Neustart
Früchte
Mein Ziel heute ist das Antioquia-Museum beim Botero-Platz. Ich gehe davon aus, dass vor allem Werke von Botero ausgestellt werden.
Da ich die die letzten Tage nicht viel gelaufen bin, entschliesse ich mich für den Spaziergang mit Umwegen. Es sind nur kleine Abweichungen, die mich immer wieder in andere Wohnquartiere bringen. Und dabei entdecke ich auch immer wieder andere Parkanlagen mit neuen Pflanzen. Oder Pflanzen, wie die grossen Schefflera-Bäume, die ich als Topfpflanzen von zu Hause kenne. Hier sind sie richtige Bäume mit roten Blütenständen, die sie in den blauen Himmel strecken. Es ist heute wieder richtig warm, mein Handy zeigt 28 Grad. Die Jacke, die noch in Lima zur Grundausrüstung gehört hatte, ist seit der Ankunft in Medellin in den Schrank verbannt.
Ich überquere den Rio Medellin über eine der breiten Autostrassen und komme bald zum Hochhaus, Edificio de la Libertad. Es ist eine sehr auffällige Architektur mit seinen schrägen brauen Fassaden und dem rostigen Look. Davor in den Grünanlagen entdecke ich eine kleine Lokomotive. Das ist bestimmt die kleinste Lokomotive, die ich je gesehen habe. Ich meine natürlich abgesehen von Kinderspielzeug. Sie steht auf einem Podest und trägt ein Schild mit der der Inschrift 'Eisenbahn von Antioquia Medellin". Wahrscheinlich soll es an die Zeiten der Eisenbahn erinnern. Ob es heute noch Züge gibt, weiss ich nicht, Wahrscheinlich nicht, jedenfalls keine Dampfbahn.
Das nächste Gebäude ist die Alcaldia von Medellin, das Rathaus. Auch das ein sehr hohes Haus mit schönen Anlagen darum. Dieses ist allerdings mit einem Zaun und einer Wache abgeschlossen.
Und dann bin ich bereits wieder beim Platz des Lichtes. Wie meistens setze ich mich eine Weile auf einen der Bänke, ruhe mich aus, sehe den Passanten zu, dem Verkehr auf einer der Hauptverbindungsstrassen, die direkt dabei entlang führen. Und doch ist der Platz geschützt, und relativ ruhig. Parallel dazu ist die Fussgängerzone mit den Marktständen. Da mich Shopping überhaupt nicht interessiert, wähle ich eine andere Strasse. Eine mit Autoverkehr, doch auch hier gibt es natürilch überall Verkaufsstände und riesige Shopping-Passagen, die sich über das ganze Parterre der hohen Häuser erstrecken
Plötzlich fallen mir die Schaufensterpuppen in den oberen Stockwerken auf, die vielen Läden, die Stoffe und Fäden verkaufen. Und dann die vielen Nähmaschinen die auf Käufer warten. Oder die in kleinen Werkstätten repariert werden. Ich werde an Camarra erinnert, das Quartier in Lima, wo sich alles um Kleider und Textilien drehte. Es scheint auch hier ein solches Quartier zu geben. Fast möchte ich jetzt doch anfangen zu wühlen, mir einen schönen Stoff kaufen. Früher hatte ich mir meine Garderobe immer selbst genäht. Doch zum Glück vergeht diese schwache Phase wieder. Was soll ich in meinem Koffer mit Stoffen, mit denen ich unterwegs nichts anfangen kann. Ich entdecke im zweiten Stockwerk eines hohen Hauses, in dem in jedem Lokal Nähmaschinen angeboten werden, ein paar Tische auf einem Balkon. Der ideale Ort, um die Strasse zu überblicken.
