Neustart
Senor de Sipan
Heute will ich den Senor de Sipan besuchen. Das Königsgrab, das sich ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt Chiclayo befindet. Ich werde mir also ein Taxi organisieren.
Ich trete aus dem Hotel und schon spricht mich ein Mann an. "Taxi?"
Es ist Oswaldo, ein Taxifahrer, ein echter Chiclayaner, wie er betont. Also genau der richtige, um mit mir nach Lambayeque zu fahren und den Senor de Sipan zu besuchen. Und auch sonst macht er mir ein paar weitere Orte schmackhaft. Vor allem verspricht er mir, dass ich heute Abend einen wunderbaren Sonnenuntergang an der Küste erleben werde. "Ich wäre da etwas vorsichtig", warne ich ihn, immerhin weiss ich seit Lima, dass im Moment nicht der Zeitpunkt für farbige Sonnenuntergänge ist.
Das eindrückliche Museum besticht schon durch seine Architektur, die einer Pyramide, einer Huaca nachempfunden ist. Leider werde ich beim Eingang gestoppt. Ich brauche eine Anmeldung, es gibt keinen Eintritt ohne offizielle Anmeldung. Ich versuche es mit Lächeln, doch das verschwindet hinter der doppelten Maske, versuche zu erklären, dass ich allein bin und nur heute hier sei, aber diesen Ort unbedingt und unter allen Umständen sehen möchte.
Oswaldo, der gerade parkiert hat, merkt, dass etwas nicht stimmt und er kommt mir zur Hilfe. "Sie kommt aus der Schweiz, von so weit her, um diesen Ort zu besuchen. Amigo, da kannst du doch eine Ausnahme machen". Und tatsächlich, es funktioniert, jetzt findet auch der zweite Wärter, dass ich hinein darf und er schleust mich mit ein paar Einheimischen hinein. Kostet nicht einmal Eintritt, nur für den Parkplatz muss ich bezahlen.
Es handelt sich um das Grabmal eines Herrschers der Moche-Kultur, die ich vor ein paar Tagen in Trujillo kennen gelernt hatte. Im dortigen Museum gab es nicht sehr viele Fundstücke, weil die Spanier vieles mitgenommen und andere Räuber im Laufe der Zeit vieles gestohlen hatten.
Diese Ausgrabungsstätte wurde erst 1987 gefunden und erforscht. Sie erzählt vieles aus dem Leben der Moche mit ihrem grossen handwerklichen Können. Man kannte Gold und Silber und ausserdem Kupfer. Es wurden viele Schmuckstücke gefunden, viele zeremonielle Gegenstände, die die Macht des Herrschers unterstrichen. Aber auch unglaublich fein gearbeitete Keramiken, die das ganze Leben dokumentieren. Und Muschelarbeiten. Colliers aus farbigen Muscheln.
Die Objekte werden in einem dunklen Raum in beleuchteten Vitrinen ausgestellt, was dem ganzen Museum eine mystische Atmosphäre gibt.
Das Herzstück der Ausstellung ist das Grab des Herrschers, der mit acht Gefolgsleuten bestattet wurde. Rechts und links liegen zwei Frauen, dann kommen zwei Wächter, Priester und Diener. Eine sehr aufwändige Gruft. Die Grabbeilagen sollen die Macht und den Wohlstand zeigen, denn es sind Schmuckpanzer, Kronen, Ohrstecker, Gürtel, Kleidungsstücke. Es ist das einzige komplett erhaltene Grab aus dem antiken Peru und entsprechend der wichtigste Fundort des Landes aus dieser Zeit.
Der grösste Teil der Fundstücke sind Originale. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Spanier das Grab nicht gefunden haben. Sonst wäre das Gold längst in Spanien eingeschmolzen und zu Kelchen und Monstranzen umgearbeitet worden. (Ich war im letzten Jahr in Cordoba und habe dort in der Mezquita die goldene KIrchenkammer gesehen. Das meiste, was dort an Gold und Schmuck gezeigt wird, stammt aus der Zeit der Eroberung Amerikas.)
Ich bin sehr beeindruckt von diesem modernen Museum, das übrigens erst 2002 eröffnet wurde.
Ganz in der Nàhe liegt das Museum von Tucume. Auch dieses liegt bei einer Huaca, einer riesigen Pyramide, die sich heute allerdings eher wie eine grosse Sandburg präsentiert. Bei der Kasse muss ich einen Namen und ein paar Daten aufschreiben. "Schreib Chiclayo!" empfiehlt mir der Wärter beim Wohnort, denn Peruaner haben heute, am ersten Sonntag des Monats in allen Museen Eintritt.
