Neustart
Lima
Ich bin sehr früh auf dem Flugplatz. Irgendwie habe ich noch immer das Gefühl, dass mir etwas fehlt, dass ich noch etwas verpasst habe. Zwar hatte ich mich bei Pocha, der Reiseagentin in Lima erkundigt, ob ich tatsächlich keinen Test für die Eineise nach Peru brauche. Sie hat abgeklärt und schickte mir die entsprechenden Informationen. Ich brauche nur das Impf-Zertifikat.
Beim Einchecken will die Dame am Schalter den QR-Code der Migrationsbehörde in Lima sehen. Den habe ich nicht, ich hatte nur eine Bestätigung erhalten, dass ich mich registriert habe, das ist auch ein Code, aber nicht der richtige. Weder auf dem Handy noch im Mail ist etwas eingetroffen. Und dabei hatte ich noch extra die App aufgeladen. Hatte Pass und Boardingpass eingescannt und eine scheussliche Foto von mir gemacht. Doch ohne kann sie mich nicht durchlassen. Sie ruft mir die entsprechende Seite auf meinem Handy auf und ich fülle noch einmal aus. Am Schluss habe ich einen Code, bin aber nicht ganz sicher, ob ich alles richtig ausgefüllt habe, in der Aufregung direkt am Schalter.
"Ja", meint sie, "behalte das, schliesse die Seite nicht". Und dann kommt die entscheidende Frage: "wo ist das Ticket für die Weiterreise?"
"Ich habe noch keines, will mich erst in Lima entscheiden." Das geht nicht, ich kann sehen, wie sie die Augen verdreht... immer diese Touristen die glauben, dass sie alles besser wissen. Sie will ein Ticket, sonst kann ich meinen Koffer nicht aufgeben.
Also gehe ich zum Latamschalter ganz in der Nähe. Frage, was denn möglich wäre. Nach einigem Hin und Her bekomme ich tatsächlich ein Ticket zu meiner Wunschdestination. Kann es kaum fassen. Erst noch war es geschlossen und eigentlich kann ich es noch kaum glauben. Doch am Schluss habe ich die Bestätigung für meinen Weiterflug am 25. Dezember. Ein Weihnachtsgeschenk.
Gute Laune ist nur der Vorname, ich gehe jetzt beschwingt zum Gate, Abflug um 22.00 Uhr, Ankunft in Lima lange nach Mitternacht. Lima, diese Millionenstadt liegt beim Anflug unvermittelt unter mir. Ein Lichtermeer bis zum Horizont und noch weiter. 12 Millionen Einwohner und fast nur flach.
Jetzt geht es zur Migration. Da heisst es anstehen. Eine junge Angestellte in Uniform macht schon mal die Vorsondierung. Sie will mein Impfzertifikat sehen. Und den Code der Migration, den ich am Checkin-Schalter von Medellin bekommen hatte. Und genau diese Seite habe ich versehentlich doch geschlossen. Ich könnte mich ohrfeigen, oder sonst was, hab sie bereits im Flugzeug erfolglos wieder gesucht. Der Code ist verschwunden, war nicht abgespeichert, war nur eine Internet-Seite. Ich zeige ihr den Code, den ich vorher bekommen hatte. Sie ist zufrieden. Das ist ein Code, das zählt. Und das Weiterflug-Ticket? Das will auch niemand mehr sehen. Die Beamtin am Schalter will dann noch wissen, wie lange ich in Peru bleiben werde, bestätigt einen Monat und ich bin angekommen.
Warum mein Ticket nicht mehr interessierte? Man geht davon aus, dass die Fluggesellschaft das kontrolliert hat. Wenn jeder überall und immer noch einmal alles kontrollieren würde, würden die Schlangen an den Schaltern noch viel länger.
Während ich auf den Koffer warte, kommt ein Zöllner mit einem Labrador. Der Hund beschnüffelt alle Koffer, die auf dem Band daher kommen. Bei einem steigt er kurz auf das Band und geht erst weiter, als ihn der Hundeführer lobt. Dann widmet er sich den nächsten Gepäckstücken. Meinen Koffer hat er nur mit einem Seitenblick gestreift.
