Reise durch Indien
Stadtbummel
Nur einen kurzen Spaziergang zum nächsten Geldautomaten, den ich gestern Nacht auf der Rückfahrt mit dem Tucktuck gesehen habe und schon muss ich wieder überall stehen bleiben. Staunend. Vor meinem Hotel ist ein kleiner Markt entstanden. Ein Schrottmarkt würde ich es nennen, oder wie kann man diese vielen kleinen rostigen Werkzeuge, Schrauben, Muttern, Nägel, Zahnräder usw. bezeichnen.
Ob da tatsächlich jemand herkommt und genau das findet, was er schon lange gesucht hat.
Interessanter ist da schon der Trödelstand mit einem alten Trichtergramophon, uralten Kameras, wo wahrscheinlich noch ein Kuckuck rauskommt, alten Telefonen mit goldenen Hörern, einem SpulenTonband, das der Verkäufer demonstrativ dreht. - siehst du, funktioniert noch... meint er schelmisch.
Ein paar Stände weiter sehe ich vor einer vollgestopften Gerümelkammer ein paar alte Fernseher, von denen zwei tatsächlich noch bewegte Bilder senden. Sie senden beide die gleichen Aufnahmen, Videos werden es kaum sein können.
Den Mann, der mitten in all dem Chaos liegt und von niemandem beachtet wird, habe ich mit einigen Bedenken fotografiert. Sein Bild soll aber zeigen, dass auch das hier in der Stadt Realität ist. Ich begegne zwar nicht so vielen, wie ich befürchtet und von Südamerikanischen Stadten kenne, aber jeder, der ein solches Leben führen muss, ist einer zu viel.
Auf dem Rückweg vom ATM, der wieder nur ganz kleine Beträge rausrückt, aber viel braucht man hier ja eh nicht und die Hotels zahle ich jeweils mit Karte - bleibe ich bei einer Strassenküche stehen. Es werden verschiedene Dinge angeboten, unter anderem frittierte Zweibelring-Bälle und natürlich Tee. Immer mit Milch und Zucker.
Beim nächsten Stand ist das Angebot an Esswaren noch etwas umfangreicher, aber vor allem frittiertes.
Hier etwas zu essen traue ich mich nicht, da bin ich sehr vorsichtig. Auch mit der Kamera gleich draufzuhalten kann ich nicht ganz so ungeniert. Aber ich merke an den Reaktionen der Männer, dass es in Ordnung ist, wenn ich ein Foto mache. Sie lachen mich an, manchmal winken sie sogar. Das macht mich immer sicherer. Ich bin überrascht, wie offen die Leute mit mir umgehen.
Auch die Frau, die in ihrem weiss-roten Krug etwas mit den Händen mischt und immer wieder frisches Wasser dazu schüttet, hat nichts dagegen, wenn ich sie fotografiere. Sie offeriert mir sogar einen Becher ihres weiss schäumenden Getränkes, aber ich lehne dankend ab. Das geht mir dann doch zu weit. Ich weiss nicht, wieviel ich meinm Magen zumuten darf. Der Mann, der den Becher dann bekommt, scheint ihn aber zu mögen.
Zurück im Hotel widme ich mich erst einmal meinem Blog. Ich will ab jetzt aktuell bleiben, daher werde ich vermehrt Zeit dafür aufwenden müssen. Früher habe ich mir dafür die Nächte um die Ohren geschlagen, jetzt geht das nicht mehr so gut. Aber ich habe ja jetzt ein richtig gutes Zimmer mit einem Schreibplatz am Fenster, also verbringe ich hier den restlichen Vormittag.
Danach geht es zurück auf die Strasse. Ich habe keinen genauen Plan, was ich mir heute ansehen möchte, gehe einfach mal los. Und gerate in einen überdeckten Markt, wo alles mögliche angeboten wird. Vor allem Ersatzteile für Autos, Motorräder und Fahrräder ohne Ende. Und Handy-Reparaturen. Da werden Handys in ihre Betandteile zerlegt und neu zusammengebaut.
Beim Vogelhändler fallen mir die farbigen Hühnchen auf. Es scheint tatsächlich, dass diese eingefärbt wurden. Was für ein Unfug. Was das wohl zu bedeuten hat. Ich sehe mich bei ihm etwas genauer um. Grad holt er ein Huhn aus dem Käfig und übergibt es dem Käufer. Als Zugabe bekommt er das Ei, das wohl ebern erst gelegt wurde.
In seinen Käfigen entdecke ich grosse Gänse, weisse Tauben mit Federbusch auf dem Kopf und winzig kleine weisse Vögelchen. Und bunte Papageien oder eher Sittiche und zu meiner grossen Überraschung sogar Meerschweinchen. Wo bin ich denn jetzt? Es stimmt schon, vieles was ich hier sehe, könnte auch in Südamerika sein, jedenfalls Meerschweinchen erwarte ich eher in der Höhe von Peru, als hier in Indien. Aber sobald ich mit den Menschen sprechen möchte, weiss ich wieder wo ich bin. Der Vogelhändler möchte jedenfalls wissen, wie ich heisse und woher ich komme. Leider spricht er kaum Englisch, aber er möchte, dass wir ein gemensames Selfie machen. Wunsch erfüllt.