Es ist eine gut frequentierte Kreuzung, auf die ich jetzt einen wunderbaren Ausblick habe. Ich stelle mein Handy auf und mache ein paar Zeitraffer-Aufnahmen. Ich liebe dieses Gewusel, bei dem zwar nicht mehr genau sieht, was abläuft, aber man kann immerhin sehen, wie sich die Fussgänger vor den Autos in Acht nehmen müssen, die bei Grün nicht geradeaus fahren, sondern nach links abschwenken. Autos haben immer Vortritt, auch wenn Fussgänger grün haben.
Auch die Früchteverkäufer kann ich von hier oben gut sehen. Sie stossen ihre Verkaufswagen durch das ganze Gewühl und rufen über Lautsprecher ihr Angebot aus. Vorhin habe ich einen der Händler nach dem Namen der traubenförmigen grünen Früchte gefragt. Den Namen konnte ich mir nicht merken, aber er hat mir eine zum Probieren angeboten. Ich öffne sie mit dem Daumennagel, es ist eine etwas gallertartige Frucht. Sie schmeckt etwas sauer-süss und hat einen dicken Stein, der sich fast nicht vom Fruchtfleisch lösen lässt. Jedenfalls habe ich ihn bis zum Restaurant im Mund behalten und versucht, die fest haftenden Fruchtteile mit den Zähnen wegzuschaben. Hinter der Maske kann man den Mund sehr gut verziehen und alle mögliche Grimassen beim Essen machen.
Melicoccus bijugatus - Honigbeere
Eine Frucht, die vor allem in Kolubien, Ecuador und Venezuela wächst
Überhaupt die Früchte. Heute sehe ich mir die Verkaufsstände etwas näher an. Es gibt ganze Fruchtcocktails. Schön präsentiert in Plastikbechern. Als aufgeschnittene Früchte oder als Fruchtsäfte. Wenn ich in Südamerika unterwegs bin, trinke ich höchst selten Süsswasser, frage immer nach Refrescos. Das sind Fruchtsäfte aus dem Mixer, dem wichtigsten Gerät in der Küche eines Südamerikanischen Haushaltes. Gemischt mit Wasser oder Milch gibt es das auch in fast jedem Restaurant. Sehr oft trinke ich Passionsfrucht. Und immer wenn es gibt, bestelle ich frisch gepressten Zuckerrohr-Saft.
Die Mangoverkäufer verkaufen ihre Früchte aufgeschnitten in Plastikbechern. Sie sind noch nicht ganz reif, und noch ziemlich hart. Darum ist es wohl eher ein Salat, was da angeboten wird. Mit Saldz bestreut.
Auch die nächste Frucht, die mir zum Versuch angeboten wird, habe ich nicht gekannt. Sie wächst an Büscheln und ist offensichtlich etwas wie eine Dattel, jedenfalls kommt sie von Palmen. Der Verkäufer, der mir eine halbe auf einen Zahnstocher aufspiesst, streut noch ganz wenig Salz darauf und dann gibt er einen Tropfen Honig darauf. Sie schmeckt ähnlich wie Kartofflen. Auch in der Konsistenz.
Der Verkäufer erklärt mir, dass die Früchte, die noch an den Stängeln hängen, roh sind. So kann man sie aber nicht essen, man muss sie ziemlich lange kochen, bis sie essbar und weich werden. Den Namen habe ich mir aufgeschrieben: Chontadura. Die Früchte seien sehr nahrhaft und vor allem bei Indigenen sehr beliebt.
Frische Fruchtsäfte werden überall angeboten. Von fliegenden Händler bei den Buststationen, auf den Märkten, auf den Plätzen, einfach überall.
Das sind zwischendurch mal keine Früchte, sondern winzige Kartoffeln, grad mal wenig grösser als Kirschen.
Irgendwann erreiche ich mit all meinen Umwegen doch noch den Botero-Platz und da in meinem kleinen Cafe ein Tisch frei ist, trinke ich zuerst einen feinen Cappuccino mit einer warmen Zimtschnecke. Und beobachte wieder einmal die Leute, die auf dem Platz verweilen, schwatzen und Freunde treffen.
