villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen
von brasilien und seinen bewohnern.: von maratona do rio und anderen hindernissen.
oi amigos.
unser wichtigstes geraet.
alternativmarathon am praia espelo.
Es gibt viele Vorbereitungsregeln und Tipps zu einem Marathon, die meisten davon haben wir (un)freiwillig missachtet und uns wie ein Seelöwe in die Sahara gestürzt, wie es dazu kam und vor allem, wie so etwas endet hat für uns schon jetzt Legendenstatus. Nachdem wir sicher 20 mal mit dem Marathon Büro von Rio telefoniert hatten, alle Läuferwebseiten in Mitteleuropa abgeklappert und gleichzeitig erfolglos getwittert und gefacebookt hatten, wurde uns frustriert bewusst, das wird wohl nix mit unserem Marathon do Rio.
unser ueberlebungskit fuer den tag.
auf gehts zum zweiten, beim ersten sind nach 4 kilometer an einer felswand gescheitert.
Als Selbsthilfeprogramm enterten wir den Mittwoch vor Ankes Geburtstag für einen alternativen 20 Kilometerlauf von Praia Espelo bis nach Caravaia und zurück. Leider verleiteten uns markante Felsformationen am Strand sowie die freche Flut zu einigen Umwegen, Extrarunden und Bootsmanöver. So wurden aus 20 zarten Kilometern schlussendlich 20 Wadenbrennende Sandmeilen, erschöpft legten wir uns in die Villa Venus und hatten den verpassten Lauf in Rio schon fast vergessen. Am Geburtstag selber regenerierten wir uns flockig mit Champagner, Zuckerrohrschnaps und Rotwein, das exklusive Fondue dazu wurde ja bereits erwähnt.
das ist sie die fiese felswand.
kilometer 12 naechste sackgasse, muessen wir wieder zurueck?
umjoggingsroute gefunden, nach einer flussdurchquerung sind wir wieder auf kurs.
Am Morgen dann das grosse Erwachen, Kopfbrummer in Kombination mit einer plötzlich fixen Anmeldung für einen Marathon Teilnehmer in Rio sowie einem von fremder Hand geleerten Kreditkartenkonto. Im Klartext bedeutet das in 30 Stunden 1300 Kilometer auf Rio fahren, mit der Bank telefonieren, Karten sperren und Polizeirapport erstellen. Somit kamen wir am ersten Fahrtag nicht besonders weit, ruhten ein paar Minuten auf einer eher lauten Tankstelle direkt an der Hauptstrasse und mussten um 05.00 weiter, um es überhaupt noch rechtzeitig nach Rio zu schaffen.
zwischenverpflegungsposten am strand.
aus 10 werden 20 kilometer, endlich in caravaia.
letzte flussdurchquerung bei ebbe.
Nochmals zügige 10 Fahrstunden später standen wir tatsächlich bei feinstem Sonnenschein im Zentrum Rios und holten die bereitliegenden Startnummer für Anke ab, scheu hielten wir nach einer zweiten Ausschau. Es haute uns fast aus den verschwitzten Hawaianas, als Wallace vom Info freundlich erklärte, das es natürlich noch Marathon Startplätze gibt...brasilianische Organisation vom Feinsten, trotzdem klatschte No 4722 mit No 4850 fröhlich ab.
caraiva igreja.
downtown.
hauptverpflegungsposten, leicht verdaulich...
Da es schon wieder Nacht wurde, blieben wir direkt an der Tankstelle am Praia Flamengo stehen und kochten eine Topf Pasta, es war Samstag und wir im Zentrum von Rio, was so viel bedeutet wie Schlaflos, wenigstens nur bis 3.30, dann mussten wir sowieso für den Marathon aus den Federn. Etwas angespannt durch die vergangenen Tage und Erlebnisse drückten wir das am Vorabend mit viel Liebe präparierte Müesli zusammen mit Zwieback, Nutella und Honig hinunter, es konnte nach 2 Schlaflosen Nächten, Alkohol und zu vielen Kilometern in den Beinen und im Sitzen endlich losgehen.
flussdurchquerung bei flut, naja immerhin ein paar meter gespart.
jetzt kennen wir den weg, letzter aufstieg.
und wo gehts dann bitte nach rio.
Der angegebene Transfer zum Start war auf der Karte etwas verschoben angezeichnet, so hetzten wir die letzten 2 Kilometer nervös zu den bereitstehenden Bussen und flitzten hinein. Kurz darauf brach erneut Hektik aus, die Transferbusse steckten plötzlich alle im Stau, gleichzeitig meldetet sich ein paar Läufer, dass sie eigentlich an den Start zum Halbmarathon müssten, spannende Szenen machten sich breit.
ein weisser fischreiher bei der startnummernausgabe, das bringt sicher glueck.
supermausi und dangermouse mit dem finger am ziel, jetzt fehlen nur noch die fuesse.
pastaplausch in der villa venus.
