Reise durch Indien
Die offene Hand
Pünktlich um halb zehn steht er bereit. Sachin mit dem Tuctuc. Frühstück lasse ich heute sausen, die beiden Restaurants in der Nähe öffnen erst in einer halben Stunde, aber ich möchte heute bei der ersten offiziellen Führung dabei sein.
Tatsächlich, jetzt ist das Büro offen und es warten auch schon ein paar Leute auf den Beginn der Führung. Zuerst müssen wir uns ausweisen, dann bekommen wir die Anweisung, dass keine Zigaretten, keine Feuerzeuge, keine Messer und sonstigen gefährlichen Dinge mitgenommen werden dürfen. Die müssen hier in einem Depot gelassen werden. Nur einer hinterlässt seine Zigaretten, der Rest der Leute ist völlig ungefährlich. Ein Guia erklärt die Tour, sie dauert eine Stunde, man geht zu Fuss und Videografie ist im Gebäude nicht gestattet.
Der Polizist, der uns begleitet, holt sich von jedem der Teilnehmer bevor wir losgehen noch einmal die Bestätigung, dass wir verstanden haben: Videografie ist in Innenräumen nicht gestattet. Fotografieren? Ja.
Ok, dann lasst uns endlich starten.
High Court - meine Bilder sind extrem schlecht, wenn jemand wirklich die Architektur sehen will, sollte er googeln. Ich darf hier keine fremden Bilder einstellen.
Wir werden nicht nur vom freundlichen Polizisten begleitet, der ab jetzt zuständig ist, dass wir eine Gruppe bleiben und uns auf dem riesigen Gelände, auf das wir kommen, nicht verteilen oder gar verlaufen. Es ist auch noch ein Soldat dabei, der spricht aber die ganze Zeit kein Wort, ist wohl nur für unsere Sicherheit zuständig.
Wir kommen auf einen weiten Platz, wo wir die einzigen Menschen sind. Von weitem kann man jetzt die Hand erkennen. Rechts das High Court, links das Parlamentsgebäude. Die wohl wichtigsten Gebäude der Stadt.
Zuerst wenden wir uns dem High Court zu, dem Gerichtsgebäude, allerdings dürfen wir uns ihm nicht ganz nähern. Zu gefährlich für die hier arbeitenden Juristen?
Der Guide erklärt die geniale Architektur. Das grosse Dach mit den Bogen darunter sammelt das Regenwasser, das sich in ein grosses Becken vor dem Gebäude ergiesst und dadurch die Fassade kühlt. Auch die etwas zurückgesetzte Fassade mit den relativ kleinen Fenster hinter dicken Mauern sorgt dafür, dass die Büros schattig bleiben. Heute sind sie allerdings alle mit Klimageräten ausgestattet, das habe ich gestern gesehn, als ich die Rückseite des Hauses gesehen habe.
Dafür ist heute das Wasserbecken, in dem sich das Gebäude spiegeln sollte, komplett leer. Wichtig sind auch die drei farbigen Söulen, deren Farben Le Corbusier selber noch nach dem Bau bestimmt.e.
Wir versuchen trotz schlechten Bedingungen ein paar Bilder zu machen, werden aber von unserem Polizisten immer wieder in die Gruppe zurück geholt. NIemand darf sich an diesem so exponierten Ort absetzen - als ob wir uns auf dem riesigen weiten Platz irgendwo verstecken könnten.
Fünf Minuten, das reicht, wir gehen weiter zur offenen Hand.
The Hand, Curbusiers persönliches Symbol "für Frieden und Versöhnung, sie ist offen für Geben und offen für Empfang." (Wikipedia)
Hier steht sie völlig verlassen an der Nordflanke des riesigen menschenleeren Platzes, versehen mit einem grossen Fenster im Sockel, das die Aussicht frei geben soll. Eine Aussicht, die jetzt blockiert sei, wie uns der Guide erklärt, weil dahinten, hinter den Bäumen neue Gebäude gebaut werden. 26 Meter hoch ist sie und sie dreht sich im Wind. Was wohl ihre Lebenslinien einem Handleser verraten würden?
