Neustart
Seehunde
Schon bei unserem ersten Ausflug zum Fortaleza Real Felipe hat Juan erzählt, dass es Ausflüge zur Insel San Lorenzo gäbe. Die Insel liegt vor der Küste von Callao und ist unbewohnt. Jedenfalls leben keine Menschen dort. Es gibt nur ein paar alte Gemäuer aus der Zeit, da der Vogeldung im grossen Stil eingesammelt wurde.
Guano-Dünger. Ich weiss nicht, warum ich mich daran erinnere, dass ich in der Schule von diesem Dünger gehört hatte. Jetzt bin ich hier, vor der Küste und stehe kurz davor hinaus zu den Vögeln zu fahren, die diesen Dünger produzieren.
Juan hat sich immer wieder erkundigt, aber es gab bisher keine Ausflüge, es gab einfach keine Touristen. Heute aber wird der Ausflug durchgeführt. Neben uns sind noch zwei Gäste da. Alexandra und Lloyd. Die beiden Australier leben seit drei Jahren in Cusco und sind im Moment für einen Besuch in Lima. Diesen benutzen sie für den Ausflug zur Isla San Lorenzo.
Dazu kommt unser Bootsführer und Mika, der Guia. Zuerst sieht es ganz nach einer gemütlichen Bootsfahrt aus, doch sobald wir die schützende Hafenmauer verlassen, werden wir gehörig durchgeschüttelt. Die Wellen sind wild, werfen das Boot in die Höhe, lassen es wieder herunterfallen. Doch unser Bootsführer verzieht kein Gesicht, das ist normales Wetter zu dieser Jahreszeit. Gestern hatten die Wellen sogar die Hafenmole unter Wasser gesetzt. Wir waren kurz hier um uns noch einmal über den Ausflug zu vergewissern.
Juan scheint es nicht gut zu gehen, ihm ist schlecht. "Schau hinaus auf den Horizont, bleib mit dem Blick nicht hier im Boot. Denn dein Gleichgewichtsorgan im Ohr spürt die Bewegungen, dein Blick im Boot sieht aber keine Bewegung. Das irritiert, das bringt die innere Ordnung durcheinander".
Mein Rat scheint auch bei ihm zu wirken, bei mir funktioniert das eigentlich immer. Kurz darauf erklärt auch Mike genau den gleichen Zusammenhang. "Du musst das sehen, was du fühlst."
Später hat mir Juan verraten, dass dies abgesehen von einer ganz kurzen ruhigen Bootsfahrt sein erster Aufenthalt auf dem Meer war.
Durch die schäumenden Wellen fahren wir hinaus zur Insel, die immer näher kommt. Über uns fliegen Vogelschwärme, neben uns schaukelt ein Fischerboot. Wie eine Nussschale geht es auf und ab und die beiden Fischer sitzen seelenruhig an beiden Enden des Bootes, holen ein Netz ein, während ich wieder auf den Sitz zurück geschleudert werde, weil ich für das Foto rasch aufgestanden bin.
Bald erreichen wir die Insel und können von weitem nun doch ein paar Gebäude erkennen. Das war zur Zeiten des Terrorismus ein Gefängnis.
Die Insel wurde vor der Zeit der Spanier als Friedhof benutzt, weil der Ort als mystisch galt. Zur Kolonialzeit war er ein Stützpunkt für englische und holländische Piraten. Bei der alten Schiffstation steht ein Mann am Handy. Vielleicht wird noch heute Guana von der Insel gewonnen, aber die grossen Gewinne werden damit nicht mehr gemacht.
Wir fahren entlang der Felsen, hier muss man genau wissen, wo die grossen Steine stehen, damit man nicht am Ufer zerschellt. Die Wellen schlagen wild auf den Felsen und dann können wir die Tiere erkennen. Zuerst sind es nur ein paar Vögel, die hier brüten, dann sehen wir eine ganze Kolonie von Humboldt-Pinguienen. Interessant, wie die von Felsen zu Felsen hüpfen und so Höhe gewinnen. Mit ihren kurzen Beinen und ganz ohne Hilfe der winzigen Flügelchen. Es ist sehr beeindruckend, ihnen zuzusehen, wie sie hinauf kommen. Mit ihrem weiss-schwarzen Gefieder sind sie fast nicht zu sehen, sie sind im Gelände bestens getarnt.
Bevor wir sie sehen, können wir sie riechen, die vielen Seelöwen. Es sind tausende von Tieren, die hier auf den Steinen liegen. Bis ganz hinauf. Der ganze Berg ist voll. Sie liegen kreuz und quer. Wenn sie sich bewegen, zucken sie mit dem Körper, kriechen vorwärts. Robben heisst der richtige Ausdruck dafür. Bei der Kante lassen sie sich elegant ins Wasser gleiten und schwimmen dann im Wasser. Kopf aus dem Wasser. Sie beobachten uns. Sie schreien, sie wollen uns sehen. Es tönt fast wie kleine Kinder und es ist lustig, wie sie ihre kleinen Köpfe aus dem Wasser halten. Oder einen eleganten Sprung machen. Ein Purzelbaum, um gleich wieder den Kopf aus dem Wasser zu strecken.
Mike hat inzwischen die Schwimmanzüge bereit gemacht. Der blaue Vorhang am Ende des Bootes ist zur Umziehkabine mutiert. Man kann mit den Seelöwen schwimmen. Ob ich das tatsächlich will. Zwar habe ich ein kleines Tuch mitgebracht, um mich danach abzutrocknen, aber jetzt finde ich es doch zu kalt. Viel zu kalt. Ausserdem ist mir die Umziehkabine zu suspekt. Mein Gleichgewicht ist nicht mehr so sicher, wie es mal war.
Alexandra und Lloyd sind startbereit und im letzten Moment entschliesst sich auch Juan noch, ins Wasser zu steigen. Das ist doppelt mutig, wenn man weiss, dass er kaum schwimmen kann. Aber die Schwimmweste wird ihn über Wasser halten und dieses Abenteuer kann er sich einfach nicht entgehen lassen. Ich konzentriere mich derweil aufs fotografieren.
Bald darauf tummeln sich die Seelöwen rund um unsere Schwimmer. Sie schreien noch immer, schupsen gar, aber es ist alles friedlich.
Ein unglaublich, ein einmaliges Erlebnis schwärmen alle drei, als sie nach 10 Minuten aus dem Wasser steigen. Kalt wars, aber das scheinen sie vergessen zu haben. Dafür ist es jetzt an der Luft umso kälter. Die beiden Australier haben warme Kleider mitgebracht, während Juan sein Leibchen auswringt. Doch am Schluss sind alle wieder einigermassen trocken und wir steuern das Ufer an. Hat es auf dem Rückweg auch wieder geschüttelt? Wir haben es kaum mehr gemerkt, zu sehr ist allen das Adrenalin eingeschossen.
Zum Aufwärmen lade ich Juan zum Texaner ein. Dann fahre ich mit dem Uber zurück ins Hotel, während Juan zum Flughafen fährt, wo er sein Auto mit trockener Wäsche stehen hat. Es war ein fantastischer Ausflug.
auf meiner Bison-Seite habe ich ein paar eindrückliche Videos von diesem Ausflug gepostet.
www.bison.ch Peru-Videos
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
Argentinien