Ich gehe weiter, habe den Markt längst verlassen und komme in ruhigere Quartiere, mir farbigen Häusern. Irgenswo setze ich mich auf einen Mauervorsprung, sehe einfach ein wenig zu. Wie die Menschen vorbei gehen, zu Fuss, per Tucktuck oder auf dem Fahrrad. Eine Frau, die an einem öffentlichen Wasserhahn kniet und ihr Geschirr mit viel Seife schruppt, möchte ich gern fotografieren. Sie wackelt mit dem Kopf, oder schüttelt sie ihn. Ich bin nicht ganz sicher, aber der Kioskverkäufer nebenan, schüttelt ihn heftig mit einem betimmten 'Neinei' Das heisst nur also Nein. Ich hab verstanden, gehe weiter.
Unter der Brücke auf der die Bahn fährt, liegen Kühe. Sie glotzen mich an, scheinen müde zu sein. Müde von der Suche nach etwas Essbarem. Der weiss-schwarzen Kuh stehen die Knochen auf dem Rücken krass durch das Fell ab. Sie tut mir leid. Ob sie ihren Hindu-Tempel verloren haben, wo sie wahrscheinlich Futter bekommen könnten. Gelesen habe ich, dass die Kühe sich von essbarem Abföllen ernähren und dass ihr Dung ein wertvolles Brennmaterial ist und daher sorgfältig eingesammelt wird. Und zum Reinigen der Hauseingänge wird er, verdünnt mit Wasser ebenfalls verwendet.
Es sind jetzt nicht mehr viele Leute unterwegs, ich bin in einem ruhigen Ort gelandet, als mich ein junger Mann anspricht.
Weisst du wo du bist?
Ja, in der Nähe des Bahnhofs, schau mal. - ich zeige ihm meine Karte auf dem Handy, wo ich immer genau weiss, wo ich mich genau bedinde.
Ja, aber der Bahnhof ist in der anderen Richtung, hier ist es für dich nicht sicher, meint er darauf.
Dann werde ich also zurück kehren.
Shall I drop you somewhere? Fragt er nach, denn er sitzt auf seinem Motorrad.
Nein, danke, ich werde den Weg schon finden.
Ich gehe also in die andere Richtung, da wo ich hergekommen bin und mache trotzdem noch einmal einen Schlenker.
Und tatsächlich, der junge Mann ist mir gefolgt. Steht schon wieder neben mir mit seiner Maschine. Shall I bring you somewhere.
Nein, echt, ich fürchte mich etwas auf ein Motorrad zu steigen.
Ich bedanke mich noch einmal, er möchte ein Selfie und ich schreibe seinen Namen auf: Ajay. Ich glaube tatsächlich, er handelt mit den besten Absichten, aber ich bleibe trotzdem vorsichtig, gehe auf der anderen Seite des Bahngleises zurück.
Der nächste, der mich anspricht ist ein Mann auf seinem Motorrad. Dieses ist allerdings bereits gut besetzt mit seiner Frau und seinen beiden Mädchen in rosa Festkleidern. Foto? Fragt er und zeigt auf die Kinder und dann auf mein Handy.
Selbstverstänlich, noch so gern. So komme ich schon wieder zu einem unerwarteten Sujet.
Als ein Rikschafahrer mit einer Frau auf der Ladebrücke langsam vorbei trampt, hebe ich die Kamera. Ob es die Frau stört, wenn ich sie fotografiere? Sie sieht mich und zieht ihr Kopftuch aus, setzt sich gerade hin mit gekreuzten Beinen und ruft ihrem Mann etwas zu. Der fährt tatsächlich noch langsamer, so dass ich die beiden einholen kann und die Fotos machen. Dass er mich etwas mürrisch ansieht, muss nicht heissen, dass er etwas gegen mich hätte, seine Frau hinen im Wagen lächelt jedenfalls vergnügt.
Auch der nächste Rikschkafahrer schenkt mir ein lächeln, als er meine Kamera sieht, ich bin einfach überwältigt ob soviel Freundlichkeit.
Die nächsten beiden lächeln mir nicht zu. Es sind zwei blinde Musiker. Ich bleide eine Weile stehen, sehe wie die junge Frau die Hände ausstreckt. Vielleicht legt jemand etwas hinein, vielleicht ist da jemand. Ich mache ein Video, als grad eine gruppe Frauen in farbigen Saris vorbei gehen. Einige geben ihr eine paar Münzen, eine gar eine Note. Dann schaltet die Frau ihre Musikbox eieder ein und singt in ein Mikrofon. der Mann, vielleicht ist es ihr Vater, schlägt mit seiner Sammelbüchse, in der sich ein paar Münzen befindet, den Takt dazu.
