Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Dharamsala

Heute will mir Rajesh Dharamsala zeigen. Das heisst, den unteren Teil des Ortes. Da er dort lebt und es ausserdem eine Seilbahn gibt, die hinunterfährt, haben wir bei der Talstation der Seilbahn abgemacht.

Ich bummle also am Vormittag durch den Ort, gucke mir die verschiedenen Marktstände an. Frisches Gemüse und Früchte wird wie überall offen verkauft. Nüsse kommen abgepackt oft aus Kashmir und das Getreide, Linsen und Bohnen werden ebenfalls offen verkauft. Ich kaufe gelegentlich ein paar Bananen und Nüsse. Das eignet sich immer als kleine Zwischenverpflegung, da ich ja in der Regel nur Frühstück und Nachtesen zu mir nehme.

ein politisches Statement an einer verschlossenen Ladentüre. Ob das je wieder Wirklichkeit wird?

ein politisches Statement an einer verschlossenen Ladentüre. Ob das je wieder Wirklichkeit wird?

Die Souvenir- und Handarbeitsstände sind dabei zu öffnen, die Waren werden herausgelegt. Die Bahn fährt noch nicht.

Wo bist du? fragt Rajeh, er wartet unten an der Talstation, aber eigentlich sollte auch er sehen, dass die Bahn nicht fährt. Ich gehe frühstücken, komme erst in einer halben Stunde.

Da ist es ganz praktisch, dass mein Lieblingscafe gleich in der Nähe ist. Es gibt auch heute eine heisse Schokolade und einen Mandelgipfel. So lässt sich das Warten gut überbrücken.

Bergstation Skyway

Bergstation Skyway

Um zehn Uhr geht die Bahnstation auf, aber dann dauert es noch einmal zehn Minuten, bis es losgeht. Zuerst muss das Ticket gekauft werden. Mit Vorzeigen des Passes, eintragen des Namens. Das ist eine ziemlich aufwändige Prozedur. Die Bahn wurde erst Anfangs Jahr 2022 eröffnet und soll in der Hochsaison, die Strasse entlasten, die wie ich ja gesehen habe, sehr steil ist und sehr oft völlig überlastet. Wenn die jetzt aber auch die Bahn so kompliziert machen, dann wird die Überlastung sich an einem anderen Ort niederschlagen.

Natürlich hab ichs gegooglet. Die Bahn wurde von der österreichischen Firma Leitner erstellt, sie hat 25 Kabinen, 10 Stützen und schafft 1000 Personen/Stunde. Schade, dass auch heute wieder ein Dunst über der Gegend liegt, die Aussicht aus der Bahn müsste grandios sein.

Die Höhendifferenz beträgt fast 400 Meter und ist ziemlich eindrücklich. Es geht über Wohnhäuser und über hohe Bäume und immer wenn ein Masten kommt, jauchzt das kleine Mädchen, das mit seinen Eltern und mir in der Kabine sitzt.

Unten erwartet mich Rajesh ungeduldig und fährt mich gleich in der Nähe zum Museum of Kangra Art. Das ist ein Museum in dem vor allem traditionelle Gemälde aus dem 18. Jahrhundert ausgestellt sind. Ausserdem gibt es Artefakte, Statuen, die bei Ausgrabungen gefunden wurden und moderne Malerei und viele Fotos.

Ich bin nicht wirklich eine Museums-Gängerin und einfach so völlig ohne Erklärung kann ich mit einem Museum tatsächlich gar nichts anfangen. Darum laufe ich nur einmal durch die Räume und bin ganz schnell wieder draussen. Gepackt hat mich nichts in dieser Ausstellung. Kommt dazu, dass ich natürlich noch alles vom Englisch übersetzen müsste, um etwas zu verstehen. Ich gebe zu, ich habe in dem Museum rein gar nichts verstanden und schon als ich wieder heraus komme, weiss ich kaum mehr, was ich gesehen habe. Dass ich nicht fotografieren durfte und der Museumswärter mir immer hinterher gelaufen ist, um zu kontrollieren, dass ich die Kamera auch tatsächlich nie gezückt habe, hat da auch nicht viel geholfen.

