Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Schnee in Lima

Ob ich Lust hätte, mitzukommen, hat mich Juan gestern gefragt. Er wolle mit seinen Kindern in die Weihnachtsstadt, den Santa Claus besuchen. Ausserdem gäbe es da auch ein Schneehaus.

Und ob ich Lust habe, ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich mir darunter vorstellen könnte.

Also holt er mich am frühen Nachmittag ab und danach holen wir seine Kinder, die bei ihrer Mutter leben. Sie wohnen in einem Wohnviertel, im Süden der Stadt. Drei Kinder hat er, Cristian, der älteste ist 12, Luciana 7 und der kleine Kilian 5 Jahre. Sie sind etwas schüchtern. Juan erklärt, dass sie noch immer online unterrichtet werden und dadurch ihre sozialen Kontakte sehr eingeschränkt seien. Jedenfalls sind sie sich gar nicht gewohnt, mit Fremden zu reden und ziehen sich lieber zurück.

Die Weihnachtsstadt entpuppt sich als eine Werbeaktion eines grossen Einkaufszentrums. Beim Einfahen ins Parkhaus müssen wir das Covid-Zertifikat zeigen, das scheint jetzt immer mehr durchzugreifen. ausserdem braucht es eine doppelte Maske. Auch die Kinder.

Das Parkhaus verlassen wir gleich wieder und gehen über die breite Strasse zur Weihnachtsstadt. Man ist auf Zuschauermassen eingestellt, die Absperrgitter vor der Kasse schlängeln sich hin und her und auch wenn kaum jemand ansteht, müssen wir da durch. Dann wird noch einmal das Zertifikat abgefragt, auf die Doppelmaske aufmerksam gemacht und wir sind drin.

Es sind verschiedene Stände und ein paar Gebäude auf dem grossen Platz aufgestellt. Ein grosser stilisierter Weihnachtsbaum mit dem Namen des Einkaufscenters und ein paar als Rentiere gestutzte Bäume runden das ganze ab.

In einem Pavillion gibt es eine Schneelandschaft aus Watte mit einer Luftseilbahn. Eine Eisenbahn fährt durch die weisse Gegend, zwischen Chalets und Herrschaftshäusern. Ja, so könnte die Schweiz aussehen, meine ich erklären zu müssen, doch die Eisenbahn kann nicht wirklich fesseln, eher schon drängen die Kinder ins Haus des Santa Claus.

Im ersten Raum empfängt uns eine als grüner Troll verkleidete junge Frau und erklärt die Regeln: nichts anfassen, nicht vordrängen, kein Lärm.

Gesittet und voller Neugier gehen wir durch die Räume. Hier lebt also Santa Claus, in einer geschmückten Küche mit Weihnachtsbaum und Weihnachtsgeschirr und einem Bett voller Teddybären. In der Stube hängt sein Mantel und die Säcke mit den Weihnahtsgeschenken für die Kinder sind bereit.

Hoffentlich bekommen alle Kinder, die hier durchspazieren, auch tatsächlich ein Geschenk zu Weihnachten.

Vor dem Eingang zu Santa Claus Haus

Vor dem Eingang zu Santa Claus Haus

Und dann steht er da, Überlebensgross als Figur, mit der man sich fotografieren lassen kann. Da steht man also an, bis man an der Reihe ist. Und lächelt hinter der Maske, macht ein Victoryzeichen und lässt den Platz wieder frei für die nächsten Kinder.

Im nächsten Zimmer sitzt er allerdings wirklich. Ein lebendiger Santa Claus auf seinem prächtigen Sessel. Hinter einer Plexiglasmaske und mit fast geschlossenen Augen. Tatsächlich ist er während unserer Fotosession fast eingeschlafen, musste immer wieder krampfhaft die Augen öffnen, den Kopf heben, was dann zu einem gnädigen Nicken führte. Wer kann es ihm verübeln. Wahrscheinlich sitzt er seit Stunden da, lässt gelegentlich sein Ho-ho-ho hören, wie es von ihm verlangt wird und merkt kaum, was für Kinder ihm der grüne Troll hinstellt. Denn sie sind überall, diese grünen Figuren. Mich erinnern sie an Schlümpfe, aber die sind ja blau.

Draussen lockt schon das nächste Fotosujet. Eine Krippe mit echten Tieren. Zwei Esel und ein paar Schafe und Ziegen sind in einem Gehege mit der heiligen Familie untergebracht. Auch diesen Fotopunkt bringen wir erfolgreich hinter uns und steuern jetzt die Zona de Nieve an, das Schneehaus.

Eigentlich hatte ich mir eine Wattelandschaft vorgestellt, und bin daher ziemlich irritiert, als wir in einem Vorraum Plastiksäcke bekommen. Für die Füsse. Ausserdem werden Plastikhandschuhe verteilt. Das scheint doch etwas mehr als Watte zu sein. Meine Flipflogs passen allerdings wie eine Faust aufs Auge mit den Plastiksäcken darüber. Dann gibt es auch noch wattierte rote Handschuhe und wir dürfen in die grosse Halle.