Beim nächsten Stand bleibe ich etwas länger stehen. Der Mann bietet frisch gepressten Zuckerrohrsagt an. Zwei Stangen Zuckerrohr lässt er durch seine Maschine preissen, als diese fast nichts mehr hergeben legt er zwei halbe Limetten dazu und ein paar Kräuter sowie eine Scheibe Inwer. Dann noch ein Eiswürfel dazu, mein Drink ist fertig. Leider habe ich nur eine 100-Rupien Note und er hat kein Wechselgeld. Etwas ratlos versucht er es bei zwei andern Strassenhändlern und geht dann weiter weg. Es dauert fast zehn Minuten bis er wieder kommt, aber Wechselgeld hat er nicht bekommen. Er gibt mir die Note zurück. Doch ich will sie gar nicht, der Becher ist mir das wert. 100 Rupien sind ca 1,2 Franken.
Aber er will ihn nicht behalten, auf gar keinen Fall. Soviel Stolz hat auch ein Strassenhändler. Er ist kein Bettler. Da wir aber zu keinem Konsens kommen, gibt er mir wenigstens eine 50-Rupien-Note zurück. Der Becher hat nur 20 gekostet. Solche Begegnungen beieindrucken mich immer wieder. Sie sind so überraschend und menschlich.
Ich bin jetzt wieder bei der Tempelstadt, die ich gestern besucht hatte. Zuerst glaube ich zwar, dass es ein anderer Komplex ist, aber ich merke bald, dass es der gleiche ist, diesmal bin ich beim Westtor. Hier werde ich von eine älteren Mann mit einem kleinen Jungen angesprochen.
Er erzählt mir, dass er Scheider sei und mir gern eine neue Hose mache. In einer Stude ist sie fertig, verspricht er. Ich winke ab, betrachte die Hàuser und überlege, ob es heir wohl auch eines hätte, von dem man über die Mauer fotografieren könnte.
Natürlich hat er gemerkt, was ich meine und zeigt mir einen Laden. Hier kannst du aufs Dach steigen, meint er und auf dem Weg dorthin erzählt er, dass der kleine Junge sein Enkel sei. Er nehme ihn gern mit, weil er immer etwas lernen könne, wenn er mit Touristen Englisch spreche.
Im Laden staune ich nicht schlech, da ist doch tatsächlich der Händler von gestern Abend, der mir den Tipp mit dem Hotelrestaurant gegeben hat, in einem Kundengespräch. Ich helfe hier einem Freund aus, meint er auf meinen fragenden Blick. Ich fasse es nicht, ich treffe also hier bereits Bekannte.
Der Blick über die Mauer erweist sich als sehr schön und ich verweile einen Moment da oben, lasse diese riesige Tempelanlage noch einmal auf mich wirken.
Wieder unten verwickelt mich der Schneider noch einmal in ein Gespräch und er bringt mich tatsächlich dazu, dass ich mit ihm in einen Stoffladen gehe und einen Stoff für eine neue Bluse mit Hose auslese. Morgen soll es fertig sein, morgen kann ich es abholen.
Morgen habe ich Geburtstag, das schenke ich mir zu dieser Gelegenheit. Ich soll es am MIttag abholen
Dann zeigt er mir noch, wo ich die Tucktucks finde und ich wir verabschieden uns. Wieder habe ich unglaublich viele schöne Begegnungen hinter mir. Mein Herz und meine Kamera sind voller Bilder. Beim Vorbeigehen kaufe ich noch einmal einen Strang Jasminblüten. Sie werden ihren Duft in meinem Zimmer verbreiten und das letzte Lächeln des Tages schenkt mir ein junger Vater mit seinem Sohn auf dem Arm. Als ich ihm das Bild zeige, ruft er seine junge Frau dszu, sie soll es auch besundern.
Es sind all diese kleinen Begegnungen, die meine Reise so speziell machen. Die Begegnungen mit Menschen, freundlichen Menschen die Brücken schlagen zwischen Welten, Kulturen, über Alters- und andere Grenzen hinweg.
Ich liebe das, auch wenn ich in einer Stadt wie dieser manchmal an meine Grenzen komme. Ich werde sie noch oft spüren, diese Grenzen. Doch Grenzen sind keine Blockaden, nur eben Schranken, die sich auch öffnen können.
Am Abend bleibe ich im Hotel. Zwar bin ich im Restaurant ganz alleine, denn die Gäste lassen sich das Essen aufs Zimmer bringen. Der Service ist dauernd unterwegs mit Tablets auf denen die Gerichte unter Alufolie warm gehalten werden.
Den Abschluss des Tages mache ich in der Bar. Will noch einmal ein Glas Weisswein trinken, denn der Rest der offenen Flasche wird wohl kaum von jemandem bestellt. Ich komme mit dem Barman ins Gespräch und dabei klärt sich, wie meine Reise in den nächsten Tagen weiter gehen könnte.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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