Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Rosario-Insel

Schon wieder bin ich eine der ersten am Frühstücksbuffet, das scheint langsam zur Gewohnheit zu werden. Ein Taxi fährt mich zum Lande-Steg vier wo mein Verkäufer von gestern tatsächlich da ist und sich noch erinnern kann, dass ich mehr als normal angezahlt hatte, weil er kein Retourgeld mehr hatte. Es ist immer wieder schön, wenn auch diese Dinge problemlos funktionieren.

Rückgeld ist ja eh ein riesiges Thema hier. Fast niemand kann herausgeben. Dabei ist die höchste Note, die der Geldautomat ausspuckt gerade mal 50'000 Peseten, das sind 12 Franken. Doch beim Bezahlen von kleinen Beträgen wie einer Taxifahrt von 10'000 Peseten oder eines Kaffee für 5'000 kann es schon mal vorkommen, dass kein Rückgeld vorhanden ist. Darum frage ich fast immer, bevor ich ins Taxi einsteige und weiss, dass ich keine kleinen Noten habe, ob Rückgeld vorhanden sei. Grössere Beträge kann man selbstverständlich überall mit Kreditkarte bezahlen. Hotels sowieso, Busfahrten ebenfalls, Restaurant auch, aber ich versuche, die kleinen Beträge bar zu bezahlen, denn da kann man auch noch eine Propina liegen lassen, die dann auch tatsächlich die Bedienung erhält.

Ich bin jetzt also an der Muelle (Anlagestelle) und warte was da kommt. Zuerst kommen sehr viele Leute, es war mir überhaupt nicht bewusst, dass es in Cartagena zur Zeit so viele Touristen hat. Die meisten sind allerdings Kolumbianer. Nach und nach legen Schiffe an und die Leute fahren los, hinaus in die Bucht. Es sind verschiedene Gesellschaften, die die gleiche Fahrt anbieten. Namen werden ausgerufen, Gruppen zusammen gestellt, doch meine Gruppe scheint noch nicht bereit zu sein. Es wird halb neun, neun Uhr, nichts passiert. Dafür brennt die Sonne und ich überlege, ob ich meinen Hut vielleicht doch.... doch auf dem Schiff würde ich den wohl gleich wieder verlieren. Dafür kaufe ich noch eine Flasche Wasser.

Endlich um halb zehn ist es soweit, wir besteigen eines der Schnellboote und fahren aus der Bucht. Fahren vorbei an der Skyline von Cartagena, am Leuchtturm und kommen aufs offene Meer.

Schon bald tauchen erste Inseln auf. Es gibt eine grosse Insel, die praktischerweise Isla Grande heisst und ganz viele kleine Inseln, die vorwiegend in Privatbesitz sind.

Viele gehören Hotels und haben einen kleinen privaten Strand. An verschiedenen Schiffsstegen auf der grossen Insel halten wir an, lassen jemanden aussteigen, der hier ein Hotel gebucht hat. Ich hatte mich noch gewundert, warum Leute ihre Koffer auf einen solchen Ausflug mitnehmen, jetzt weiss ich es. Die Ausflugsboote sind gleichzeitig auch die Zubringerboote für die Hotels.

Es sind idyllische Plätzchen, bestimmt sehr ruhig. Auch ich hatte mir beim Buchen noch kurz überlegt, auf einer der Insel zu buchen bin jetzt aber froh, dass ich in Cartagena geblieben bin. Die Stadt ist doch viel zu spannend, um die Zeit auf einer einsamen Insel zu verbringen.

Die Inseltour erinnert mich an die Kutschenfahrt gestern Abend. Auch heute erklärt der Guide, wem die verschiedenen Inseln gehören. Es sind kolumbianische Prominente, oder spannende Ausländer. Zum Beispiel gehören zwei Inseln je einem Italiener. Beide mit dem gleichen Problem. Mit verschiedenen Ehefrauen, unter denen sie die Location am Schluss aufteilen mussten. Es sind diese Geschichten, die Guias gerne erzählen und ich frage mich dann jeweils wie das wohl für die Leute ist, wenn so viel über sie erzählt wird. Jeden Tag von meheren Guias, die vor vor der Insel mit ihren Touris aufkreuzen.

Das da vorne sei eine ganz besondere Insel erklärt der Guia gerade. Sie hat bis vor kurzem einer alten Frau gehört, die submarine Touren angeboten hatte. Rund um die Insel sei ein Paradies für Fische. In dem klaren Wasser könne man sie wunderbar beobachten. Sie würden einem sogar aus den Händen fressen. Ein unvergessliches Erlebnis, Ausserdem könne man Korallen auf dem Meeresboden beobachten. Das Ganze sei völlig ungefährlich, ja er hätte vor kurzem eine 90-jährige dabei gehabt. Auch Kinder selbstverständlich können das spielerisch.

