Reise durch Indien
Nordwärts
Es ist Zeit für einen Standortwechsel. Den Schirm habe ich bereits vor ein paar Tagen gefunden. Im Vogelpark entdeckte ich in einem grossen Kübel ein paar Schirme für die Besucher, falls es unvrhofft regnen würde. Da ich grad eine grüne Bluse trug, musste ich die Gelegenheit natürlich für ein Selfie benutzen.
Ich will also noch ein wenig in den Norden von Bali reisen und muss mich zwischen den verschiedenen Seen im Norden entscheiden West oder Ost? im Osten ist der Vulkan, im Westen gibt es einen botanischen Garten und ausserdem mehrere Seen. Den Vulkan könnte man zum Sonnenaufgang besteigen. Da ich aber eh mehr an Pflanzen als an Trekking interessiert bin, entscheide ich mich für den Westen und buche in Hotel am Tamlingan-See und frage Wayan, was der Transfer kosten würde.
Wir fahren am Vormittag los und kommen wieder einmal durch weite Reisfelder, durch Dörfer und immer wieder durch kleine Wölder. Oft kurble ich das Fenster hinunter, doch als wir draussen ein paar Affen entdecken, schliesst Wayan die Fenster. Ich kann grad noch ein Bild schiessen, dann ist das abgedunkelte Fenster oben. Zu agressiv seien sie, meint Wayan, Wenn man so gemächlich durch die Gegend fahre, könne es sein, dass sie durch die offenen Fenster hinein greifen und blitzschnell etwas mitgehen lassen. Die Brille zum Beispiel. Ich bin alarmiert, wir lassen die Fenster oben, denn den Angriff beim Uluwatu-Tempel vergesse ich nicht zu schnell wieder. Und gemächlich fährt man hier in Bali überall. Sei es wegen den schmalen Strassen, dem Verkehr oder eben einfach aus Gewohnheit. Es gibt auch kaum gerade Strecken, alles ist hier sehr kurvenreich.
Manchmal werden am Strassenrand Früchte verkauft. Ob das die berüchtigten Durian-Früchte sind? Nachdem wir angehalten haben, muss ich mir erklären lassen, dass es die riesigen Jack-Früchte sind. Eine solche kann bis zu 15 Kilogramm schwer sein. Das ist genau das Gewicht, das mein Koffer für Inlandflüge in Indien haben darf. Man sieht, das Thema beschäftigt mich ständig - auch wenn ich keine Jack-Frucht mitnehmen will. Aber ich darf auch sonst nichts mehr einkaufen, was ich hier in Bali extrem bedaure.
Je weiter wir in den Norden fahren, je näher kommen wir den Bergen. Plötzlich erscheinen sie über dem Horizont und ich bin überrascht, dass sie zum Teil über 2000 m hoch sind., So jedenfalls erklärt mir meine PeakFinder-App, die sich überall auf der Welt auskennt, nachdem man die entsprechenen Dateien heruntergeladen hat.
Auch wir kommen jetzt immer mehr in die Höhe, die Strasse steigt mit vielen Kurven an, bis wir auf gut 1300 m in den Strawberry-Hills ankommen. Ich bin nicht ganz sicher, ob das der offizielle Name ist, aber es gibt ein Resort hier, das so heisst. Ich hatte mir überlegt, ob ich hier buchen sollte. Bin jetzt froh, dass ich es nicht getan habe, denn dann wäre die Fahrt bereits zu Ende.
Wir kehren aber beim Erdbeerfeld an und trinken einen Erdbeer-Shake, sehen hinunter auf die Erdbeerfelder und hinaus in die Ebene. Richtung Süden.
Wir machen in der schattigen Laube erst einmal einen ausgiebigen Halt, so dass ich die wunderbaren Hängeblumen ausgiebig bewundern kann. Thunbergia heisst diese Pflanze und ich kenne sie aus Guatemala, wo sie an vielen Orten wächst. Und wenn ich es mir genau überlege, stimmt es auch mit der Höhe. Die meisten Lagen in Guate sind über 1000 m. Das scheint die ideale Höhenlage für diese wunderschöne Blume zu sein. Es ist hier auch etwas kühler, als unten in der Ebene. Darum finde ich auch ein paar fast verblühte Rosen und eine gelbe Taglilie. Diese blühen in den tieferen Lagen auf Meereshöhre wahrscheinlich weniger gut.
Dafür gibt es dort Reisfelder, diese können wir von hier nur sehen, da oben gibt es keinen Reis mehr.
Hier werden überall Erdbeeren angebaut. Auf beiden Seiten der Strasse werden sie an farbenfrohen Ständen zusammen mit grossen bunten Snacks angeboten.
Hier im Norden scheint der Islam vorherrschend zu sein, jedenfalls sind wir bereits an zwei Moscheen vorbei gefahren und die Verkäuferinnen an den Ständen tragen ihre Haare unter Schleiern verborgen.
Bald nach dem Strawberry-Hill haben wir den höchsten Punkt überwunden und kommen auf der anderen Seite an einen See. Eigentlich dachte ich, dass wir dafür wieder ins Tal fahren müssten, doch der See liegt auf 1240 m und die Berge auf der anderen Seite sind wolkenverhangen.
Wir halten am Parkplatz an und sind fast die einzigen Touristen. Ja, meint einer der jungen Bootsführer, die mir eine Fahrt über den See offerieren wollen, es fehlen die Touristen aus Jawa. Zu dieser Zeit kämen in anderen Jahren viele Busse und Familien aus Jawa und würden auf dem Weg nach Ubud hier anhalten. Doch weil das Benzin in den letzten Tagen so stark angestiegen sei, würde das die Busse, wie auch die Individualtouristen abhalten.
Wayan hatte mir schon erzählt, dass der Treibstoff innert kürzester Zeit von 7000 Rupiahs auf 10'000 angestiegen ist. Auch er musste mir den Preis am Morgen kurzfristig erhöhen, weil er diese Strecke schon länger nicht mehr gefahren und die Preiserhöhung nicht eingerechnet hatte, als er mir gestern den Fahrpreis durchgegeben hatte.
Bevor wir heute morgen losgefahren sind, fuhren wir an eine Tankstelle, an der bereits ein paar Autos anstanden. Ob er den Tank fülle, wollte ich von ihm wissen, worauf er mich völlig erschrocken ansah. Nein, wo denkst du hin, dann hätte ich ja morgen kein Geld mehr für meine Kinder! Jeden Morgen muss er seinen Kindern Schulgeld mitgeben. Ausserdem wird das Essen jeden Tag frisch gekauft. Ausser Reis, das baut die Familie selber an, denn Wayans Eltern sind Reisbauern. Traditionell lebt er mit seiner Frau und den beiden Töchtern bei seinen Eltern. Auch sein jüngerer Bruder lebt noch dort. Seine Mutter hätte gern, wenn er heiraten würde, denn man könnte eine zusätzliche Hilfe auf dem Hof brauchen. Wayans Frau arbeitet teilweise noch in einer Fabrikation, von der ich nicht verstanden habe, was sie produziert. Sie ist für das Essen der Familie zuständig, während er für alles andere, wie Wasser und Strom und vor allem für den Unterhalt der Kinder aufkommen muss.
Auch von ihm wollte ich wissen, ob das Auto ihm selber gehört und tatsächlich, es ist sein eigenes. Während des Lockdowns wollte er es günstig verkaufen, um den Unterhalt seiner Familie zu sichern, aber sein Vater hat ihm geraten, das auf keinen Fall zu tun. Und jetzt hat er Recht gehabt, es geht ganz langsam wieder aufwärts. Auch wenn die Touristen, die individuelle Fahrten durch das Land machen, so wie ich heute, noch immer sehr rar sind. Es ist ein ständiger Kampf ums Überleben.
Wayan hat früher als Koch auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet und war auch in Europa und in den USA. Er hat diese Zeit sehr genossen und konnte dabei sogar etwas sparen, auch wenn die Löhne auf dem Schiff sehr niedrig sind. Doch man kann auch nicht viel ausgeben, wenn man so viel arbeitet. Jedenfalls hat sich sein Leben nach der Heirat in der Heimat komplett geändert. Manchmal trauert er wohl seiner Junggesellenzeit noch nach. Jedenfalls meinte er, nach der teuren Hochzeit, die all sein Geld verschlungen hätte, wäre er lange Zeit traurig gewesen. Doch heute ist er stolz auf seine beiden Töchter, und dass sie bereits ab dem ersten Schuljahr Englisch lernen würden.
Ich lasse Wayan bei den Bootsführern und gehe hinaus auf den Steg, wo ein Fischer seine Angel in den See hält. Fischen sei der beste Sport, strahlt er, als ich ihn frage ob er schon etwas gefangen hätte. Er zeigt mit einen kleinen Fisch, aber darum gehe es gar nicht, meint er. Man könne beim Fischen so gut über alles nachdenken. Über die Welt und über das Leben. In einer Stunde werde er dort drüben in der Moschee zu den Gläubigen predigen, im Moment geniesse er die Ruhe hier am Wasser.
Ich entschuldige mich, dass ich seine Meditation gestört hätte, doch er winkt ab, er hätte sich sehr gefreut über die kurze Unterhaltung.
Ich trinke in einem der kleinen Läden die Snacks und Getränke anbieten, einen Bali-Kaffee. Das ist ganz fein gemalener Kaffee, der direkt mit heissem Wasser angerührt wird. Mit viel Zucker, wenn man es nicht schafft, noch vor dem Zugiessen des Wassers Einspruch zu erheben.
Hier in Bedugul ist der botanische Garten. Wayan hat mir die Strasse zum Eingang gezeigt, doch ich will nicht heute hingehen. Man kann ihn übrigens nur per Auto besuchen, er ist sonst zu gross für Spaziergänge. Ich habe gelesen, dass es der grösste botanische Garten Indonesiens ist. Wahrscheinlich eher ein Nationalpark, als ein Garten. Wir vereinbaren, dass wir ihn auf dem Rückweg besuchen.
Wir fahren weiter, es geht wieder durch den Wald. Und auch hier hocken Affen am Strassenrand. Wayan empfiehlt, nicht anzuhalten, denn die Affen seien nicht nur frech, sondern auch agressiv. Vor allem wenn man kein Futter dabei hat, das man ihnen anbieten könnte. Also schliesse ich das Fenster nach dem ersten Foto und wir fahren langsam vorbei.
Wir erreichen einen Aussichtspunkt, mit einem Restaurant. Stühle gibt es hier keine, man sitzt auf erhöhten Podesten an niedrigen Tischen. Das sieht entspannt aus, jedenfalls wenn man den Lotussitz beherrscht. Mein Ding ist das nicht, was ich in solchen Momenten sehr bedaure.
Ich beschränke mich daher auf einen Blick hinunter auf die beiden Seen. Es sind der Buyan-Lake und der Tamblingan-Lake, an dessen an dessen anderen Ende, meine heutige Unterkunft liegt.
Bei einem Verkäufer kaufe ich ein paar Cashew-Nüsse und er erklärt mir den Prozess, wie die Nüsse produziert werden. Ich kannte die Früchte bereits, aber dass es nicht damit getan ist, die Kerne von den birnenförmigen Früchten zu trennen, sondern dass die Kerne gekocht, die harte Schale entfernt, getrocknet und danach geröstet werden müssen, wusste ich nicht. Vor allem nicht, wieviel Handarbeit dahinter steckt, denn das Knacken und Schälen erfolgt von Hand. Roh sind die Kerne ungeniessbar, ja sogar leicht giftig. Am Schluss können sie süss oder salzig verkauft werden. Er bietet heute Cashew mit Honig an, was ich gleich probieren muss.
Jetzt dauert es nur noch eine gute halbe Stunde, bis wir das Ziel erreichen. Auch wenn es nur 60 km waren, so waren wir doch fast fünf Stunden unterwegs. Natürlich mit ein paar Stops dazwischen. Aber tatsächlich kommt man in Bali einfach nur ganz langsam voran. Wayan muss jetzt die Strecke wieder zurück fahren. Kurz bevor wir ankamen meinte ich, jetzt müsste er eigentlich einen Passagier finden, der nach Ubud möchte, dann könnte er den Fahrpreis noch einmal kassieren. Worauf er mich ganz erschrocken ansah. Nein, das wäre nicht in Ordnung. Es gibt auch hier Taxifahrer, die auf die Fahrten angewiesen sind .Das gäbe nur Probleme und ausserdem würde das meine Frau gar nicht schätzen, wenn ich solche unseriösen Fahrten machen würde.
Er wird also die Strecke jetzt zurück fahren und mich in ein paar Tagen wieder abholen.
Ich merke sofort, dass ich mich hier wohlfühlen werde. Ich bekomme auf dem kleinen Gelände des Hotels einen Bungalow mit einem grossen Zimmer, das sogar ein Cheminee aufweist. Ausserdem hat es im Bett eine Wolldecke, denn es könne auf dieser Höhe nachts ziemlich kalt werden. So stand es auch im Mail, das ich vom Hotel heute Morgen vor der Abfahrt bekommen hatte. Doch da ich eh nicht so schnell friere, macht mir das keine Sorgen. Ich mache eine erste Fotosafari durch den Garten, entdecke ein paar verblühte Rosen, Bougainvilleas, knallroto Flamingo-Blumen und richte mich in meinem neuen Zuhause ein.
Hinter der Gartenmauer erstreckt sich ein gemischtes Pflanzfeld mit blauen Hortensien und Bananen und ganz vielen anderen Nutzpflanzen.
Zum Nachtessen gehe ich ins Restaurant, wo man mir erklärt, dass ich zur Zeit der einzige Gast und nach dem Schliessen des Restaurant um 20.00 Uhr die einzige Person auf dem Gelände sei. Doch ich müsse keine Angst haben, es gäbe einen Wächter, der in der Nacht beim Restaurant sei. Bei einem Problem könne ich ihn jederzeit erreichen. Ich rechne nicht mit Problemen und sehe mir lieber den Sonnenuntergang an. Dabei fällt mir auf, wieviele Berge von hier aus sichtbar sind. Es sind die Berge im Osten, dort wo auch der Vulkan liegt. Leider ist die Sicht schlecht, ich kann nur einzelne Gipfel erkennen, aber meine App weiss natürlich genau, was ich sehen würde, wenn ich es sehen könnte.
Später schlafe ich herrlich bei offener Schiebetüre. Ich bin hier ziemlich abgeschieden, es gibt nur ein paar Farmhäuser in der Umgebung.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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