Vor dem Flughafengebäude wartet Juan. Es ist wunderschön, abgeholt zu werden, sich nicht um ein Taxi kümmern zu müssen. Die Strassen sind leer, kein Verkehr mehr um diese Zeit. Bei der Virgin fährt Juan etwas langsamer. "Willst du sie nicht fotografieren?" "Nein, heut nicht, ich bin zu müde. Aber es ist schön, sie zu sehen."
Im Hotel erwartet mich José. Mit ihm hatte ich gestern noch das Zimmer bestätigt. Er hat mir ein grosses Zimmer reserviert, das grösste, das ich hier je hatte und weil ich seit Jahren immer wieder hierher komme, hat er mir sogar einen sehr guten Preis gemacht.
Das Kamana ist ein einfaches Stadt-Hotel mit 8 Stockwerken, die Zimmer sind alt, aber die Betten bequem. Der grosse Vorteil ist, dass es direkt im Zentrum liegt. In fünf Minuten bin ich am Hauptplatz. Und ausserdem kennen mich hier alle. Von der Rezeption über den Türsteher, die Kellner im Restaurant und auch die Angestellten der Zimmerreinigung kennen mich.
Nachdem ich gründlich ausgeschlafen habe, ist der Plaza de Armas mein Ziel gegen Mittag. Als ich Lima vor knapp drei Monaten verliess, war der Platz noch abgesperrt. Jetzt ist er offen. Nur die Autos sind verbannt. Das stört zwar die Taxifahrer, weil jetzt grosse Umwege gefahren werden müssen, aber für die Fussgänger ergibt sich eine lockere heitere Atmosphäre. Ein riesiger Weihanchtsbaum steht auf dem Platz, ein paar Leute bummeln über den Platz, doch mich zieht es ins Moyas.
Das Restaurant, das ich erst bei einem meiner letzten Aufenthalte entdeckt hatte, hat eine fantastische Lage mit direkter Sicht zur Kathedrale.
Aus lauter Freude, wieder hier zu sein, bestelle ich einen Pisco sour und geniesse ihn mit gerösteten Maiskernen. Die sind eigentlich nicht so mein Ding, aber heute ist alles perfekt, was peruanisch ist. Ich bin zurück, ich fühle mich wie zu Hause. So stark hatte ich das Gefühl noch nie.
Und um das Mass voll zu machen, bestelle ich mir noch ein gemischtes Ceviche und einen Maracuyasaft und bin einfach rundum happy.
War schon klar, dass der Pisco sour auf nüchternen Magen nicht das Richtige war. Ich spüre ihn bereits im Kopf - und etwas wohl auch in den Beinen. Jedenfalls gibt er mir die perfekte Entschuldigung, mich nach einem kurzen Spaziergang über den Platz zurück ins Zimmer zu verziehen.
Dort schlafe ich noch eine Weile und befasse mich später mit den letzten Tagen in Cartagena. Ein neues Kapitel will geschrieben werden.
Später am Abend, es ist längst dunkel, komme ich noch einmal auf den Platz. So schön er bei Tag ist, seinen Zauber entfaltet er erst nachts. Hier traue ich mich ohne Probleme, noch ein wenig zu bummeln. Es sind nicht viele Menschen unterwegs, es ist ruhig.
Ich setze mich auf die warmen Steinstufen vor der Kathedrale und beobachte den Platz. Einfach hier sein, ein wenig träumen, ein wenig der vergangenen Zeit nachsinnen. Ankommen.
Später esse ich in einem chinesischen kleinen Restaurant. Dummerweise habe ich ein Menu ausgewählt, die Portion ist wie üblich viel zu gross. Aber es schmeckt wunderbar. Süss-sauer mit viel Ananas und gebratenem Reis.
Und dann laufe ich durch die fast leeren Strassen zurück zum Hotel. Es ist friedlich und ruhig. Und das allerschönste: hier bleiben die Abfallsäcke auf der Strasse Abfallsäcke, auch wenn ich näher komme. Es schläft niemand in den Strassen, jedenfalls nicht hier rund um den Hauptplatz von Lima.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
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