Neustart
Busfahrt
Zum Frühstück gehe ich über die Strasse, ins Restaurant, wo ich heute morgen unbedingt noch das Kapitel von der MetroCable schreiben will.
Danach heisst es Aufbruch, ich mache einen Ausflug und packe die nötigsten Sachen für einen 3-tägigen Aufenhalt zusammen. Eigentlich hätte ich die Busfahrt wohl im Internet reservieren sollen, aber als ich gesehen habe, dass zu meinem Ziel Guatape stündlich Busse unterwegs sind, verlasse ich mich darauf, dass ich sicher einen Platz finden werde und fahre mit dem Taxi zum Busterminal am Plaza del Norte.
Es ist ein riesiges Busterminal. Ein eigentliches Shopping-Center mit unzähligen Shops und Restaurants und einer unüberblickbaren Reihe von Schaltern für Busreisen im ganzen Land. Ich muss zweimal nachfragen, bis ich den richtigen Schalter finde, aber dann geht es ganz schnell. Der nächste Bus fährt in 10 Minuten. Abfahrt an der Rampe 13. Glück gehabt.
Der kleine Bus hat 20 Plätze und ist ausgebucht. Wir sind kaum losgefahren, da hält der Chauffeur auch schon wieder an und lässt einen jungen Mann einsteigen. Der schaltet seine Musikbox ein und beginnt einen Rap. Ich verstehe zwar kaum etwas drücke ihm aber am Schluss die Münzen, die ich immer im Hosensack sammle in die Hand. Kaum ist er ausgestiegen, steigt auch schon wieder ein Mann zu. Er erzählt von seinem harten Leben mit der Familie und den Kindern und drückt jedem eine Schokolade in die Hand. Dann sammelt er entweder 2000 Pesos oder die Schokolade wieder ein und steigt bei nächster Gelegenheit aus. Ich stelle mich jetzt auf eine ungestörte Fahrt ein, als schon wieder jemand einsteigt, Musik spielt und dazu singt.
Daraufhin stelle ich mich stumm, hole meinen Tolino und lese bei Jonny Fischer weiter. Was mich berührt, ist seine Ehrlichkeit und was er über Einsamkeit erzählt. Einsamkeit im ganzen Rummel des Prominentenstatus. Einsam inmitten von Freunden. Einfach weil man es nicht schafft, sich selber zu sein, oder zu bleiben. Die Geschichte nimmt mich so ein, dass ich kaum merke, dass wir in El Penol angekommen sind. Meine Nachbarin macht mich darauf aufmerksam und ich packe meinen Rucksack, steige aus dem Bus und merke sofort, dass ich noch nicht am Ziel bin. Ich bin nicht beim Berg, ich bin erst im Dorf El Penol. Der Stein, der mein Ziel ist und bei dem ich in der Nähe ein Hotel gebucht habe, um ihn zu sehen, der ist noch 7 km weiter.
Schnell habe ich ein Taxi gefunden, das mich bis zum Hotel führt. Und jetzt bin ich also angekommen. Beim Penal, beim Piedra, wie er hier genannt wird. Es ist lange her, dass ich ihn irgendwo gesehen hatte. Es war nur ein Foto von diesem aussergewöhnlichen Berg mit der Treppe, die im Zickzack hinauf führt. Immer wenn mir so etwas auffällt, mache ich im Google Earth einen Vermerk unter 'Orte, die ich sehen möchte'. Ganz unabhängig, ob ich je dahin kommen könnte, gibt es da die verschiedensten Punkte auf der Welt. Seien es heisse Quellen in China, ein spezielles Gebäude in Südafrika, eine Forschungsstation im Regenwald. Überall steckt ein Merker. Und so habe ich kürzlich diesen El Penal wieder gefunden und gesehen, dass ich ja ganz in der Nähe bin. Morgen möchte ich ihn besteigen, auch wenn mir die 700 Stufen bis hinauf einen grossen Respekt einflössen.
Mein Hotel habe ich eigentlich nur wegen der Nähe zum Berg und wegen dem günstigen Preis ausgewählt. Dass es etwas speziell dekoriert ist, habe ich im Booking zwar gesehen, aber wie speziell es ist, merke ich erst jetzt. Es hat einen Leuchtturm und der junge Mann an der Rezeption erklärt mir, dass ich dort oben essen könne, wenn ich Lust habe.
Im Garten sind ganz viele Girlanden aufgehängt, dazwischen leuchten blaue und weisse Lämpchen und alles ist sehr romantisch. Weisse Stühle, filigrane Tische oder majestätische Sessel im Entree. Dazu Wandmalereien mit Schmetterlingen und Blumen. Gäste scheint es kaum zu haben, aber vielleicht täuscht das, es ist später Nachmittag.
Weil ich glaube, dass ich für meinen WhatsApp-Status meinen Ortswechsel markieren sollte, frage ich nach einem Schirm. Der durchsichtige Schirm scheint mir passend für meinen kurzen Abstecher und so habe ich auch diesen Programmpunkt erledigt. Weil mein Zimmer trotz der vielen Gästen noch nicht ganz bereit ist, komme ich mit der Frau ins Gespräch, die im Foyer sitzt. Sie ist nicht die Besitzerin, wie ich angenommen habe, sondern eine gute Freundin der Besitzer. Sie will wissen, was ich in Kolumbien noch besuchen will und gibt mir einige Tipps für meine weitere Reise. Einige kannte ich schon, ein paar kann sie mir bestätigen. Mein Aufenthalt in Kolumbien wird also immer konkreter und spannender.
Mein Zimmer passt zu der üblichen Aufmachung des Hotels und kommt mir wie ein Dornröschenzimmer vor. Nach dem Aufwachen, dann wenn die Ranken zurückgeschnitten wurden. Aber ein paar sind hängengeblieben und inzwischen dürr geworden. Jedenfalls sehr romantisch.
Der Jaccuzzi wird eben noch geputzt, aber ich habe keine Lust, alleine auf der Terrasse ins Jaccuzzi zu tauchen.
Später bestelle ich eine gebratene Forelle und gehe hinauf zum Leuchtturm. Der Tisch mit der Aussicht über die Lagune ist mit Love und Rosenblättern geschmückt. Ob das für mich passt? Ja, meint das junge Mädchen, das mir das Essen bringt.
Eine knappe Stunde später, ich bin längst fertig mit essen, kommt aber ihre Chefin ziemlich aufgelöst. Der Tisch sei reserviert, die Gäste bereits hier, ob ich vielleicht...
Natürlich kann ich, wir räumen den Tisch, sie wischt mit einem Lappen drüber und als wir zur Rezeption kommen, werden die beiden Jungverliebten hinaus zum Leuchtturm geführt, während ich mich in mein Zimmer zurück ziehe.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
Argentinien