Ob in der Arena, die ihr zu Füssen in den Platz eingelassen ist, gelegetlich Anlässe stattfinden, will ich vom Guide wissen. Er weiss es nicht, aber der Polizist versichert mir, es würden manchmal Events stattfinden. Um was es sich dabei handelt, kann er aber nicht genauer erklären. Etwas dürftig, die ganze Angelegenheit. Wir wenden uns nach links zum Parlamentsgebäude.
Wir schlendern zurück zum grossen Platz entlang einer langen Allee und vorbei an verschiedenen imposanten Bäumen, die im Sommer herrlich Schatten spenden.
Bevor wir uns dem auffälligen Parlamentsgeäbude zuwenden, macht uns unser Guide noch auf den Schattenturm aufmerksam. Le Corbusier hat viel Zeit aufgewendet für das Studium des Sonnenstandes und des Schattenfalls vor Ort. Entstanden ist dieses Betongebäude, das im Sommer der kühlste Ort des ganzen Komplexes sein soll, weil er durch die verschiedenen Lucken zwar genügend Sonnenlicht einlässt, aber jeder Platz im Schatten liegt. Ob man ihn wohl als Gartenlaube benutzt? Wohl kaum, mir kommt er eher wie ein riesiges, realisiertes Studienobjekt vor. Passend zum komplett nicht verwendeten Platz. Unser Guide ist fasziniert davon, vielleicht braucht wenigstens er den Platz im Sommer um seine Gruppen um sich zu scharen.
Doch jetzt zum Parlamentsgebäude, das tatsächlich ein Unikum ist. Chandigarh ist nämlich Haupstadt von zwei Bundesländern: Punjab und Haryana. Darum gibt es in dem Gebäude zwei Parlamentssäle die mit den beiden Türmen symbolisiert werden.
Einerseits die runde Kuppel, die mich allerdings eher an einen Kühlturm erinnert und die Pyramide unter der sich der Parlamentsraum von Haryana befindet.
Verbunden sind die beiden Türme durch einen Steg, was in mir erst Recht eine Assosation zu einem Industriegebäude weckt.
Typisch für Corbusier ist das grosse Walmdach und wieder die zurück versetzte Fassade, um die Hitze nicht ins Innere zu lassen. Auch die grossen Lücken in den Betonmauern sollen wieder Rahmen darstellen, die die Umgebung in die Architektur einbeziehen sollen.
Hier ist das grosse Wasserbecken voll und das Gebäude spiegelt sich im algengrünen Wasser. Wir dürfen uns hier sogar dem grossen farbigen Eingangstor nähern und soviel fotografieren, wie wir wollen. Inzwischen weiss ich etwas mehr über die Gruppe. Es ist ein schweizer Ehe-Paar aus Genf, drei australische junge Männer, die sich anscheinend sehr für Architektur interessieren, ein junges italienisches Paar, das verschmitzt lacht, denn sie hatten es gestern irgendwie geschafft, auf das Gelände zu kommen und waren dabei die allereinzigen auf dem ganzen Komplex. Viel anders als heute wird sich das allerdings nicht angefühlt haben. Sie wurden dann irgendwann von einem Soldaten entdeckt und zurück zum Checkpoint geführt.
Die drei Australier sind etwas frustriert, dass wir schon wieder weiter gehen sollen und versuchen, die Gruppe durch Ungehorsam zu verlangsamen. Doch es nutzt nichts, unser Polizist treibt uns wieder zusammen, wir dürfen das Gebäude betreten.
Noch einmal weist uns der Polizist an, dass im Gebäude absolut keine Kameras erlaubt sind. Aber fotografieren? Ja, mit den Augen, meint er verschmitzt und weist uns an, unsere Taschen durch den Scanner zu lassen. Wir kommen zu einem Counter und sollen alles was wir bei uns haben abgeben. Also auch kein Handy, keine heimlichen Fotos, keine Handtaschen, keine Rucksäcke, alles muss abgegeben werden. Was für eine Enttäuschung.
Aber wir sind jetzt im Inneren des grossen Parlamentsgebäudes. Über eine Beton- Treppe geht es hinauf in den ersten Stock in eine hohe Betonhalle in der ein paar weisse Polstergarnituren mit niedrigen Tischen herumstehen. Elegant, und bestimmt fantastisch auf guten Fotografieren. Wenn man aber hier auf jemanden warten muss, fühlt man sich bestimmt völlig verloren. Wir gehen durch eine normale Türe und stehen im Parlamentssaal, unter der runden Kühlturmkuppel. Unser Guide erklärt, wo der Präsident sitzt, die Regierungspartei, die Opposition, die Gäste, die Ehrengäste.
Er erklärt die Anordnung der Kuppel, der Fensterluken hoch oben, die alle dazu dienen, dass die Hitze aus dem Saal heraus gehalten wird und das Tageslicht trozdem herein kommt. Seit ein paar Jahren wird der Raum allerdings mit Klimageräten gekühlt. Die Zweiersitze der Parlamentarier erinnern an Holzpulte in der Schule, Wir dürfen uns theoretisch frei bewegen, werden aber gleich wieder zur Gruppe zusammengeführt und verlassen den Saal durch eine andere Türe.
Das wars. Zurück über die Treppe, bei der viele Blumentöpfe stehen. So wie bei uns die Geranien in den Keller gestellt werden, kommen sie mir vor, aber vielleicht sollen sie tatsächlich etwas Leben in diese kühle Beton-Atmosphäre bringen. Auch die Sandsäcke und die Werkzeuge, die irgendwo in einer Nische gelagert sind, zeigen, dass der Ort nicht komplett unbenutzt ist. Bei der Theke bekommen wir unsere Handtaschen zurück mit der Anweisung, zu kontrollieren, ob alles vorhanden sei, dann geht es durch den Hintereingang hinaus auf den Parkplatz.
HIer macht uns der Guide noch einmal auf die schräg gestellten Fenster aufmerksam, die ebenfalls darauf ausgerichtet sind, das Licht hereinzulassen, aber auch den Schatten zuzulassen. Dann kommen wir an einem langen Gang vorbei, wo noch einmal grosse unregelmässige Auslassungen als typische Corbusier-Elemente erkenntlich sind.
Dann gehen wir auf einer der breiten Strasse zurück, kommen am Checkpoint vorbei, wo ich am ersten Tag stecken geblieben bin und sind über die Grünfläche nach etwas mehr als einer Stunde zurück beim Ausgangspunkt.
Hier wartet Sachim auf mich. Wohin gehts jetzt?
Ein Kamelritt wirkt in dieser Stadt wie eine Faust auf's Auge. Trotzdem stehen sie an verschiedenen Orten, die Kameltreiber mit ihren Tieren.
Zum Rock-Garden. Der Steingarten gehört zu den wichtigsten Attraktionen der Stadt, neben den architektonischen Highlights selbstverständlich. Und dabei wurde er während 10 Jahren illegal von einem Staatsangestellten in der Freizeit erstellt.
Ohne dass es jemand merkte, hat Nek Chand Saini auf einem Terrain, das niemand interessierte und das wohl etwas versteckt in einer Schlucht lag, diesen Skulpturengarten geschaffen. Verwendet hat er dafür ausschliesslich Industrie- und Haushaltabfall. Schon in der erste Wand hat er viele zerschlagene Steckdosen und Schalter verbaut, später gibt es viel Keramiken. Geschirr und Töpfe. Es ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aber es ist absolut faszinierend. Nachdem sein Werk entdeckt wurde, wollte man die Arbeit zerstören und ihn ensprechend bestrafen, denn sein Wirken war illegal. Er schaffte es aber, die Bevölkerung für sich einzunehmen und so wurde der Garten 1988 offiziell eingeweiht.
Ich liebe solche Fantasieparks, in denen einfach jede aufkommende Idee verwirklicht wird. Der Garten erinnert mich stark an den Guel-Park von Gaudi in Barcelona, vor allem mit seinem Bereich mit den Porzellanscherben. Aber auch der Palais-Ideal von Facteur Cheval in Hauterives, Frankreich und natürlich der Tarot-Garten von Nicki de Saint Phalle in der Toscana kommen mir in den Sinn.
