Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

Weiterfahrt

Das Bild ist mir geblieben, der Schirm wurde längst weitergegeben. Aber immerhin war er der einzige, den ich auf meiner Reise gekauft hatte.

Das Bild ist mir geblieben, der Schirm wurde längst weitergegeben. Aber immerhin war er der einzige, den ich auf meiner Reise gekauft hatte.

Shariff hat mich am Mittag zur Busstation gebracht. Und hat noch einmal betont, dass ich nur anrufen müsse, er käme mich sofort wieder holen, wenn es mir nicht gut ginge. Mysore sei der Ort, wo er auf mich aufpassen würde und es mir auf jeden Fall wieder gut gehen würde.

Ja, da war auch ich ein wenig traurig. Und trotzdem neugierig auf mein nächstes Ziel.

Busse nach Bangalore fahren tatsächlich dauernd ab. Man hatte mir schon im Hotel bestätigt, dass ich da nicht reservieren müsse und als wir gestern kurz auf dem Busbahnhof waren, konnte ich mich davon überzeugen, dass gleich mehrere Busse bereit standen. Also musste ich auch jetzt nicht lange suchen, stieg in den nächsten Bus ein, vergewisserte mich, dass mein Koffer im Stauraum gut versorgt war und kurz darauf fuhren wir los. Der Bus war gut zur Hälfte besetzt. Das heisst überall sass jemand und versperrte mit seinem Rucksack den zweiten Platz. Und genau das machte ich jetzt auch. Die zweihinterste Sitzreihe war noch leer, ich machte es mir bequem.

Gegen die Klimaanlage, die auch hier wieder stark eingestellt war, hatte ich mein Arabertuch aus Dubai mitgenommen. so war ich gut geschützt.

Wir hatten die Stadt kaum verlassen, fuhren durch ein Dorf, als mir draussen ein Umzug auffiel. Vorne ging eine Blaskapelle über die eine Drohne flog und wohl das ganze Spektakel aufnahm. Dahinter kamen Traktoren mit grossen Schildern. Worum es ging, konnte ich nicht erkennen. Eine Demonstration, eine Wahlveranstaltung oder doch ein Umzug? Jedenfalls muss es etwas mit der Landwirtschaft zu tun haben, denn es schienen alle Traktoren, grosse und kleine der ganzen Gegend mitzumachen.

Hinter dem Umzug bildete sich ein langer Stau, doch das brauchte mich nicht gross zu stören. Ausser, dass irgendwann die Autos der Gegenfahrbahn auf unsere Seite auswichen und uns entgegenkamen. Doch das war höchstenfalls für den Chauffeur ein Thema.

Bald kamen wir auf die gut ausgebaute Autobahn und ich vertiefte mich in mein Buch.

Es dauerte knappe vier Stunden, bis ich am grossen Busbahnhof in Bangalore ankam. Bangalore, da war ich vor über einer Woche schon einmal. Hatte damals aber gar nichts von der Stadt mitbekommen, da ich nur im Hotel blieb.

Lange stand ich nicht an der Busstation, bis ein Tuktukfahrer daher kam und wissen wollte, wo mein Hotel sei. Er verlangte einen so hohen Betrag, dass ich ihn erst stehen lassen wollte, doch er erklärte, es wären gut 5 Km (was ich auf meinem Navi überprüfen konnte) und ausserdem würden wir durch den dichtesten Abend-Verkehr fahren. Ich bin wohl nicht so gut im Preise aushandeln und ausserdem hätte nicht ich ihn stehen gelassen, sondern eher er mich, denn nachdem wir miteinander am Verhandeln waren, hatten sich die anderen Tuktukfahrer zurück gehalten. Ich vermute, dass die Fahrer in den Städten irgendwie gemeinsam organisiert sind, jedenfalls tragen die meisten eine braune uniformähnliche Jacke.

Also fügte ich mich und er hatte Recht, der Verkehr durch die Millionenstadt war tatsächlich heftig. Es wird um jeden Zentimeter gekämpft. Jeder hat Vortritt, keiner bleibt stehen, ausser es liesse sich nicht vermeiden. Da wird dem Fussgänger direkt vor dem Fuss der Weg abgeschnitten, der Motorradfahrer nutzt die kleinste Lücke um noch zwischen Auto und Tuktuk vorzufahren, Tuktuk drängeln sich am Strassenrand neben Autos oder Lastwagren vorbei. Alles ist im Fluss und eigentlich passiert nie etwas. Immer wieder glaube ich, dass jetzt grad mindestens ein Kratzer an einem Auto gemacht wird, mein Tuktuk nicht mehr rechtzeitig stoppen kann hinter einem von links oder rechts einschwenkenden Motorrad. Einmal nur, als wir abrupt die Spur wechselten, konnte ich jemanden hinten schreien hören, kurz darauf überholte uns das Motorrad, dem wir soeben den Weg abgeschnitten hatten. Darauf zwei junge Männer, die dem Tuktukfahrer etwas zuriefen, aber sie lachten dabei. Dass in dem ganzen Chaos unaufhörlich gehupt wird, und zwar von allen, sei es Bus, Auto, Tuktuk oder Motorrad, muss ich gar nicht mehr extra betonen. Shariff hatte neben seiner Hupe, die er am Steuerrad bediente, extra noch ein Horn angebracht, mit dem er aus lauter Freude gelegentlich rhythmisch tutete.