Rajesh hat mir versprochen, alle wichtigen Orte von Dharamsala zu zeigen. Als erstes fahren wir etwas ausserhalb des Ortes zu einem kleinen Shiva-Tempel. Es ist der Aghanjar Mahadev-Tempel. Ein alter Mann weist mich an, die Schuhe zu deponieren, bevor ich das Gelände betrete. Eigentlich ist es eine Ansammlung von kleinen Gebäuden, kleine offenen Räumen, die alle eine Statue enthalten, oder sonst ein göttliches Symbol. Es sind nur wenige Menschen hier, ich spaziere also völlig unbehelligt zwischen den verschiedenen Häuschen, die fast alle rot bemalt sind.

weisse Schneckenhäuser, ihre Symbolik kenne ich nicht

weisse Schneckenhäuser, ihre Symbolik kenne ich nicht

In den kleinen Tempelchen gibt es verschiedene Gottheiten

In den kleinen Tempelchen gibt es verschiedene Gottheiten

Ein Lingam, Symbol für Shiva, das in vielen Tempeln aufgestellt ist.

Ein Lingam, Symbol für Shiva, das in vielen Tempeln aufgestellt ist.

In der Nähe des Wasserfalls noch einmal ein Lingam, mit einer Kobra

In der Nähe des Wasserfalls noch einmal ein Lingam, mit einer Kobra

In diesem Tempel gibt es speziell viele dieser Lingam, Symbole für die Gegenwart von Shiva, für die Fruchtbarkeit. Meine allererste Assoziation, als ich es im Tempel von Madurai zum ersten Mal sah, war die zu einem Phallus. Habs aber sofort wieder verworfen, denn immerhin ist es ein tief religiöses Symbol. Nach diesem Tag im Tempel hab ich gegoogelt und siehe da, nebst einigen esoterischen und weitschweifigen Erklärungen kommt da auch das Phallussymbol zur Sprache, das in eine scheibenförmige runde Form gestellt wird, die das Symbol der Göttin Shakti, eine Yoni darstellen soll. Das ganze ist nebst vielen anderen Deutungen also vor allem ein Symbol für Fruchtbarkeit und die Vereinigung der männlichen und weiblichen Prinzipien. Wie könnte man das besser darstellen.

Hier finde ich das Symbol tatsächlich in fast allen der kleinen Tempel und Gebetsstätten. Sogar unten am Bach, wohin man auch noch gehen soll, um den Wasserfall zu besichtigen, steht ein Lingam. Die wenigen Menschen, die den Tempel besuchen, küssen den Stein, auf dem er steht. Grüssen ehrfürchtig, bleiben einen Moment stehen, legen einen Blumenkranz hin oder streuen ein paar Blumen ins Wasser.

Nachdem ich vom Fluss wieder wieder aufgestieben bin, setze ich mich einen Moment auf eine niedrige Mauer, versuche diese Umgebung mit den roten Gebäuden, den gelben gemauerten Kuppelspitzen in mich aufzunehmen, als mich ein Mann anspricht. Ein Mann in orangen Kleidern mit einem orangen Turban, einer tigergemusterten Fleesjacke, die zwar farblich stimmt, aber kultig nicht so richtig zu ihm passen will. Ein moderner Yogi? Woher ich komme, will er wissen, und dann lädt er mich zu ihm in seinen kleinen Raum ein.

Ich bin etwas verwirrt, lasse mich aber überzeugen und folge ihm in seine Klause. Er ist nicht allein, da sind drei junge Burschen, die wohl als seine Assistenten fungieren Jedenfalls kocht einer den Tee, während die anderen auf den dünnen Matrazen sitzen und mich interessiert betrachten. Genauso wie ich sie.

Schade, dass wir keine gemeinsame Sprache haben, niemand spricht englisch, es hat nur für diese paar Worte gereicht. Ich versuche noch herauszufinden, ob die Männer tatsächlich hier in dem kleinen Raum leben, mit der Feuerstelle in der Mitte und den dünnen Matzrazen daneben. Die drei jungen Männer scheinen im Dorf zu wohnen, der Jogi ist hier in diesem quadratischen Raum zu Hause. Ein sehr attraktiver Mann übrigens. Jedenfalls wäre er das, wenn der wilde Bart nicht wäre.

Ich verstehe, dass er mich einlädt, mit ihm und der Gemeinschaft zum Lunch zu kommen, denn es ist Lunchtime, doch soweit möchte ich nicht gehen und als ich meinen Becher ausgetrunken habe, bedanke ich mich, erhebe mich mühsam vom Boden, wo ich mich hingesetzt hatte und verabschiede mich, Schade, ich hätte gern mehr über das Leben als Yogi gewusst.

Rajesh hat sich schon gewundert, wo ich so lange geblieben bin und als ich ihm von der Einladung zum Tee beim Yogi erzähle, wundert er sich anscheinend noch mehr.

Beim Weiterfahren kommen wir an diesem Lagerort vorbei, wo ganz viele Schiefertafeln liegen. Hab ichs doch gewusst, als ich gestern den Stein beim Bachbett gesehen hatte. Hier wird Schiefer abgebaut. Gebraucht wird er zum Decken der Dächer. oder als Bodenplatten. Auch in meinem Hotel gibt es eine dekorative Mauer aus Schiefertafeln.

Beim nächsten Halt steht vor dem Eingang auf einer Tafel der Name: Norbulingka Institute. Leider ist Rajesh kein grosser Guide, seine Aufgabe ist es, mich an die verschiedenen Orte zu fahren, um die Erklärungen muss ich mich selber bemühen.

Es ist ein Institut, das sich um die tibetische Kunst kümmert. Es werden junge Menschen in angelehrt. Das Institut wurde 1988 vom Dalai-Lama persönlich gegründet. In kleinen Werkstätten arbeiten junge und alte Leute. Da gibt es eine Weberei, in der aber im Moment niemand an der Arbeit ist, eine Schneiderei, wo ein paar Frauen an den Maschinen sitzen.

In der Schreinerei entstehen Möbel und kleine hübsche Gegenstände, wie Schmuck-kästchen, Bilderrahmen und Bilder. Alles mit bunten Farben gemalt und mit filigranen Schnitzereien. Die Motive sind komplizierte grafische Ornamente und Fabelwesen Vorherrschende Farbe ist rot.

Ich entdecke eine Gruppe Touristen. Sie haben einen Guide dabei und der spricht tatsächlich deutsch. Ich schleiche mich etwas an, bleibe in der Nähe, als sie im zweiten Stock in das Atelier der Thangka-Maler gehen. Diese Malereien sind sehr traditionelle Bilder, die nach genauen Vorgaben gemalt werden. Die Motive sind gegeben, die Darstellung von Buddha unterliegt genauen Regeln. Die Bilder werden auf Leinen gemalt, wertvollere auf Seide. Es sind wirkliche Kunstwerke, die nicht nur aus Malerei bestehen, mir scheint, dass die Maler dabei Meditieren, denn die Bilder werden vor allem zur Meditation in Tempeln und Privathäusern gebraucht. Es wird mit speziell dünnen Pinseln gearbeitet und die Fertigstellung eines Bildes kann bis zu mehreren Monaten dauern.

Die Künstler sind hochkonzentriert, lassen sich von den Besuchern, die um sie herum stehen und genau hinsehen, keinen Moment stören. Hier arbeiten ausschliesslich junge Männer, angeleitet von einem etwas älteren Meister. Ich muss etwa schmunzeln. Auch wenn das ganze eine alte Tradition ist, einige von den jungen Künstler haben ihr Handy neben sich gelegt. Darauf ist ihre Vorlage.

Es gibt kleine Thangkas, die im Laden gekauft werden können. Das Institut ist vor allem bekannt für seine grosse Sammlung von traditionellen Thangka-Bildern in allen Grössen.

Die ganze Anlage ist in einem grossen Garten. Die Gebäude sind im typischen tibetischen leichten Baustil mit dünnen Wänden und Schiebefenstern gebaut und ich frage mich, wie man wohl im Winter hier lebt, denn eine richtige Heizung kann ich nicht erkennen und isoliert scheinen mir weder Fenster noch Türen zu sein. Kalt wird es im Winter bestimmt, denn wir sind hier auf über 1500 m. Überall im Garten wehen die farbigen Gebetsfahnen. Sie zerfleddern im Wind und in der Natur und sollen die aufgedruckten Gebete und Mantras in die Welt verteilen.

Es ist eine ruhige Anlage mit schönen Pflanzen, bequemen Gehwegen die leicht ansteigen und mit breiten Treppen unterbrochen werden. Sie führen hinauf zum Tempel. Hier im Tempel sitzt ein grosser Buddha und auch hier steht davor ein Thron mit einem gelben Tuch. Um zu zeigen, wofür der Thron ist, steht darauf ein grosses Portrait des Dalai-Lama.

Auch der Altar ist aufwändig geschmückt mit Ornamenten, riesigen Bildern, vielen bunten Bordüren, viel Gold. Es ist eine ganz andere Farbigkeit als in einem Hindu-Tempel, denn hier handelt es sich um eine andere Religion. Es ist der tibetische Buddhismus, dessen Oberhaupt seit 80 Jahren der Dalai-Lama ist. Dieser Tempel ist bedeutend aufwändiger und oppulenter geschmückt, als der Tempel im Dalai-Lama-Tempel oben in Mcleod Ganj.

Natürlich gibt es auch hier eine Wand mit Gebetsmühlen, die von jedem Gläubigen angestossen werden. Auch hier das gleiche Prinzip. Durch die Bewegung werden die Mantras und guten Wünche, die auf den Gebetsmühlen geprägt sind, in die Umgebung abgegen. Genauso wie das mit den Gebetsfahnen passiert.

Gebetsmühlen...

Gebetsmühlen...

... und Gebetsfahnen

... und Gebetsfahnen

In einem Nebengebäude gibt es ein Puppenmuseum. Hier sind hunderte von Puppen ausgestellt. Aufwändig bekleidet in traditionellen Gewändern. Es werden Prozessionen dargestellt, Tänze, Beerdigungen, Geisterbeschwörungen, Familienleben, Feste. Das ganze tibetische Leben, das in Llasa, der Hauptstadt Tibets nicht mehr möglich ist, seit China den Staat übernommen hat.

Hier zeigt sich die reiche Kultur dieses Bergvolkes.

Nach dem Besuch des Puppenmuseums gehe ich zurück zu Rajesh, der findet, dass es Zeit für Lunch sei. Er hatte mir versprochen, mit mir an einem typischen Ort zu essen und ich bin schon gespannt, was für eine Restaurant er ausgewählt hat.

Es ist eine kleine Küche am Strassenrand mit ein paar Tischen, mit einem Menu. Es gibt Reis, Dal und ein Gemüsecurry. Allein würde ich mich nie getrauen, hier zu essen, aber in Begleitung von Rajesh überwinde ich meine Skrupel, lasse mir eine kleinere Portion geben, die dann allerdings trotzdem gross ausfällt. Aber einen Löffel brauche ich. Die Teller sind gross und aus Aluminium, geschöpft wird aus der Panne und später kommt der Wirt mit Nachschub. Wobei er den Reis mit den Händen herausschöpft. Alle haben sich vor dem Essen die Hände am Wasserfass gründlich mit Seife gewaschen, denn gegessen wird ausschliesslich von Hand. Ich bin die einzige, die einen Löffel benutzt.

In kleinen Schüsselchen gibt es rohe Zwiebeln eine scharfe grüne Chillischoten. Ausserdem gibt es Wasser, das aus einem grossen Krug nachgeschenkt wird. Das Essen schmeckt richtig gut, es ist immer nur mein Kopf, der bei solchen Gelegenheiten streiken will und der eine spezielle Motivation braucht, bis ich mich getraue zu essen.

Allerdings darf ich meinen Tischgenossen nicht so genau auf die Hände schauen, wenn ich sehe, wie sie mit den Fingern im Reis wühlen, ihn mit dem Dal mischen und das Essen irgendwie in den Mund schieben. Gegessen wird ausschliesslich mit der rechten Hand. Servietten gibt es keine, am Schluss wäscht man sich die Hände wieder gründlich.

Beim Gehen möchte ich bezahlen, doch Rajesh winkt ab, das übernimmt er. Ich bin eingeladen. Nette Geste.

Hat es dir geschmeckt, fragt er, bevor wir wieder losfahren. Er kann nicht wissen, wieviel Überwindung mir ein solcher Ort kostet, aber ich kann mit guten Gewissen sagen: Ja, es hat wunderbar geschmeckt.

Unser nächster Stop ist ein grosser Gebäudekomplex, eine Schule, resp. ein Kloster

Es ist das Kloster Gyuto, eines der berühmtesten tibetischen Kloster und es ist spezialistiert auf das Studium der tantrischen Meditation und der buddhistischen Philosophie. (hab ich ergoogelt) Diese wurde 1474 vom Hauptschüler des ersten Dalai-Lama gegründet. Nach der chinesischen Invation des Tibets wurde das Kloster hier im Jahr 1959 neu gegründet.

Zur Zeit studieren gegen 200 Schüler hier.

Es ist ein grosses Gelände mit vielen Wohnhäusern. Wahrscheinlich gibt es auch viele Schulräume, die ich allerdings nicht erkennen kann. Die Schüler sitzen im Moment im Tempel. Es sind lange niedrige Tischreihen aufgebaut. Bezogen mit dem Bordeau-roten Stoff, den man hier überall von den Mönchskleidern kennt.

An den Tischen sitzen die Studenten im Lotussitz auf einem Sitzpolster und meditieren. Es sind alles Männer, rot gekleidet, meist junge Männer und Jugendliche. Sie sitzen in gebeugter Haltung, vor sich ein Text, den sie lesen, den sie sich vorlesen und dazu wippen sie mit dem Oberkörper. Der ganze Tempelraum voller Studenten, voller Raunen, Reden, in Bewegung und trotzdem ruhig. Eine eigenartige Stimmung.

Ich nehme an, dass die wippenden Bewegungen, das Schaukeln vor und zurück, die Konzentration fördern, ihnen hilft, ganz bei sich zu bleiben, sich nicht ablenken zu lassen vom Nachbarn, der einen anderen Text liest, eine andere Meditation macht. Die Besucher, die hier im Tempel ein und ausgehen, scheinen sie nicht zu stören, sie scheinen sie gar nicht zu bemerken, bleiben in ihrem Studium. .

Zwischen ihnen läuft ein Lehrer durch die Reihen. Ruhig, ohne jemanden zu stören.

Auch hier wieder, beim Altar, vor dem grossen Buddhastatue ein hoher Stuhl, geschmückt mit farbigen Tüchern und bedeckt mit einem gelben Tuch, thront der Dalai-Lama. Fast könnte man glauben, er sitze tatsächlich da, so gross ist die grosse ausgeschnittene Kartonfigur.

Ich versuche, mit dem Lehrer ein paar Worte zu wechseln, als er kurz hinaus auf die Brüstung tritt und sich eine der kleinen Kupfer-Schalen holt, die hier aufgestapelt sind. Man füllt sie mit Oel, legt einen Docht dazu. Kleine Oellämpchen, die man überall sieht.

Der Mönch ist sehr freundlich, will wissen, woher ich komme, aber leider spricht er sonst kein Englisch. Er geht zurück in den Tempel, zurück zu seinen Zöglingen, während ich noch einen kurzen Spaziergang durch den Garten mache, die letzten Blüten des Sommers fotografisch einsammle.

Unser nächster Besuch ist mal was ganz anderes. In anderen Städten besucht man schon mal ein Fussballstadion. Aber hier in Indien ist Cricket wichtig.

Darum besuchen wir jetzt das Cricket-Stadion. Cricket ist der National-Sport Indiens und er werden regelmässig Spiele im Fernsehen übertragen. Jedenfalls läuft manchmal beim Früchstück in den Hotels Cricket über den Bildschirm. Hier in Dharamsala steht das höchst gelegene Cricket-Stadion der Welt, es liegt auf knapp 1500 m.

