Reise durch Indien

Reisezeit: Juni 2022 - Januar 2023  |  von Beatrice Feldbauer

noch mehr Tempel

Tempel zu Ehren von Swami Ramakrishnananda

Tempel zu Ehren von Swami Ramakrishnananda

Am nächsten Morgen sind wir früher unterwegs. Gleich nach dem Frühstück holt mich Jayagaj ab.

Es gibt in Chennai so viele grosse Tempel, dass ich unmöglich alle sehen kann, aber ein paar wollen wir heute anpeilen.

Der erste ist hinter einem imposanten Tor in einem Garten mit schön angelegten Rabatten und Rasenflächen und präsentiert sich leicht rosa. Es ist ein neuerer Bau.

In der Halle sitzen ein paar Leute, ins Gebet vertieft, ich bleibe daher im hinteren Bereich und mache nur ein Bild von der Halle. Wahrscheinlich wäre das nicht erlaubt, aber es hat niemanden gestört.

Ich frage einen der Mönche, der vorbei kommt, und mich anweist, nicht in den Garten zu gehen, der sei privat. Ja, meint er, der Tempel ist erst gut 20 Jahre alt. Daneben findest du den alten Tempel. Der ganze Komplex scheint ein Kloster zu sein und eine Schule, die einem heiligen Mann, oder einem Swami geweiht zu sein, der 2011 starb.

Der alte Tempel präsentiert sich von von aussen viel einfacher als der neue, aber die Halle ist ebenfalls sehr gross und eindrücklich. Der Mann, der darin am Beten ist, zeigt mir mit einer Hand die Treppe, ich soll auch in den ersten Stock gehen, wo ein paar Fotos des Swamis hängen.

Die ganze Anlage besteht aus einigen Häusern in denen wahrscheinlich die Schulräume und die Zimmer der Schüler oder Mönche untergebracht sind.

Auch die Halle des alten Tempels ist sehr eindrücklich.

Auch die Halle des alten Tempels ist sehr eindrücklich.

Vor den Haustüren und auch vor den Toren des Tempels entdecke ich jetzt wieder weisse Kreidezeichnungen. Diese sind ein typisches Zeichen von Südindien. Sie werden am Mogen von den Frauen auf das Pflaster gezeichnet und heissen Kolam.

Im Norden habe ich diese Zeichnungen nicht mehr gesehen. Gezeichnet wird mit Reismehl, das durch die Finger rieselt und die Symbole sollen Glück bringen. Sie werden auch bei bestimmten Ritualen benutzt. Es sind immer Frauen, die diese Kunst ausüben.

Vor dem nächsten Tempel hängt mir eine der Blumenverkäuferinnen einen Kranz Jasminblüten um den Hals und drückt mir zwei Wachslämpchen in die Hand. Was soll ich damit, und was soll das kosten?

Sie winkt ab, ich warte, bis du zurück kommst.

Die Blüten duften betäubend, ich glaube, den Kranz behalte ich als Schmuck und Parfüm. Die Lämpchen aber entzünde ich an der Stelle, wo auch andere Lämpchen brennen. Man kann auch in einem Tempel den lieben Verstorbenen gedenken.

Kapaleeswhar Tempel

Kapaleeswhar Tempel

Es ist wieder einer dieser typischen südindischen Tempel mit dem pyramidenformigen Aufbau und den unzähligen Figuren. Diesmal sind es vor allem Männerfiguren. Götter und Dämone. Ein paar wenige Frauen dazwischen.

Es ist ein Shiva-Tempel, ist aber vor allem seiner Gattin Shakti gewidmet. Da Shakti ihren Lord Shiva als Pfau verehrte, gibt es überall auf den Dächern Pfauenstatuen.

Ich sehe mich in den kleinen Tempeln um, spaziere über das Gelände, begegne dem fröhlichen Yogi mit den weissen Haaren, der für mich posiert. Vielleicht wollte er dafür etwas Geld, aber ich habe mich nach dem Bild ganz schnell bedankt und verabschiedet. Wahrscheinlich bekommt er von all den einheimischen Pilgern, die alle ihr Karma aufbessern wollen, genug Almosen. Manchmal bin ich geizig.