Ich schlendere durch durch die enge künstliche Schlucht zum Wasserfall, wo zwei Portrait-Zeichner auf Kunden warten, die sie karrikieren könnten. Einer hat über seinem Zeichenpapier einen kleinen Schirm aufgesteckt, so wie ihn Fotografen benutzen.
Darf ich mich kurz darunter stellen, ich brauche nur ein Selfie, frage ich und als der junge Mann mich etwas irritiert anschaut, erzähle ich ihm von meinem Spleen mit den Schirmen, die ich immer dann poste, wenn ich wieder weiter reise. Das findet er so lustig, dass er den Schirm kurzerhand abmontiert und sich mit mir darunter stellt. Ein gemeinsames Selfie bitte.
Ich hab dann mein eigenes für die nächste Abreise auch noch geschossen, denn bald wird es wieder soweit sein. Eigentlich wollte ich schon heute wieder im Bus sein, aber da das mit der Besichtigung gestern nicht geklappt hat und ich noch nichts gebucht hatte, verlängerte ich gestern Abend meinen Aufenthalt im Hotel kurzfristig um eine Nacht. Morgen werde ich mit dem Bus unterwegs sein.
Es sind ganze künstliche Landschaften entstanden in diesem Garten, das heisst, die Schlucht wird wohl echt sein, aber der Wasserfall und die Wasserläufe sind zum Teil gemacht. Die Mauern sind vielleicht Reste von alten Gebäuden, vielleicht auch neu erstellte Gebilde. Die Wurzeln, die über einen der Pfade wachsen, sind aus Beton, und das kleine Miniaturdörfchen, das man nur sehen kann, wenn man sich streckt und über die hohe Mauer schaut, sind fantasievolle kleine Basteleien.
Bei vielen Mauern kann man das Geschirr noch erkennen, aus dem sie gemacht wurden. Teller und Tassen, grosse und kleine Porzellanscherben wurden verbaut. Nek suchte seine Abfälle in der ganzen Stadt zusammen, hatte überall seine Depots und muss tausende von Tellern zerschlagen haben, damit sie in seine Konstruktionen passten.
Es gibt Mauern mit schmalen niedrigen Toren unter denen man den Kopf einziehen muss und dann steht man in einer neuen Umgebung, mit neuen Brücken, kleinen Kanälen und anderen Plätzen.
Und immer wieder wachsen so kleine Skulpturen aus den Mauern. Puppen, Figuren, Fantasiewesen.
Mit diesen kleinen Figuren hatte es angefangen, Nek muss unzählige davon geschaffen haben. Nachdem sein Garten offiziell wurde, bekam Nek ein Gehalt von der Stadt und 50 Arbeiter. Ich glaube, dass dann auch erst die grossen Plätze und Treppenanlagen entstanden sind, denn diese sind wohl kaum das Werk eines einzelnen Menschen. Aber die Ideen scheinen ihm nie ausgegangen zu sein.
Es gibt einen riesigen Platz mit Torbogen unter denen lange Schaukeln hängen. Fantsiehallen, künstliche Bäume, Fantasietiere und mittendrin ein alter rostender Lastwagen unter einem Baum parkiert.
Das Puppenmuseum ist noch einmal eine eigene Welt. Hier stehen gegen 200 Lumpenpuppen. Figuren, die mit gebrauchten Kleidern gestaltet wurden. Frauen, Männer, Kinder, ganze Prozessionen, Tiere, Dorfgeschichten. Unglaublich, aus welchem Fantasiefundus da geschöpft wurde. Und auch die Umsetzung mit den verschiedenen Materialien ist faszinierend.
Eigentlich glaube ich, dass ich nach der letzten Treppe mit dem Hinweis EXIT das Ende des Gartens erreicht habe, aber als ich durch das nächste niedrige Tor gehe, sehe ich, dass ich in einem kleinen Hof bin, wo noch mehr dieser typischen Nek-Figuren stehen.
