villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola chicos

An einem einsamen Stellplatz unterm Vulkan Lincanbur im Niemandsland wurden wir herzlichst von der chilenischen Polizei begrüsst, sie wunderten sich, wer hier so abseits parkt und Raclette mit Weisswein zelebriert. Am nächsten Morgen standen wir mal wieder bibbernd am strengen Zoll, alle bolivianischen Leckereien Sherlock Holmes sicher in der Unterwäsche oder im doppelten Villa Venus Boden versteckt und tatsächlich wir schafften es ein weiteres Mal ungeschoren mit Honig, Fleisch, Milch und Käse nach Chile.

Nach 3 Monaten Bolivien erinnern uns die Preise an Monopoly und der Aufmarsch an Touristen an ein Open Air, andererseits genossen wir den Luxus der Zivilisation und tranken mal wieder in kurzer Hose auf der schmucken, sauberen Plaza zum Sonnenuntergang eine Flasche Wein. Trotzdem für die Nacht verziehen wir uns gerne auf den bereits getesteten Mirador Valle de la Luna, wo wir frühmorgens exotisch von brasilianischen Stimmen geweckt werden. Neben uns hat sich magisch eine Zeltstadt mit mehreren Monster Trucks, herum schwirrenden Menschen, bizarren Requisiten und muhenden Kühen eingerichtet. Tudo bem, caramba, bald werden wir vom Regisseur Assistenten eingeweiht, das hier eine aufwendige Episode mit den biblischen Maria und Josef gefilmt wird, gespannt verfolgen wir die Aufbau, Schmink- und Dreharbeiten aus der ersten Reihe.

Nun leuchtet also die Villa Venus endgültig unterm Stern von Nazareth neben den 3 heiligen Königen, doch der Oscarjagd noch nicht genug, fuhren wir danach direkt in die Aufnahmen des neuen Jaguar Werbespots, wo wir den schicken Rennwagen natürlich locker im zweiten Gang mit einer Tasse Kaffee in der Hand winkend überholten...sind mal gespannt, ob das den Verkauf ankurbelt. Auf jeden Fall standen wir eine Stunde später 2500 Meter höher topmotiviert mit zwei Büchsen Bier vor Luis, der wirbelte mit seinem von frischer Farbe triefenden bolivianischen Einreisestempel und drückte uns mit einem Grinsen nochmals 30 Tage in eine der letzten leeren Ecken unserer Pässe...gracias Luis!

Da die Parkwächter noch immer heiter schnarchend streikten, sparten wir ein weiteres Mal den horrenden Eintrittspreis und beschlossen unseren Glückstag fidel mit einem Glas Wein in den einsamen heissen Quellen zusammen mit den farbigen Flamingos der Laguna Salada. Wir nahmen uns nochmals richtig Zeit für die bunte Laguna Colorada, brachten bei den Autozöllner eine Flasche Wein vorbei und heimsten so ebenfalls 30 Tage für Villa Venus ein, dann fuhren wir gemütlich nach Quetena, wo eigentlich das grosse Abenteuer Vulkan Uturuncu 6020 m auf uns gewartet hätte. Gemäss Beschreibung in unserem dezenten Wanderbuch führt die höchste Strasse der Welt bis 5900 Meter hoch und somit knapp unter den markanten Gipfel.

Nachdem wir mühsam zwei deftige Flüsse durchquert, unzählige Male an einem der Riesenbrocken angeschlagen hatten und den frisch montierten Plastikunterbodenschutz zerstörten, bekamen wir Angst um unser knapp über dem Boden schwebenden Differenzial. Wir parkten auf den knapp erreichten 4400 m und leisteten neben herum hopsenden Viscachas einen Treueschwur auf unsere geliebte Villa Venus, das solche Schrottstrassen definitiv nicht mehr sein müssen. Abgesehen davon holpern wir eh nun bereits seit 1500 Kilometer im Altiplano herum, die Schlösser fallen auseinander, alles ist staubig, der Dachträger wackelt schon wieder beängstigend, die Kleidernetze lösen sich auf und sogar ein Plastikteller ist zerbröselt...genug ist genug hug.

Aber natürlich wollten wir den Vulkan doch nicht einfach so davon kommen lassen, also schwangen wir uns zum Sonnenaufgang aus den Federn und folgten dem als Strasse bezeichneten Wanderweg bis auf den steilen Vorgipfel auf über 5000 Meter und gönnten dem Uturuncu einen mitleidigen Blick. Irgendwie schafften wir es mit heilem Differenzial zurück auf Quetena, von wo aus wir eine spannende Piste quer durch den Atliplano über 300 Kilometer und mehrere Pässe nach Tupiza mulmigem Magens in Angriff nahmen. Wir wollen nix beschönigen, der Weg war vor allem anfänglich wiederum grenzwertig oder sagen wir doch einfach "scheisse" und wir fragen uns, ob die Herren Parkmenschen Eduardo Avaroa auch weiter schnarchen, wenn die Touris wieder mit Sfr. 25.00 pro Person abgezockt werden, unglaublich null Strassenwartung, null Schilder, null Service...aber irgendwie macht das halt auch den Reiz dieses Abenteuers aus...

Unser Tempo beschränkte sich zeitweise auf 10 Km/h, damit wir einigermassen heil an den grössten Löchern, Felsen und Abrutschen vorbei kamen, aber liebe Freunde, die Landschaft war so fabelhaft atemberaubend, dass wir alle Hindernisse mit einem spirituellen Lächeln umschifften. Diese Fahrt war die Krönung unserer Altiplanozeit, wir entdeckten versteckte Juwelen wie die Laguna Amarilla, die wir zusammen mit Tausenden von Flamingos, Alpakas, Rebhühner, Raubvögel, Enten und Gänsen (ohne Nils Holgerson) im Flash umrundeten.

Etwas westlicher türmen sich plötzlich hinter einem grünen Zaubertal die beiden frisch beschneiten Eisriesen Nuevo Mundo 6030 und Lipez 5929 auf, etwas rechts davon leuchtet der ebenfalls vereiste Vulkan Soniquera mit 5859, dazwischen eine wahnsinnige Weite, unterbrochen von tiefen Tälern, bizarren Felsformationen in allen Farben und irgendwie schlängelt sich die Holperpiste mit Villa Venus ihren kurvigen Weg durch die Märchenlandschaft. Dies ist mal wieder ein Herr der Ringe Stellplatz und passend dazu gesellt sich gegen den späteren Nachmittag der obligate Gewittersturm dazu, immer wieder herrlich erregend, wenn Villa Venus auf weiter Flur als einzig Metallhaltiges den mutigen Blitzableiter abgibt. Anke gibt sich derweil flockig entspannt, während Don Schetty fast bei jedem feschen Blitz die Hosen wechseln muss.

Zum Morgen wechselt das Geschehen, nun beim Aufstieg zum von uns getauften Cerro Villa Venus 5080 hat er die Hosen wieder fest angeschnallt und führt die holde Anke in neue Höhenerlebnisse. Den Lipez und den Nuevo Mundo überlassen wir gerne den Steigeisen Heinis aber den Gipfel daneben reissen wir uns mit einer bemerkenswerten Route (Erstbesteigung?) und Herzklopfen tapfer unter den Nagel. In den Ortschaften San Antonio und San Pablo de Lipez hält uns nicht viel für Länger, aber Zeit für einen Schwatz mit den vom Auftauchen der Villa Venus in ihren abgelegenen Gefilden überraschten Einwohnern bleibt immer.

Ein paar Kilometer nach San Pablo drängt sich wieder ein Rudel Berge in den blauen Himmel, ein wahres Paradies zum Trekken, über farbige Vulkangrate nähern wir uns Santa Isabel 5392, wo ebenfalls eine Strasse bis kurz an den Gipfel führt. Da klettern wir lieber nach Luft hechelnd den steilen Schotterhang zum Condor Huasi auf 5248 m hoch, bauen einen Steinmann und schauen müde aber stolz auf die Vulkan Skyline Boliviens.

Wir bewundern immer wieder das Leben auf diesen Höhen, es wachsen Gräser zum Teil mit Blühten, kleine stämmige Büsche, stachelige Kakteen, dazwischen flaniert eine Horde eleganter Vicunas munter den Berg hinauf, Vögel zwitschern um die Wette, Alpakas und selten Lamas strecken ihre mit bunten Bändern verzierte Ohren in die kühle Luft und in den Felsen hopsen Viscachas von Stein zu Stein rasant in ihre schützenden Wohnhöhlen. Wir fühlen uns hier nur als Besucher und staunen, wie all diese Geschöpfe in dieser kargen Natur überleben können.

Übrigens ist die fröhliche Weihnachtszeit in der Villa Venus eingezogen, beim morgendlichen Kaffeekochen baumelt wieder eine Weihnachtskugel im Haar und hinterlässt fleissig romantischen Goldspan, ein Engel schwebt im Bus, an der Windschutzscheibe liefert sich Spiderman mit dem filigranem Weihnachtsmann einen Kampf um den besten Platz und in der abendlichen Stille blinkt bärtiges Nikolaus erlesen in die dunkle einsame Nacht hinaus...ach ja und der Plastik Weihnachtsbaum aus Patagonien ist ebenfalls wieder aus seinem Sommerschlaf erwacht...alles schläft, einsam wacht...hasta la proxima.

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