villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola chicos

über den Rio Uruguay, Kisten ausräumen, Bett & Matratze raus, Hund rein, schnüffeln schnüffeln, nix gefunden - Willkommen in Uruguay! Scheinbar sind die flinken Vierbeiner darauf trainiert, Drogen und Dollars zu finden, in unserem Fall haben sie peinlich versagt, nicht das wir neuerdings weisses Pulver schmuggeln, aber ein paar Dollar aus der erfolgreichen Hoteldirektorenzeit sind noch in der Villa Venus verschanzt.

Auf der anderen Seite der Brücke erwartet uns Fray Bentos mit seiner weitläufigen Costanera (Promenade) am Fluss und einer ehemaligen Fabrik mit Weltruhm. 1865 wurde die Liebig Fleischextrakt gegründet, das Erzeugnis des OXO* Fleischwürfels sorgte im Zweiten Weltkrieg bei den Soldaten für Freudensprünge, Scott nahm das Teil mit in die Arktis und Hillary auf den Everest.
*OXO, ein irischer Hafenarbeiter hatte beim Ausladen der Ochsen keine Ahnung wie das Vieh auf spanisch heisst, daher kombinierte er zwecks Kommunikation mit seinen Kollegen spontan OX-O!

Ein paar Kilometer weiter liegt Mercedes, dort cruisen aber wie in Uruguay üblich herrlich alte zusammengebastelte Oldtimers herum. Während wir bis acht Uhr abends in den Bermudas schwitzten, beendete ein kräftiger Sturm diese Phase und nur eine Stunde später kuscheln wir uns mit 20 Grad weniger das erste Mal nach rund 3 Monaten mit langen Hosen und
Pulli aneinander. Umso besser das just an diesem Abend die Ausscheidung der regionalen Murga Gruppen stattfand.

Murgas erinnern an einen Schnitzelbank, werden entweder singend, als Theaterstück, Pantomime oder alles zusammen in einer bis zu 45 minütigen Nummer vorgetragen. In der frühen Kolonialzeit waren es Sklaven und Hilfsarbeiter, denen es einzig an diesen Tagen möglich war, sich maskiert (damit sie als Individuen nicht erkannt wurden) über die Kolonialherren lustig zu machen und Ihren miesen Lebens und Arbeitsbedingungen eine Stimme zu geben. Heute sind die Themen modern und orientieren sich an Politik, Sport und regionalen Geschehnissen, uns hat es gefallen, obwohl wir nicht alles verstanden haben, denn da war echt viel Aufwand und Vorbereitung dahinter.

Die Sonne meinte es gut mit uns, so liessen wir uns an den tollen Stränden von La Concordia und La Agracido in den Sand betten und genossen Ruhe und Wärme am hier unendlich breiten Rio Uruguay. Ein sonnengegerbter Fischer zog einen kräftigen Sapalo (oder so ähnlich) aus dem Wasser und einige Stunden später brutzelte das Ungestüm schon auf unserem Grillrost.

Weiter südlich vereinen sich die gewaltigen Ströme Rio Parana (ehemals Rio Paraguay) und Rio Uruguay in den grossflächigen Rio de la Plata, wo sich Buenos Aires und Montevideo ein Stelldichein geben und die Spanier jahrelang erfolglos nach dem grossen geheimnisvollen Eldorado, respektive dem ultimativen Schatz gesucht haben, daher Plata (Silber, Geld, Moneten)

Carmelo empfängt uns mit Villen gutbetuchter Urus und Gauchos sowie der landesweit unbrauchbarsten Touristen Info Tusse, wir schlagen uns dennoch triumphierend zum sympathischen Weingut Irurtia durch. Die Besitzerin Maria Noel erlaubt uns trotz einstündiger Verspätung an der Führung teil zu nehmen und lädt uns sogar noch zur edlen Degustation der feinsten Tropfen im romantischen Keller des Weinguts inklusive Käseplatte ein. Es ist übrigens nicht so, dass wir unsere schweizerische Pünktlichkeit verloren hätte - obwohl wir diese noch nie unbedingt besassen - aber nach 8 Tagen Uruguay hat uns Maria endlich darüber aufgeklärt, dass man in diesem Land die Uhr eine Stunde vorstellen muss...das sind Ferien!

Ebenfalls eine Stunde zu spät erschienen Eduardo und Alejandra aus Buenos Aires, mit denen wir uns spontan verbündeten und einen wunderbaren langen Abend am heimeligen Strassen Carneval von Carmelo mit Matambre a la Italiana (Kuhbauch vom Grill mit Tomaten und Käse belegt, klingt fies, schmeckt fein) in der ersten Reihe verbrachten.

In der Schweizer Kolonie Nueva Helvecia entdeckten wir nach einigen Anlaufschwierigkeiten Spuren eidgenössischer Kultur und Käse, auf der Suche nach einer Show Käserei lernten wir Tino, Armin und Ihre 78 Jährige Mutter und Geschichtssäule Ilse Howald kennen. Die Eltern von Ilse zogen aus wirtschaftlichen Gründen weg aus dem Bern-biet nach Danzig, von wo aus Sie beim Zusammenbruch des Grossen Deutschen Reiches und Eintreffen der Stalin Truppen 1945 wiederum abenteuerlich zurück in die Schweiz flüchten mussten.

Als Rückkehr Schweizer wurden sie von Ihrem Land und Menschen weder fröhlich noch mit Unterstützung empfangen, was Ilse der Schweiz bis heute nicht verziehen hat, so beschloss der Vater, ein Landwirt und Käser 1951 als letzte Chance einen Umzug inklusive Ilse ins unbekannte Uruguay, die Schwestern blieben in Basel. Heute stellt die von Vater Howald 1952 gegründete Käserei Alpa mit Ilses Söhnen sowie 40 Angestellten Streich und Weichkäse in grossen Mengen her.

Man könnte Ilses Geschichten noch stundenlang zu hören, wir machen uns aber auf den Weg zum Friedhof, wo in den Anfängen der Kolonie um 1850 in einer kleinen Kapelle abwechslungsweise reformierte und katholische Messen gelesen und die Verstorbenen nebeneinander begraben wurden. Die katholische Kirche wollte Jahre später den Friedhof mit einer Mauer zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen trennen, die Einwohner lehnten diese Gurkenidee deutlich ab, daraufhin bauten die Katholiken ausserhalb ein eigenes Gotteshaus...Religion ole!

Heute erzählt der Friedhof anhanden seiner historischen Grabsteine die Geschichte der ersten Auswanderer und Schreibfehler auf einigen letzten Ruhestätten erklären, wieso viele Emigranten Ihre Steine weit vor Ihrem Todestag in der Schweiz bestellten und per Schiff liefern liessen.

Die überall hängenden Schweizer Wappen sowie die eidgenössischen Strassennamen liessen uns im noble Hotel Granja Suiza Unterschlupf finden und beim freundlichen Direktor Rolf Raeber ein Fondue schlemmen. Zu diesem seltenen Anlass sprayen wir mal wieder Parfum ans Hemd (das Flacon hält seit 2 Jahren...) und Anke schminkt sich weltfraulich. Richtig schick kleiden wir uns neuerdings jedoch zum Tanken, bei SFr. 1.80/Liter stellt diese Aktion alle anderen Gelegenheiten in den Schatten, Prost Villa Venus!

Hasta la proxima
a&t