Neustart
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Man sieht ihn auch von meinem Hotel aus, den Hügel de la Popa mit dem Kloster. Hinter der Bucht überblickt man von dort die ganze Gegend. Kein Wunder ist der kleine Berg schon den spanischen Eroberern aufgefallen. Es gab damals eine Legende, dass die Einwohner auf dem Hügel eine Ziege verehrten und diese trieb ihren Schabernack mit den Eroberern indem sie Blitz, Donner, starke Regen und Stürme schickte, die die neu gegründete Stadt regelmässig heimsuchten Darum wurde schon sehr früh ein Augustinerkloster auf dem Hügel gebaut, das der Jungfrau Maria gewidmet war.
Eine Ziege wurde bei der Eröffnung vom Felsen geworfen, weshalb der Felsen seither Salto de la cabra heisst - Sprung der Ziege.
All das weiss ich noch nicht, als ich um 10 Uhr bei Juan Carlos ins Taxi steige. Puntual, wie er betont. Ja, pünktlich, bestätige ich, wie eine Schweizer Uhr. All das erfahre ich erst später, als ich im Internet nach der Geschichte des Klosters suche.
Der Blick vom Aussichtspunkt des Klosters ist grandios. Ich kann weit über die Bucht von Cartagena sehen. Von hier ist die Skyline der Stadt speziell eindrücklich. Dass der Hügerl nur 150 hoch istl, also nur gerade 50 Meter höher als mein Hotel, das noch nicht zu den höchsten der Stadt gehört, kann man sich von hier kaum vorstellen. Doch da spielt mir wohl die Entfernug einen Streich. Jedenfalls sehen die Hochhäuser viel niedriger aus, wenn man sie aus der Entfernung sieht. Das Kloster ist direkt auf den Felsen gebaut.
Viel kann man vom Kloster nicht sehen, aber der Klosterhof mit seinem Kreuzgang und den eleganten Bögen ist sehr schön und wurde vor ein paar Jahren restauriert. In einer der Kammern, in denen es verschiedene Gemälde gibt, wird ein speziell beleuchtetes Bild der heiligen Familie gezeigt. Ob das nur jetzt zur Weihnungszeit so beleuchtet ist, weiss ich nicht. Jedenfalls ist der ganze Raum mit unzähligen Lämpchen beleuchtet, die dauernd die Farbe wechseln. Gut möglich, dass das Teil der Weihnachtsinszenierung ist.
Wir fahren über die kurvenreiche Strasse zurück in die Stadt. Man sollte übrigens nicht zu Fuss auf den Hügel gehen, lese ich später. Auf der Strecke würden Touristen regelmässig überfallen. Man solle sich ein Taxi nehmen und den Taxifahrer bitten, auf einem zu warten, während man das Kloster besucht. Juan Carlos wartet auf dem Parkplatz auf mich.
Zurück in der Stadt, zeigt er mir das Denkmal mit den alten Schuhen. Es ist einem wichtigen Poeten aus Cartagena gewidmet. Luis Carlos Lopez (1879 - 1950). In seinem Gedicht An meine Heimatstadt schreibt er, dass man für die Stadt ein Gefühl entwickelt wie zu einem alten Paar Schuhe. Darum stehen nun seine Schuhe hier auf dem Platz in der Nähe der Festung San Felipe und die Touristen stehen Schlange davor. Jeder will einmal in die Schuhe steigen und ein Bild davon nach Hause nehmen. Mir reichen die Schuhe, mich selber brauche ich da nicht auch noch drauf zu haben. Dafür brauche ich nicht anzustehen, muss nur den nächsten Personal-Wechsel auf der Plattform abwarten.
Als nächstes fahren wir zum Castillo San Felipe. So wie die Festung in Callego, Lima wurde sie dem damaligen spanischen König gewidmet. Gebaut wurde es von den Spaniern, um Piraten und jegliche Invasoren schon von weitem zu rekennen. Es ist eine starke Festung mit dicken Mauern. Darin gibt es unterirdische Gänge, richtige Labyrinthe. Diese wurden angelegt, um einerseits den Soldaten zu ermöglichen, übrerall und jederzeit auf den Mauern aufzutauchen und andererseits, um allfällige Eindringlinge zu verwirren und ein Vordringen zu verhindern. Heute für die Touristen gibt es keine Unsicherheiten. Die Gänge sind nur sehr beschränkt begehbar und man ist auch gleich wieder an der Luft. Allerdings tatsächlich an einem komplett anderen Ort, als da wo man hinein gegangen ist. Auf einer anderen Plattform oder in einer anderen Himmelsrichtung.
Bevor ich mich an den Aufstieg mache, lasse ich mich von einem der Verkäufer beschwatzen. Es sei unabdingbar, dass ich einen Hut trage, meint er. Die Sonne würde heute viel zu heiss scheinen. Recht hat er ja, und eigentlich bewundere ich all die Leute, die diese schönen Hüte tragen. Also bin ich heute mit Hut unterwegs.
Nur schade, dass er etwas zu knapp ist. Es scheint nicht nur die Sonne, es geht auch ein angenehmer Wind und der Hut hält mir etwas zu locker auf dem Kopf. So dass ich ihn am Schluss öfters in der Hand, als auf dem Kopf trage. Aber wichtig ist ja, dass der Verkäufer einen Hut verkauft hat.
