Neustart
Vamos a la Playa
Wir sind also zurük in Pebas. Zurück im einfachen Hotelzimmer mit der kalten Dusche, die ich so dringend gebraucht habe. Die vergangenen Tage waren sehr eindrücklich, ich werde wohl noch etwas brauchen, um alles zu verarbeiten, was ich da draussen im Dschungel erlebt habe.
Am Morgen führt mich mein Weg zuerst hinauf zum Hauptplatz, ich will versuchen, ob ich ins Internet komme. Doch es will nicht gelingen, Einzig ein SMS kann ich absetzen, aber dazu braucht es kein Internet. Will mich bei meiner Schwester zurück melden.
Hier wird heute wieder geimpft. Unter zwei blauen Zelten warten die Leute bis sie aufgerufen werden. Eine Krankenschwester gibt dann die Impfung ab. Es geht ganz ruhig ab und es hat immer Leute in allen Altersstufen, wenn ich hierher komme.
Dann mache ich mich auf die Suche nach Liborio und finde ihn zusammen mit Rosa im Haus ihrer Tanten. Rosa ist gerade dabei, die beiden Fische von gestern Abend auszunehmen. Einen haben Abuelito und Abuelo bekommen, den anderen bekam die junge Frau mit dem Bebe, die mit uns mitgefahren war. Sie sind bereits wieder unterwegs. Zurück nach Brilla Nuevo, solange der Fluss noch genug Wasser führt. Es ist anzunehmen, dass der Fluss in den nächsten Tagen mit dem Boot nicht mehr durchgehend befahrbar ist.
Liborio hat gestern Abend noch den Bootsführer gesucht, der uns versetzt hat. Er musste nicht lange suchen, denn der Mann war seinerseits auf der Suche nach uns. Er hat sich entschuldigt, konnte nicht kommen, denn seine Frau hätte Covid, gestern sei es ihr plötzlich schlechter gegangen. Liborio wollte das genau wissen, und hat ihn besucht und bestätigt, dass die Frau im Sterben liege. "Was, du bist zu der kranken Frau gegangen?" will ich wissen und bin jetzt doch etwas beunruhigt. "Ja, aber natürlich habe ich eine Maske getragen und ich habe auch nur von aussen durch das offene Fenster geschaut. Der Frau geht es tatsächlich sehr schlecht und der Mann hatte keinen Ersatz gefunden für die Fahrt. Anrufen konnte er auch nicht, weil im Dorf kein Empfang war."
Der Mann hat ihm dann die Hälfte des Geldes zurück gegeben und Liborio hat es bereits an Abuelito weiter geleitet, denn der hat wegen uns bedeutend mehr Treibstoff gebraucht, als wenn er nur mit seiner Frau gefahren wäre. So ist also alles wieder in Ordnung.
In der Küche der Tante finde ich dann auch das Dschungelfleisch wieder, es liegt über der Feuerstelle im Rauch und wird hier getrocknet. Damit wird es haltbar gemacht, so dass wir es in drei Tagen mitnehmen können nach Iquitos. Heute ist auch der Mann der Tante hier. Er ist Prediger der Baptistenkirche und reist in dieser Funktion oft in der Umgebung um in verschiedenen Kirchen zu predigen.
Seine Frau ist daher oft allein zu Hause. Doch sie hat viele Mitbewohner. Allen voran Lulu, die Schildkröte. Diese lebt schon lange im Haus und ist die wichtigste Kameradin geworden. Sie wird sogar mitgenommen, wenn die Tante mal nach Iquitos reist. Dann kommt Lulu in eine grosse Tasche und reist mit. Ausserdem gibt es drei Hunde und ein paar Hühner. Eines hockt in einer Kiste und scheint Eier auszubrüten. Ein anderes, das einen ziemlich gerupften Eindruck macht, stolziert durch die Küche und pickt hier und da ein Korn auf.
Und natürlich kommt immer mal eine Freundin vorbei, mit der Palmblätter aufgespalten oder versponnen werden. Handarbeiten, die später auf dem Markt in Iquitos verkauft werden, werden in allen Häusern hergestellt. Sie sind eine willkommene Einkommensquelle, die während der Pandemie weitgehend versiegt war. An der Wand entdecke ich eine schöne Flechtarbeit. Auch das ist eine selbst hergestellte Arbeit, die als Schmuck dient. Man könnte zum Beispiel eine Lampe daraus machen. Gibt bestimmt einen wunderschönen Schein.
