Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Guatape

Das offene Restaurant

Das offene Restaurant

Die Dekoration ist schon ziemlich eigenwillig

Die Dekoration ist schon ziemlich eigenwillig

Beim Frühstück beobachte ich einen jungen Mann, der wohl gestern eingecheckt ist. Es scheint, dass er kein Spanisch spricht und so versucht er mit der jungen Bedienung, die ihrerseits nur spanisch spricht, sein Frühstück zu bestellen. Viel Auswahl gibt es nciht, sie fragt eigentlich nur nach Kaffee oder Schokolade. Beim Kaffee gibts aber bereits ein Problem, denn er möchte gern Milch. Was heisst nun Milch? Milk, milk, please. Das Mädchen versteht Bahnhof. Und der junge Mann holt sein Handy mit einer Übersetzungssoftware. Doch auch damit will es nicht so richtig funktionieren, worauf ich mich kurz einmische. Leche, cafe con leche.

Dann kommt das Frühstück mit Omelette und Tortilla mit Schinken und Käse. Dazu eine Schale Früchte. Ob es da Fleisch drin habe, will der junge Mann wissen und holt wieder seine Software zu Hilfe. No carne, no no, meint das junge Màdchen, nachdem sie ihn eindlich verstanden hat. Schon will er beruhigt anfangen zu essen, fragt aber doch noch einmal nach, was das in der Tortilla denn sei. Die Software kommt an ihre Grenzen, denn er macht ziemlich komplizierte Sätze und die junge Frau weiss überhaupt nicht, was sie damit machen soll. Noch einmal mische ich mich ein. Jamon, Schinken IST Fleisch. Aha, jetzt hat es auch das Mädchen verstanden, sie nimmt den Teller zurück, bringt neue Tortillas ohne Schinken.

Die beiden schnattern noch eine Weile weiter, es scheint, dass sie jetzt beide Spass an ihrer komplizierten Kommunikation haben.

Auch die Mototaxis sind hier abenteuerlich farbig.

Auch die Mototaxis sind hier abenteuerlich farbig.

Ich lasse mir derweil ein Mototaxi rufen und fahre nach Guatape, dem kleinen Ort in der Nähe. Es soll ein farbiger Touristenort sein, soviel weiss ich, habe auch schon ein paar Bilder gesehen.

Ich steige beim Hauptplatz aus und zuerst fällt mir die sehr spezielle Kirche auf. Leider wird sie grad renoviert und ein Gerüst verdeckt die halbe Front. Aber sie wird sehr schön wenn sie fertig ist, mit ihrer weissen Fassade und den roten Akzenten.

Die Strassen sind mit Kopfsteinen gepflastert und die Häuser sehr bunt. Schöne Strassenlaternen stehen in regelmässigen Abständen und vor den Häusern stehen Blumenkübel oder es hängen Blumentöpfe von den niedrigen Dächern. Touristen sind wenige unterwegs und so kommen die gepflegten sauberen Gassen erst recht zur Geltung. Und all die schönen Bilder, die Dekorationen, die es an allen Häusern gibt. Es sind Bordüren, die als Relief gestaltet und bemalt sind. Ich weiss nicht, welche Themen die Bewohner mit ihren Dekorationen ausdrücken wollen. Ist es der Beruf, das Hobby, oder einfach etwas, das den Hausbesitzer interessiert. Vielfach sind es auch grafische und geometrische Muster. Jedenfalls ungemein vielseitig. Doch nicht nur die Bilder sind farbig, die ganzen Häuser sind in allen Farben bemalt. Geländer, Balkone, Fensterrahmen, alles scheint neu gestrichen und sehr sorgfältig und mit Liebe unterhalten.

Autos fahren kaum durch die Strassen. Nur hin und wieder begegnet mir eines der Mototaxis, die mit ihren farbigen Dekorationen perfekt zum Ort passen.

Ich laufe durch die Gassen, bleibe immer wieder stehen und bewundere die Vielfalt der Muster. Ganz allmählich steige ich dabei hinauf und bald habe ich die letzten Häuser hinter mir gelassen und komme zum Aussichtspunkt über dem Dorf. Hier wo die Marienstatue steht, hat man einen wunderbaren Blick zum Penol und über das Dorf hinweg bis hinunter zum Hafen am See. Dorthin will ich später auch noch, doch vorläufig gehe ich zurück zum Hauptplatz.

Es ist warm geworden und es geht gegen Mittag. Ich habe ein Restaurant im zweiten Stock entdeckt und setze mich da an einen Tisch, von dem ich den Platz davor überblicken kann. Auf dem Hauptplatz stehen viele Marktstände. Allerdings sind sie alle noch leer, Ob da am Wochenende ein grösserer Anlass sein wird?