Und dann fängt es eigentlich überhaupt erst an. Tausende sind es, und sie lassen sich immer hinter neuen Mauern, hinter weiteren Toren entdecken. Es sind immer gleiche Figuren, die sich nur in kleinen Details unterscheiden. Sie haben fröhliche Gesichter aus Lehm oder sehen aus wie Marsmenschen hinter Glasscheiben. Es sind Tiere, Affen, Zebras, Katzen, Fantasietiere. Es sind Männer und Frauen, ganze Familien. Sie stehen in Reih und Glied oder in Gruppen. Sie stehen da, als ob sie gleich mit Yogaübungen beginnen würden oder sie sind am Meditieren.
Es hört überhaupt nicht mehr auf. Da sind Sportler, vielleicht Fussballer in ihren weiss-schwarzen Trikots, farbige Pfauen aus einem Material, das ich nicht definieren kann, aber es sieht aus wie Haargummis. Oder vielleicht doch Flaschenverschlüsse?
Es kommen elegante Ballettänzer und schöne Tempeltänzerinnen. Und jedesmal, wenn ich durch ein neues Tor gehe, glaube ich mich am Ende des Gartens, doch da ist noch einmal ein Hof mit neuen Figuren. Ich komme in ein Fieber, kann mich kaum satt sehen und dränge doch weiter, will noch mehr sehen.
Und dann ist plötzlich Schluss. Ein letzter Durchgang, ich stehe auf der Strasse, Erwache wie aus einem Traum, keine tanzenden und lächelnden Skulpturen mehr, vor mir stehen die Streetfood-Wagen, und weiter hinten wartet Sachin mit seinem Tuctuc.
Und dabei hatte ich heute noch nicht einmal einen Kaffee. Neben dem Eingang des Rockgartens gibt es ein kleines Restaurant. Es nennt sich zwar Cafe, aber einen Cappuccino gibt es nicht. Dafür einen Lassi. Einen süssen Yoghurt-Drink. Das geht auch für ein verspätetes Frühstück am frühen Nachmittag. Allerdings ist es nur aus der Packung und etwas enttäuschend. Also nehme ich noch eine Flasche Wasser mit und gehe zurück zu Sachin.
Mein nächstes Ziel ist der Vogelpark. Auch der liegt gleich in der Nähe. Er ist noch ganz neu, meint Sachin, erst vor einem knappen Jahr wurde er eingeweiht. Das kann man dann auch gut sehen. Zwar sind die Informationstafeln noch sehr neu, die Gartenanlage wunderschön gestaltet, aber an Vögeln mangelt es doch noch etwas.
Es gibt wunderschöne farbige Vögel, die Love-Birds, und ein paar andere spektakulär schöne Vögel, die sich gut auf den Prospekten und Ausschreibungen machen, aber vielseitig ist das Angebot noch lange nicht. .
In der grossen Voliere schwimmen ein paar weisse und schwarze Schwäne auf dem kleinen Weiher, zusammen mit einem Entenpaar und in der anderen Voliere sind es noch einmal bunte Papageien. Wobei man gegen einen Aufpreis in einer separaten Voliere die Vögel gar auf die Schulter nehmen könnte, um schöne Fotos zu machen, doch das brauche ich tatsächlich nicht. Wie immer, auch wenn es nicht viel gebracht hat, so weiss ich jetzt doch, dass ich diesen Besuch niemandem empfehlen würde. Ausser man hat noch nie einen bunten Vogel gesehen.
Ich habe Sachin eingeladen, mit in den Park zu kommen, denn wie viele Taxi- oder Tuctuc-Fahrer kennt er die Attraktionen seiner eigenen Stadt nicht. Er hat noch nie die Tour zur Hand mitgemacht - obwohl die sogar gratis ist - war nie im Rock-Garden und auch noch nie im Vogelpark.
Die schöne Gartenanlage findet er nichts besonderes, wodurch wir sie sehr schnell durchschreiten, die Vögel sind zwar schön, aber schnell gesehen. Ansehen, Foto machen, weiterlaufen.
