Neustart

Reisezeit: Juni 2021 - Januar 2022  |  von Beatrice Feldbauer

Totumo

Heute morgen bin ich bei den ersten am Frühstücksbuffet.

Meine Schwester Edith hatte mich vor zwei Tagen gefragt, ob ich den Totumo besuchen würde, den kleinen Vulkan. Es gäbe bestimmt organisierte Touren dahin. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wovon sie sprach, musste mich erst schlau machen. Und als ich ihn fand war ich natürlich gleich begeistert. Allerdings die Aussicht auf eine einstündige Fahrt im Shuttlebus konnte mich nicht sehr überzeugen. Irgendwie habe ich im Moment genug von Busreisen, auch wenn sie nur eine Stunde dauern.

Darum habe ich gestern Juan Carlos gefragt, ob er mich dahin bringen würde. Er war hoch erfreut. Ich sei eine Bendicion, meinte er, ein Segen. Denn eine Halbtagestour bringt mehr als viele kleine Fahrten in der Stadt. Selbstverständlich fahre er mich zum Totumo. Aber wir sollten früh aufbrechen, denn später sei der Ort von Gruppen überlaufen.

Darum bin ich heute ganz gegen meine Gewohnheit eine der ersten beim Frühstück. Juan Carlos fährt pünktlich um sieben Uhr vor dem Hotel vor.

Festungsmauern

Festungsmauern

Wir fahren Richtung Norden, auf der Strasse, auf der ich vor zwei Tagen von Santa Marta hinter der verdunkelten Scheibe hergekommen bin. Dank dem frühen Aufbrechen sind die Strassen auch in der Stadt noch ruhig und auf der Autobahn geht es zügig vorwärts.

Juan Carlos erklärt mir die Preise. Im Eintritt ist alles dabei, du wirst einen Guide haben, der auf dich aufpasst, dann gibt es eine Massage im Schlamm. Das gehört alles dazu. Natürlich erwarten die Jungs eine kleine Propina, am besten hast du ein paar 2000-Peseten-Noten dabei. Mehr brauchst du nicht zu geben. Er wechselt mir sogar noch eine Note, damit ich auch sicher Kleingeld dabei habe.

Ich finde es natürlich sehr hilfreich, denn oft weiss man in so Situationen nicht, was von einem erwartet wird. Für eine Massage aber nur 50 Rappen zu geben, finde ich dann aber doch etwas knauserig.

Es ist acht Uhr, als wir beim kleinen Vulkan ankommen. Tatsächlich ist es ein kleiner Vulkankegel mit zwei Treppen zum hinauf steigen. Ich habe mein Badekleid schon im Hotel angezogen und brauche nur noch Bluse und Hose auszuziehen, dann bin ich bereit. Bei der Kasse betont auch der Mann im Häuschen noch einmal ausdrücklich, dass auch die Massage im Preis inbegriffen sei. Begleitet werde ich von Jaime, einem jungen Mann, dem ich später mein Handy geben kann, damit er meinen Besuch im Totumo auch gebührend dokumentieren kann.

Die Aussicht auf den See vom Vulkankegel aus.

Die Aussicht auf den See vom Vulkankegel aus.

Wir steigen die lange Treppe hinauf und da oben kann ich endlich sehen, wie das hier aussieht. Der Krater ist voller schwarzem Lavaschlamm, ausgekleidet ist der Pool mit Brettern und Pfosten. Es sind erst vier Personen hier, ich bin also tatsächlich eine der ersten am heutigen Tag. Ein paar junge Männer stehen um den Pool, warten bis ich hinein steige. Ob das heiss ist? Ich stecke einen Fuss hinein. Nein, heiss ist es nicht, allerhöchstens warm. Vorsichtig, um auf der glitschigen Leiter nicht auszurutschen, steige ich hinein. Es ist schon ein sehr ungewöhnliches Gefühl, in diese dickflüssigen Masse zu tauchen. Ich versuche mit den Füssen den Grund zu erreichen, werde aber direkt von einem der Männer in Empfang genommen. Er dreht mich auf den Rücken und fängt an, meine Füsse zu massieren.

Meine Füsse, meine Beine und dann den Rücken, die Achseln., meine Arme. Ich brauche überhaupt nichts zu machen, werde gedreht, massiert, liege in der Masse und fange grad an, die Prozedur zu geniessen, als zwei junge Mexikanerinnen in den Pool steigen. Damit sind die beiden jungen Männer ganz schnell anderweitig beschäftigt und ich darf endlich versuchen, den Grund des Pool auszuloten. Tatsächlich gibt es keinen Boden, irgendwie bleibe ich aber oben, könnte nicht abtauchen, auch wenn ich es wollte.

