Reise durch Indien
Happy Diwali
Ich bin am Vormittag unterwegs zwischen den Verkaufsständen und suche Alternativen zum Frühstück in meiner Unterkunft. Nicht weil es mir dort nicht schmecken würde, sondern weil mir der Wirt zu aufdringlich ist. Er will bestimmen, was ich zu essen habe, drängt mir das und jenes auf und legt es mir einfach auf den Teller. Sowas mochte ich noch nie. Allerdings hat er mit seiner fürsorglichen Art bei den meisten Reisenden Erfolg, denn in den Referenzen lese ich nur positive Kommentare zu seiner hilfsbereiten Art. Also ist das eine persönliche Befindlichkeit von mir. Ich kann da aber nicht über meinen Schatten springen, auch wenn ich weiss, dass es nur gut gemeint ist.
Jedenfalls war er heute morgen bös überrascht, als ich nach meinem Spaziergang zurück kam und kein Frühstück wollte. Ob ich sein Frühstück nicht möge, das sei doch so umfangreich mit Eiern, Früchten, gebratenem Reis und er zählte zum x-ten Mal seine Vorzüge auf. Ich konnte es ihm nicht erklären, was mir nicht passt, versprach aber, morgen wieder bei ihm zu frühstücken, was ihn einigermassen versöhnte.
Das Angebot auf dem Markt konnte mich eben auch nicht wirklich überzeugen. Ich gebs ja zu, ich bin sehr vorsichtig und esse kaum oder gar nicht von Strassenküchen. Da mögen andere dafür schwärmen, ich lasse es, sehe lieber zu, wie sie es zubereiten. Wie sie backen, fritieren, sieden und am Schluss aus einer Plastikbüchse mit Sosse übergiessen.
Allein getraue ich mich eher selten, etwas zu probieren auch wenn ich noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht habe. Ich bin aber ganz allgemein bis jetzt überhaupt ohne grössere Probleme durch Indien gereist. Hoffe das bleibt auch so.
Jedenfalls blieb es an diesem Morgen bei einem Cappuccino an der Nescafe-Bar.
Ich werds überleben.
Gegen Mittag mache ich einen Versuch, eine Sim-Karte zu organisieren. Ich würde dazu meinen Pass brauchen, meint der Tuctuc-Fahrer, den ich vor meiner Unterkunft anspreche. Er fährt mich zu einem Air-Tel-Büro.
In verschiedenen Indiengruppen wird jeweils empfohlen, die Karte direkt am Flugplatz zu kaufen, aber die Informations-Angestellte dort meinte, das ginge hier nicht, die müsse ich mir in der Stadt besorgen.
Zuerst sieht alles ganz einfach aus. Der Angestellte von Airtel fotografiert meinen Pass und meinen Visums-Eintrag im Pass, danach macht er ein Foto von mir und füllt auf seinem Handy einen Antrag aus. Kontakt in Indien? Diesmal hab ich einen, im Gegensatz zu meinem allerersten Versuch damals in Kochi, als ich noch niemanden kannte. Also gebe ich die Nummer von Ahmed in Delhi an. Das hatte ich so mit ihm vereinbart. Doch man will nicht nur eine Nummer, man will auch eine Adresse. Mein Driver hilft aus. Seine Adresse wird eingetragen. Danach übergibt mir der Angestellte sein Handy ich soll meinen Namen und den Namen meines Vaters eintragen, dann kann das ganze abgeschickt werden. Danach warten.
Nach einiger Zeit beginnt das Ganze von vorn. Wieder mit all den Fotos von Pass, Visum und mir und meinem Namen und dem meines Vaters. Die restlichen Angaben blieben gespeichert.
Auch beim sechsten Versuch hält mir der Angestellte wieder sein Handy entgegen, bitte Namen eintragen. Ungerührt, als ob das das Normalste der Welt wäre, einen Antrag wieder und wieder einzureichen und nicht zu wissen, warum es nicht klappt. Waren die Fotos falsch, die Angaben?
Wahrscheinlich wäre das noch endlos so weiter gegangen, wenn nicht irgendwann sein Chef gekommen wäre und meinte, wir würden da ihre und unsere Zeit versäumen und ausserdem sei jetzt Feierabend. Diwali-Festival. Ich soll morgen wieder kommen.
Mein Tuctuc-Fahrer, Sachim heisst er, gibt sich damit nicht zufrieden, er sucht eine andere Agentur auf. Wir fahren noch zwei andere Anbieter an, die allerdings bereits geschlossen sind, als wir zu einem weiteren Airtel-Office kommen. Auch die sind grad am Schliessen, aber ein Angestellter erklärt mir in sehr gutem Englisch, dass ich morgen um elf wieder komemn soll, dann werde er meine Karte umgehend besorgen.