In den offenen Hallen bewundere ich die Rosetten an der Decke. Eine stellt wieder dieses eigenartige Gottheit-Symbol dar, diesen Lingam. Auf dem Bild erscheint er immer wieder anders, je nachdem von wo man hinschaut, scheint es, als ob es immer direkt zu mir zeigen würde. Das war schon im Tempel von Madurai eines der Rätsel, das mir mein Guide damals gezeigt hatte.

Nachdem ich auch noch die steinernen Kühe und Tempelelefanten bewundert habe, gehe ich hinein ins Heiligtum. Da wo die Menschen ihre Opfer abgeben. Ich behalte meinen duftenden Jasminkranz um den Hals, zünde nur die Wachslichter an und folge den anderen, indem ich einmal rund um den mittlerein Komplex gehe.

Dabei fallen mir im hinteren Teil die vielen Statuen an den Wänden auf. Wie Puppen sind sie aufgestellt. Alle sind sorgfältig mit Tüchern bekleidet, einige mit Blumen geschmückt. Da mir niemand gefolgt ist, mache ich ein paar Fotos.

Und dann werde ich etwas übermütig und mache auch noch ein paar Bilder direkt vor dem Altar, obwohl da ein Plakat sagt, dass man keine Fotos machen sollte. Aber da mich niemand dabei stört, bin ich sogar ein wenig stolz darüber.

Doch wie so oft, die Strafe folgt auf dem Fuss. Als ich wieder an der frischen Luft bin, hält mich ein uniformierter Mann auf, ich müsse die Foto löschen, die ich vorhin gemacht habe. Unwillig hole ich mein Handy hervor, lösche das letzte Bild. Ist das alles? will der Mann wissen. Ich verdrücke ein Ja-a-a, doch er will es genau wissen. Ich muss zurück blättern und als ich mich drücke und auszuweichen versuche, nimmt er das Handy selber in die Hand und schaut sich alle Bilder an. Nein, kein einziges im Tempel lässt er mir. Alle werden gelöscht. Es sei eine Anweisung der Regierung, niemand macht Fotos im Inneren von Tempeln.

Ich bin etwas verstört und enttäuscht, erst später im Tuctuc kommt mir in den Sinn, dass das Handy ja noch einen Papierkorb hat, aus dem man die Bilder wieder hervorholen kann. Das tue ich denn auch, verzichte aber jetzt darauf, die Bilder vom Heiligtum zu zeigen. Nur die Statuen zeige ich hier, denn es ist immer so schwierig, etwas richtig zu beschreiben.

Bei der Blumenhändlerin bezahle ich beim Herauskommen den duftenden Jasminkranz, der noch immer um meinen Hals hängt und die Wachslichter, dann fahren wir weiter.

Das nächste Ziel ist wieder eine Kirche. Die Basilika des Apostels Thomas. Thomas missionierte in Irak und Iran und kam bis an die Ostküste Indiens, wo er starb und begraben wurde, bevor man seine Gebeine später nach Urfa/Edessa in der Türkei überführte.

Dass wir hier in Chennai bereits die zweite grosse Kirche besichtigen, bringt mich zur Frage, wie denn die Religionen in Chennai verteilt wären.

50/50, erklärt Jayagaj. 50 % Hindus, 50 % Christen und 50 % Moslems. Ich schmunzle, lasse die Zahlen aber unkommentiert und fühle mich später dem Zweifler Thomas verbunden, als ich die richtigen Verhältnisse google.

Es sind (gerundet) 80 % Hindus, 10 % Moslems, 8 % Christen und ein paar andere Religionen. Es ist wohl so, dass man die eigene Gruppe gerne überschätzt, mein Fahrer ist Christ. Das erklärt wahrscheinlich auch, dass er mir dir grossen Kirchen der Stadt zeigen wollte.

St Thomas Basilika

St Thomas Basilika

Basilika St. Thomas

Basilika St. Thomas

Noch einmal eine Krippe, wir sind immer noch in der Altjahrwoche.

Noch einmal eine Krippe, wir sind immer noch in der Altjahrwoche.

Wir steuern den nächsten Tempel an. Davor stehen ein paar Kühe und ich versuche mich als Tierfotografin. Dabei gerate ich dummerweise in die Hinterlassenschaft eines Tieres. Mist.

