Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Kurvenfahrt

Viel Zeit bleibt mir nicht in Yurimaguas, am Mittag wird mich Christian abholen und zum Taxistand bringen, die Reise geht weiter.

Das reicht gerade, um meinen Schreibplatz am Pool einzurichten. Mit einem Kaffee, denn das Frühstück habe ich um 10 Minuten verpasst. Von 7 - 9 stand da im Zimmer aufgeschrieben, aber ich habs zu spät gesehen. Jetzt gibt es eben nur einen Kaffee, den mir der Concierge machen konnte.

Ich versuche, die gestrige Nachtfahrt in den Computer zu bringen und wenn ich nicht mehr weiter weiss, fotografiere ich die Blumen in dem kleinen Garten oder sehe dem gelben Vogel zu, der direkt über mir sein Gefieder in Ordnung bringt, nachdem er vorhin rasch einen Sprung zum Wasser gemacht hat.

Wenn ich Glück habe, schaffe ich das auch noch. Ich meine nicht das Gefieder, sondern den Sprung ins Wasser.

Tatsächlich, um halb zwölf klappe ich meinen Laptop zu, schnappe mir meine Badehose und gehe in den Pool. Abkühlung bringt er nicht, denn das Wasser ist badewannenwarm. Ich kenne nur einen Pool in Dschungel, der tatsächlich kühl ist. Das ist der von Walter im Casa Fitzcarraldo. Dank einem ausgeklügelten Röhrensystem, das unter dem Gelände durchführt und das Wasser dadurch immer wieder abkühlt, bleibt der Pool angenehm kühl.

Doch es tut trotzdem gut, ein paar Züge zu schwimmen, die Leichtigkeit des Wassers zu spüren.

Ich bin grad dabei das nasse Badkleid im Plastiksack zu verstauen und den Reissverschluss des Koffers zu schliessen, als Christian anruft. Er hat ein Problem mit seinem Moto, wird aber einen Kollegen schicken. Er hat also auch meine Telefonnummer gespeichert. Vielleicht mit einer Foto von mir, jedenfalls mit dem Namen. Auf jeden Fall scheint mir das sehr spannend, doch wieviele von seinen vielen Touristen, die er kennen lernt, kommen irgendwann zurück?

Ein paar Minuten später ist Jtono da, lädt meinen Koffer auf den Gepäckträger und bringt mich zum Taxistand, wo man mir eröffnet, dass man noch einen Platz auf der Rückbank frei hätte. Im Sammeltaxi.

Ich frage nach einem privaten Taxi, muss eine Weile warten bis mein Taxifahrer kommt. Mein Gepäck hat locker im Kofferraum Platz und ich steige hinten ein, hab grad keine Lust auf Konversation.

Mein Fahrer allerdings auch nicht, er ist am Fahren interessiert. Die Strecke ist zuerst meist gerade und die Strasse in sehr gutem Zustand. Emilio, so heisst mein Fahrer, fräst los. Die wenigen Kurven werden geschnitten und als etwas mehr Kurven kommen, versuche ich, mich auf meinem Platz zu halten. Das wird aber immer schwieriger, denn die Kurven nehmen zu, Emilio liebt es, in die Kurven zu fahren, es fehlt nicht viel, und er fängt an, zu sliden und ich werde hinten hin und her geschleudert. Nicht auszudenken, wenn ich mit zwei anderen da sitzen würde. Ich verkeile mich mit Händen und Füssen, aber Emilio nimmt keine Kenntnis von seinem Gast, er kennt die Strecke. Inzwischen bin ich froh, dass ich das Frühstück verpasst habe.

Nach einer halben Stunde, mir ist tatsächlich fast schlecht, hält er am Strassenrand bei einem Verkaufsstand an, kauft einen Plastiksack mit Chicha (Getränk aus Mais) und ich wechsle auf den Vordersitz. Hier kann ich mich anschnallen, da ist alles viel bequemer. Und ausserdem kommen wir bald zu einer Baustelle, wo wir auf den Gegenverkehr warten müssen. Es geht über einen kleinen Pass, und immer wieder begegnen wir schweren Lastwagen. Die Strecke ist sehr stark befahren, denn es ist die kürzeste Verbindung von der Hauptstadt Lima zum Amazonas und dadurch zur Versorgung von Iquitos und weiter nach Brasilien.

Pista en desnivel  - Piste mit Unebenheiten

Pista en desnivel - Piste mit Unebenheiten

Pista en Desnivel oder Peligroso können meinen Chauffeur nicht irritieren, auch die Geschwindigkeitsbegrenzung von 35, die manchmal angeschrieben steht - und die sogar ich zu langsam finde - versteht er pro Person. Manchmal fahren wir eine Zeitlang hinter einer Kolonne her, doch lange dauert es nicht, bis die Strasse vor uns wieder frei ist.

Konversation ist übrigens kaum möglich, er versteht mich meistens nicht auf Anhieb, wenn ich etwas frage und seine Antworten sind andererseits so kurz und schnell, dass ich ihn nicht verstehe. Wir sind schon längst vorbei gerast, als ich ihn auf die Kakaoplantage hinweise und frage, ob es noch mehr davon gäbe. Auch die Höhe kennt er nicht. Als ich ihm zeige, dass wir mit 600 m jetzt ziemlich hoch seien und ob das jetzt der höchste Punkt sei, meint er: jetzt geht es nur noch abwärts. Nichts davon, später sind wir auf 1000 m und er findet: das spürt man kaum. Hab verstanden, das einzige was ihn interessiert, ist sein persönlicher Streckenrekord, den er wohl heute brechen will.

Ich bin froh, als wir endlich Tarapoto erreichen, und ausserdem geschafft von der Anspannung. Ein Mototaxi bringt mich zum Hotel, denn in die Stadt dürfen die Taxis nicht fahren. Tarapoto ist auf Hügeln gebaut, die Strassen sind schmal und es geht immer bergauf und -ab.

Peligro - gefährlich

Peligro - gefährlich

Sicherheitslinien bezeichnen allerhöchstens die Mitte der Fahrbahn, mehr Beudeutung scheinen sie nicht zu haben.

Sicherheitslinien bezeichnen allerhöchstens die Mitte der Fahrbahn, mehr Beudeutung scheinen sie nicht zu haben.

Mein Zimmer hat Klimaanlage und ich brauche jetzt dringend eine ausgiebige Siesta.

Später mache ich mich auf, die Stadt zu erkunden, oder vielleicht sollte ich sagen, etwas in den Magen zu bekommen. Ganz in der Nähe finde ich ein grosses schönes Restaurant, das zwar um diese Zeit noch völlig leer ist und wo nur sehr gedämpft Musik aus den Lautsprechern ertönt. Also genau das richtige für mich. Der Fisch an Knoblauchsosse (stört niemanden) mit Reis schmeckt sehr fein.

Tarapoto

Tarapoto

Es ist schon dunkel, als ich aus dem Restaurant komme. Ich setze mich noch eine Weile auf eine Bank auf dem Hauptplatz, sehe den Verkäuferinnen zu, die ihre farbigen Spielzeugsachen versuchen zu verkaufen und den Müttern, die mit ihren Kindern um den Park spazieren. Jedes der Kinder zieht eines der blinkenden Dinger hinter sich her. Der Verkauf scheint also zu funktionieren.

Auf dem Heimweg entdecke ich einen Nagelsalon und verbringe die nächste Stunde bei der Pedicure. Luxus pur, ich fühle mich wunderbar, als ich zurück in mein gekühltes Zimmer komme.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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