Dann gehe ich ins grosse Gebäude. Es ist das Antioquia-Museum. Antioquia heisst das Departemen, in dem Medellin liegt.
Leider erklärt mir die Dame an der Kasse gleich zu Beginn, dass Fotografieren verboten sei. Schade. Die Botero-Gemälde sind im obersten Stock und ich staune, wie riesig seine Bilder sind. Nicht nur die Figuren, die genau wie seine Statuen sehr oppulent sind, nein, die ganzen Bilder sind riesig. Und in typisch starken Farben, wie sie von vielen Künstlern in Südamerika verwendet werden. Sie entbehren nicht einer gewissen Komik. Etwas der kleine dicke Junge mit Helm und Uniform, der auf einem ebenso dicken Spielzeugpferd sitzt. Oder Marie Antoinette und Louis XVI, deren riesige Bilder die ganze Wand einnehmen.
Ich kann es nicht ganz lassen, drücke doch mal auf die Kamera, als die Aufseherin grad nicht herschaut. Doch dann entdecke ich die Kamera an der Decke und lasse es in Zukunft bleiben.
Später muss ich meine Voreingenommenheit was südamerikanische Maler betrifft, korrigieren. Es sind abgesehen von einem Saal mit internationalen Künstlern vor allem kolumbianische Maler, die ausgestellt werden. Und sie bieten die ganze Palette von Malstilen und können auch sehr viel subtilere Bilder machen.
Bei dem Rundgang muss ich wieder an den Fälscher Beltracchi denken, dessen Lebensgeschichte ich vor ein paar Tagen gelesen habe. Er achtete bei Museumsbesuchen genau auf die Pinselstriche, auf die Farben, die ganze Technik inklusive Leinwand. Und danach hat er, natürlich mit Hilfe von Ausstellungskatalogen im Stil eines bestimmten Malers so gute Bilder gemalt, so dass Experten überzeugt waren, dass sie von den entsprechenden Malern gemalt waren.
Ich versuche, Pinselstriche zu erkennen, kann aber keine solchen Details erkennen.
Nach dem Museum setze ich mich noch eine Weile auf ein Mäuerchen auf dem Platz, sehe den Leuten zu und entdecke ein paar junge Frauen, die offensichtlich auf Freier warten. Es ist kurz vor Sonnenuntergang und inzwischen sehe ich sie überall stehen. Natürlich gehört auch das zu einer Stadt. Und die Obdachlosen richten sich jetzt wohl irgendwo für die Nacht ein. Es berührt mich immer, wenn ich jemanden sehe, der auf der Strasse oder im Park liegt. Manchmal mit einer Büchse vor sich, manchmal einfach so, zu müde zum aufstehen.
Ich schlendere noch ein wenig über den Platz mit dem jetzt beleuchteten Museum, komme zur Kirche Veracruz. Auch sie ist jetzt beleuchtet.
Für mich ist es jetzt Zeit, nach Hause zu gehen, denn in der Dunkelheit bin ich nicht sehr gern unterwegs. Leider habe ich den richtigen Zeitpunkt verpasst, als ich anfange, ein Taxi zu suchen, ist es zu spät. Es wurde innert Minuten dunkel, die Taxis kann man kaum mehr als solches erkennen und vor allem sind die meisten bereits besetzt. Zwar haben einige ein kleines Taxilicht auf dem Dach, oder es leuchtet ein 'libre' auf, doch das hat gar nichts zu sagen. Sie sind besetzt und das kann man bei den verdunkelten Scheiben kaum erkennen. Es braucht ziemlich viel Geduld, bis ich gegen sieben Uhr endlich einen netten Taxifahrer finde, der mich zurück in mein Quartier bringt.
Zum Nachtessen gehe ich ins Keiko Sushi und geniesse ein paar Sushi und Sashimi. Danach sind es nur noch zwei Blocks bis nach Hause.
Auch von diesem Tag gibt es ein paar Videos auf meiner Bison-Seite
www.bison.ch / Kolumbien-videos
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
Argentinien