An ein paar Grasbüscheln versuche ich, meine Flipflops wieder sauber zu machen, aber Jayagai meint, ich solle die Schuhe hier lassen, während ich den Tempel besichtige, er würde sie dann waschen. Ein Tuktukfahrer ist einfach für alles zu brauchen und viele sind auch sehr zuvorkommend.

Triplicane Arulmigu Parthasarathy-Swamy Tempel

Triplicane Arulmigu Parthasarathy-Swamy Tempel

Ich spaziere durch die grosse Tempelanlage, auch das wieder die Pyramidenform mit den vielen Figuren, aber ich merke, dass mein Bedarf an heiligen Stätten gesättigt ist. Ich setze mich noch eine Weile im Inneren auf eine der Steinstufen, wo auch andere Besucher eine kleine Rast machen. Einige haben sogar etwas zu Essen mitgenommen.

Immer wieder staune ich aber über die Gläubigkeit und die tiefe Verehrung, die die Menschen ihren Göttern entgegen bringen. Hier berühren sie nicht nur den Boden mit den Fingern, wenn sie über die Schwelle treten. Viele legen sich gar flach auf den Boden. Dieser ist zwar sauber, da er immer gefegt wird, aber es befremdet mich trotzdem, dass die Frauen in ihren wunderschönen Saris und Männer in traditionellen Kleidern flach auf dem Boden liegen und ihre Verehrung in einem stillen Gebet ausdrücken.

Ein Tempelschirm... hab dann doch noch einen anderen gefunden

Ein Tempelschirm... hab dann doch noch einen anderen gefunden

Nach diesem letzten Tempel brauche ich etwas anderes und Jayagai fährt an den Strand. Es ist ein heisser Tag und ich erwarte, dass der Strand voller Menschen ist. Doch wieder einmal ist die Wahrheit ganz anders. Ein langer Steg führt über den heissen Sand hinaus ans Ufer. Dabei kommen wir an ein paar alten Spielzeugen vorbei. Es ist aber alles verlassen. Ein paar wenige Leute sind am Meer. Alle komplett angezogen. Es gibt keine Sonnenschirme oder Strandtücher, keine sonnenhungrige Touristen, nur ein paar Einheimische, die da stehen und das Meer beobachten. Ein paar Männer mit freiem Oberkörper stehen in den Wellen, ein paar Frauen sitzen am Strand. Da wo die Wellen immer wieder den Sand erreichen. Jüngere Menschen liegen im Wasser, lassen sich von den heranrollenden Wellen überspülen. Badekleider sind keine zu sehen. Am Schwimmen ist niemand.

Wo sind die Badenden? Wo wird hier gebadet, will ich von Jayagai wissen, doch er hat keine Antwort. Es badet niemand, es scheint gar verboten zu sein. Warum? Noch gestern war das Wasser wegen Regen höher, der Strand musste erst gereinigt werden. Aber Baden ist eh verboten. Eigenartiges Indien.

Wir gehen zurück zur Strasse. Hier gibt es ein paar Verkaufsstände entlang der Hauptstrasse, aber die meisten sind geschlossen. Am Abend wird hier Betrieb sein, dann wenn es kühler ist, kommen die Menschen ans Meer, stehen zusammen, essen etwas, sitzen vielleicht auf einem der wenigen Plastikstühle, die die Imbisse anbieten,

Wir trinken noch eine kühlende Kokosnuss und fahren dann weiter, dem Strand entlang. Hier ist der Fischmarkt.

Ich steige aus, will mir die Fischstände aus der Nähe ansehen und schlage meinem Fahrer vor, dass er etwas weiter vorne auf mich wartet. Das klappt auch einen Moment, doch er fährt nicht vor, bleibt hinter mir und holt mich bald wieder ein. Ich weiss nicht, was es ist. Will er mich beschützen? Verwirrt es ihn, dass ich mit den Fischerfrauen versuche Kontakt aufzunehmen. Dass ich frage, wann die Fische gefangen wurden, ob ihre Männer die Fischer seien. Leider verstehen die Frauen kein Englisch, meine Fragen bleiben in der Luft.

Es sind wunderschöne und ganz verschiedene Fische. Dicke runde und lange schmale. Silbern glänzende. Weisse mit schwarzen Tupfen, rötlich schimmernde. Alle Formen und Farben sind vorhanden.

