Neustart
Reise
Es ist Zeit für eine Veränderung. Ich glaube, dass ich in Bogota das gesehen habe, was ich sehen wollte. Ausserdem fühle ich mich in den Strassen nicht wirklich wohl. Es braucht also ein neues Ziel. Dieses habe ich schon seit Anfang der Reise im Fokus und bin gespannt, ob es das bringt, was es verspricht. Ein kleines Dort gut 200 km nördlich: Villa de Leyva.
Ein Taxi bringt mich zum Terminal. Heute ist Feiertag in Kolumbien, viele Strssen sind für Autos gesperrt, dafür sind viele Fahrröder unterwegs. Auch ich muss mein Taxi ein paar Strassen weiter abfangen, denn die Strasse vor dem Hotel ist gesperrt. Aber die freundliche Rezeptionistin begleitet mich, damit ich mein Taxi auch ganz bestimmt finde.
Ob auch an den Sonntagen die Strassen gesperrt seien, will ich von dem Taxifahrer wissen, und ausserdem was den heute gefeiret werde. An einem gewöhnlichen Montag. Es ist der Unhabhängigkeitstag von Cartagena, der im ganzen Land gefeiert wird. Und ja, die Strassen werden nur an grossen Feiertagen für die Fahrräder und Fussgänger freigegeben.
Das Busterminal von Bogota ist riesig und es gibt jede Menge Schalter, mit Busgesellschaften, die in alle Richtungen fahren. Ich folge den Schildern für nordwärts doch auch da gibt es immer noch über 20 verschiedene Schalter mit verschiedenen Busgesellschaften. Also fange ich irgendwo an, frage nach Villa de Leyva. Diese Methode hat sich bisher immer als die schnellste herausgetellt. Natürlich hätte ich vorher auch schon Busverbindungen im Internet suchen können, doch schon am dritten Schalter bin ich am richtigen Ort. Abfahrt in zwei Stunden, der Platz Nummer 1 ist noch frei. Fahrzeit 4 Stunden.
Es ist Mittagszeit, Abfahrt um zwei Uhr, das reicht lange für einen Kaffee und etwas Süsses. Beim Warten versuche ich zu lesen, doch ich muss einsehen, dass mein letztes Buch ein Fehlgriff war. Schon zum X-ten mal versuche ich, mich in die Geschichte einzulesen, es gelingt mir nicht. Sie ist mir zuwider. Leider habe ich es verpasst, meine Bibliothek aufzustocken, das muss ich bei nächster Gelegenheit unbedingt machen. Ich lasse also meinen Reader wieder in der Tasche verschwinden und surfe mit dem Handy ein wenig durchs Netz, recherchiere ein paar Themen, die ich für meinen nächsten Blog brauche und beobachte die Leute im Kiosk, der zu einem Cafe mit Bäckerei ausgebaut wurde.
Irgendwann ist es dann doch Zeit, in die grosse Wartehalle zu gehen, wo vor dem Ausgang 26 tatsächlich der Bus steht. Da kann ich mein Gepäck schon mal aufgeben und bin jetzt frei, noch rasch auf die Toilette zu gehen. Meistens ist sie gratis, manchmal kostet sie 1000 Pesos, das sind knapp 25 Rappen. Heute kostet sie 1100 Pesos, inkl. Toilettenpapier. Die Frau, die die Aufsicht hat, drückt mir ein winziges Päcklein in die Hand - das Toilettenpapier - und weist mich an, noch einen Moment zu warten. Es sind bereits zu viele Leute drinnen.
Toiletten sind übrigens überall sauber. Meistens hat es Papier, oft muss man es bevor man in die Kabine geht, von einem gemeinsamen Spender mitnehmen, manchmal bekommt man ein paar abgezählte Abschnitte von der Toilettenfrau. Dass sie sogar extra eingepackt sind, das habe ich noch nie gesehen. Doch alles ist möglich und es gibt immer wieder neue Erkenntnisse.
Es ist halb zwei und ich bin tatsächlich der erste Passagier. Bis zur Abfahrt, die pünktlich erfolgt, kommen noch fünf Leute dazu. Ich habe also meine Zweierbank für mich allein. Leider sind die Fenster mit Covid-Vorschriften verklebt und die oberen Scheiben leicht abgedunkelt. Fotos sehen durch diese Scheiben immer aus, als ob sie einmal durch den Schlamm gezogen wären.
Und jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Ich mache noch einen letzten Versuch mit meinem Buch, immerhin habe ich ungestörte vier Stunden Zeit, doch irgendwann döse ich ein. Das Prachttier ist nicht meins.
Werde das Buch wohl tatsächlich nicht fertig lesen, der Vollständigkeit halber stelle ich es hier aber trotzdem vor. Die Empfehlung kam aus einem Literaturtipp von SRF.
Wir fahren durch eine grüne Gegend, meistens auf über 2000 m, doch irgndwann kommen wir tiefer und ich kann weit hinten Berge erkennen. Eine schöne Gegend, aber leider fräsen wir daran vorbei. Die Aufnahmen geben nichts her, denn ich mache sie von der unteren Scheibe, das ist zu niedrig, um den weiten Blick zu erhaschen.
Irgendwo haben wir unterwegs einen kurzen Halt eingeschalten, es sind noch ein paar Leute zugestiegen, und am Schluss sind tatsächlich alle Sitze besetzt.
Es ist erst grad dunkel geworden, als wir noch einmal die Höhe erklimmen. Villa de Leyva liegt auf gut 2100 Meter. Bei der Ankunft am kleinen Terminal kann ich keine Taxis erkennen. Zum Glück hab ich vorgesorgt. Mein Hotel liegt am Hauptplatz und der liegt nur vier Blocks entfernt. Es sind noch sehr viele Leute unterwegs, als ich meinen Koffer über das Kopfsteinpflaster ziehe. Zum Glück gibt es an den Rändern der Strasse sowas wie ein ebenes Trottoir mit Platten, sonst wäre ich wohl an meine Grenzen gekommen.
Und dann bin ich am Hauptplatz muss erst einmal tief durchatmen. Es ist ein riesiger Platz, die Häuser rundum sind dezent beleuchtet. Die Kirche mit dem einfachen Turm, der sich über die zweistöckigen Häuser erhebt ist genau gegenüber meinem Hotel. Es ist ein Traum, hier zu sein, das merke ich sofort.
Das Hotel ist ein koloniales Gebäude mit einem schönen Innenhof, die Zimmer sind rundum verteilt. Ich bin hin und weg, Hier drinnen ist es völlig ruhig. Nachdem ich mich kurz eingerichtet habe, muss ich noch einmal hinaus. Muss über den Platz laufen, mich umsehen, versuchen die unglaubliche Stimmung einzufangen. Zwar sind noch immer ziemlich viele Leute unterwegs, aber hier fühle ich mich sicher. Ich laufe einmal rund um den Platz und kehre dann unter den grossen Bogen ein. Hier spielt ein Gitarrenspieler melancholische Lieder. Hunger habe ich nach der langen Fahrt kaum, aber eine Hühnersuppe tut mir gut.
Ich bleibe eine ganze Weile sitzen, höre der Musik zu, beobachte den Platz, sehe den Leuten zu, die beim Brunnen in der Mitte Fotoshootings durchfühen. Der Ort ist ein Traum. Und auch wenn ich schon viele Fotos vom Platz gesehen habe, so ist das tatsächliche Hiersein einfach noch etwas ganz anderes.
Im Hotel gibt es eine kleine Dachterrasse, diskret versteckt hinter dem Ziegeldach. Da oben setze ich mich später noch einen Moment hin, bevor ich ins Zimmer gehe und diesen wunderbaren Abend abschliesse.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
Argentinien