Mir gibt das eine interessante Einsicht. Auch geniessen oder etwas ansehen will gelernt sein. Vielleicht würde ich bei dem einen oder anderen Vogel etwas länger verweilen, würde noch ein wenig zugesehen, durch Sachin ist die ganze Sache ein Durchlaufen. Das ist kein Vorwurf an ihn, ich könnte länger verweilen, es ist nur die Erkenntnis, dass man Leute nicht dazu verknurren sollte, wenn sie sich nicht für etwas interessieren. Hatte ich doch mit Ali in Agra eine ganz ähnliche Erfahrung gemacht. Mit dem Unterschied, dass er mich unbedingt begleiten wollte, mir dann aber nicht die Zeit gab, um zu beobachten, wie ich es gern getan hätte.
Im Übrigen ist es mir auch Recht, dass wir uns nicht allzu lange hier aufhalten, denn bei mir macht sich nun endgültig der Magen bemerkbar. So ist es nur gut, dass wir jetzt zum See fahren, wo wir kurz die Pedalos beobachten, doch auch mich hält es nicht am Wasser, ich habe die Ess-Stände gesehen. Da ich keine Lust auf Curry-Gerichte oder Burger habe, bestelle ich eine Pizza, die wir uns teilen.
Wobei das mit dem Bestellen gar nicht so einfach ist. An den Verkaufsständen will man absolut kein Bargeld sondern besteht auf Kartenzahlung. Allerdings funktioniert meine internationale Karte nicht, in Indien gibt es ein eigenes online-Zahl-System, mit dem ich mich bisher nicht befasst habe und wodurch ich tatsächlich hier nichts kaufen kann. Sachin zahlt mit seinem Handy und ich gebe ihm den Betrag bar zurück. Ohne ihn wäre ich also fast verhungert.
Beim Essen kommen wir etwas näher ins Gespräch. Ich will wissen, wo er wohnt und ob er verheiratet ist. Ja, er ist verheiratet, hat eine kleine Tochter, die mit seiner Frau bei seinen Eltern lebt. So wie das in Indien fast überall üblich ist. Er besucht seine Familie alle paar Wochen, ansonsten lebt er im Tuctuc. Seine Kleider hat er hinter dem Rücksitz verstaut, sein Geld und andere wichtige Sachen in einer verschliessbaren Box hinter dem Fahrersitz. Er war alle Tage sauber gekleidet, ich gehe davon aus, dass er in einer Wäscherei waschen lässt und dass es irgendwo eine öffentliche Dusche gibt, aber über solche intime Dinge will ich ihn nicht ausfragen.
Sein Tuctuc gehört ihm nicht er zahlt täglich 500 Rupies Miete und für Treibstoff gehen noch einmal 100 Rupies drauf. Jetzt bin ich erst recht froh, dass ich ihn für heute engagiert habe, denn so hat er wenigstens zwei Tage einen anständigen Verdienst. Dass dieser heute allerdings ziemlich hoch ist, weil er am Schluss doch einen fast schon unverschämten Preis verlangt, ist jetzt eben die Konsequenz meiner Fragerei.
Jetzt bleibt nur noch ein Thema. Ich habe noch kein Busticket für morgen. Zwar hatte ich gesehen, dass es einen Privat-Bus gibt, aber ich habe keine Ahnung, wo der losfahren wird. Ich will aber heute das Ticket kaufen, damit ich weiss, wie ich morgen nach Rishikesh komme.
Sachin bringt mich zuerst zum staatlichen Bus, doch da scheint es keine direkte Verbindung zu geben. Eine Stunde vor dem Ziel müsste ich den Bus wechseln, was ich nach einer stundenlangen Fahrt lieber vermeiden möchte.
Also erkundigt sich Sachin per Telefon bei verschiedenen Freunden, welcher Bus direkt nach Rishikesh fahren würde und tatsächlich, er findet einen privaten Anbieter, der allerdings schon nach Mitternacht losfahren und am Morgen am Ziel ankommen würde.
Ich muss einen Moment leer schlucken, finde es aber am Schluss das kleinere Übel, durch die Nacht zu fahren und so kaufe ich das Ticket. Sitzplatz im Schlafbus, Abfahrt kurz vor ein Uhr nachts.
Sachin bringt mich zurück zum Hotel wo ich packe und mich noch einen Moment hinlege. Danach gehe ich ins nahe Hotel Oyster und geniesse ausgebackene Riesencrevetten. Ein kleiner Snack, der mich durch die Nacht bringen wird.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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