Und erst die Crevetten. Riesencrevetten, so grosse habe ich kaum je gesehen. Dazu kommen die Krabben in den Körben, denen man die Zangen zusammengebunden hat, denn sie könnten gefährlich werden und einen Finger glatt wegknipsen.

In Chennai sehe ich zum ersten Mal indische Frauen mit kurzen Haaren

In Chennai sehe ich zum ersten Mal indische Frauen mit kurzen Haaren

Wohnhäuser am Meer

Wohnhäuser am Meer

Hinter den Verkaufsständen liegen die Fischerboote am Strand

Hinter den Verkaufsständen liegen die Fischerboote am Strand

Wir sind auf dem Weg zurück zum Hotel, fahren durch die Stadt, als mich mein Fahrer fragt, ob ich den Call Jesus Prayer Tower sehen wolle. Ich hab zwar keine Ahnung was das ist, aber ein Tower ist bestimmt interessant. Vielleicht gibt es einen Überblick über die Stadt.

Da wo wir anhalten und das Schild den Call Jesus Prayer Tower verkündet, kann ich zwar keinen Turm erkennen, aber ich fahre trotzdem mit dem Lift in den ersten Stock, wo mich eine Frau an einer Rezeption erwartet und mir ein Formular zum Ausfüllen hinsteckt. Was soll ich damit? Die Gruppe, die mit mir im Lift war, sitzt bereits auf den Stühlen die an einen Wartesaal erinnern, aber ich will keine Formulare ausfüllen, bevor ich nicht weiss, worum es sich hier überhaupt handelt.

Jesus Call Prayer Tower - Jesus ruft Bet-Turm

Jesus Call Prayer Tower - Jesus ruft Bet-Turm

Der Mann, der von einem Plakat gleich beim Eingang mit einem herzlichen God Bless You die Leute begrüsst, erinnert mich an einen Prediger. Weil die Empfangsdame durch mein Verhalten etwas irritiert ist, werde ich an eine andere Frau weitergegeben, die mich in ein kleines Büro einlädt und wissen will, was denn mein Anliegen wäre, wofür ich beten möchte? Eigentlich gar keines, ich würde nur gern wissen, worum es hier überhaupt geht. Ich will keine Besprechung und auch nicht mit jemandem zusammen beten. Ich bin ganz schnell wieder aus dem kleinen Büro draussen, und darf mich in den hinteren Räumen umsehen, wo mir der Mann vom Eingang auf unzähligen Fotos wieder begegnet. Es scheint tatsächlich ein inzwischen verstorbener Prediger zu sein.

Als ich zurück zum Wartesaal komme, ist auch mein Fahrer eingetroffen. Er muss gespürt haben, dass ich hier nicht zurechtkomme. Er erklärt der Dame, dass er mich hergebracht habe und fragt mich, ob ich die Kapelle besuchen wolle. Warum nicht, wenn ich schon mal hier bin.

Er scheint sich hier auszukennen, führt mich im Untergeschoss durch die Parkgarage zu einem blau beleuchteten Raum, wo ein paar Leute am Boden knien. Ich setze mich auf einen der Stühle ganz hinten, während er sich in der Mitte des Raumes auf den Boden kniet, die Arme ausbreitet, und eine ganze Weile im Gebet verharrt. Es ist also keine Frage der Religion, sondern eher der Kultur, seinen Gott so sehr zu verehren und ihm zu huldigen.

Später im Tuctuc bestätigt mir Jayagai, dass dieser Call Jesus Tower seine Kirche sei und er jede Woche mehrmals hierher komme, um zu beten.

Wir fahren zurück zum Hotel, wo ich den Rest des Nachmittags im kühlen Zimmer verbringe und am Abend ein feines Menu mit frittierten Crevetten und einem chinesischen Nachtessen im exklusiven Restaurant im 2. Stock geniesse.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Es geht wieder los. Vier Monate ist es her, seit ich von meiner Südamerikareise zurück gekommen bin. Sieben Monate war ich unterwegs. Und jetzt stehe ich vor einem neuen Start. Mein Traum ist das Taj Mahal. Mein Ziel heisst Indien.
Details:
Aufbruch: 01.06.2022
Dauer: 8 Monate
Heimkehr: 30.01.2023
Reiseziele: Vereinigte Arabische Emirate
Indien
Indonesien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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