Ich nehme den Aufstieg über die breite Rampe in Angriff. Ganz oben weht eine riesige Fahne dort will ich hin.
Von einer Plattform über mir höre ich eine Trompete. Ob das eine Show ist. Als ich oben ankomme, ist der Trompeter grad dabei, sich ein paar zusätzlichen Propinas zu verdienen. Er gibt das Posing vor, wie er Leute erschreckt und natürlich wird er eifrig fotografiert. Es reicht nicht mehr, ein paar Töne in die Luft zu blasen und eine historische Uniform zu tragen. Zusätzliche Fantasie ist gefragt.
Ich lasse mir Zeit, steige in die unterirdischen Gänge, bewundere die Aussicht von den verschiedenen Plattformen, sehe mir die Kanonen an, die heute auf die Skyline von Cartagena zeigen, früher aber gegen jegliche Angreifer vom See- oder Landweg gerichtet waren. Es gibt noch mehr Festungen und auch eine dicke Mauer, die die Altstadt von Cartagena beschützt, denn der Ort wurde an einem sehr strategischen Ort gebaut.
Die grösste Schlacht wurde 1741 in der Bucht ausgetragen. Damals wollten die Engländer die Stadt erobern und zerstören. Mit 27'000 Soldaten auf 186 Schiffen griffen sie an. Die Spanier hatten dieser Armada nur 6 Schiffe und 3'600 Soldaten entgegenzusehen. Aber sie hatten einen genialen Anführer. Zwar hatte Blas de Lezo in verschiedenen Kriegen in Spanien bereits ein Bein, eine Hand und am Schluss gar noch ein Auge eingebüsst. Aber trotzdem bot er beharrlichen Widerstand und konnte am Ende die Engländer in ihre Schranken weisen.
Er gilt seither als Beschützer und Held von Cartagena. Sein Denkmal steht direkt unterhalb der Festung und zeigt ihn mit Holzbein und einer einbandagierten Hand. Die andere aber schwingt siegessicher den Degen. Gestorben ist er übrigens hier in Cartagena, kurz nach seinem legendären Sieg, an der Pest. Was die Kriege nicht geschafft hatten, schaffte die Krankheit.
Juan Carlos hat beim Parkplatz auf mich gewartet und auch der Hutverkäufer ist noch da. Er würde mir den Hut auch gern gegen einen grösseren eintauschen, aber er hat keinen dabei. Nur einen der zu gross ist oder ganz andere Modelle. Aber ich bestehe auf meinem weissen Hut und behalte ihn darum einstweilen. Ohne Wind kann ich ihn tragen, aber wer weiss schon, wann unverhofft Wind aufkommt.
Wir fahren noch zum Schriftzug Cartagena, der Eingangs Stadt am Meer steht. Auch hier stehen wieder Frauen mit ihren bunten Kleidern. Und diesmal habe ich tatsächlich etwas Propina dabei und sie posieren mit ihren farbenprächtigen Roben vor dem Schriftzug für mich.
Danach fahren wir zurück zum Hotel und ich verbringe den Nachmittag mit Schreiben. Den luftigen Schreibplatz auf dem Dach muss ich bald wieder räumen, denn die Sonne heizt auf. Und bei dem Licht kann ich den Bildschirm gar nicht mehr erkennen. Also zurück in mein kühles Zimmer, dafür hab ich es ja. Zum Nachessen gehe ich ins Restaurant. Es ist ja nicht so, dass das Essen schlecht wäre, es ist einfach etwas unpersönlich und lieblos mit dem Buffet und völlig ohne Bedienung. Allerdings packe ich diesmal eine der Angestellten und frage sie, wozu denn auf jedem Tisch eine Flasche Wein stehe, ob man die kaufen könnte.
Prompt kommt sie mit einem Zapfenzieher und einem Weinglas daher. Der Wein ist extra. Ich bin immer wieder erstaunt, dass tatsächlich niemand hier Alkohol zum Essen trinkt. Nicht einmal ein Bier kann ich auf einem der Tische sehen. Das wird gelegentlich am Pool getrunken. Zum Essen gibt es frische Fruchtsäfte.
Wie ich da also mit meiner Flasche und dem vollen Glas sitze, spricht mich ein Mann an, wie ich denn zu diesem Wein käme. Ich erkläre es ihm, lade ihn und seine Frau zu einem Glas ein, da mir die Flasche viel zu viel ist. So kommt es, dass ich Camilo und Ana Lucia aus Bogota kennen lerne. Die beiden verbringen drei Tage hier in Cartagena. Camilo spricht übrigens recht gut deutsch, er hat ein paar Jahre in Deutschland in der Wasseraufbereitung gearbeitet.
Ansonsten bin ich tatsächlich ausschliesslich mit mir selbst unterwegs. Die Pandemie lässt nicht viele spontane Begegnungen zu, alle sind zu sehr in ihrem eigenen Kosmos hiter ihrer Maske unterwegs. Manchmal ist mir das recht, aber ich hoffe trotzdem, dass die Offenheit irgendwann zurück kommt.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
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