Alternativ zum Schnorchelprogramm - auf das lief es hinaus - gibt es eine Aquariumtour auf einer anderen Insel. Dort könne man Fische in verschiedenen Tanks beobachten. Auch das sei sehr interessant.

Ich bin noch nie getaucht, auch nicht geschnorchelt. Hatte davor zu viel Respekt mit meinen Atembeschwerden, doch diesmal finde ich es der richtige Zeitpunkt, es auszuprobieren. Es sei ja nur ein Spaziergang. Fast alle sind dabei, nur vier Personen ziehen das Aquarium vor.

Wir legen bei der Insel an und das erste was uns entgegenkommt, ist ein Verkäufer von Plastikhüllen für die Handys. Genau so eine hatte ich in Lima bereits gekauft, weil ich mein Handy gern um den Hals gehängt hätte. Habe sie dann aber nicht gebraucht, weil ja vor der Linse immer der Plastik ist, darum habe ich sie verschenkt. Ja und jetzt kaufe ich wieder eine. Wahrscheinlich überteuert. Dann kommt noch ein Eintritt dazu, Kleider werden im Boot gelassen, die Badehose hatte ich bereits am Morgen angezogen

Es werden Taucherbrillen verteilt. Ohne Schnorchel, aber luftundurchlässig. Ausserdem müssen wir Schwimmwesten tragen. Und dann laufen wir in die Wellen. Handy um den Hals. Einer der Helfer bietet mir an, mich an einem Rettungsring anzuhangen, er zieht mich hinaus, das erleichtert das Vorwärtskommen, denn Schwimmen mit Schwimmweste ist ziemlich mühsam.

Und dann kommt der Moment, wo ich unter Wasser gucken kann. Noch einmal Luft holen, anhalten und Kopf ins Wasser. Was ich sehe ist eine grüne Welt. Ein paar Meter tiefer ist der Meeresgrund und es schwimmen viele kleine Fische. Umwerfend, unvergesslich... darunter hatte ich mir was anderes vorgestellt.

Trotzdem versuche ich, Fotos zu machen, will ja schliesslich meine unvergesslichen Momente festhalten. Doch oh weia, der Touch Screen funktioniert nicht. Allerhöchstens noch antippen, aber zu Video wechseln ist schon gar nichts. Eine Weile kämpfe ich mit der Technik, will unbedingt wenigstens ein Video vom Guia machen, der hinunter auf den Grund taucht, um Muscheln oder Schnecken heraufzuholen. Oder kleine Korallenteile, die wie Knöchelchen aussehen. Von Korallen kann allerdings nicht die Rede sein. Vielleicht waren da früher mal welche, jetzt sind da höchstens noch kleine Bruchstücke, die kaum als solche wahrnehmbar sind.

Trotz der Ernüchterung von wegen fantastischer Sicht ist es ein lustiges Erlebnis. All die Leute, die prustend, lachend auf- und untertauchen und dabei versuchen in der Gruppe zu bleiben. .Aus einem kleinen Plastiksäcklein bringt der Guia dann tatsächlich noch ein paar Brotstücklein hervor, mit denen die Fische angezogen und gefüttert werden können. Ein paar Brocken in einen Karpfenteich zu werfen ist allerdings bedeutend spannender, aber ich kann jetzt immerhin behaupten, dass mir Fische aus der Hand gefressen hätten.

Meine Handyhülle habe ich übrigens unmittelbar nachdem wir wieder im Schiff waren, dem Assistenten des Guias geschenkt. Der hat sich gefreut, kann sie ja für den halben Preis dem nächsten Touristen empfehlen.

Und dann ist plötzlich unser Boot wieder da und wir sollen einsteigen. Genau das hasse ich, aus dem Wasser ins Boot steigen. Doch es gibt eine Strickleiter und kräftige Arme, die mich aus dem Wasser ziehen. Immer wieder neue Erfahrungen. Darum geht es ja im Leben. Jedenfalls war es ein spannendes Abenteuer, wenn auch nicht ganz so unvergesslich wie versprochen.

Unser nächstes Ziel ist die Playa Blanca, der weisse Strand. Dort gibt es Mittagessen.

Es ist eine einfache Strandhütte und eine lieblose Abfertigung. Pollo, Fisch oder Vegi konnte man vorher wählen. Ich bin froh, hab ich nicht den Fisch gewählt, denn der ist hart gebraten. Das Poulet ist immerhin gut gewürzt und durch gebraten. Über meine Patacones freut sich mein Tischnachbar, der eben im Teller seiner Frau noch nach Resten gefischt hat. Er nimmt sie gerne, denn ich mag diese zerstampften fritierten Bananen nicht so. Die beiden kommen aus Bogota, haben drei Kinder und sind zum ersten Mal allein in Urlaub. vier Tage Cartagena, sie geniessen jeden Moment. Und ich komme mir etwas undankbar vor, weil ich das Ganze als Touristenabfertigung empfinde.