Zocalos heissen diese farbig gestalteten Häusersockel, die an jedem Haus wieder ganz anders aussehen und trotzdem ein einheitliches Bild des Ortes gestalten.

Zocalos heissen diese farbig gestalteten Häusersockel, die an jedem Haus wieder ganz anders aussehen und trotzdem ein einheitliches Bild des Ortes gestalten.

Jede Ecke ist liebevoll dekoriert.

Jede Ecke ist liebevoll dekoriert.

Ich trinke eine Limonadencoco. Das entwickelt sich langsam zu meinem Lieblingsgetränk. Mit der Kokosmilch und den Kokosraspeln ist es auch fast schon nahrhaft, jedenfalls brauche ich dazu nichts zu essen.

Der Kellner hängt eine Fahne auf und Wimpel in den kolumbianischen Farben: gelb-blau-rot. Was ist der Grund, will ich wissen. Fussball? Ja, lacht er. Kolumbien spielt gegen Uruguay. Vorbereitung zur WM. Und bald darauf flimmert über den Bildschirm das Spiel und ein paar Leute finden sich ein.

Frisch gestärkt verlasse ich das Restaurant und trete in die Kirche. Sie ist mit ihren schlanken Säulen und der Holzdecke sehr schön und strahlt Wärme aus.

Meim Weitergehen komme ich in eine Strasse mit Regenschirmen. Wunderschöne, farblich abgestimmte Schirme hängen über der Strasse und laden zum Fotoshooting ein. Immer wieder werden hier Selfies oder eigentliche Fotosessions gemacht. Zum Teil mit dem Handy, zum Teil aber auch mit professionellerer Ausrüstung. Ich schaue eine Weile zu und muss dann natürlich auch ein paar Selfies machen. Immerhin habe ich hier genügend Schirme, um alle zukünftigen Standortwechsel einzuleiten.

Die Häuser an dieser Strasse sind alles Läden mit Souvenirs. Mit vielen Handarbeiten, aus den verschiedensten Materialien. Es ist nur nichts los zur Zeit. Bestimmt ist hier aber zu normalen nicht-pandemie-Zeiten die Strasse voll und an so lockere Fotoaufnahmen ist nicht zu denken. Natürlich kann ich nicht alle Menschen beurteilen, aber ich glaube, es sind tatsächlich vor allem Kolumbianer unterwegs. Jedenfalls hört man nur spanisch, kein englisch.Ddeutsch habe ich auf meiner ganzen Reise bisher noch nie gehört. Ich fühle mich mal wieder sehr privilegiert, dass ich zu dieser ruhigen Zeit unterwegs sein darf.

Auf der kleinen Plazuela trällert eine junge Frau zu ihrer Gitarre ein paar Lieder. Ich setze mich auf eine Bank, höre ihr eine Weile zu, lasse die ruhige Atmosphäre auf mich wirken und gehe dann langsam weiter. Hinunter zum Hafen.

Hier liegen viele Ausflugsboote. Grosse Schiffe und kleine Jachten. Eine ganz spezielle Art sind die Salonboote. Sie sind wie grosse Lounges, montiert auf drei schmalen Booten. Damit kann man Ausflüge auf dem See machen. Ein Mann fragt mich, ob ich mitfahren möchte. Ja, eigentlich würde mir so ein Ausflug über den See sehr Spass machen, aber ich würde eigentlich ganz gern zurück zu meinem Hotel fahren, ob das geht.

eine schwimmende Lounge

eine schwimmende Lounge

Natürlich ist es möglich, eine private Fahrt mit einem Motorboot zu machen, Hat einfach seinen Preis. Wobei der nicht einmal so hoch ist. So wie alles in Kulumbien recht günstig ist. Jedenfalls für meine Verhältnisse.

Jonathan heisst mein Kapitän und er erklärt mir auf der Fahrt mehr zum See. Es ist ein riesiger Stausee, der im Jahre 1968 erstellt wurde. Seither ist die Gegend auch ein beliebter Touristenort geworden.

Leider erzählt mir Jonathan seine Erklärungen nach einer genauen Vorgabe. Zwischenfragen, werden auf später verwiesen, dann wenn sie in sein Programm passen. Sein Text ist gut einstudiert und seine Sprache ziemlich schnell. Da nutzt es auch nichts, wenn ich ihm erkläre, dass mein Spanisch nicht so gut ist. Er will seine Erklärungen an die Frau bringen.

Immerhin verstehe ich, das Pablo Escobar hier eine Insel hatte, die sein Rückzugsort, aber auch sein Drogenzentrum war. Benannt wurde die Insel nach seiner Tochter Manuela. und sie bot alles, was das Herz begehrte. Mehrere Häuser, Pools, Fluchttunnel und sogar ein Unterseeboot gab es. Heute sind die Gebäude zerstört, zum Teil ausgebombt, einen der Tunnels kann man vom Schiff aus noch sehen.

Interessanter und viel schöner ist die Villa, die einem bekannten kolumbianischen Fussballstar gehört. Ob der sich freut, wenn täglich Touristenboote vor seinem Haus vorbei fahren und darauf hingewiesen werden, wer hier wohnt.

Nun, er wird wohl nicht die ganze Zeit hier sein. Die Lage am See ist sehr exklusiv und so gibt es überall luxuriöse Appartments, die man mieten könnte.

Die Villa gehört dem kolumbianischen Fussballstar James Rodriguez

Die Villa gehört dem kolumbianischen Fussballstar James Rodriguez

Die Insel Manuela, Rückzugsort von Pablo Escobar

Die Insel Manuela, Rückzugsort von Pablo Escobar

Der Geldbunker von Pablo Escobar

Der Geldbunker von Pablo Escobar

Erinnerung an das versunkene Dorf Penal

Erinnerung an das versunkene Dorf Penal

Irgendwo steht ein grosses Kreuz im Wasser. Hier stand früher das Dorf Penal, das dem Stausee geopfert wurde. Das Kreuz steht da, wo die Kirche war. Ob das Dorf noch steht, will ich wissen. Ja, da gibt es noch Häuser und manchmal gibt es Taucher, die da hinunter gehen.

Das einzige Haus, das vom Dorf stehen geblieben ist, ist jetzt ein Museum und steht am Ufer. Ob ich es besuchen will, sie würden mir da allerdings auch nur das erzählen, was er mir jetzt erklärt hatte. Ich lasse es, wir fahren weiter. Es ist ein wunderschöner Tag heute, auch wenn der Himmel mit unzähligen kleinen weissen Wolken bedeckt ist, so vermag die Sonne doch zu wärmen und ich geniesse den Fahrtwind.

Das einzige Haus, das nicht unter Wasser geriet ist heue ein Museum

Das einzige Haus, das nicht unter Wasser geriet ist heue ein Museum

El Penol, vom Wasser her ist er noch eindrücklicher

El Penol, vom Wasser her ist er noch eindrücklicher

Leuchtturm in Sicht

Leuchtturm in Sicht

Bald sieht man auch den Penol wieder. Hier vom Wasser aus sieht er noch viel eindrücklicher aus. Dieser riesige Stein, der da mitten in der Gegeng steht.

Wir nähern uns meinem Hotel, schon kann man den Leuchtturm erkennen. Natürlich gibt es auch eine eigene Bootsanlegestelle. So bequem, dass ich nur noch den kleinen Weg hinauf zum Hotel steigen muss.

Auf halbem Wege stehen da ein paar Boote. Ich hatte schon am ersten Tag gefragt, was es damit auf sich hätte. Es war ein Projekt, man wollte ein exklusives Restaurant mit kleinen schwimmenden Tischen eröffnen. Die Pandemie hat diesem Vorhaben dann wohl den Schnauf genommen.

Im Zimmer angekommen, ruhe mich aus, während draussen Regen fällt. Kurz nach meiner Ankunft hat er angefangen und er tut gut, erfrischt die Luft und lässt mich ziemlich rasch einschlafen.

Das Projekt vom schwimmenden Restaurant wurde nicht weiterverfolgt. Jetzt verrotten die Tische...

Das Projekt vom schwimmenden Restaurant wurde nicht weiterverfolgt. Jetzt verrotten die Tische...

Vorbereitungen für ein grosses Hochzeitsfest

Vorbereitungen für ein grosses Hochzeitsfest

Später gehe ich hinunter ins Restaurant zum Nachtessen. Ich weiss nicht, ob es noch andere Gäste im Hotel gibt, jedenfallsl bin ich meistens alleine hier.

Allerdings wird am Wochenende das Haus voll sein, denn es ist eine Hochzeit geplant. Der grosse Terrassensaal wird dekoriert. Schade, dass ich das nicht mehr sehen werde.

Dafür freue ich mich auch heute Abend wieder am grossen Stein, am Penol, den ich gestern bezwungen habe.

Du bist hier : Startseite Amerika Kolumbien Guatape
Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors