villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola chicos

Schweren Herzens trennten wir uns von Rodeo und den liebenswürdigen Anna und Patrick. Als Ablenkung von Abreiseschmerzen kann man Wein trinken und davon gab es in unseren nächsten Destination San Juan durchaus genug. Die Bodegas im entspannten, heissen San Juan sind im Gegenteil zum verwöhnten Mendoza noch richtig herzlich. El Milagro, ein kleines Familiengut fanden wir nur dank einer Strassensperre von irgendwelchen Knilchen, der wir dank unseren Erfahrungen professionell ausweichen konnten.

Pablo, der Sohn des Rebenmeisters, führte uns persönlich im Muskelshirt zwischen den antiken Geräten herum. Mit 15'000 Litern Wein aus eigenem Traubenanbau wird noch viel Wert auf Ökologie, Qualität und glücklicherweise deren Degustation gelegt. Der wortwörtlich berauschende Besuch liess unseren Weinkeller in der Villa Venus ein erstes Mal gewichtend erzittern. Und in diesem Style ging es weiter über die gefährlich sympathische Ruta del Vino. Interessanterweise findet sich hier der erste Weinkeller Argentiniens überhaupt, die Bodega Graffinga schaut auf einen visionären Spanier zurück, der die ersten Reben pflanzte und - man höre und staune - nach Mendoza zum Verarbeiten transportierte, da San Juan industriell noch in den Kinderschuhen steckte.

Diese Geschichte hören natürlich die Mendozinos nicht so gerne und man spürt einen grossen Stolz der San Juaninos über diesen Fakt. Bei Fabril Alto Verde und Vinas de Segias bekennt man sich öffentlich zum "chipping", das bedeutet, das die jungen Weine mit Eichenchips aromatisiert werden. Verbunden mit dem biologisch angebauten rote Saft (es wird noch mit natürlichem Eiweiss gearbeitet, von Hand gepflückt und Öko Hefe zur Fermentierung verwendet) entstehen trinkfreudige, voluminöse Tropfen. Villa Venus merkte es und schnaufte grosszügig mit Ihren Stossdämpfer beim Einladen auf.

Da jede Führung praktisch nur persönlich für uns veranstaltet wurde und zusammen mit den grosszügigen Proben und super spannenden Gesprächen jeweils bis 2 Stunden dauerte, schafften wir glücklicherweise nicht alle angepeilten Weingüter. Trotzdem platzte unser vierrädriger Freund fast aus allen Nähten und wir mussten Flaschen unters Dach kleben. Zu unserem Weinkeller zählen wohl aktuell so gegen die 40 Flaschen Wein aus Argentinien, Chile und Bolivien, wir denken damit präsentieren wir eine der besten Angebote der hiesigen Gastro Szene und weltweit gesehen stehen wir in den Campervan Top Ten. Info für alle, die sich nun zu Hause auf einen dieser edlen Tropfen freuen, bis zum Dampferauslauf in Buenos Aires schaffen wir Alle, Flaschen leer würde Trapatoni sagen!

Am Dique Ullum vorbei kurvten wir trotz Übergewicht bis zum Wallfahrtsort Difunta Correa, wo speziell Reisenden, Autos und Lastwagenfahrer Ihre Schutzengel finden. Bei der Legende handelt es sich um eine Frau, die auf der Verfolgung Ihres geliebten in den Krieg ziehenden Mannes, unterwegs verdurstete und als letzte Aktion Ihr Baby an die Brust legte. Als vorbeikommende Wanderer die tote Dame hier genau an dieser Stelle fanden, war das Baby dank der Muttermilch noch am Leben. Ein Wunder, heute gilt die sogenannte Difunta Correa neben dem legendären Gauchito Gil als wichtigste Schutzheilige von Reisenden und Lastwagenfahrer. Von Beiden findet man unterwegs immer wieder farbige Schreine am Strassenrand, die Leute halten an, deponieren gefüllte Wasserflaschen (damit Gil und Difunta nicht verdursten), kleben zum eigenen Schutz Fotos an die Altäre und hinterlegen von rostigen Pleuelstangen über Haarsträhnen bis zu gewonnen Pokalen. Zudem sollte man beim Vorbeifahren an jedem Schrein hupen, damit einem das Glück hold bleibt. Wir hupen zwischenzeitlich nicht mehr, da ansonsten der vielen verschiedenen Pilgerplätzen wegen unser Horn schon lange eine Revision gebraucht hätte.

Das sich die katholische Kirche strikt gegen solche fremden Verehrung wehrt, interessiert hier zum Glück niemanden. Wir finden diese Traditionen mystisch schön und zünden gerne eine Kerze für unsere treue Freundin Villa Venus an, die Pleuelstange lassen wir jedoch vorerst noch an Ort. Dann folgen wir mal wieder schnurgeraden Kilometer bis an den endlosen Horizont, dort treffen wir auf das kleine Städtchen Chepes, wo die YPF Tankstelle mit schattigem Hinterhof zum Übernachten einlädt. Mal wieder werden wir von der dynamischen Aktivität einer südamerikanischen Kleinstadt schlaflos in den den Bann gezogen. Während wir uns mitteleuropäisch gehorsam um 1 Uhr morgens ins Bett legen, geht auf der Tankstelle erst richtig die Post ab. Verliebte Pärchen treffen sich auf der Liebesmauer, Jose und Juan präsentieren stolz Ihre neue Soundanlage und beschallen an den Tanksäulen vorbei weitläufig. Motorradfahrer ignorieren die steigenden Benzinpreise und vergnügen sich fröhlich im Hinterhof mit röhrenden Manövern und Kapriolen. YPF = yo nid pfuse!

Leicht angeschlagen folgen wir der kerzengeraden Strecke, die leider zwischenzeitlich den Teer abgeworfen hat und treffen über einen imposanten Pass in den Pampinnen Sierren (eine Bergkette bei Cordoba) in Mina Clavera ein. Was wie ein staubiges Bergwerk tönt, ist ein beliebt erfrischender Touristenort an glasklaren Flüssen und Wasserfällen. Obwohl uns der Ferienort schon proppenvoll erscheint, beschweren sich die Einheimischen einmal mehr über drastisch weniger Feriengäste. Madame Präsidentin Cristina trifft mit Ihren zum Teil exotischen Massnahmen vor allem die Mittelklasse, die sich dann schlicht keine oder nur noch reduzierte Ferien leisten kann. Man stelle sich vor, dass man als Schweizer oder Deutscher nur noch teilweise auf sein gespartes Geld zugreifen kann, sofern man das zweistündige Schlangestehen am Bankautomat überhaupt überlebt hat. Dollars oder andere Fremdwährung gibt es schon lange nicht mehr, ausser auf spezielle Anfrage bei der jeweiligen Gemeinde mit Hinterlegung des Ausland Reiseplans. Dann darf man sogar bis zu 5 Dollar täglich abheben. Was uns zu Gute kommt, denn aktuell wird die verbotene Dollar Währung, der sogenannte Dollar blue, mit 7.80 Pesos gehandelt (auf der Bank 4.90). Da die Argentinier Ihre inflationären Pesos in harte Dollars wechseln wollen, können wir vom feinen Cambio profitieren.

Wer nun in Mina ein ausgestorbenes Touristendorf erwartet, wird deutlich überrumpelt. Nochmals tauchen wir vollends in den zeitlich so anderen Lebensstil der Gauchos ein, der während den Ferien zusätzlich frisiert wird. Ein paar Beispiele gefällig? Um Mitternacht sieht es im 7500 Einwohner Städtchen aus, wie in Basel eine Stunde vor dem Morgestraich. Die Shops und Boutiquen haben konsumentenfreundlich bis um 2 Uhr morgens offen, die Clown Show auf der Plaza für die Kleinsten beginnt kurz nach dem Sandmännchen um 00:30 und in den Restaurants werden um 02:30 noch komplette Menüs bestellt. Wir staunen einmal mehr und fragen lieber nicht nach, ab wann der DJ im Schuppen seine Platten auflegt. Man passt sich als Reisender den üblichen Begebenheiten an, wir essen selten vor zehn Uhr, kuscheln uns nach Mitternacht in die Federn, verpassen den Sonnenaufgang und wachen zum höheren Sonnenstand auf, trotzdem gehören wir nach wie vor bei allem zu den Ersten.

Mit sehr wenig Schaf verabschiedeten wir uns von Mina Clavera und stellten uns in den herrlich entspannten Parque Condoritos. Eine wunderbare Fels-, Berglandschaft, Wasserfälle und vor allem mal wieder Ruhe und mitteleuropäische Essenszeiten. Die arbeitslosen Wandersandalen durften ebenfalls geschnürt werden und schon bald schwirrten zur Freude des Tages sechs Kondore über unsere Köpfe. Die grössten Vögel der Welt, die bis zu 60 Jahre alt werden, lernen hier Ihrem Nachwuchs wie man dank Thermik ohne Flügelschlag wunderbar dynamisch durch die Luft gleiten kann. Vielleicht war es das letzte mal auf unserer Reise, dass wir diese prächtigen Burschen mit bis zu 3 Meter Spannweite bewundern durften. Darum verabschiedeten wir uns von Ihnen und hoffen, dass sie weiterhin genussvoll friedlich Ihre Kreise ins Himmelblau zeichnen können.

Hasta la proxima.
a&t