachen kann. Dabei komme ich diesmal an einem Gemüsemarkt vorbei, und gerate dadurch immer tiefer hinein in die verwinkelten Gassen. Immer schmaler werden die Gassen, und es gibt jetzt auch mehr Strassenküchen.
Der Bäcker, der die kleinen Küchlein brät, bietet mir eines an. Es schmeckt sehr fein. Süss und mürbe.
Leider kann ich mich aber von Strassenküchen nicht ernähren, habe nicht das Gefühl, dass ich damit genug bekomme, ausserdem möchte ich mich irgendwohin setzen.
Es wird jetzt schnell dunkel, die Lichter in den kleinen Läden gehen an, der Verkehr wird dichter, die Gassen enger. Und da kommt mir doch tatsächlich in all dem Gewimmel ein Ochsenkarren entgegen. Gutmütig trottet das Tier durch die Menge. Auf seinem Wagen liegen schwere Reissäcke. Ich muss ihm einen Moment hinterher laufen, kann kaum glauben, wie das Gefährt es durch all die anderen Fahrzeuge schafft. Natürlich wird von allen Seiten gehupt, doch dem Tier scheint das nichts auszumachen.
Ich schlendere entlang den vielen kleinen Läden. Schmuck, Souvenir, Kitsch und schöne Handarbeiten werden angeboten. Kleider, Schuhe, Gold. Geldwechsler, Früchtehändler, alle wollen mir ihre Waren anbieten. Doch ich suche nur ein Restaurant, langsam habe ich tatsächlich Hunger.
Und dann sehe ich es: das Schild mit dem Hinweis auf ein Rooftop-Restaurant. Eine steile Treppe führt hinauf. Immer höher und immer enger bis hinauf zum 5 Stock. Und da oben ist genau der richtige Platz. Aussicht auf die Strasse mit den Lichtern, mit immer mehr Menschen, immer weniger Platz.
Hier oben geniesse ich ein feines Gemüsecurry mit Reis - was denn sonst - und habe die Übersicht. Ausserdem flirtet der Kellner mit mir. Jedenfalls fühle ich mich grad wunderbar betreut und wichtig.
Für die Heimfahrt ins Hotel nehme ich mir ein Tuktuk. Das hätte ich allerdings nicht machen sollen, denn wir bleiben heillos im Verkehr stecken, dabei wären es doch nur zwei Querstrassen gewesen, wenn ich zu Fuss gegangen wäre. Das Tuktuk muss dazu einen ziemlichen Umweg machen. Doch manchmal überwiegt die Vorsicht. Es ist inzwischen immerhin schon bald elf Uhr und die Quergassen sind um diese Zeit wohl ziemlich dunkel.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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