Diesmal hatte ich mir ein anderes Hotel ausgesucht, das im Booking einen recht guten Eindruck machte. Als wir davor ankamen, hatte ich eine kurze Schrecksekunde. Ob das überhaupt offen ist? Es schaut so unbewohnt aus.

Ja, es war offen, die beiden Männer hinter der Theka waren sogar sehr nett, ich durfte zwischen einem Zimmer im 1. und einem im 4. Stock auswählen, was zwar keinen grossen Unterschied machte, aber ich wählte trotzdem das höher gelegene, das direkt neben dem Frühstücksraum lag. Gross, sauber, mit einem Schreibtisch und einem Fenster. Dieses ging zwar nur in einen engen Gang, aber es war immerhin Tageslicht vorhanden. Wifi vorhanden und heisses Wasser. Was will man mehr.

Frühstücksraum im 4. Stock

Frühstücksraum im 4. Stock

Nachdem ich mich kurz auf das Bett legte, muss ich sofort eingeschlafen sein. Busfahrten nehmen mich mit, ich merke, dass ich nicht mehr so robust bin, wie auch schon. Erwacht bin ich von einem rauschenden Geräusch. Draussen war es inzwischen stockfinster und es regnete. Und zwar in Bindfäden. Ein extremer Wolkenbruch ging über die Stadt nieder. Und ich hatte Hunger.

Einen Moment wartete ich aber es schien keine Ende zu nehmen. Also holte ich meinen kleinen Knirps-Schirm aus dem Koffer und fuhr mit dem Lift zur Lobby. Ob es hier ein gutes Restaurant in der Nähe gäbe, wollte ich wissen, doch der Mann zuckte die Achseln. Konnte ihm auch gut ansehen, dass es sich fragte, was ich im Moment auf der Strasse suche.

Vorsichtig stieg ich die glitschig-nasse Treppe vor dem Hotel hinunter und watete durch die Strasse. Ja, ich musste tatsächlich waten, denn auf dem Trottoir und der Strasse hatten sich schon Bäche gebildet. Nur gut, dass mich das in meinen Flipflops nicht gross stören konnte. Die Hosenbeine etwas raufziehen und losgehen. Links um die nächste Ecke und dann noch eine und dann stand ich tatsächlich vor einem Lokal. Dieses war zwar auch teilweise etwas geflutet, weil der vordere Teil nur notdürftig abgedeckt war, aber weiter hinten fand ich einen Tisch und ein netter Kellner fragte, was ich möchte.

Als ich kam, sass da am Nebentisch noch eine Gruppe junger Frauen.

Als ich kam, sass da am Nebentisch noch eine Gruppe junger Frauen.

Ein Gin-Tonic mit Grapefruit - und mit einer schönen Geschichte (siehe unten)

Ein Gin-Tonic mit Grapefruit - und mit einer schönen Geschichte (siehe unten)

Ich erkundigte mich, was die jungen Frauen am Nebentisch trinken würden, genau das wollte ich auch und bekam einen Gin Tonic mit Grapefruit. Seit zwei Monaten das erste Mal wieder etwas stärkeren Alkohol. Natürlich wollte ich die Flasche sehen. Ein einheimischer Gin aus Goa.

Dazu später einen Fisch in Bananenblättern eingewickelt mit viel Reis und Crevettenchips. Die Welt war für mich in Ordnung.

Erst als ich mich auf den Heimweg machte, musste ich mich wieder mit dem noch immer anhaltenden Regen auseinandersetzen - und mich ausserdem konzentrieren, um welche Ecke ich gekommen war. Doch ich fand das Hotel bald wieder und schlief in der abgekühlten Luft beim Rauschen des Regens wunderbar.

Fisch in Tomaten-Chili-Kokosnuss-Sauce, eingepackt im Bananenblatt

Fisch in Tomaten-Chili-Kokosnuss-Sauce, eingepackt im Bananenblatt

Weil ich ja bekanntlich Geschichten liebe und es ausserdem heute nicht viel zu erzählen gibt, habe ich die Legende des Gins von Google übersetzen lassen.

Tief im Dschungel der Western Ghats in Indien lebt eine zweischwänzige, dreiäugige Kreatur, die einst zufällig auf Wacholderbeeren stieß, die in der geheimen Tasche einer Sari-Bluse versteckt waren. Mit ihr begann die Geschichte dieses Gins.

Es ist bekannt, dass sie in Vollmondnächten erscheint, einen Topf mit ihrer menschlichen Hand hält und geheime Zutaten in ihren beiden Schwänzen versteckt. Einige sagen, dass man sie zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen in den örtlichen Bars in Panjim, Goa, finden kann, aber wir haben Gemurmel von Sichtungen in London, Singapur und Thailand gehört …

Ihre Spuren verschwinden, sobald sie sie macht, als ob es einen unsichtbaren Wind gäbe, dessen einzige Verantwortung darin besteht, ihre Existenz für alle geheim zu halten, außer für diejenigen, die sie auswählt. Und selbst dann benutzt sie immer ihr drittes Auge, um sich mit ihnen zu verbinden.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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