Bin gespannt.
In meiner Unterkunft wurden heute Dekorationen aufgehängt. Farbige Ballone und Girlanden hängen jetzt in den Gängen und bei der Rezeption Und ausserdem wurde das Haus mit Lichterketten behängt, So wie ganz viele in der Stadt und vor allem in der Umgebung des goldenen Tempels. Heute ist Diwali-Festival, eines der grössten Festivals Indiens hab ich gehört. Vor allem hier in Amritsar wird das gross gefeiert, darum sind auch sehr viele Touristen hier. Vor allem indische Touristen aus dem ganzen Land.
Sobald ich durch die schmale Gasse gegangen bin, bin ich in einem Strom von Menschen. Wenn ich gestern noch dachte, es wären viele Leute hier in Amritsar, so hat sich das heute noch mindestens verdoppelt.
Ich kann es ja nicht wirklich beurteilen, bei all den Kleidern, die man hier sieht, aber heute fällt auf, dass mehr Sikhs mit blau-weissen Kleidern und hohen Turbanen unterwegs sind. Viele haben auch noch einen Säbel umgehängt, oder einen kleinen gekrümten Dolch. Oder sie tragen eine silberne Stange mit sich. Manchmal sind sie in Gruppen unterwegs, manchmal allein.
Überall hängen LIchterketten von den Häusern, von den Toren und beim Eingang zum goldenen Tempelhof drängen sich die Leute. Auch ich versuche, hinein zu kommen und diesmal präsentiert sich die Anlage noch einmal ganz anders Überall rund um das grosse Wasserbecken sind Kerzen aufgestellt. Und kleine Oellämpchen. Alles erstrahlt im Glanz der flackernden Lichter. Es ist ein Flammenmeer rund um das Wasser. Aus den Lautsprechern ertönt die Musik aus der Halle, die jetzt voller Menschen ist, die am Boden sitzen oder liegen.
Auch der Platz unter den Arkaden ist voll belegt. Hier schlafen die Leute, eingewickelt in eine Decke, eingemummelt in ihre Kleider..
Und hinter dem goldenen Tempel geht ein Feuerwerk ab. Immer wieder steigen farbige Raketen hoch in den Himmel und zerplatzen in tausende von Sternen.
Überhaupt die Knaller. Schon am frühen Abend ist es losgegangen. Es knallt im Sekundentakt. Überall in den Gassen und zwischen den Verkaufsständen verkaufen fliegende Händler Raketen und Knallkörper. Und überall werden sie losgelassen. Überall, ausser hier im Tempelbereich. Hier bleibt die andächtige Stimmung. Was aber niemanden davon abhalt, Selfies und Gruppenfotos zu machen. Alle die hier sind, wollen ihren Freunden zeigen, was sie machen wo sie sind. Mir geht es da nicht anders.
Nachdem ich meine Augen und Kamera mit den Bildern gefüllt habe, noch einmal durch den Raum mit der Musik und den liegenden Zuhörern gegangen bin, hole ich meine Schuhe, gebe das Kopftuch zurück in den Sammelbehälter und gehe ins grosse Restaurant, wo ich schon am ersten Abend war. Es ist voll, alle Tische besetzt, aber einer der Kellner räumt mir einen Tisch frei, der wohl nicht für Gäste bestimmt war, holt irgendwoher einen Stuhl und schon bald ist der Kellner des ersten Abends da und überlässt mir sein Handy. Damit ich WLAN habe. Einfach so.
Ich bin gerührt, die haben doch tatsächlich anderes zu tun bei diesen vielen Gästen, als sich um eine einzelne ausländische Touristin zu kümmern.
Heute bestelle ich ein richtig typisches Menu und werde nicht enttäsucht. Punjabi Thali besteht aus Dal, KIchererbsen und einem Gemüsecurry, zusammen mit Reis, einer Yoghurtsosse und Roti.
Auf dem Heimweg durch meine inzwischen vertraute schmale Gasse, sehe ich, dass auch hier vor den Häusern Oellämpchen aufgestellt sind.
Das Geknalle hält noch die halbe Nacht an. Auch in meinem Zimmer ohne Fenster kann ich die Raketen hören, die ohne Unterlass irgendwo gezündet werden. Unaufhörlich.
Am nächsten Tag schicken mir ein paar Freundinnen Zeitungsausschnitte aus der Schweiz. Es scheint, dass es gestern einen Lichter-Rekord in Amitsar gab. Wer sie wohl gezählt hat?
Happy Diwali.
Aufbruch: | 01.06.2022 |
Dauer: | 8 Monate |
Heimkehr: | 30.01.2023 |
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