Mitten in der Küche stehen ganz viele Behälter. Kübel. Plastikbecken und grosse Flaschen. Der Onkel ist dabei, diese aus dem Wasserschlauch aufzufüllen. Es gibt hier zu beschränkten Zeiten Wasser von einem Brunnen in der Nähe. Darum füllt er jetzt alles auf, damit man genügnd Wasser hat zum Kochen und Waschen und für die persönliche Hygiene. Die Familie hat früher auch in Brilla Nuevo gewohnt, ist dann aber wegen der Ausbildung der Kinder nach Pebas gezogen. Heute ist eine der Töchter Krankenschwester in Lima, die andere ist Lehrerin geworden und arbeitet in einem der kleinen Dörfer am Fluss. Man hat auch schon eine Weile in Iquitos gelebt, aber hier in Pebas sei das Leben einfacher und sicherer, meint die Tante und streicht der Schildkröte über den dicken Panzer.
Der Tag verspricht wieder, heiss zu werden. An solchen Sonntagen, würde man hinaus an den Strand gehen, hat Liborio gestern schon verkündet. Darum habe ich auch bereits das Badekleid unter dem TShirt angezogen. Doch bevor wir gehen, gibt es noch ein Frühstück. Oder ist das ein vorgezogenes Mittagessen? Jedenfalls hat Rosa inzwischen den Fisch für mich gebraten. Da hilft kein Protestieren, "Du musst etwas essen", ist die einhellige Meinung der beiden. Und er schmeckt tatsächlich wunderbar. Ist einfach etwas gross genug für mich allein, aber Liborio hilft mir, als ich nicht alles essen kann. Rosa hat extra noch einen Tomatensalat mit feinen reifen Tomaten, viel Zitronensaft und etwas Salz gemacht. Und das, obwohl sie doch selber kaum etwas roh essen. Auch keine Früchte, die meisten verarbeiten sie zu Erfrischungsgetränken.
Bevor wir zu den Booten gehen, von wo wir zum Strand fahren können, treffen wir in der Hafenkneipe auf Grippa, der mit zwei Freunden den Sonntag mit ein paar Bieren begiesst. Er lädt uns zu einem Glas ein. Die beiden Freunde sind Ärzte, arbeiten im lokalen Spital. .Wie das hier mit der Impfung laufe, will ich vom jüngeren wissen. Soweit ganz gut, meint dieser, die ältere Generation sei inzwischen wohl durchgehend geimpft. Auch in den Dörfern klappe das ganz gut, denn dort würden Volontäre hingeschickt. Allerings gibt es auch hier einige Skeptiker. Vor allem weil verschiedene Gerüchte im Umlauf sind. So glauben viele, dass die Impfung die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Und ausserdem geht die Lüge um, es würde chinesischer Impfstoff abgegeben. Das sei aber überhaupt nicht wahr, man verwende vor allem Pfizer/Biontech. Das vom chinesischen Impfstoff hatte ich auch in Lima schon gehört, scheint also ein hartnäckiges Gerücht zu sein.
Grippa hat inzwischen sein Bein untersuchen lassen und wird es wohl nächstens im Spital in Iquitos operieren lassen.
Wir verabschieden uns von der fröhlichen Truppe, gehen hinunter zum Wasser und suchen jemanden, der uns für ein paar Soles an den Strand bringt.
Strand, das isi die Sandbank, die beim Zufluss des Ampiyacu in den Amazonas liegt und die mit dem Sinken des Wassers immer grösser wird. Es sind erst wenige Leute hier und diese hocken unter dem Plastikdach, das ein paar Jugendliche aufgetellt haben und wo aus grossen Boxen Partymusik ertönt. Auch wir ergattern uns einen der wenigen Plastikstühle und bestellen etwas zu trinken. Eine Frau bietet Ceviche an, die peruanische Spezialität aus rohem Fisch der in viel Zitronensaft gegart ist mit Yucca und Süsskartoffen und viel Zwiebeln. Ein paar Stangen sind aufgetellt, denn hier soll am Nachmittag ein Volleyball-Turnier stattfinden. Sobald Rosa das hört, hält sie nichts mehr auf dem Stuhl. Sofort versucht sie eine Mannschaft zusammenzubringen und schon bald springt sie trotz der Hitze dem Ball hinterher.
Es ist sehr heis und ich mag meinen Schattenplatz nicht aufgeben. Auch das Wasser, in dem sich vorwiegend Kinder tummeln, kann mich nicht wirklich anziehen, denn es scheint ein richtiges Schlammbad zu sein. So bleiben wir also unter dem behelfsmässigen Sonnenschutz sitzen, während immer mehr Leute kommen, neue Plastikplanen aufstellen und neue Verkaufsstände aufbauen.
Bis es anfängt zu regnen. Und wie es regnet. Ganze Sturzbäche fallen vom Himmel und alle suchen jetzt Schutz unter den Plastikdächern. Schnell werden Plasikbahnen rund um die Stangen gerollt um den Wind wenigstens in bisschen abzuhalten. Nebenan sehe ich eine Familie, die sich unter einen grossen Sonnenschirm duckt. Und darunter entdecke ich einen Geburtstagkuchen. Dieser muss unbedingt geschützt werden.
Bald ist der Regen vorbei, die Plastikplanen werden wieder weggepackt, die Musik spielt weiter und die Familie feiert den Geburtstag der kleinen Tochter mit einem herzlichen Cumpleanos feliz.
Ich trinke noch einen frischen Saft direkt aus der Kokosnuss, den eine der neu dazu gekommenen Verkäuferinnen anbietet, dann habe ich genug davon, unter dem Plastik auf einem Plastikstuhl zu sitzen. Zum Spazieren ist mir zu heiss und ausserdem verliere ich damit meinen Schattenplatz. Auch Liborio hat sich das mit dem Strand vielleicht etwas anders vorgestellt und Rosa ist eh ausser Puste.
Ob an diesem Nachmittag noch ein Baseball-Turnier stattfinden wird, wage ich zu bezweifeln, denn bis jetzt sieht es nicht nach irgend einer Art von Organisation aus. Und am Himmel türmen sich noch einmal Wolken, es muss jederzeit mit einm neuen Schauer gerechnet werden.
Wir fahren also zurück nach Pebas. Dort sehe ich mich noch ein wenig um, sehe den Fischersfrauen zu, die versuchen ihre kleine Ausbeute zu verkaufen und ihr Angebot irgendwo hinlegen oder durch den Ort tragen.
Dann ziehe ich mich ins Zimmer zurück. Kalte Dusche und hinlegen, Batterien auffüllen. Siesta.
Später, als ich wieder auf die Strasse trete, wartet Liborio auf der Bank vor dem Hotel. Er schlägt eine Rundfahrt durch Pebas vor. Und tatsächlich finden wir einen Mototaxi-Fahrer der versteht, was wir meinen und der uns in der Stunde vor dem Eindunkeln durch den Ort fährt. Er zeigt uns das Krankenhaus und mindestens fünf Schulhäuser. Alle immer mit Mauern umschlossen. Pebas hat gut 4000 Einwohner. Es gibt viele Holzhäuser aber vor allem im Stadtzentrum viele gemauerte Häuser. Es gibt auch ein paar Hospedajes, doch die vermieten vorwiegend an Dauermieter, die drei Hotels unten am Hafen scheinen die einzigen Touristenunterkünfte zu sein.
Beim Hauptplatz steht die riesige katholische Kirche. Es gibt auch noch eine Baptistenkirche. Wir fahren durch die grüne Landschaft und der Fahrer macht uns darauf aufmerksam, dass die Covid-Toten hier hinaus gebracht wurden.
"Warum wurden die nicht auf dem Friedhof beerdigt?" will ich wissen. "Wahrscheinlich weil die Toten in Ruhe tot sein wollten und nicht auch noch von Covid angesteckt werden wollten" frotzelt Liborio. Der Fahrer sagt nichts dazu, die Vergangenheit ist vergangen, es gilt, in die Zukunft zu sehen.
Weit draussen vom Ort kommen wir auch noch zur Mülldeponie. Es könne schon sein, dass am frühen Morgen manchmal Leute hierher kommen um zu sehen, ob sie noch etwas brauchbares finden könnten meint unser Fahrer auf meine entsprechende Frage.
In der Nähe des Hauptplatzes steigen wir bei einem Imbiss aus. Dieser schien mir bei unserem Besuch am ersten Abend schon sehr ansprechend zu sein. Heute bestelle ich eine Portion Chaufa, gebratener Reis. Leider ist er nicht heiss, obwohl die Wirtin mir zugesichert hat, er wäre ganz frisch zubereitet. Ich habe aber längst gemerkt, dass man hier gern lauwarm isst. Einzig die Pommes kommen ganz heiss aus dem Oel. Und auch die Wurst, die Liborio bestellt hat, wurde längs in Streifen geschnitten und im heissen Oel kurz frittiert. Rosa lässt sich ein Stück Chicken auf den Reis legen.
Auf dem Heimweg versuche ich noch einmal ins Wifi einzusteigen. Einzig zwei WhatsApp-Nachrichten dringen durch, Bilder kann ich keine bekommen, schon gar nicht senden. Ich lasse es bleiben, sage noch zu Liborio: ich glaube, die haben mich unterdessen alle vergessen.
Und dann kommt in der Nacht unerwartet doch noch eine Meldung meiner Schwester: Wie war es?
Alles bestens, Näheres später.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
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