Kurs aufs Mittagessen

Kurs aufs Mittagessen

Patacones, Reis, Poulet und etwas Salat.

Patacones, Reis, Poulet und etwas Salat.

Danach haben wir noch eine knappe Stunde Zeit für den Strand. Nein, ich bin tatsächlich nicht der Strandtyp. Ich weiss gar nicht, was ich da soll. Vielleicht die Füsse ins Wasser strecken, geschwommen im Meer war ich ja schon. Ich lege mich auf mein Tuch in den Schatten, denn um mich auf einen Stuhl zu setzen müsste ich 5'000 Soles bezahlen. Schatten ist da noch nicht inbegriffen, der kostet extra. Nicht dass ich das nicht zahlen könnte, manchmal geht es mehr ums Prinzip. Aber vielleicht ist das kleinlich gedacht, die Menschen hier müssen ja auch von etwas leben.

An meinem Schattenplatz bin ich unsichtbar, werde nicht mehr angesprochen vom Schmuckverkäufer, dem Tamales- und dem Getränke-Verkäufer. Auch mit den Tatoos muss ich mich nicht befassen, kann einfach abwarten, bis die drei Guias ihre Truppe wieder zusammentrommeln.

Mein Schattenplatz

Mein Schattenplatz

Schmuckverkäufer

Schmuckverkäufer

Essenverkäufer

Essenverkäufer

Instant-Tatoos

Instant-Tatoos

Unsere drei Guias - Pedro, Jaime und hinten Antonio

Unsere drei Guias - Pedro, Jaime und hinten Antonio

Wir fahren zurück nach Cartagena. Doch bevor wir richtig starten, fahren wir noch einmal ein paar Hotelstege an. Holen Touristen ab, die zurück nach Cartagena fahren. Der Kapitän weist Antonio an, ihre Gepäckstücke vorne im Bug am Boden zu platzieren und nicht auf den Bänken zu lassen und kurz darauf verstehe ich, warum er so Wert darauf legt.

Inzwischen ist das Meer etwas rauer geworden, kleine Schaumkrönchen kann man auf dem Wasser erkennen. Und der Kapitän gibt Gas. Und zwar richtig. Wir liefern uns ein Rennen mit einem der anderen Boote und kreuzen ständig die Bugwellen des anderen. Die Passagiere schreien und lachen abwechselnd. Wir werden regelrecht durchgeschüttelt und auf den harten Sitzen auf und ab geworfen. Bestimmt werde ich davon in den nächsten paar Tagen noch ein paar Flecken davon tragen. Sie werden mich an diesen unvergesslichen Tag erinnern. Auch die Koffer und Rucksäcke im Bug werden kräftig durchgeschüttelt. Von den Sitzen wären sie unter Umständen über Bord gegangen.

Ob ich die Tour empfehlen würde? Ja, auf jeden Fall. Ich weiss jetzt, wie die Rosario-Inseln aussehen, weiss wo sie sind, Ich bin zum ersten Mal im Leben geschnorchelt, hatte einen unterhaltsamen Tag an der frischen Luft. Und das alles inklusive MIttagessen für 25 Franken. Was will ich mehr. Ruhige Tage gibt es noch genügend.

Als ich aus dem Schiff aussteige bin ich komplett durchgeschüttelt, durchgeluftet, mit feuchten Kleidern, nassen Haaren und ausserdem barfuss, denn meine Flipflops sind versehentlich auf der Schnorchelinsel geblieben. Mir war nicht bewusst, dass wir nicht dahin zurückkehren würden, sondern im Wasser wieder ins Schiff einsteigen würden.

Ich will also so schnell als möglich ins Hotel und suche ein Taxi. "Como estas?" wie geht es dir? fragt der Taxifahrer und obwohl ich tatsächlich völlig durch den Wind bin, entwickelt sich sofort ein Gespräch mit ihm. Er heisst Enrique und findet mich amable, lustig und wohl auch sympatisch. Das ist durchaus gegenseitig. Jedenfalls engagiere ich ihn für morgen früh, wenn ich zum Flughafen fahre. Meine Zeit in Cartagena ist abgelaufen.

Enrique

Enrique

Den Abend verbringe ich auf dem Dach. Sehe noch einmal der Sonne zu, wie sie langsam hinter den Wolken über dem Meer versinkt. bewundere noch einmal die Aussicht und bin ganz einfach nur glücklich. Die Tage in Cartagena waren in jeder Hinsicht fantastisch. Ich hatte mir nicht mehr vorgestellt, als auszuruhen, zu mir zu kommen und vor allem nicht viel zu unternehmen.

Manchmal täuscht man sich und das ist gut so.

Du bist hier : Startseite Amerika Kolumbien Rosario-Insel
Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors