Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Festival - Agra

Heute habe ich Besuch zum Frühstück. Ein Eichhörnchen wagt sich tatsächlich bis auf einen Meter heran. Wahrscheinlich würde es auf den Tisch springen, wenn ich ihm etwas Toast-Brot hinstrecken würde. Doch ich lasse es bleiben, die Tiere werden von den Bewohnern der Häuser gefüttert. Genauso wie die Affen, die auf den Dächern leben und mich am Morgen manchmal erschrecken, wenn sie über meinem Kopf auf dem Blechdach einander hinterher jagen. Mäuse hab eich auch schon auf den Dächern der Nachbarn gesehen und natürlich viele Rabenvögel. Sie alle bekommen Futter von den Menschen, die hier leben. Manchmal wird eine ganze Schüssel Reis ausgelegt.

Nach dem Frühstück bummle ich wieder ein wenig durch das Quartier und hole dann meine Wäsche ab. Ich bekomme sie sauber verpackt in zwei Taschen. Gewaschen, gebügelt und perfekt gefalten. Bei den Blusen liegt ein Zeitungspapier dazwischen, damit es keine unnötigen Falten gibt.

Und das ganze ausserdem zu einem unschlagbaren Preis von unter 10 Franken. I am so happy, sagt Tarachand, dass du deine Wäsche gebracht hast. Und ich bin noch mehr happy wenn du wieder kommst.

Ich bin grad auch sehr happy, denn ich werde nächstens meinen Koffer wieder packen, da ist es ein gutes Gefühl, wenn die Kleider wieder sauber sind.

Später hole ich beim Chai-Kocher zwei Chais. Er hat soeben eine neue Pfanne auf das Feuer gesetzt. Zuerst kommt etwas Wasser hinein, dann zwei Schöpflöffel Milch. Dann gibt er ein paar Löffel Zucker hinein, schwarzen Tee, Zimt und Ingwer. Das ganze lässt er eine Weile aufkochen, dann wird es abgesiebt und in kleine Kartonbecher gefüllt, die die Kunden abholen, um ihn grad zu trinken.

Für mich schüttet er zwei Portionen in einen klenien Plastiksack, gibt mir zwei grössere Becher dazu, weil ich einen guten Preis bezahlt habe. Damit gehe ich zu Arif, der allein in seinem Laden sitzt. Er kann eine Aufmunterung brauchen., auch bei ihm drückt die Stimmung langsam durch.

Ich gebe ihm meinen Elefantenring, der manchmal irgendwo an einem Faden hängenbleibt. Kann er ihn kontrollieren, die scharfe Kante glätten?

Wir sitzen grad gemütlich beim letzten Schluck Chai, als draussen ein Lärm beginnt. Laute Musik, Frauen in farbigen Kleidern mit Krügen auf dem Kopf, ein Pferdefuhrwerk mit Figuren auf dem Wagen. Was ist da draussen los?

Es ist ein Festival. Tag der Mutter. Ein Fest für gross und klein. Ein Hindu-Fest.

Rasch verabschiede ich mich von Arif, will wissen, was da draussen abgeht.

Zuerst lasse ich es dabei bewenden dem Umzug und auch der nächsten Gruppe, die mit einem riesigen Krach durch die Gasse zieht zuzusehen, dann laufe ich ihnen hinterher.

Immer neue Gruppen kommen. Sie tragen bunt geschmückte Statuen mit sich. Sie sind mit Papiergirlanden geschmückt, mit Blumen besteckt, manchmal ganz klein, von einem Mann oder einer Frau getragen, manchmal auf einem Leiterwagen gezogen. Und überall wird zu der Musik getanzt, die aus den Lautsprechern dröhnt. Viele Kinder sind dabei, sie werden farbiges Pulver, sind selber schon komplett bemalt mit verschiedenen Farben. Sie reissen mich irgendwie mit, ich folge ihnen.

Es geht am Eingangstor des Taj Mahal, vor dem jetzt niemand mehr steht, vorbei. Entlang der Umfassungsmauer, hinunter zum Fluss. Manchmal muss man sich dabei noch an Tuctucs vorbei drücken, einer Kuh ausweichen, die sich ausgerechnet diesen Weg für ihr Nickerchen ausgesucht hat.

Immer mehr Menschen kommen. Das Gedränge wird grösser. Ich lasse mich einfach treiben, niemand stört sich daran, dass ich mitlaufe. Manchmal winkt mir jemand, manchmal lässt sich jemand mit mir fotografieren. Ein Selfie mit der fremden Frau. Die Inder sind unglaublich offen und neugierig, in jeder Situation. Where do you come from? werde ich im Vorübergehen manchmal gefragt. Von Erwachsenen, von Kindern.

im kleinen Tempel

im kleinen Tempel

Irgendwann kommen wir zum Fluss. Und jetzt? was passiert jetzt? Ich dränge mich durch, stehe am Ufer, in der ersten Reihe. Und werde jetzt doch etwas zurückgedrängt. Einer der Uniformierten, die hier für Ruhe sorgen, weist mich zurück, eine Stufe hinauf. Die Treppen-Stufen sind für die Gläubigen reserviert.

Es werden Räucherstäbchen entzündet und zu den Opfergaben gelegt. Es riecht betörend. Duftendes Wasser wird verspritzt. Über die farbigen Statuen, über die Menschen. Die Menschen verabschieden sich von ihren Gaben, die bunten Tücher werden entfernt, die Statuen dem Wasser übergeben.

Der Träger bringt sie hinunter zum Fluss. legt sie auf das Wasser, gibt ihr einen Stoss und dann treibt sie langsam den Fluss hinunter. Etwas weiter draussen kommen andere farbige Bündel daher geschwommen. Anscheinend findet auch auf der anderen Seite des Taj Mahal die gleiche Zeremonie statt.

Ich bleibe noch eine Weile da, sehe den Frauen zu, wie sie kurz in den kleinen unscheinbaren Tempel gehen, sich ehrerbietig verneigen, draussen tanzen

Und langsam bricht die Dämmerung herein. Die Sonne ist längst untergegangen, es wird jetzt rasch dunkel.

Durch den noch immer anhaltenden Strom von immer neuen Gruppen dränge ich mich zurück. Zusammen mit anderen Gläubigen, die ihre Gaben geopfert haben, überstelligen Kindern.

Später sitze ich auf der Terrasse und lasse den Tag an mir vorübergehen. Viel war nicht los heute, ich war nur hier im Quartier unterwegs, aber es war wie immer ein eindrücklicher Tag.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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