villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola amigos

Rurrenabaque klingt so wie es zu Erreichen ist, nachdem man das Zentrum von La Paz verkehrstechnisch überlebt hat, steigt die kurvige Strasse auf über 4500 Meter nach La Cumbre. Dann stürzt sich der Weg einerseits auf der legendären Todesstrasse immer hart am Abgrund oder auf der neuen Pista auf wenigen Kilometern 4000 Meter in die kunterbunte Tiefe. Obwohl die (einst) gefährlichste Strasse der Welt nur noch wenig befahren ist, verdient sie sich nach wie vor Respekt, das merken auch die vielen touristischen Mountain Biker, die uns mit z.T. kreidebleichem Gesicht nachschauen. Scheinbar macht ab und zu ein Radler auch mal einen Abflug, so dass sich zu den vielen aus der Vergangenheit Abgestürzten heute noch neue Kreuze dazu gesellen. Wie eine Anakonda schlängelt sich die Route einspurig hinunter in den wilden Dschungel, ein Blick tausend Meter ins Tal schenkt Einem immer wieder erfrischende Gänsehaut.

Der richtige Kick fängt aber erst nach Coroico an, denn bis 2014 soll eine geteerte Verbindung durch die Yungas bis Riberalto/Brasilien entstehen und somit wechseln sich gelbe Caterpillar Ungetüme mit herum wuselnden gelb, grün oder rot leuchtende Bauarbeiter auf der schlammigen Piste ab. Damit das Projekt richtig vom Fleck kommt, wird die Strasse kurzerhand zwischen 6 Uhr morgens und 4 Uhr abends für jeglichen Verkehr gesperrt, so gliedert sich Villa Venus motiviert in die ab vier Uhr entstehende Rallye ein.

Interessanterweise nehmen an diesem Rennen Lastwagen, Busse, Motorräder, Tieflader, Tanker und sogar Personenwagen teil, natürlich alle gleichzeitig und immer knapp am weiterhin bestehenden Abgrund, der hier wenigstens nur noch 500 bis 100 Meter in die Tiefe gähnt. Jedes Ausweichmanöver auf der holprigen, steinigen, staubige und schlammigen Fahrt ist Einzigartig und bringt feinsten Nervenkitzel. Auf die Nachtversion verzichten wir vorerst und verbringen einen Tag am Fluss in Caranavi zusammen mit anderen Steckengebliebenen, Autos werden zum Waschen direkt in das Gewässer gefahren und die Mitfahrer springen Staubspur hinterlassend hinterher.
Das aufgewirbelte Puder flitzt in jede Ritze und in unserer Villa bildet sich auf dem Bett eine romantische Sanddüne, was Anke jedoch wenig begeistern kann.

Doch hingegen allen Vorurteilen schaffen wir es verstaubt, aber heil und munter ins Beni Tiefland und somit nach Rurre(nabaque), wo uns Jorge, ein vor 25 Jahren eingewanderter Schweizer Gastfreundschaft auf seinem eigenen Hügel mit herrlichem Weitblick gewährt. Wir werden spontan zum Asado eingeladen und horchen zum ersten Mal gespannt den unglaublichen Geschichten des weitbekannten Jürg, der hier schnell zu Jorge mutierte und nun mit seinem Wasserturm ähnlichen Haus den höchsten Punkt des persönlichen Berges bewohnt.

Jorge nimmt uns mit sein neuestes Projekt, eine Wasserfassung mitten im Urwald zu bestaunen, wir trekken noch etwas weiter durch das dichtbewachsene Tal und stehen plötzlich vor einem herrlich unberührten Wasserfall mit Tausenden von Schmetterlingen. Ansonsten geniessen wir den herrlichen Pool auf dem Mirador, schmeissen Abends feinstes Fleisch auf den Grill (Las Yungas ist die Fleischkammer Boliviens) und freuen uns jeweils morgens auf Jorge, wenn er uns frisch gebackenes Brot und ein paar Geschichten vorbeibringt.

Nachdem uns eine Strassenblockade den Weg blockiert, starten wir einen Tag später mit einer Agentur in die Pampas del Yacuma (Villa Venus bleibt bei Jorge, da sie noch immer nicht Schwimmen gelernt hat). Gespannt warten wir auf unsere Mitreisenden, denn Rurre ist bekannt für Israelische Gruppen, die Invasionsmässig über den Naturpark fegen und weder Tier noch Mittouri respektieren. Wir wollen keineswegs rassistisch erscheinen, haben sogar schon (selten) nette Israelis kennengelernt, aber Jeder, der schon mal eine solchen Gruppe live erlebt hat , wird mit uns fühlen. Erleichtert schnaufen wir auf, als sich Sanne und Tom aus Holland, Yvory aus Australien und Melissa aus Kanada zu uns gesellen.

Nach 4 Stunden Staubpiste werden wir zusammen mit Guide Alex in ein kleines Boot verfrachtet und rauschen schon bald an im Schlamm badenden Caipivaras, harmlosen Alligatoren, bissigen schwarzen Kaimanen, bunten Vögeln, eleganten Fischreihern, klammernden Affen und in dynamischer Einerreihe postierten Flussschildkröten vorbei.

Es ist Nebensaison, es kommt uns kein einziges Schiff entgegen und die Urwald Lodge inklusive der Meisterköchin Rosana gehört uns ganz alleine. Ab zehn Uhr wird der Stromgenerator abgestellt und nun hört man nur noch die wilden Geräusche des Dschungels, herrlich. Einen Wecker braucht man ebenfalls nicht, da ab fünf Uhr morgens einerseits die Brüllaffen ein ergreifendes Konzert geben und andererseits ihre Kapuziner Kollegen über unser Blechdach sprinten. Nachdem Rosana mitten im Urwald ein 5* Frühstück gezaubert hat, geht es mit schicken Gummistiefeln ab in den Sumpf auf Anakonda Suche.

Yvory, die uns mit Ihrem Dasein bestens unterhält, schreit Mordio, in Ihrem Stiefel hat es sich ein kleiner grüner Frosch bequem gemacht, wenig später steckt sie bereits mit beiden Gummilatschen im tiefen Sumpf fest und nur mit gemeinsamer Hilfe können wir sie aus der misslichen Lage befreien. Ansonsten ist leider nix los, die Anakonda versteckt sich mal wieder vor uns, was in Anbetracht an 15 Meter Modelle, die ganze Kühe schlucken, vielleicht nicht mal so schlecht ist.

Unser persönliches Highlight sind sowieso die seltenen rosaroten Flussdelfine, die sich hier gerne tummeln und zu denen man zum Schwimmen in den dunklen Dschungelfluss steigen darf. Gestern haben wir aus der braunen Brühe noch Piranhas gefischt, am Ufer liegen Alligatoren, es ist zugegeben ein mulmiges Gefühl in den Fluss zu hüpfen.

Die männliche Fraktion erkundigt sich vor dem Eintauchen noch nach dem fiesen kleinen Penisfisch, der sich gerne in der Harnröhre festbeisst und nur unter grössten Schmerzen operativ entfernt werden muss. Gibt es hier nicht meint Alex, bleibt aber selber auf dem Boot...Ausser Yvory wurde schlussendlich auch Niemand von einem Piranha gebissen, so machen wir uns tatsächlich vollzählig auf den Heimweg nach Rurre.

In der heissesten Dorfdisco der Welt feiern wir Abschied von grandiosen gemeinsamen Tagen und freuen uns, dass man in einer gefühlten finnischen Sauna schneller Bier schwitzten und pinkeln kann, als dass man einen Sitzen hat.

Hasta la proxima.
a&t