Emilio, mein Guia, den ich stattdessen engagiere, erklärt mir, dass hier eine Mischung aus der Moche und der Chime-Kultur gezeigt wird, denn die beiden Kulturen folgen sich in der Zeit. Es gibt auch Fundstücke aus der Inkazeit. Auch dieses Museum ist neu, es wurde 2014 neu eingeweiht.
Nebst Keramiken aus den verschiedenen Epochen wird hier vor allem der Alltag präsentiert. Zum Beispiel wie gewoben wurde. Ich finde es spannend, dass in den verschiedenen Kulturen seit Jahrhunderten der Körperwebstuhl verwendet wurde. Die Muster sind verschieden, die Technik des Webens ist überall die gleiche. Baumwolle wurde viel verwoben, da es in der Gegend wächst. Zum ersten Mal höre ich, dass es nicht nur weisse Baumwolle gibt, sondern auch braune mit allen Zwischentönen. Dadurch entstehen sehr schöne Muster.
Ein interessanter Aspekt zeigt mir Emilio. Als die Spanier mit ihrer katholischen Kirche kamen, übernahmen die Einheimischen die neue Frauenfigur kurzerhand in ihre Bräuche und stellten sie als Berg dar. So passte sie in ihre Riten.
Auf dem freien Gelände erklärt mir Emilio noch ein paar Bäume und Pflanzen. Vor allem der Palo Verde, ein niedriger Baum mit wunderschönen gelben Blüten konnte ich mir merken. Seine Samen, die in einer Bohnenschote reifen, werden geröstet, gemahlen und können wie Kaffee gebraut werden.
Der wichtigste Baum hier in der sehr trockenen Zone aber ist der Algarrobio oder Algarrobo (Johannisbrotbaum) er ist eine Pionierpflanze, der sehr wenig Ansprüche an den Boden stellt. Seine Wurzeln reichen viele Meter tief in den Boden.
Oswaldo kennt noch ein anderes Museum, das allerdings etwas weiter entfernt in einem Ort namens Pueblo Nuevo liegt. Leider sind die Strassen in dem Ort in so schlechtem Zustand und überall liegen Berge von Erde und Steinen. Anscheinend wird der ganze Ort umgegraben, so dass wir die Zugangsstrasse zum Museum kaum finden. Als wir endlich da sind, hat sich der Wärter grad aufs Fahrrad geschwungen und fährt los. Geschlossen, winkt er ab und verschwindet.
Das macht mir aber nichts aus, denn inzwischen habe ich genug Museums gesehen und ausserdem wird es Zeit, zur Küste zu fahren.
Ich hatte ihn schon auf den grossen Fotos gesehen, die in meinem Hotel hängen, den langen Steg, der hinaus ins Meer führt. Eienen ganzen Kilometer lang sei er und er bestehe schon seit gut 100 Jahren weiss Oswaldo. Leider ist er wegen Corona geschlossen und ich kann nur durch die Gitterstäbe einen Blick auf die Schienen werfen. Ein Zug war es, mit dem Waren und Passagiere von den grossen Schiffen, die am Ende des Steges draussen im Meer anlegten, an Land transportiert wurden. Aber nicht nur an den Strand, die Schienen reichten bis in die Stadt Chiclayo. Irgendwann ging dann der Zug verloren, geblieben ist der lange Steg, der wahrscheinlich immer voller Menschen ist, wenn er nicht gerade gesperrt ist, wie jetzt.
Auch mit dem Sonnenuntergang wird heute wieder nichts. Zwar war es ein sonniger Tag und es hätte durchaus sein können, dass die Sonne noch ein paar Strahlen über das Meer schickt, bevor sie am Horizont versinkt, doch sie zieht es auch heute vor, hinter den Wolken diskret zu verschwinden.
Ich gehe kurz hinunter an den sehr flachen Strand, sehe den Wellen zu, und den Kindern, die sich darin tummeln. Dann gehe ich zurück zum Quai, wo es ein paar Restaurants gibt. Es ist Zeit für ein leichtes Nachtessen und ich lade Oswaldo spontan ein. Manchmal ist es schön, allein zu essen, manchmal tut Gesellschaft auch gut.
Danach fahren wir zurück in die Stadt und Oswaldo bringt mich zu einem Busbahnhof, wo ich die Weiterfahrt für Morgen organisiere. Es wird wieder eine lange Nacht werden.
Die Vorlagen, die im Hotel an den Wänden hängen bleiben Wunschbilder.
Aufbruch: | 20.06.2021 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | 29.01.2022 |
Kolumbien
Argentinien