Erst richtig interessant wurde es nachdem wir eine halbe Stunde vor dem Start noch immer weit vom Startblock entfernt waren und zwischenzeitlich alle mit Wasser aufgeputschten Teilnehmer mit gekreuzten Beinen versuchten zu verhindern, dass sie in die Hosen pissen. Kaum gingen die Türen auf, quetschten sich alle heraus und pinkelten an die nächste Strassenecke...herrliche Bilder zum Auftakt.
wir laufen in nostalgie, ankes laufschuhe, kilometerstand 3900 km ohne service.
auch nicht gerade aus dem verkaufsregal, dafuer gut durchlueftet und entwaessert.
Doch kurz vor dem Startschuss hüpften wir in die Startreihen und fieberten dem magischen Moment entgegen. Langsam sollte die Sonne aufgehen, doch schien es trotzdem eher dunkel zu bleiben, der Grund dafür war mit schwarzen Regenwolken und dicken Nebelschwaden schnell eruiert. Wie immer vor einem Wettkampf herrscht Körperspannung pur, die Beinmuskulatur zuckt und man hat das Gefühl ständig zu pinkeln. Mit dem lang ersehnten Startschuss lösen sich diese Empfindungen normalerweise...
vorbereitungszelle villa venus, ein grandioses allzweckwohnmobil.
marathontagwache 3.30, freude herrscht unter der daunendecke.
Kilometer 5, der Kilometerschnitt auf 5.40 hat sich eingependelt, wir traben fröhlich mit und rechnen uns trotz dem nun einsetzenden Sprühregen eine famose Schlusszeit um die 4 Stunden aus. Kilometer 10, aus dem Sprühregen wird Nieselregen, Wind kommt auf, an der fast Zuschauerlosen Strandpromenade erreichen wir Barra La Tijuca und weichen den ersten Wasserpfützen aus. Der Schnitt passt hervorragend, trotzdem wundern wir uns Beide, dass die Oberschenkelmuskulatur scheinbar noch immer nicht aus Ihrem Tiefschlaf erwacht ist, bei ein Fotosession rutscht der nasse Fotoapparat aus der Hand und fällt auf den Teer, es scheint er hat keine Lust mehr auf die letzten 30 Kilometer...wenigstens haben wir so ein paar unvergessliche Erinnerungskratzer.
alle suchen die transferbusse, immerhin ein ideales einlaufen ist garantiert.
das masaker der transferbusse, sie bleiben im stau stecken und alle muessen pinkeln gehen, wir halten mal mit gekreuzten beinen die startnummern in die luft.
noch haben wir 5 minuten zeit zum kleidersackabgeben.
Nach knapp bei 2 Stunden passieren wir bei starkem Regen und Windböen den Halbmarathon und liegen somit im Trend, Don Schetty hat zwischenzeitlich eine Durchfallattacke erfolgreich in einem Plastikklo abgewehrt und sich wieder an Ankes Fersen geheftet. Kilometer 28, der Regensturm hat die letzten Zuschauer vom Parcours geweht, an den wenig abwechslungsreichen Verpflegungsständen (Wasser oder Wasser oder selten ein Gatorade) frieren sich die freiwilligen Helfer ihren Arsch ab und wären froh die durchnässten langsameren Läufer würden etwas Gas geben. Wir haben durchaus Mitleid müssen aber trotzdem beim Posto Medico Anke auf eine Massagebank legen, die durchfrorene Masseuse mit Hühnerhaut ist froh, dass sie sich die Finger wärmen kann.
regencape auf brasilianisch.
gaensehaut und kribbeln.
wir sind nicht alleine, der startschuss faellt.
An Ankes kokosnussharter Oberschenkelmuskulatur beisst sie sich jedoch die Hände aus, kopfschüttelnd wird Anke vom Barren gehievt und weiter geht es an die heute flussartige Copacabana, wo selbst die Caipirinha Stände Ihre Fahnen auf Halbmast haben, den Surfern fast die Bretter von den Fuessen geweht werden und sich der Zuckerhut edel im Nebelschleier verschanzt. Ich verschweige gezielt meine eigenen Probleme mit den Oberschenkeln sowie der Zerrung am Knöchel, die ich mir bei einem der nicht enden wollenden Urinentladungen mit dem Ausrutschen auf einem nassen Tüte im noblen aber heute menschenleeren Leblon geholt hatte.
im turnschuhvergleich sehen wir nicht so gut aus, dafuer haben wir die laengsten socken.
barra la tijuca, so sieht das wetter am marathontag noch gut aus.
unter der autobahnbruecke nach sao conrado, die kamera hat schon mal teer geschnuppert, funktioniert aber gluecklicherweise noch.
Wenigstens dürfen wir durch 3 Tunnels und haben somit eine faire Chance unser Shirt auszuringen, unsere nostalgischen Laufschuhe mit wenig Restsohle haben mit den diversen Löchern Entwässerungstechnisch durchaus vorher nicht erkannte Vorteile gegenüber der Konkurrenz, die Sonnenbrille wurde schon bei Kilometer 8 zum wasserabweisenden Stirntrasse umgebaut. Die farbigen Strassenmarkierungen und Absperrungen fliegen bereits durch die Luft, witzig die Szene, wo sich einem ebenfalls angeschlagenen Teilnehmer das abgerissene Plastikband um den Fuss wickelt und gezielt zum Knoten mutiert, einer der letzten verwehten Zuschauer kümmerte sich liebevoll um seinen K(r)ampf, uns war das bei eigenem Empfinden, dass wir bei jedem Schritt eine 500 Kg schwere Stahlkugel ankicken völlig egal.
tunnel nach leblon, zeit zum kleider ausringen.
ipanema, der aufgepimpte zinnsoldatenschritt in edelausfuehrung.
