Neustart
Huaca de la luna
Also ich war ganz überzeugt, dass ich heute nichts unternehme. Nur ausschlafen, zum Frühstück gehen, dann noch einmal ein wenig schlafen -ich fand, ich hätte es noch immer nötig - danach den Bericht von gestern schreiben und sonst gar nichts tun.
So war der Plan. Doch dann lief das mit dem Schreiben überhaupt nicht und ich fand, ein kurzer Rundgang auf dem Hauptplatz, den Kopf auslüften, könnte vielleicht doch nicht schaden. Obwohl ich ja wusste, dass das immer die Gefahr in sich birgt, dass ich dann doch noch etwas erlebe, das ich danach unbedingt beschreiben möchte. Aber heute sicher nicht.
Zufällig entdeckte ich die Fussgängerpassage, an der ich ein paar Restaurants fand, die mir gestern gefehlt hatten. Und ein schöner Platz, wo mir ein Taxifahrer winkte. Nein, heute bin ich völlig immun auf freundliche Anmache und sei sie noch so sympathisch. Ich winkte ab, wollte das Tor fotografieren, das sich mir aufdrängte, und dann gleich zurück zum Hotel um beim Nichtstun weiter zu machen.
Blöd nur, dass das Taxi dann immer noch da stand und der Fahrer mich freundlich anlächelte. Ich wollte ihm eigentlich erklären, dass ich nirgendwohin fahren möchte, doch er meinte, dass er der ideale Fremdenführer für Trujillo sei.
Na ja, ich bin die letzte, die ein solches Angebot ausschlagen könnte. Sein erster Vorschlag war dann allerdings ein Schlag ins Wasser.
Die Huaca El Dragon Arco Iris, zu der er mich fuhr, war geschlossen. Wie so vieles geschlossen ist wegen fehlenden Besuchern aufgrund der Pandemie. Und ich habe bis jetzt keine Ahnung, was ich dabei verpasst habe. Walter, so hatte sich mein Tasifahrer vorgestellt, versuchte, den Wächter vor dem Tor zu überreden, mich hinein zu lassen, doch es nutzte nichts. Der Mann erklärte, er würde jetzt grad zum Mittagessen gehen. Und dabei wäre doch der Eintritt in meinem Ticket von gestern inbegriffen gewesen. Walter verstand die Welt nicht mehr. Auch der nächste Vorschlag, die Huaca Esmeralda, war geschlossen. Auch die war Bestandteil menes Kombitickets von gestern.
Natürlich hatte Walter einen weitere Vorschlag, er meinte, wir könnten zur Huaca del Sol y de la Luna fahren. Huaca ist eine Ausgrabungsstätte oder ein geheiligter Ort. Also zur Sonne und zum Mond. Mir war inzwischen beides Recht, meinen gemütlichen Schreibnachmittag hatte ich bereits aufgegeben.
Es war eine ziemlich lange Fahrt ans andere Ende der Stadt, bis zum Museum el Moche, das ich unbedingt gesehen haben müsse, bevor ich Trujillo wieder verlasse.
Im Museum, dass ich allein besuchte und in dem kaum jemand war, werden viele sehr schöne Keramiken ausgestellt. Es ist die Moche-Kultur, also die Vorgänger, der Chimu, die ich gestern besucht hatte. Die Ausgrabungsstätte liegt am Rio Moche und die Kultur wird danach benannt. Auch die Moche haben keine Schrift hinterlassen, aber sehr detaillierte Bilder auf ihren sorgfältigen Keramikgefässen.
Leider durfte ich im Museum nicht fotografieren, was mich ziemlich irritierte und dazu brachte, trotzdem ein heimliches, verbotenes Foto zu machen, das zwar nichts brachte, aber meinen inneren Frust etwas dämpfte.
Algorrobioa - ein typischer Baum dieser Gegend... - im Winter 2020/21 war ich in Algorrobo, Spanien. Wer hätte gedacht, dass sich der Name des Ortes auf einen Baum bezieht.
Um halb drei sei die nächste Gruppe geplant mit einer Führung durch die Huaca de la Luna , erklärte mir die Angestellte an der Kasse und bat mich, püunktlich beim Ausgangspunkt zu sein. Walter fuhr mich hin und ich war erstaunt, dass ich die einzige war. Mit Lucy machte ich mich auf den Weg, als plötzlich doch noch zwei Personen auftauchten. Ein junges französisches Paar war es, womit sich wohl hier die zurzeit einzigen Europäer in Trujillo zusammen gefunden hatten.
Die Moche errichteten hier im Süden von Trujillo zwei riesige Pyramiden. Die Huaca de la Luna (Mondpyramide) und die Sonnenpyramide. Während die Huaca del sol noch immer ein grosser Steinhaufen ist, wird die Huaca de la Luna seit gut 30 Jahren erforscht. Dabei fand man verschiedene Plattformen, die immer wieder neu überbaut wurden. Es sind riesige Gebäude, die mit Adobesteinen, den von Hand geformten Lehmziegeln, die einzeln geformt und an der Luft getrocknet werden, aufgebaut wurden. Nein, es sei kein Hügel oder Felsen darunter, versicherte mir Lucy während wir langsam eine Rampe hinauf stiegen, alles von Menschenhand gebaut.
Und dann standen wir vor einer riesigen Mauer mit farbigen Zeichnungen und Reliefs, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Schon oft hatte ich Ausgrabungen besucht und schon oft hatte man versichert dass die Zeichnungen und Mauern früher farbig bemalt waren, doch noch nie waren Farben so klar ersichtlich gewesen. Menschen oder Spinnen, die als Symbol für Fruchtbarkeit stehen, waren da zu sehen. Ganze Prozessionen, wundervolle Muster.
Doch das sei erst der Anfang, meinte Lucy und zeigte auf eine weiss grundierte Mauer, die mir in ihrer Vielfalt wie ein Gemälde von Bruegel vorkam. Menschen, Tiere und Pflanzen verbinden sich zu einem riesigen Gesamtkunstwerk, das mir wie ein Tor zu einer anderen Welt vorkam.
Man hat hier auch viele Skelette gefunden und die Forscher sind sich sicher, dass Menschen geopfert wurden. Ob es sich um siegeiche oder unterlegene Gegner aus Kämpfen oder um Straftäter handelte, ist noch nicht klar ersichtlich, aber die Zeichungen auf den Keramiken zeigen eine klare Sprache von Kämpfern mit Masken und aufwändigem Kopfschmuck. Wem der Kopfschmuck vom Kopf gerissen wurde, dessen Schicksal war besiegelt.
Die Gegend wurde oft vom anschwellenden Mochefluss überflutet, was letztlich auch die Aufgabe dieses Ortes besiegelte. Die Opfer sollten wohl die Götter besänftigen und das Wasser zurückhalten.
Weiter oben, auf der fünften Plattform zeigen sich noch einmal ganz andere Reliefs. Grosse Romben mit Fratzen, die jede leicht anders aussieht. Rot, schwarz, weiss und gelb sind die Farben der Moche, wobei Rot aus fein gemalenen Steinen, vermischt mit Eiweiss, Schwarz aus Kohle und Weiss von Kalk stammt. Wie Gelb gemacht wurde, weiss ich nicht mehr, wahrscheinlich ebenfalls ein Gestein oder Sand.
verschiedene Symbole: Wellenbewegungen in den Haaren und rund um den Kopf, grosse Zähne als Verbindung zu katzenartigen Tieren, grosse Augen als Zeichen von unter Drogen stehenden Priestern
Ich bin völlig begeistert, als ich nach der Führung zu Walter zurück komme. Wenn er mich nicht hierher gefahren hätte, hätte ich tatsächlich einen wichtigen Punkt von Trujillo verpasst.
Zum Abschluss fährt er mich noch an den Strand von Huanchaquito, wo ich zwar gestern schon war, aber wie das so ist mit den Bildern im Kopf. Manchmal brauche ich mehrere Versuche bis ich verstehe, dass diese wunderbaren Sonnenuntergangsbilder mit den exotischen Cavallito de totora, den Schilfpferdchen in den rotgoldenen letzten Sonnenstrahlen des Tages zur Zeit einfach nicht möglich sind. Aber wenigstens finde ich ein schönes Restaurant für ein feines Nachtessen.
Danach fährt mich Walter zurück ins Hotel. Dabei erzählt er mir, dass er er auch den berühmtesten Autor Perus, den Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa jeweils chauffiert, wenn der in Trujillo sei. Zum Beweis zeigt er mir ein Bild mit ihm. Und ausserdem will er auch eines mit mir. Das werden wir morgen machen, dann wenn er mich vom Hotel abholt und zur Busstation bringt. Denn das Ticket für meine morgige Weiterfahrt besorgen wir uns auf dem Rückweg auch noch.
Chauffa mit Crevetten, dazu ein Glas Weisswein - der gute Abschluss auf diesen unerwartet ereignisvollen Tag.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
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