Es ist tatsächlich richtiger Schnee, der da liegt, ich kann es kaum fassen. Eine richtige Schneelandschaft. Es gibt ein paar Schlitten, die gleich in Beschlag genommen werden. Kinder sitzen darauf, während Eltern versuchen, sie durch den Schnee zu stossen oder zu ziehen. Natürlich ist das Laufen auf dem eisigen, zerstampften Schnee mit den Plastiksäcken ziemlich schwierig.

Auch Schneebälle lassen sich nur schwer formen, es sind eher Eisklumpen, die da geworfen werden. Doch das Erlebnis ist trotzdem einmalig. Es ist tatsächlich für alle der allererste Kontakt mit Schnee. Auch Juan hat noch nie Schnee gesehen und macht seine ersten Erfahrungen mit dem rutschigen Nass.

Ich finde es spannend, wie schnell und selbstverständlich die Kinder den Zugang zum Schnee gefunden haben. Ich glaube es bräuchte nicht viel und sie würden sich in den Schnee legen und Engel formen. So wie damals meine Freundin Rebeca aus Guatemala, als wir in Österreich zu einem unberührten Schneefeld kamen. Sie legte sich hinein und formte mit Armen und Beinen einen Schnee-Engel. Die Kinder versuchen, einen Schneemann zu bauen, doch dazu ist der Schnee zu hart und zu eisig. Dass man einen Schneemann mit Kugeln formt, die man im Schnee wälzt, erzähle ich ihnen erst später beim Essen.

Aus dicken Rohren fängt es jetzt sogar an zu schneien. Grosse Schneeflocken schweben von der Decke.

Doch dann kommt die Stimme aus dem Lautsprecher: "Ihre Zeit ist vorbei, bitte begeben sie sich zum Ausgang".

Nur noch rasch ein Bild vor der farbigen Kulisse, dann verlassen wir rutschend das Schneehaus. Die Plastiksäcke und Plastikhandschuhe kommen in grosse Säcke und ich frage mich, beim Anblick dieser riesigen Abfälle ob sich dieser Aufwand gelohnt hat.

Wahrscheinlich schon, denn die Freude und das Erlebnis des Schnees werden bestimmt noch eine Weile anhalten. Und ausserdem haben die Kinder in dieser Grossstadt nicht viel, woran sie sich zur Zeit freuen können.

Schneeballschlacht

Schneeballschlacht

Die letzte Station ist der Grinch. Was ist ein Grinch? Er mag keine Weihnachten ist die Erklärung, aber ich hab ihn gegoogelt. Die Figur scheint hier bekannt zu sein, ich selber habe noch nie etwas von ihm gehört. Der Grinch ist ein Griesgram, ein Spielverderber, eine Figur die gegen Weihnachten ist und alles darauf setzt, den Menschen das Fest zu verderben.

Er stammt aus einem englischen Kinderbuch von 1957 und scheint in der englischsprachigen Welt sehr bekannt zu sein. Auch hier in Peru ist er bekannt, wie vieles was aus Amerika kommt. Er hat sich als Weihnachtsmann verkleidet und versucht die Geschenke zu stehen.

Der Grinch, der hier vor seinem verschneiten Wald steht, hat allerdings ein grosses Grinsen im Gesicht und scheint keine Angst zu machen. Jedenfalls ist er das letzte Fotosujet, vor dem wir anstehen.

Über den Platz laufen ein paar weitere Fguren, so ein Lebkuchenmann und verschiedene Kobolde, ein Rentier, Teddybären. Sie alle formen mit der Band, die jetzt um die Ecke kommt eine Polonaise, der sich die Kinder kurzfristig anschliessen, bevor es weiter geht zum Getränkestand.

Beim Grinch, mit einem der grünen Trolle

Beim Grinch, mit einem der grünen Trolle

Schaufenster-Deko

Schaufenster-Deko

Natürlich hat der Tag im Weihnachtsland mit all den Attraktionen Hunger gemacht. Wir gehen in die Shopping Mall. Ganz oben im 5. Stock gibt es eine riesige Halle mit all den bekannten Imbiss- und Fastfood-Anbietern. Alles ist hier vorhanden.

Doch trotz der riesigen Auswahl von über 20 Anbietern, wählen die Kinder den Mc Donalds. Den kennt man und ausserdem bietet er eine Cajita Feliz, eine glückliche Kinderbox mitsamt einem Geschenk für die Kleinen. Das zieht.

Ganz zum Schluss gibt es noch einen Cappuccino von Starbucks, dann ist dieser Tag auch bereits wieder zu Ende.

Es ist bereits dunkel, als wir die Kinder zurück bringen. Ich glaube sie haben den Tag genossen, auch wenn sie nicht viel gesprochen haben. Erst ganz am Schluss im Restaurant sind die beiden Kleinen etwas aufgetaut und haben Fangen gespielt. Rund um unseren Tisch und ich habe fröhliche Gesichter gesehen.

Cristian ist in dem Alter, wo nicht mehr alles cool ist, aber doch noch nichts neues ansteht. Er wird am nächsten Samstag seine Promotion feiern. Ein wichtiger Tag im Leben der Kinder. Der Abschluss einer Schule und der Übertritt in eine neue Klasse. Das wird mit einem Zeremonie in der Schule gefeiert und in der Familie wird es eine Torte geben.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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