Als meine Brille einen Spritzer abbekommt, nimmt sie mir Jaime ab und jetzt finde ich, dass ich auch mein Gesicht etwas einschmieren könnte. Soll ja der Haut gut tun. Inzwischen sehen wir alle, die wir uns im Pool räkeln aus wie Statuen. Der Schlamm lässt Farben verschwinden. Badeanzüge, Tshirts, helle und dunkle Haut. Alles ist grau, sieht aus wie Stein. Ein eigentümliches Gefühl.

"Bleib drin", lacht Jaime, als ich Anstalten mache, heraus zu steigen. "Solange nicht mehr Leute da sind, kannst du bleiben, solange du willst".

Manchmal blubbt der Schlamm, erinnert mich an Rahmspinat in der Pfanne. Luftblasen steigen auf und platzen an der Oberfläche. Ich sitze tatsächlich in einem echten Vulkan. Eine irreale Vorstellung. Ich weiss nicht, ob es das an anderen Orten auch gibt, hab noch nie von sowas skurrilem gehört.

Endlich habe ich genug und steige die Holzleiter hinauf. Ich muss furchtbar aussehen, aber Jaime hält alles fest mit meinem Handy. Vorsichtig steige ich auf der schlipfrigen Treppe mit den hohen Stufen hinunter. Ob ich lieber eine Dusche oder den See hätte, will Jaime wissen. Der See, ich glaube dass ich dort den Schlamm einfacher los werde.

Ich steige ins Wasser, es ist angenehm warm. Grad will ich untertauchen, da merke ich, dass die Frau, die eben noch die kleinen Pflanzen zur Seite geschoben hat, damit ich besser ins Wasser komme, mich sanft in die Knie drückt. Sie wäscht mich tatsächlich. Schüttet mir Wasser über den Kopf, wäscht mir all den Schlamm vom Körper, schrubbt den Rücken, die Arme. Unglaublich, dieser Service. Und sie besteht darauf, dass ich das nicht selber maschen soll. Erst als ich ganz sauber bin und auch das Badekleid wieder schwarz ist, darf ich hinaus in den See schwimmen.

Es ist herrlich. Eben noch schwamm ich im Schlamm, jetzt gehört mir der ganze See.

Natürlich erwarten danach, als ich zurück beim Auto und damit bei meinem Geld bin, alle ihre Propina. Und selbstverständlich ist es etwas mehr alsl die von Juan Carlos vorgeschlagenen 2000 Peseten. Das Erlebnis war es definitv wert.

Ich sitze noch mit einer frischen Kokosnuss im kleinen Beizlein, als die ersten Busse vorfahren. Inzwischen geht es gegen zehn Uhr und die Touristen treffen ein. Sie steigen hinauf zum Krater. Vom Wirt will ich wissen, wieviele Leute denn in den Krater passen. Vor der Pandemie, meint er, waren es maximal 40 Leute und insgesamt 4 Masseure. Jetzt wären es die Hälfte. In der Hauptsaison sei die Zeit, die man im Krater verbringen kann limitiert auf eine Viertelstunde. Ich glaube, ich war da fast eine Stunde drin. Das frühe Aufstehen hat sich definitiv gelohnt.

Nachdem ich mich in der einfachen Umziehkabine wieder angezogen habe, schlendere ich noch einen Moment durch das Gelände. Will einfach noch einmal den Ort in mich einsaugen.

Dann fahren wir los und erreichen gegen Mittag Cartagena. Wir sind beide hoch zufrieden mit dem Tag. Ich brauche jetzt erst noch eine warme Dusche, ausserdem brauchen meine Ohren eine extra-Reinigung und auch in den Haaren hat es noch etwas vom ultrafeinen Schlammsand.

Den Rest des Tages verbringe ich im Hotel und auch zum Nachtessen gehe ich nicht mehr aus.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Immer wenn der Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl. Dieser Satz hat mich durch das Corona-Jahr begleitet. Eigentlich war mein Abflug nach Südamerika am 3. April 2020 gebucht. Doch dann kam alles anders.
Details:
Aufbruch: 20.06.2021
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 29.01.2022
Reiseziele: Peru
Kolumbien
Argentinien
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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