Es macht mit seinen bunten Farben einen fröhlichen Eindruck. Schade nur, dass der Rasen im Moment ausgewechselt wird. Es sind Baumaschinen auf dem Platz, die das komplette Gelände neu sanieren. Das Stadion fasst 23'000 Zuschauer.

Bevor ich den Ort wieder verlasse, sehe ich ausserhalb der Umzäunung noch einen Moment zu, wie eine Strasse saniert wird. Wieder einmal sind es ausschliesslich Frauen, die die schweren Lasten tragen. Stein für Stein wird das Gelände abgetragen. Die Männer holen die Steine mit dem Pickel aus der Erde und laden sie in die Kübel, dann helfen sie den Frauen, diese auf ihren Kopf zu laden. Es scheint hier völlig normal zu sein, dass die Frauen die schwerste Arbeit ausführen.

Ich habe auch später noch einmal eine Baustelle gesehen, und Rajesh darauf aufmerksam gemacht.. Ja, meinte er, das ist traurig zu sehen.

Traurig ist auch der nächste Besichtigungspunkt. Das Kriegsmemorial.

Da denkt man, man sei in Indien weit weg von den Weltkriegen, doch Indien hat im 2. Weltkrieg über 20'000 Soldaten verloren. Der Krieg war nicht zuletzt auch der Beginn der Unabhängigkeitsbewegung, die 2 Jahre nach Kriegsende 1947 in Kraft trat.

Auf den grossen Tafeln sind viele Namen eingrafiert. Doch nicht nur der 1. und 2 Weltkrieg, Indien hat viel mehr verschiedene Kriege zu verarbeiten.

An solchen Orten merke ich wieder, woher ich komme. Die Schweiz kennt keine Soldatenfriedhöfe, keine Kriegsdenkmäler, abgesehen von alten lokalen Schlachten mit ihren Schlachtdenkmälern. Doch diese liegen alle über 500 Jahre zurück.

Ich kenne die Geschichte Indiens zu wenig, aber es berührt mich, auf so viele Opfer, so viele Konflikte zurück zu sehen, die alle mit Hilfe von Waffen ausgetragen wurden. Ein trauriger Ort, ein stiller Ort in einem grossen, leicht ansteigenden Gelände mit schön angelegten Gärten und Blumenbeeten.

Ich suche als Ausgleich ein paar letzte Blumen in den Blumenbeeten, die von den Gärtnern neu bepflanzt werden. Nachdenklich gehe ich zurück zu Rajesh.

Dieser hat jetzt noch eine echte Überraschung für mich. Einen Teegarten. Schon ewig, seit ich in Rwanda vor über 30 Jahren zum ersten mal eine Teeplantage gesehen habe, möchte ich wieder einmal eine sehen.

Und jetzt, nachdem wir etwas durch das Gelände gefahren sind, stehen wir plötzlich, nach einer Kurve mitten im Teegarten.

Ich liebe diese niedrigen Büsche, die die ganze Gegend formen. Da wo ich sie zuerst gesehen hatte, wurden die Blätter von Hand gezupft, hier muss eine Maschine durch durch die Pflanzung gefahren sein. Aber es sieht einfach fantastisch aus.

Ich spaziere durch die schmalen Wege, kann mich fast nicht sattsehen und bestelle dann beim Imbiss am Rand der Pflanzung einen Tee.

Und bin ernüchtert. Ich bekomme natürlich keine schöne Tasse Tee, sondern nur etwas heisses Wasser mit einem profanen Beutel. Es ist wahrscheinlich nicht der Plantagenbesitzer, der hier den Imbiss betreibt, sondern irgendjemand, der sich nicht um die Bedeutung des Tees kümmert. Immerhin sind die Tischsets und Becher entsprechend beschriftet.

Aber was solls, Vorstellungen werden selten erfüllt, Überraschungen sind darum umso schöner. Und dieser Teegarten zum Abschluss unserer Besichtigungstour war eine echte Überraschung.

Nach diesem letzten Stop bringt mich Rajesh zurück in mein Hotel. Später gehe ich in eines der Restaurants am Hauptplatz und suche mir ein kleines Nachtessen. Es war wieder ein voller Tag, der mir viele Einblicke in das tibetische Leben hier im Exil in Nordindien gegeben hat.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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