5 kilometer weiter an der copacabana, alle zuschauer wurden weggeweht, dazu gesellen sich neu tropische muskelkraempfe.
Kilometer 35, unsere Schritte werden immer steifer, sehen von aussen wohl wie zwei aufgepimpte Zinnsoldaten aus, nun muss Anke aufs Klo, eine Heldentat unter diesen Umständen, wer mal sitzt der sitzt, ein gezieltes Aufstehen von der Schüssel braucht Mut und Bärenkraft, die wir eigentlich gar nicht mehr haben. Doch es geht weiter, langsam schiebt sich unerwartet ein Verpflegungsstand mit Bananen und Äpfel ins Blickfeld, unter leichtem Traben vor Ort stopfen wir uns beidhändig von den im Dauerregen zu Brei verwandelten Bananen und paarweise wässrigen Schnitze in unseren ausgelaugten Körper. Ja wir haben auch davon gehört, dass man moderne Gels mitnehmen und unterwegs zur Stärkung konsumieren kann, leider passte eine solche Einkaufsaktion nicht in unseren eng gesteckten Zeitplan, zudem hatten wir Hemmungen, den im Plastikband verknoteten Läufern die Gels aus den Hosen zu klauen.
nach einer massage gehts fuer 2 minuten besser.
letzter tunnel nach botafogo und flamengo, das weisse loch kommt nicht naeher, aber die fuesse tragen noch.
Kilometer 41 Botafogo, der Kilometerschnitt von 5.40 hatte sich schon lange auf knapp 7 Minuten ausgedehnt, Tendenz steigend, nun war aber kein Halten mehr, mit Tränen in den Augen blieben Ankes Beine mitten in einer Pfütze stehen, von nun an wackelten wir dem Ziel entgegen, neben uns hat einer seine Schuhe entsorgt und schiebt sich barfuss in den Rückenwind, weiter vorne übergibt sich ein zittriger Teilnehmer über die Balustrade, solche Szenen motivieren uns.
800 meter vor dem ziel die stimmung auf den raengen und der piste steigt gewaltig.
ueber der ziellinie, traenen, freude und erleichterung, laufen koennen wir nicht mehr, die toilettenkabinen sind auf einer treppe unereichbar, aber wir sind gluecklich. ps. anke ist nicht so bleich, das ist ein wassertropfen.
Da plötzlich taucht das Ziel am Horizont auf, dazu gesellen sich endlich ein paar Anfeuerungsrufe, die mumifizierten Beine geben nochmals alles und schwuppdiwupp sind wir über der Ziellinie. Umarmung, Küsse, Freudenschreie, sogar eine Medaille bekommen wir, ein Schirm wäre wohl praktischer gewesen. Immerhin sind die Bananen bei der Verpflegungsausgabe am Ausgang überdacht und können fast originalgetreu genossen werden.
heldenmedaillen.
Eigentlich hatten wir uns vorgestellt danach verschwitzt ins Meer zu springen, einen Caipirinha unter dem Sonnenschirm zu schlürfen und einfach die Beine hochzulegen. Doch der Orkanartige Wind bläst alle Finisher schleunigst nach Hause, schade die ganze Stimmung geht verloren und die einzigen Aufsteller sind die fremdartigen Fortbewegungstaktiken der von Krämpfen geschüttelten Marathonisten und vor allem das Erreichen der auf einer Treppe intelligent hingestellten Plastiklos, die sich für die Läufer wie der vereiste Mount Everest unerreichbar präsentieren.
ueberraschende gesellschaft am ziel, die laeufergruppe basel.
Überraschenderweise treffen wir im Zielgelände auf die Basler Läufergruppe, wenigstens die positiven Zufälle bleiben an diesem regnerischen Tag bestehen, leider wird es aber nix mit Samba, Freude, Eierkuchen an der Copacabana, alle verziehen sich schlotternd ins nächste Taxi und dann ins Hotel Wellness oder in die warme Badewanne zu Hause. Da die Strasse zu unserem Parkplatz durch den Marathon nach wie vor gesperrt ist, dürfen wir auch noch die letzten 3 Kilometer nach Hause humpeln, Wellness und Badewanne sind für Warmduscher, wir kuscheln uns dafür an der Petrobas Tankstelle romantisch unter die warme Villa Venus Bettdecke und sind sogar zu müde um von einem sonnigen Tag zu träumen.
unser villa venus wellness!
Ate la proxima.
a&t
Aufbruch: | 21.11.2009 |
Dauer: | 3 Jahre |
Heimkehr: | 15.04.2013 |
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